Leitsatz (amtlich)

Erklärt sich der Schuldner einer geringfügigen Forderung gegenüber dem Gerichtsvollzieher zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung bereit, muss der Gläubiger allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2 S. 2, § 133 Abs. 1; ZPO § 806b aF

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 26.07.2016; Aktenzeichen 11 S 219/15)

AG Köln (Entscheidung vom 06.05.2015; Aktenzeichen 112 C 223/14)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Köln vom 26.7.2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 4.10.2013 am 27.11.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des S. (nachfolgend: Schuldner), der einen Dachdeckerbetrieb unterhielt. Der Beklagte erstellte für den Betrieb des Schuldners im Rahmen eines einmaligen geschäftlichen Kontakts Dachöffnungen und führte Kernbohrungen durch. Für diese Arbeiten stellte er dem Schuldner am 7.7.2011 einen Betrag i.H.v. 1.674,93 EUR in Rechnung. Nachdem der Schuldner den Rechnungsbetrag auch nach dreimaliger Mahnung nicht beglichen hatte, leitete der Beklagte das gerichtliche Mahnverfahren ein. Am 27.1.2012 erging gegen den Schuldner ein Vollstreckungsbescheid. Im März 2012 bestanden gegen den Schuldner fällige Forderungen weiterer Gläubiger i.H.v. mehr als 91.000 EUR, welche bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zurückgeführt wurden. Der mit der Vollstreckung des Titels beauftragte Gerichtsvollzieher vereinbarte mit dem Schuldner am 12.3.2012 Ratenzahlungen i.H.v. monatlich 200 EUR. Am selben Tag erbrachte der Schuldner die erste Teilleistung in der vereinbarten Höhe. Anschließend informierte der Gerichtsvollzieher den Beklagten schriftlich über das Ratenzahlungsangebot des Schuldners und teilte mit, der Schuldner sei seines Erachtens in der Lage, die Sache durch Ratenzahlung zu erledigen. Am 3.4.2012 und 4.5.2012 zahlte der Schuldner jeweils 355 EUR an den Gerichtsvollzieher, am 4.7.2012 einen Betrag von 460,80 EUR sowie am 10.8.2012 und 30.8.2012 jeweils 300 EUR.

Rz. 2

Gestützt auf eine Vorsatzanfechtung der über den Gerichtsvollzieher erbrachten Leistungen hat der Insolvenzverwalter im Oktober 2014 Klage auf Zahlung von 1.965,80 EUR erhoben. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 3

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe kein auf §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 InsO gestützter Rückgewähranspruch zu. Es fehle die Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Entgegennahme der Ratenzahlungen nicht zwingend auf eine wenigstens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen müssen. Zwar deute das monatelange Schweigen des Schuldners einer unstreitigen Forderung trotz erheblichen Zahlungsdrucks grundsätzlich auf schwerwiegende Liquiditätsprobleme hin und könne ein Indiz für eine Zahlungseinstellung darstellen. Vorliegend habe der Beklagte jedoch nicht in einer länger andauernden Geschäftsbeziehung zum Schuldner gestanden, sondern aufgrund der erstmaligen Auftragserteilung keine Kenntnis über dessen Zahlungsverhalten und sonstiges geschäftliches Gebaren besessen. Überdies stelle die ursprüngliche Forderung i.H.v. 1.674,96 EUR auch für kleine und mittlere Geschäftsbetriebe eine lediglich geringe Forderung dar. Die Nichtbegleichung einer geringfügigen Forderung lasse jedoch für sich genommen nicht den Schluss auf existenzbedrohende Zahlungsschwierigkeiten zu. Die Tatsache, dass der Schuldner mit dem Gerichtsvollzieher trotz der Geringfügigkeit der Forderung eine - bis auf eine Unterbrechung im Juni 2012 - termingerecht eingehaltene Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen habe, stelle ebenfalls kein starkes Indiz für eine Zahlungseinstellung dar.

II.

