Leitsatz (amtlich)

a) Eine der Sicherheit eines technischen Arbeitsmittels dienende DIN-Norm wird mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu einer allgemein anerkannten Regel der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Gerätesicherheitsgesetz, wenn sie unter Beteiligung der betroffenen Fachkreise zur Vermeidung eines erkannten Unfallrisikos erarbeitet worden ist und die Befolgung der Norm zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens aufgrund ihrer längerfristigen Vorveröffentlichung und des vorgegebenen Standes der Technik dem Hersteller keine Schwierigkeiten bereitet.

b) Der Hinweis eines Wirtschaftsverbandes von Herstellern von Metallwaren an die Händler, daß eine solche DIN-Norm zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft getreten sei, ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Irreführend im Sinne des § 3 UWG ist ein solcher Hinweis aber dann, wenn damit der den Bestimmungen des Gerätesicherheitsgesetzes nicht entsprechende Eindruck vermittelt wird, der Handel dürfe auf Lager befindliche (Alt-)Geräte nicht über diesen Zeitpunkt hinaus absetzen.

Zur Frage des Schadens eines vom Vertriebsverbot des § 3 Abs. 1 GerätesicherheitsG betroffenen Importeurs bei irreführenden Angaben in einem an Abnehmer gerichteten Rundschreiben eines Herstellerverbandes.

 

Normenkette

GerätesicherheitsG § 3 Abs. 1; UWG §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 01.06.1989)

LG München I (Urteil vom 11.08.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juni 1989 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I, 4. Kammer für Handelssachen, vom 11. August 1988 stattgegeben wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte, ein Wirtschaftsverband für die Hersteller von M. und verwandten I., wandte sich mit Rundschreiben vom 21. Januar 1988 bundesweit an den Handel. In diesem wies er unter der Überschrift „Vorsicht beim Einkauf von Sahne- und Sodasiphons mit Kapseln – Norm mit sicherheitstechnischen Festlegungen veröffentlicht –” auf die neue DIN-Norm 32 615 hin, welche bei Sahne- und Sodasiphons ein Überdruckventil erfordert.

Die DIN 32 615 war auf Initiative des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zustandegekommen. Dieser hatte mehrere Unfälle bei der Handhabung von Sahnebereitern zum Anlaß genommen, im Dezember 1983 bei der Kommission Sicherheitstechnik im Deutschen Institut für Normung (DIN) einen Antrag auf Normung von Sahnebereitern einzureichen. Nach Gründung des Ausschusses unter Beteiligung der maßgeblichen Fachkreise im März 1985 wurde am 10. Dezember 1986 die DIN 32 615 als Norm verabschiedet und veröffentlicht. Als Zeitpunkt des Beginns ihrer Gültigkeit wird darin der 1. Februar 1988 genannt.

Die Klägerin, welche die von ihrer Muttergesellschaft in Österreich hergestellten Siphongeräte für Sodawasser und Sahnezubereitung im Inland vertreibt, beanstandet das an den Handel gerichtete Rundschreiben des Beklagten vom 21. Januar 1988 in folgenden Passagen als wettbewerbswidrig:

„Entsprechend dem Gerätesicherheitsgesetz dürfen nur solche Geräte in den Verkehr gebracht werden, die den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Durch die Veröffentlichung vorgenannter Norm wurde der Stand der Technik festgelegt, der künftig zu beachten ist.

Die Veröffentlichung der Norm DIN 32 615 bedeutet für den Handel:

  • Vorhandene Lagerbestände sind bis zum 1. Februar 1988 von der Norm nicht berührt.
  • Ab 1. Februar 1988 ist besonders darauf zu achten, daß die Siphons und Kapseln den Festlegungen dieser Norm entsprechen.

Es empfiehlt sich deshalb, daß alle Beteiligten auf die Einhaltung der in DIN 32 615 getroffenen Festlegungen achten, da die nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden zu gegebener Zeit Marktkontrollen durchführen werden und davon auszugehen ist, daß diese Norm als Grundlage für die sicherheitstechnische Beurteilung der Geräte herangezogen wird.”

