Leitsatz (amtlich)

Die auf ein gesetzliches Notprozessführungsrecht gestützte Grundbuchberichtigungsklage einzelner Separationsinteressenten wahrt die Frist des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB nicht, wenn die Interessenten bereits von der Gemeinde zur Geltendmachung des Eigentums der Interessentengesamtheit ermächtigt sind, dies aber nicht offen legen.

 

Normenkette

EGBGB Art. 233 §§ 10, 237, 2; BGB § 744 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Entscheidung vom 20.08.2002)

LG Stendal

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 20.8.2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Im Grundbuch von H. waren "Die Separationsinteressenten von H. " als Eigentümer der Flurstücke 226/20 und 233/21 der Flur 2 eingetragen. Ein Rechtsträgernachweis v. 9.11.1983 gibt als Grund der Überführung der Flächen in Volkseigentum einen Beschluss des Rates der Gemeinde v. 1.11.1983 an. Volkseigentum wurde am 29.11.1983 im Grundbuch vermerkt. Auf Grund von Vermögenszuordnungsbescheiden v. 18.6.1996 wurde die Beklagte am 27.3.1997 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Mit ihrer am 29.9.1998 eingegangenen, am 20.10.1998 zugestellten Klage haben die Kläger hinsichtlich des Flurstücks 226/20 und des aus Flurstück 233/21 hervorgegangenen Flurstücks 21/14 die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der Separationsinteressenten beantragt. Das LG hat die Klage als unzulässig, das OLG als unbegründet abgewiesen. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den Berichtigungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage, soweit die Kläger den Berichtigungsanspruch der Interessentengemeinschaft in gesetzlicher Prozess-Standschaft verfolgen, für unzulässig. Soweit sie sich auf eine Ermächtigung der Gemeinde H. zur Prozessführung stützen, sei die Klage unbegründet. Denn die Gemeinde habe - jedenfalls - mit Ablauf des 30.9.1998 Eigentum an den Flächen nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB erworben. Die Ermächtigung zur Prozessführung hätten die Kläger nämlich erst nach diesem Zeitpunkt dem Gericht angezeigt.

Dies hält den Angriffen der Revision stand.

II.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine gesetzliche Prozess-Standschaft der Kläger verneint, eine gewillkürte Prozess-Standschaft dagegen bejaht.

