Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der statischen Versicherungsrente der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst an die Geldentwertung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Geldentwertung führt im allgemeinen nicht zu einer Anpassung der statischen Versicherungsrente.

 

Normenkette

VBLSa § 37 Abs. 1 Buchst. b Fassung 1967, § 44 Abs. 1 Buchst. c Fassung 1967, Buchst. d Fassung 1967

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 16.09.1993; Aktenzeichen 12 U 138/93)

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.02.1993; Aktenzeichen 6 O 513/92)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1918 geborene Kläger verlangt von der beklagten Versorgungsanstalt die Erhöhung seiner Rente wegen der seit der letzten Beitragszahlung eingetretenen Geldentwertung. Er war seit 6. Dezember 1945 bei der Beklagten pflichtversichert. Nachdem er den Arbeitsplatz gewechselt hatte und nicht mehr bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, der mit der Beklagten eine Beteiligungsvereinbarung geschlossen hatte, endete seine Versicherungspflicht. Die Versicherung wurde daher ab 1. Januar 1969 beitragsfrei fortgeführt. Am 1. März 1980 trat der Versicherungsfall ein. Seit diesem Zeitpunkt zahlt die Beklagte dem Kläger eine monatliche Versicherungsrente in Höhe von 187,10 DM.

Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers sind die Lebenshaltungskosten für einen 4-Personen-Haushalt von Arbeitern und Angestellten im Zeitraum von 1970 bis 1992 um 137% gestiegen. Der Kläger meint, der erhebliche Kaufkraftverlust habe dazu geführt, daß die von der Beklagten gewährte Rente nicht mehr als angemessene Gegenleistung für die von ihm entrichteten Beiträge angesehen werden könne. Die Beklagte sei daher nach Treu und Glauben verpflichtet, die Rente den veränderten Verhältnissen anzupassen.

Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten, ihm monatlich weitere 245,80 DM, insgesamt also eine Versicherungsrente von 432,90 DM, zu bezahlen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien sei derjenigen zwischen einem privaten Lebensversicherer und seinem Versicherungsnehmer, dessen Versicherung gemäß § 174 VVG prämienfrei gestellt wurde, vergleichbar. Auch dieser Versicherungsnehmer erhalte bei Eintritt des Versicherungsfalls lediglich eine Rente, die auf der Grundlage der bis zur Prämienfreistellung geleisteten Beiträge nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnet werde und die auf einen Kaufkraftverlust keine Rücksicht nehme. Für Lebensversicherungsverträge gelte grundsätzlich das Nominalwertprinzip. Auch langfristige Verträge könnten nicht unter Berufung auf § 242 BGB dahin ausgelegt werden, daß stillschweigend eine Wertsicherungsklausel vereinbart worden sei. Bei "normaler" Geldentwertung komme daher eine Anpassung nicht in Betracht. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Anpassung von Versorgungs- und Unterhaltsrenten bei erheblichem Kaufkraftschwund seien nicht anwendbar, weil die Versicherungsrente keinen Versorgungscharakter habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Der Kläger begehrt ausdrücklich keine Anpassung seiner Versicherungsrente an die Entwicklung der Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger des Bundes, wie sie § 56 Abs. 1 der Satzung der Beklagten (VBLS) für die Versorgungsrente als Bestandteil der Gesamtversorgung vorsieht. Er nimmt hin, daß die Versicherungsrente als nichtdynamische Leistung geregelt ist, meint aber, er könne nach den Grundsätzen, die für Äquivalenzstörungen im Rahmen gegenseitiger Verträge entwickelt worden sind, nach Treu und Glauben eine Erhöhung verlangen.