Die Klägerin hat vorgetragen, das Schreiben vermittle dem Handel den Eindruck, Soda- und Sahnesiphons dürften nur vertrieben werden, wenn sie der genannten DIN-Norm entsprächen. Das sei nach der Gesetzeslage aber unrichtig. § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel lasse auch den Vertrieb solcher Geräte zu, die die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleisteten. Hierauf hätte der Beklagte hinweisen müssen. Unzutreffend sei zudem, die DIN-Norm, die erst zum 1. Februar 1988 in Kraft getreten sei, als „allgemein anerkannte Regel der Technik” anzusehen. Davon könne erst gesprochen werden, wenn diese DIN-Norm sich am Markt durchgesetzt habe. Aus der Tatsache, daß die Firma Heymsiphon, die Marktführerin, DIN-gerechte Geräte herstelle, sei nicht zu folgern, es handele sich bei der DIN 32 615 um eine allgemein anerkannte Regel der Technik. Der Hinweis, vorhandene Lagerbestände seien bis zum 1. Februar 1988 von der Norm nicht berührt, sei zudem unklar und irreführend. Dem Handel sei es jedenfalls unbenommen, über den 1. Februar 1988 hinaus vorhandene Geräte abzusetzen.

Sie hat beantragt,

  1. dem Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:

    „Die Veröffentlichung der Norm DIN 32 615 „Sahne- und Sodasiphons mit Kapseln” bedeutet für den Handel:

    • vorhandene Lagerbestände sind bis zum 1. Februar 1988 von der Norm nicht berührt;
    • ab 1. Februar 1988 ist besonders darauf zu achten, daß die Siphons und Kapseln den Festlegungen dieser Norm entsprechen.

    Es empfiehlt sich deshalb, daß alle Beteiligten auf die Einhaltung der in DIN 32 615 getroffenen Festlegungen achten, da die nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden zu gegebener Zeit Marktkontrollen durchführen werden und davon auszugehen ist, daß diese Norm als Grundlage für die sicherheitstechnische Beurteilung der Geräte herangezogen wird”;

  2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfange er die in Ziffer 1 bezeichnete Handlung vorgenommen hat, und zwar unter Angabe der Namen und Anschriften der Händler;
  3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1 bezeichnete Handlung entstanden ist und noch entstehen wird.

Das Landgericht hat nur den Unterlassungsanspruch zuerkannt. Das Berufungsgericht hat der Klage auch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs und des Schadensersatzbegehrens stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat das von der Klägerin beanstandete Rundschreiben als irreführend angesehen. Es hat dazu ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob schon mit dem Inkrafttreten der DIN-Norm 32 615 diese als eine allgemein anerkannte Regel der Technik anzusehen gewesen sei. Die gegebene Information sei nämlich schon deshalb unrichtig, weil sie den Eindruck erwecke, ab dem 1. Februar 1988 dürften nur noch Produkte in den Handel gebracht werden, die der DIN-Norm entsprächen. Dies entspreche aber nicht der Rechtslage. Auch wenn unterstellt werde, die DIN-Norm 32 615 sei eine allgemein anerkannte Regel der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 GerSiG, dürfe nach Satz 2 dieser Vorschrift hiervon abgewichen werden, soweit die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleistet sei. Wenn der Beklagte dem Handel unter Hinweis auf das Gerätesicherheitsgesetz Empfehlungen gebe, so müßten diese auch vollständig sein. Der Hinweis sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil, wie der Beklagte behauptet habe, es auf dem Markt keine Geräte mit einem der DIN-Norm 32 615 vergleichbaren Sicherheitsstandard gebe.

Falsch sei ferner die dem Schreiben zu entnehmende Darstellung, der Handel könne seinen Lagerbestand an Geräten, die nicht der neuen DIN-Norm entsprächen, nur bis zum 1. Februar 1988 absetzen. Für den Handel gelte keine Befristung. Der Zeitpunkt der Verbindlichkeit der DIN-Norm sei nur für den Hersteller und Importeur von Bedeutung.

Der Beklagte sei der Klägerin schon deswegen zu Schadenersatz und zur Auskunftserteilung verpflichtet, weil er wegen seiner unvollständigen und irreführenden Darstellung in seinem Rundschreiben eine Marktverwirrung ausgelöst habe; es könne deshalb dahinstehen, ob die von der Klägerin importierten Siphons nach dem 1. Februar 1988 deshalb von ihr nicht mehr hätten vertrieben werden dürfen, weil sie wegen Fehlens der in DIN 32 615 geforderten Druckbegrenzungseinrichtung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 GerSiG entsprochen hätten. Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Er hätte erkennen können, daß der Hinweis an den Handel, ab 1. Februar 1988 keine Siphons mehr zu kaufen und zu verkaufen, die nicht der DIN 32 615 entsprächen, irreführend sei. Zudem habe er schuldhafterweise nicht auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 GerSiG hingewiesen.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat nur hinsichtlich der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung des Beklagten und seiner Verurteilung zur Auskunftserteilung Erfolg.