a) Revisionsrechtlich ist zwar davon auszugehen, dass die Kläger Mitglieder, der weitere Personen umfassenden Separationsinteressentengemeinschaft sind. Dies berechtigte sie jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht, die Rechte der Interessenten im eigenen Namen geltend zu machen. Die Interessenten an den von den Gemeinheitsteilungen des 19. Jahrhunderts (für Preußen: Gemeinheitsteilungsordnung v. 7.6.1821, GS.S. 53) ausgenommenen, den gemeinsamen Zwecken benachbarter Höfe dienenden Zweckgrundstücken bilden einen altrechtlichen Personenzusammenschluss, der, was das gemeinsame Vermögen angeht, grundsätzlich eine Gemeinschaft zur gesamten Hand darstellt (h. M.; näher, auch zu hier nicht interessierenden Ausnahmefällen, Böhringer, NJ 2000, 120 [122]; zum Fortbestehen der Interessentengemeinschaften vgl. Art. 113 EGBGB, für die Zeit der DDR § 2 Abs. 2 S. 2 EGZGB). Ob und inwieweit Mitgliedern von Gesellschaften mit gesamthänderisch gebundenem Vermögen, entsprechend der Regel für Teilhaber einer Gemeinschaft (§ 744 Abs. 2 BGB), die Befugnis zukommt, Rechte der Gesamtheit im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, ist umstritten und von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt (abl. BGH BGHZ 17, 181 [182]; abl. für die Klage im Eigeninteresse bei Verweigerung der Mitwirkung der Mitgesellschafter BGH BGHZ 39, 14 [20]; offen gelassen BGH, Urt. v. 11.2.1980 - II ZR 41/79, MDR 1980, 556 = GmbHR 1981, 186 = WM 1980, 1141 [1143]; zum Streitstand vgl. Ulmer in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 705 Rz. 21; Staudinger/Langhein, BGB [2002], § 744 Rz. 31). Für ein Notgeschäftsführungsrecht der klagenden Separationsinteressenten spricht, dass die Berichtigungsklage der Erhaltung des Vermögenswertes des Personenzusammenschlusses dient. Dagegen spricht die an die Körperschaften angenäherte Vertretung der Gesamtheit durch "Organe", die Art. 233 § 10 Abs. 3 EGBGB aufgreift. Dies geht zurück auf die gesetzliche Anordnung der Vertretungsverhältnisse für die von den Gemeinheitsteilungen ausgeschlossenen Zweckgrundstücke (für Preußen: Gesetz, betreffend die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten v. 2.4.1887, GS. S. 105, wonach die Vertretung auf Antrag dem Gemeindevorstand zu übertragen war). Der Streitstand nötigt den Senat indes nicht, die Frage zu entscheiden. Jedenfalls für die entsprechende Anwendung im Bereich der Gesamthandsgemeinschaften ist eine Verwaltungsmaßregel nach § 744 Abs. 2 BGB nicht nur durch die Erforderlichkeit der Maßnahme als solche bedingt, sondern mit Rücksicht auf den Vorrang der für die Gemeinschaft geltenden Regelungen als subsidiäres Recht zu verstehen (zutr. Karsten Schmidt in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., §§ 744, 745 Rz. 41), das nur eingreift, wenn die handlungsbefugten Organe der Gemeinschaft nicht handeln. Für Gemeinschaften im Bereich des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten findet dieser Gesichtspunkt der Subsidiarität des Notgeschäftsführungsrechts einzelner Mitglieder in der dort vorgesehenen Bestellung eines Administrators bei Ausbleiben einer gemeinschaftlichen Verwaltung eine weitere Stütze (LRS 37 I 17; vgl. auch Quack in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 10 EGBGB Rz. 1, der das gesetzliche Vertretungsrecht der Gemeinde als "eine Art Notgeschäftsführung durch die Gemeinde" begreift; zutr. dagegen Staudinger/Rauscher, BGB [1996], Art. 233 § 10 EGBGB Rz. 1, der mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes allein von einem Handeln in fremdem Namen ausgeht). Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein Prozessführungsrecht der Kläger im Interesse der Separationsinteressenten; denn die Gemeinde H. , auf deren Gemarkung die Zweckgrundstücke gelegen sind, hatte die Kläger, wie diese selbst vortragen, bereits vor Prozessbeginn ermächtigt, im eigenen Namen den Berichtigungsantrag zu verfolgen. Hierzu war sie gemäß Art. 233 § 10 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB befugt. Die Interessentengemeinschaft hatte mithin durch ihre gesetzliche Vertreterin gehandelt. Eine Notwendigkeit, die Klage, wie dies ausdrücklich erfolgt ist, als gesetzliche Prozess-Standschafter, gestützt auf § 744 Abs. 2 BGB, zu erheben, bestand nicht.

b) Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klageerhebung in gewillkürter Prozess-Standschaft bestehen nicht. Die Kläger haben als Separationsinteressenten ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Wahrung der Rechte der Gesamtheit. Eine unbillige Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten (BGH v. 24.10.1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151 [155] = MDR 1986, 311 = GmbHR 1986, 315) ist mit ihr nicht verbunden. Auf die Ermächtigung haben sich die Kläger, was grundsätzlich erforderlich ist (BGH v. 24.2.1994 - VII ZR 34/93, BGHZ 125, 196 [201] = MDR 1994, 1205), in der Tatsacheninstanz, nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem LG v. 15.12.1998, berufen.

2. Die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung konnte den Verlust des Eigentums der Separationsinteressenten, falls dieses die Enteignungsmaßnahme zurzeit der DDR überstanden hat, durch Fristablauf (Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB) nicht hindern.

a) Die Vorschrift ist, unbeschadet des Umstandes, dass zum Stichtag, dem 30.9.1998, Volkseigentum im Grundbuch nicht mehr eingetragen war, heranzuziehen. Der Senat hat bereits - weitergehend - entschieden, dass Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB eingreift, wenn nicht mehr, wie hier, der Abwicklungsberechtigte selbst, sondern eine Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist, die dessen Funktion übernommen hat (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 280/02, BGHReport 2003, 721). Die Beklagte war Abwicklungsberechtigte. In ihrer, den Vermerk zugunsten des Volkseigentums ablösenden Eintragung als Eigentümerin kam die bestehende Zuordnung des ehemaligen volkseigenen Vermögens berichtigend zum Ausdruck.