Rz. 5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung des Schuldners nach § 133 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren bis zum 5.4.2017 geltenden Fassung setzt voraus, dass der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner diesen Vorsatz kannte. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der zufolge der Beklagte den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht erkannt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 6

1. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt stellen die zwischen dem 12.3.2012 und 30.8.2012 an den Gerichtsvollzieher geleisteten Zahlungen Rechtshandlungen des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO dar. Leistet der Schuldner zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung, ist eine anfechtbare Rechtshandlung gegeben, weil der Schuldner noch in der Lage ist, über den angeforderten Betrag nach seinem Belieben zu verfügen. Diese Möglichkeit zu eigenem, willensgesteuerten Handeln wird dem Schuldner nicht allein dadurch genommen, dass die Einzelzwangsvollstreckung bereits begonnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2009 - IX ZR 128/08, ZInsO 2010, 226 Rz. 10 f.). Im Rahmen einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO a.F. erbrachte Leistungen des Vollstreckungsschuldners sind regelmäßig nicht auf einen einheitlichen hoheitlichen Zugriff zurückzuführen, sondern beruhen auf der eigenen Entscheidung des Schuldners (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2009, a.a.O., Rz. 13 m.w.N.; MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 133 Rz. 9a). Auch nach Beginn der Zwangsvollstreckung kann der Schuldner frei entscheiden, ob er die vom Gerichtsvollzieher bislang nicht aufgefundenen oder herausverlangten Vermögenswerte ratenweise herausgibt oder aber die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2009, a.a.O., Rz. 12).

Rz. 7

2. Die angefochtenen Vermögensverlagerungen haben die Insolvenzgläubiger i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt. Die an den Beklagten geleisteten Zahlungen haben das später der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Vermögen des Schuldners verringert (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2015 - IX ZR 95/14, ZInsO 2015, 1262 Rz. 8 m.w.N.). Die Anfechtungsfrist ist gewahrt.

Rz. 8

3. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Schuldner die Rechtshandlungen mit dem gem. § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat.

Rz. 9

a) Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (vgl. BGH, Urt. v. 25.2.2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rz. 11 m.w.N.). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz regelmäßig entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2015 - IX ZR 180/12, ZInsO 2015, 628 Rz. 18 f m.w.N.).

Rz. 10

b) Nach den tatrichterlichen Feststellungen hatte der gewerblich tätige Schuldner bereits im März 2012 seine Zahlungen eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt bestanden gegen den Schuldner fällige Forderungen i.H.v. mehr als 91.000 EUR, welche bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zurückgeführt wurden. Dieser Umstand gestattet für sich genommen den Rückschluss auf eine Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2015 - IX ZR 95/14, ZInsO 2015, 1262 Rz. 15 m.w.N.).

Rz. 11

4. Die eine Kenntnis des Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ablehnende Würdigung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 12

a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2013 - IX ZR 4/13, ZInsO 2013, 2213 Rz. 14; v. 14.7.2016 - IX ZR 188/15, ZInsO 2016, 1749 Rz. 12). Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen geschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gem. § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1901 Rz. 8). Die revisionsgerichtliche Kontrolle der vom Berufungsgericht zur Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes getroffenen Feststellungen beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2016, a.a.O.).

Rz. 13

b) Einer Überprüfung anhand dieses Maßstabes hält die angefochtene Entscheidung stand.

Rz. 14

aa) Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urt. v. 17.12.2015 - IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 Rz. 23 m.w.N.).

Rz. 15

bb) Das Berufungsgericht konnte im Streitfall ohne Verstoß gegen § 286 ZPO zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Beklagten keine Umstände bekannt waren, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zweifelsfrei folgte. Insbesondere ist die Würdigung des Berufungsgerichts revisionsrechtlich hinzunehmen, wonach der im erstmaligen Geschäftskontakt zu dem Schuldner stehende Beklagte aus der Tatsache, dass der Schuldner die verhältnismäßig geringfügige Forderung erst nach dreimaliger außergerichtlicher Mahnung und Erlass eines Vollstreckungsbescheides im Rahmen einer mit dem Gerichtsvollzieher gem. § 806b ZPO a.F. geschlossenen Zahlungsvereinbarung beglich, nicht zwingend auf die aus einer Zahlungseinstellung herrührende Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) schließen musste.