II. 1. Ohne Erfolg bleibt die Revision, soweit sie sich gegen die vom Berufungsgericht bestätigte Verurteilung des Beklagten wendet, die in dem Rundschreiben enthaltenen Behauptungen zu unterlassen.

a) Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Rundschreibens deshalb als irreführend angesehen, weil es mit der Textpassage „Vorhandene Lagerbestände sind bis zum 1. Februar 1988 von der Norm nicht berührt” den angesprochenen Händlerkreisen den falschen Eindruck vermittle, sie könnten ihre Lagerbestände an Geräten, welche der neuen DIN-Norm nicht entsprächen, nur bis zum 1. Februar 1988 absetzen. Dies sei unrichtig, weil die Information der gegebenen Rechtslage nicht entspreche.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

b) Auszugehen ist von der mangels Verfahrensrügen revisionsrechtlich bindenden tatrichterlichen Feststellung (§ 559 Abs. 2 Satz 2 ZPO), daß die genannte Textpassage von maßgeblichen Teilen des Verkehrs dahin verstanden wird, nach dem 1. Februar 1988 sei dem Handel der Vertrieb nicht DIN-gerechter Siphons, auch wenn er diese schon vorher auf Lager gehabt habe, verwehrt. Als frei von Rechtsfehlern erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine dahingehende Äußerung sei unzutreffend und deshalb irreführend im Sinne des § 3 UWG. Der durch das Rundschreiben des Beklagten vermittelte Eindruck ist falsch. § 3 Abs. 1 GerSiG verbietet es lediglich dem Hersteller und dem Importeur, technische Arbeitsmittel, die nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, in den Verkehr zu bringen. Dem Handel bleibt es nach dieser Vorschrift grundsätzlich unbenommen, bereits erworbene Geräte, die den neuen technischen Sicherheitsstandard nicht aufweisen, abzusetzen.

Der Fall des § 5 Abs. 3 GerSiG, wonach auch dem Handel behördlich untersagt sein kann, technische Arbeitsmittel, die § 3 Abs. 1 GerSiG nicht entsprechen, abzusetzen, ist im Streitfall nicht gegeben. Hierfür wird vorausgesetzt, daß zuvor dem Hersteller oder Einführer das Inverkehrbringen des Produkts untersagt worden ist und der Händler trotz Kenntnis der Untersagungsverfügung von seiner Befugnis, das sicherheitstechnisch unzureichende Gerät zurückzugeben, keinen Gebrauch gemacht hat. Einen solchen Sachverhalt hat der Beklagte nicht vorgetragen.

c) Die irreführende Angabe in dem beanstandeten Rundschreiben, die Händler dürften nach dem 1. Februar 1988 vorhandene Lagerbestände (alter) Sahnesiphons nicht veräußern, trägt das vom Berufungsgericht bestätigte, entsprechend der Fassung des Klageantrags auf den Auszug aus dem Rundschreiben in seinem Zusammenhang gerichtete Verbot. Da aus diesem Grunde die Revision hinsichtlich des Unterlassungsgebots sich als unbegründet erweist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Revisionsrügen zu der zusätzlichen Begründung des Berufungsgerichts, der Hinweis im Rundschreiben des Beklagten sei unvollständig, da darin nicht darüber informiert werde, daß § 3 Abs. 1 Satz 2 GerSiG den Vertrieb von Geräten, die die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleisteten, zulasse.

2. Erfolgreich wendet sich die Revision gegen die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten und dessen Verurteilung zur Auskunftserteilung. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Schadenersatzverpflichtung des Beklagten ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß der Klägerin durch das wettbewerbswidrige Vorgehen des Beklagten ein Schaden entstanden sei; als Schaden genüge die durch das irreführende Rundschreiben eingetretene Marktverwirrung. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin importierten Siphons, welche die in den DIN 32 615 aus Sicherheitsgründen geforderte Druckbegrenzungseinrichtung nicht aufwiesen, von der Klägerin ab dem 1. Februar 1988 nicht mehr hätten vertrieben werden dürfen, weil sie von einer allgemein anerkannten Regel der Technik abwichen, ohne eine entsprechende Sicherheit auf andere Weise zu gewährleisten.