b) Die Kläger haben es versäumt, sich vor Ablauf des 30.9.1998 auf die von der Gegenseite erteilte Ermächtigung zu berufen. Die Wirkungen der gewillkürten Prozess-Standschaft treten erst in dem Augenblick ein, in dem sie offen gelegt wird oder offensichtlich ist (vgl. BGH v. 3.7.1980 - Iva ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 6 [8] = MDR 1980, 1006; Urt. v. 3.3.1993 - IV ZR 267/91, MDR 1993, 422 = NJW-RR 1993, 669 [671]; Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 49/99, BGHReport 2001, 951 = MDR 2002, 216 = NJW-RR 2002, 20 [22]). Dieser Grundsatz, der der Ermächtigung die Wirkung des § 185 BGB versagt, ist von der Rechtsprechung zur Verjährung gem. § 209 BGB a. F. entwickelt worden (vgl. bereits BGH, Urt. v. 26.11.1957 - VIII ZR 70/57, NJW 1958, 338 [339] = MDR 1958, 421 [422], m. Anm. Bülow). Durchgreifende Bedenken, ihn auch auf die Wahrung der Frist des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB durch Klageerhebung anzuwenden, bestehen nicht. Zwar führt die Vorschrift, anders als die Verjährung, zum Verlust des Rechts selbst. Im Vordergrund steht aber hier wie dort das gesetzgeberische Anliegen, Rechtsfrieden zum Nachteil des Berechtigten, der sich verschwiegen hat, zu schaffen (vgl. zur Verjährung BGH BGHZ 59, 72 [74]; Motive I, 291 f.). Art. 237 § 2 EGBGB sollte, in Anlehnung an eine Verwirkungs- (vgl. Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581 [585]) oder Ersitzungsvorstellung, die definitive Klärung einer - aus der Wirklichkeit der DDR herrührenden unübersichtlichen und zweifelhaften - Rechtslage bewirken (vgl. OLG Dresden VIZ 2000, 424 [425]; Busche in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 237 § 2 EGBGB Rz. 1, 17, 20; Bamberger/Roth/Kühnholz, BGB 2003, Art. 237 § 2 EGBGB Rz. 1), indem jedem, der sich auf einen Mangel berufen konnte, eine Letzte, zeitlich begrenzte Chance eingeräumt wurde, diesen Mangel geltend zu machen; danach soll im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit eine Berufung auf den Mangel nicht mehr möglich sein (vgl. Busche in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 237 § 2 EGBGB Rz. 1; Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581 [585]; Schmidt-Räntsch, VIZ 1997, 449 [453]; unergiebig insoweit die Gesetzesmaterialien, vgl. BT-Drucks. 13/7275, in ZIP 1997, 711 [712]).

c) Dies verstößt nicht gegen Art. 14 GG, obwohl der gesetzliche Eigentumserwerb und damit der entschädigungslose Entzug der Rechtsposition des früheren Eigentümers ohne Rücksicht auf die Schwere etwaiger Erwerbsfehler eintritt (vgl. auch BGH, Urt. v. 10.10.1997 - V ZR 80/96, MDR 1998, 210 = WM 1998, 81 [82] = VIZ 1998, 94 [95]). Anders als die Revision meint, ist die Verhältnismäßigkeit angesichts der Bedeutung des mit der Vorschrift verfolgten Ziels gewahrt. Bei ihrem In-Kraft-Treten waren bereits sieben Jahre seit dem Beitritt verstrichen; während dieser Zeit und noch ein weiteres Jahr bis zum 30.9.1998 bestand für die vom Eigentumsverlust bedrohten "Alt"-Eigentümer Gelegenheit, ihre Rechte aus dem Eigentum geltend zu machen (vgl. Busche in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 237 § 2 EGBGB Rz. 20 m. w. N.; Bamberger/Roth/Kühnholz, BGB 2003, Art. 237 § 2 EGBGB Rz. 2; a. A. Rosenberger, VIZ 1997, 403; Horst, DtZ 1997, 183; s. auch Grün, ZIP 1996, 1860; Grün, ZIP 1997, 491).

d) Der Senat hat es bisher offen gelassen, ob der Erwerb des Abwicklungsberechtigten des ehemaligen Volkseigentums nach Art. 237 § 2 EGBGB gegenüber dem Erwerb des Buchberechtigten nach Art. 237 § 1 EGBGB insoweit begünstigt ist, als dem wahren Berechtigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausschlussfrist versagt ist (Art. 232, § 2 Abs. 2 S. 3 einerseits, Abs. 1 S. 4 andererseits; BGH, Urt. v. 17.11.2000 - V ZR 487/99, BGHReport 2001, 153 = WM 2001, 477 [479]). Die Frage kann auch weiter offen bleiben. Die Kläger haben die Frist, jedenfalls nicht unverschuldet versäumt; denn der fristwahrenden Erhebung der Klage in gewillkürter Prozess-Standschaft stand nichts im Wege.

 

Fundstellen

Haufe-Index 959669

BGHR 2003, 1130

VIZ 2004, 79

WM 2003, 1974

ZfIR 2003, 745

MDR 2003, 1172

NJ 2004, 23

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