Rz. 16

(1) Grundsätzlich kennt ein Gläubiger die Zahlungseinstellung bereits dann, wenn er selbst bei Leistungsempfang seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht der Lage ist, die Forderungen zu erfüllen (BGH, Urt. v. 30.4.2015 - IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 Rz. 9; v. 14.7.2016 - IX ZR 188/15, ZInsO 2016, 1749 Rz. 21). Das monatelange völlige Schweigen eines Schuldners auf Rechnungen und Mahnungen kann hierbei für sich genommen ein Indiz für eine Zahlungseinstellung begründen (vgl. BGH, Urt. v. 25.2.2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rz. 13; vom 14.7.2016, a.a.O., Rz. 23). Ein weiteres Beweisanzeichen ist in der eigenen Erklärung des Schuldners zu sehen, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2016 - IX ZR 242/13, ZInsO 2016, 910 Rz. 8; v. 8.1.2015 - IX ZR 203/12, ZInsO 2015, 396 Rz. 21 m.w.N.). Betreibt ein die kritische Lage des Schuldners erkennender Gläubiger die Zwangsvollstreckung und zahlt der Schuldner zu deren Abwendung, kann dies ebenfalls eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO begründen (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2003 - IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, 256 m.w.N.).

Rz. 17

Allerdings ermöglicht die zwangsweise Durchsetzung einer Forderung für sich betrachtet keinen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.2017 - IX ZR 111/14, zVb Rz. 19). Die Vorsatzanfechtung beruht nicht auf dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, sondern schützt das Interesse der Gläubiger, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 150; v. 16.1.2014 - IX ZR 31/12, ZInsO 2014, 293 Rz. 17; vom 22.6.2017, a.a.O., Rz. 20). Daher unterliegt der Gläubiger, welcher sich mangels näherer Kenntnisse über die Liquiditätslage des Schuldners der staatlichen Zwangsmittel zur Forderungsdurchsetzung bedient, außerhalb des von den Normen der besonderen Insolvenzanfechtung geschützten Zeitraums grundsätzlich keinen vom Anfechtungsrecht ausgehenden Beschränkungen (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.2017, a.a.O., m.w.N.). Zum Schutz vor einer möglichen Zahlungsunwilligkeit, bewussten Zahlungsverzögerungen oder einem erzwungenen Lieferantenkredit muss dem Gläubiger, demgegenüber erstmalig ein Zahlungsrückstand auftritt und der über keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsfähigkeit des Schuldners verfügt, möglich sein, außerhalb des von der besonderen Insolvenzanfechtung erfassten Zeitraums seine Forderung ohne Anfechtungsrisiko auf dem gerichtlichen Weg durchzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.2017, a.a.O., Rz. 22).

Rz. 18

Auch das Wissen um die ausbleibende oder stockende Tilgung einer verhältnismäßig geringen Forderung begründet regelmäßig noch nicht die Kenntnis des Gläubigers von einer Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2015, a.a.O., Rz. 10 m.w.N.). Die schleppende Berichtigung einer nicht auffallend hohen Verbindlichkeit kann verschiedene Ursachen haben und muss nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2015, a.a.O.; MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 130 Rz. 39). Insbesondere trifft die Erwägung der Revision, wonach die Nichtbegleichung kleinerer Forderungen erst recht auf die Unfähigkeit zur Entrichtung größerer, ebenfalls noch offener Beträge schließen lasse, nicht zu (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 143). Ein solches Zahlungsverhalten lässt mehrere Deutungen zu, etwa auch die, dass die kleinere Forderung aus Nachlässigkeit nicht beglichen worden ist.

Rz. 19

(2) Hiernach durfte das Berufungsgericht annehmen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht erkannt hat. Das Berufungsgericht hat die vom Senat geforderte Gesamtwürdigung vorgenommen, welche die vorgenannten, hier wesentlichen Umstände einbezieht. Dazu gehört insb., dass der Beklagte als außenstehender Gläubiger keinen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Schuldners hatte (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rz. 17; vom 30.4.2015, a.a.O., Rz. 11). Er hatte weder Einblick in die Geschäftsunterlagen des Schuldners, noch kannte er dessen Zahlungsverhalten gegenüber anderen Gläubigern (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2015, a.a.O.). Er musste lediglich allgemein damit rechnen, dass der gewerblich tätige Schuldner weitere Gläubiger mit offenen Rechnungen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2012 - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rz. 30; v. 6.12.2012 - IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190 Rz. 42; vom 30.4.2015, a.a.O.). Entscheidend ist - was das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben hat - des Weiteren, dass sich der Geschäftskontakt zwischen dem Schuldner und dem Beklagten auf die einmalige Ausführung von Werkleistungen beschränkte. Dem Beklagten war es deshalb nicht möglich, aus dem vorangehenden Zahlungsverhalten eindeutige Rückschlüsse auf die finanzielle Situation des Schuldners zu ziehen. Anderweitige Kontakte oder Gespräche zwischen dem Beklagten und dem Schuldner, in deren Rahmen sich finanzielle Schwierigkeiten offenbarten oder um Stundung gebeten wurde, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht vorgetragen.