2. Das Verlangen des Klägers nach einer Anpassung der von der Beklagten geschuldeten Leistung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse ist unbegründet. Es läßt sich schon nicht feststellen, daß das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Klägers nachhaltig gestört ist.

a) Ob hier eine Äquivalenzstörung vorliegt, hängt nicht in erster Linie davon ab, wie sich die Kaufkraft des monatlichen Rentenbetrages im Laufe der Jahre entwickelt hat. Entscheidend ist vielmehr, was von den an der Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung Beteiligten als gleichwertig angesehen worden ist (vgl. BGHZ 77, 194, 198).

b) Die Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst beruht auf dem Konsens der Tarifpartner. Sie findet ihre Grundlage im Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV; GMBl. 1966, S. 627). Deshalb ist es geboten, die Frage der Äquivalenz aus der Sicht der Tarifpartner zu beurteilen.

Durch den genannten Tarifvertrag ist die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst weitgehend der Beamtenversorgung angeglichen worden. § 4 Versorgungs-TV begründet für die öffentlichen Arbeitgeber die Pflicht, ihre Arbeitnehmer bei der Beklagten so zu versichern, daß diese im Rahmen einer Gesamtversorgung eine dynamische Versorgungsrente erwerben können. Regelungen über die Versicherungsrente finden sich nicht im Tarifvertrag. Sie sind in der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1967 enthalten. Diese ist ebenfalls vom Konsens der Tarifvertragsparteien getragen. Die Tarifpartner haben sich seinerzeit im Zusammenhang mit dem Abschluß des Tarifvertrages auch auf den Wortlaut der neuen Satzung geeinigt. Der von ihnen im - paritätisch besetzten - Verwaltungsrat der Beklagten eingebrachte Satzungsentwurf ist dort ohne wesentliche Änderungen übernommen worden (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Einleitung Bl. A 17).

c) § 37 Abs. 1 VBLS unterscheidet zwischen Versorgungs- und Versicherungsrente. Während erstgenannte zusammen mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine dynamische, an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassende beamtenrechtsähnliche Versorgung sichert (§§ 40 bis 43b VBLS), ist die Versicherungsrente als statische, auf der Grundlage der eingezahlten Beiträge zu errechnende Leistung konzipiert worden (§ 44 VBLS). Ihre Höhe orientiert sich nicht am Versorgungsgedanken. Sie stellt vielmehr eine versicherungsmathematisch ermittelte Größe dar. Ihr Zweck erschöpft sich darin, dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Bediensteten einen versicherungstechnischen Gegenwert für die geleisteten Beiträge zu gewähren (Hesse, Betriebliche Altersversorgung 1967, 86; Hautmann, Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und ihre Rechtsverhältnisse, 1984 S. 48; Gilbert/Hesse, aaO § 44 Bl. B 183). Die Tarifpartner wollten dem Versicherten - auch im Interesse der Freizügigkeit beim Wechsel des Arbeitsplatzes - in jedem Fall eine gewisse Anwartschaft erhalten. Deshalb sollte ihm selbst beim Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst ein künftiger Anspruch auf Rente oder Beitragserstattung verbleiben (Hesse, aaO).

Die Tarifvertragsparteien haben für Fälle der vorliegenden Art eine Versicherungsrente in Höhe von 1,25% der Summe der entrichteten freiwilligen und Pflichtbeiträge als versicherungsmathematisches Äquivalent festgelegt (§ 44 Abs. 1 lit. c und d VBLS). Sie haben damit zugleich zum Ausdruck gebracht, daß sie in einer solchen statischen Rente eine angemessene Gegenleistung für die entrichteten Beiträge sehen. Das schließt ein, daß eine Geldentwertung im allgemeinen nicht zu einer Äquivalenzstörung führen kann. Im Gegenteil würde eine wegen gesunkener Kaufkraft vorgenommene Rentenerhöhung das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung in Frage stellen, weil die Versicherungsrente als nichtdynamische Leistung kalkuliert worden ist. Wäre eine Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse ins Auge gefaßt worden, hätten die Tarifpartner zwangsläufig einen niedrigeren Rentensatz vereinbaren müssen, um die angestrebte versicherungsmathematische Äquivalenz zu erreichen (Gilbert/Hesse, aaO § 44 Bl. B 183). Es ist daher nicht sicher, daß der Kläger heute besser stünde, wenn die Versicherungsrente "dynamisch" ausgestaltet worden wäre.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anpassung seiner Rente nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Eine Erhöhung nach § 16 BetrAVG scheitert bereits daran, daß die vom Kläger bezogene Versicherungsrente keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung darstellt (BAG, Urteil vom 1.7.1976 - 3 AZR 520/74 - VersR 1977, 266, 267).

4. Die Neuregelung der Leistungen der Beklagten zum 1. Januar 1967 verletzt den Kläger schließlich auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Ansicht der Revision, die Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1967 greife in verfassungswidriger Weise in Eigentumsrechte des Klägers ein, weil dieser nach der Neuregelung lediglich eine monatliche Rente von 187,10 DM erhalte, während ihm nach der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden Satzung (abgedruckt bei Gilbert/Hesse aaO, Teil D) monatlich 325,96 DM zugestanden hätten, erweist sich als unzutreffend. Bei ihrer Vergleichsbetrachtung geht die Revision zu Unrecht davon aus, die 1967 eingeführte Versicherungsrente entspreche dem früheren Ruhegeld im Sinne von §§ 34, 35 VBLS bis 1966.

a) Endet - wie hier - die Pflichtversicherung, weil das Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber, der mit der Beklagten eine Beteiligungsvereinbarung geschlossen hat, aufgelöst wird, entsteht eine beitragsfreie Versicherung (§ 34 Abs. 1 VBLS). Aus dieser erhält der ausgeschiedene Arbeitnehmer im Versicherungsfall eine Versicherungsrente (§ 37 Abs. 1 lit. b VBLS). Bei einer vergleichenden Betrachtung muß die Versicherungsrente deshalb derjenigen Leistung gegenübergestellt werden, die der Kläger auf der Grundlage der früheren Satzung erhalten hätte, wenn er vor dem Versicherungsfall aus dem die Versicherungspflicht begründenden Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre.

b) Nach § 25 Abs. 3 VBLS bis 1966 endete die Pflichtversicherung durch Beendigung des Dienstverhältnisses, das die Versicherungspflicht begründet hatte. Damit fand - unbeschadet der Möglichkeit, die Versicherung freiwillig fortzusetzen, § 24 Abs. 3 VBLS bis 1966 - auch das Versicherungsverhältnis sein Ende. Es entstand für den (früheren) Versicherten eine sogenannte beitragsfreie Anwartschaft, aus der er bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder bei Erreichen der Altersgrenze ein jährliches Ruhegeld in Höhe von 1% der Summe der Arbeitsentgelte, die der Beitragsbemessung zugrunde lagen (Leistung aus beitragsfreier Anwartschaft, § 50 Abs. 1 VBLS bis 1966), erhielt. Demgegenüber setzte das von der Revision als Vergleichsmaßstab herangezogene, nach § 35 VBLS bis 1966 berechnete Ruhegeld das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses und damit auch eines - die Versicherungspflicht begründenden - Arbeitsverhältnisses voraus (§ 33 Abs. 2 Satz 1 VBLS bis 1966). Daß die Leistung aus beitragsfreier Anwartschaft nach § 50 Abs. 1 VBLS bis 1966 höher gewesen wäre als die ihm gewährte Versicherungsrente, behauptet der Kläger nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 541189

LM, VBL-Satzung Nr. 19 (2/1995) (LT)

BGHR VBLS 37 Abs. 1, Geldentwertung 1 (LT)

BGHWarn 1994, Nr. 230 (LT)

NJW-RR 1994, 1433-1434 (LT)

ZAP, EN-Nr. 799/94 (S)

ZTR 1995, 461-462 (ST)

MDR 1994, 1188-1189 (LT)

VersR 1994, 1133-1134 (LT)

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