Rz. 20

Innerhalb des von § 286 ZPO eröffneten Wertungsrahmens hält sich auch die Erwägung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte angesichts der Höhe und der Bedeutung der Verbindlichkeit für die Fortführung des schuldnerischen Geschäftsbetriebs keinen zwingenden Schluss auf existenzielle wirtschaftliche Schwierigkeiten des Schuldners ziehen musste. Zwar wurde die streitgegenständliche Forderung erst nach monatelangem Schweigen unter dem Eindruck der Zwangsvollstreckung im Wege einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO a.F. beglichen. Dies kann grundsätzlich auf das Vorliegen eines nicht unerheblichen finanziellen Engpasses hindeuten (vgl. BGH, Urt. v. 25.2.2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rz. 14). Entgegen der Ansicht der Revision kann aber allein aus der Tatsache, dass mit dem Gerichtsvollzieher eine Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO a.F. geschlossen wurde, kein zwingendes Indiz für eine Zahlungseinstellung abgeleitet werden. Zwar setzt der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO a.F. das Nichtvorfinden pfändbarer Gegenstände und damit den fruchtlosen Verlauf eines Vollstreckungsversuchs voraus. Dieser Umstand kann grundsätzlich für eine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Schuldners gewertet werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 185 f.; v. 22.6.2017 - IX ZR 111/14, zVb Rz. 25). Werden dem Gläubiger - wie im hier zu entscheidenden Einzelfall - jedoch im Rahmen der Vollstreckung keine über die durch den Gerichtsvollzieher mitgeteilte, grundsätzliche Fähigkeit und Bereitschaft des Schuldners, die ausstehende Schuld kurzfristig in Teilbeträgen zu tilgen, hinausgehenden Tatsachen bekannt, begründet der Abschlusses einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO a.F. für sich betrachtet keine Anfechtbarkeit der empfangenen Zahlungen nach § 133 Abs. 1 ZPO. Anderenfalls wäre ein Einzelgläubiger regelmäßig gehalten, sein Einverständnis zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 806b ZPO a.F. aufgrund der hierdurch erst eröffneten Vorsatzanfechtung zu versagen.

Rz. 21

Der Wertung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte aufgrund der unter Berücksichtigung des konkreten Zuschnitts des schuldnerischen Unternehmens geringen Forderungshöhe von 1.674,93 EUR von dem Vorliegen einer nur geringfügigen Liquiditätslücke ausgehen durfte, ist demnach nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2013 - IX ZR 49/13, ZInsO 2013, 2434 Rz. 14 m.w.N.). Für diese Sichtweise spricht ferner, dass es sich bei der Forderung nicht um eine zur Betriebsfortführung notwendige, fortlaufende Verbindlichkeit wie Sozialabgaben, Steuern, Mieten oder Lohnzahlungen handelte (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2015 - IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 Rz. 9), sondern lediglich um eine aus einer einmaligen Geschäftsbeziehung folgende Schuld.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11185020

DB 2017, 2090

DB 2017, 6

DStR 2017, 2179

NJW 2017, 9

EWiR 2017, 635

WM 2017, 1709

ZIP 2017, 1677

DGVZ 2017, 243

DZWir 2018, 79

JZ 2017, 739

MDR 2017, 1208

NZI 2017, 7

NZI 2017, 850

Rpfleger 2017, 654

ZInsO 2017, 1881

InsbürO 2017, 467

KSI 2017, 280

NJW-Spezial 2017, 629

RENOpraxis 2017, 243

StX 2017, 685

ZVI 2017, 428

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