b) Diese Beurteilung ist von Rechtsfehlern beeinflußt. Eine durch unvollständige Angaben bei den beteiligten Verkehrskreisen eingetretene Verwirrung über die geschäftlichen Verhältnisse in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, hier über die Frage, ob ab dem 1. Februar 1988 Soda- und Sahnesiphons vertrieben werden dürfen, die nicht den Sicherheitsstandard der DIN 32 615 aufweisen, hat nicht notwendigerweise eine individuelle Schädigung der Klägerin als Mitbewerberin zur Folge. Markt Verwirrung ist zunächst nur ein Störungszustand, dem mit dem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch begegnet werden kann; sie führt aber nicht notwendigerweise zur Schädigung eines Mitbewerbers (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 5. Aufl., Kap. 34 Rdn. 10 – Fn. 19 –). Aus der Marktverwirrung kann sich ein individueller Schaden entwickeln, zu dessen Feststellung es des Vortrags der Vermögenseinbußen bedarf, die auf die Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zurückzuführen sind. Ein solcher Schaden kann auch in der Beeinträchtigung des Ansehens und damit des Absatzes der eigenen Ware liegen (BGH, Urt. v. 12.2.1987 – I ZR 70/85, GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, die dahingehende Feststellungen nicht enthält, läßt sich eine Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung nicht annehmen.

c) Der Vortrag der Klägerin zu den durch das Rundschreiben des Beklagten erlittenen Vermögenseinbußen läßt eine abschließende Entscheidung, ob der Beklagte der Klägerin gemäß §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG zu Schadenersatz und ob und in welchem Umfange er ihr zur Ermittlung der Schadenshöhe zur Auskunft verpflichtet ist, nicht zu.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Schadens zum einen vorgetragen, die Kunden verweigerten unter Hinweis auf das Rundschreiben des Beklagten die Abnahme ihrer Geräte, und des weiteren, es seien Aufträge in erheblichem Umfang storniert worden.

(1) Soweit die Klägerin ihren Absatzrückgang damit begründet, der Beklagte habe in seinem Rundschreiben in wettbewerbswidriger Weise nicht darauf hingewiesen, daß gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GerSiG auch andere dem Sicherheitsstandard der DIN-Norm 32 615 technisch äquivalente Siphons vertrieben werden dürften, ist ein Anspruch auf Schadenersatz nicht gerechtfertigt. Es fehlt an der Darlegung eines Schadens, den die Klägerin aufgrund dieses – für die rechtliche Beurteilung als wettbewerbswidrig unterstellten – Verhaltens des Beklagten hätte erleiden können. Die Klägerin hat nämlich nicht dargelegt, daß sie über Geräte mit einer dem Druckentlastungsventil entsprechend der DIN-Norm 32 615 sicherheitstechnisch äquivalente Vorrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 GerSiG verfügt habe, deren Absatz durch das Rundschreiben des Beklagten hätte erschwert werden können.

(2) Soweit die Klägerin sich auf den Rückgang des Absatzes ihrer bislang vertriebenen Geräte nach dem 1. Februar 1988 beruft, können dahingehende Vermögenseinbußen allerdings nicht als durch das Rundschreiben des Beklagten adäquat verursacht angesehen werden. Denn die Klägerin war nach dem Inkrafttreten der DIN 32 615 zum 1. Februar 1988 gehindert gewesen, ihre Geräte, die nicht den darin genannten Sicherheitsanforderungen entsprechen, in Verkehr zu bringen. Die DIN 32 615 ist mit ihrem Inkrafttreten zugleich als eine allgemein anerkannte Regel der Technik anzusehen. Damit bestand für die Klägerin als Importeurin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GerSiG ab dem 1. Februar 1988 das gesetzliche Verbot, ihre Geräte ohne den geforderten Sicherheitsstandard in Verkehr zu bringen. Umsatzeinbußen der Klägerin wegen des behaupteten Absatzrückgangs ihrer nicht DIN-gerechten Geräte können sonach nicht als eine rechtswidrige Vermögensbeeinträchtigung dem Beklagten angelastet werden.

Die sicherheitstechnische DIN-Norm 32 615 ist mit ihrem Inkrafttreten zum 1. Februar 1988 zu einer allgemein anerkannten Regel der Technik geworden und war deshalb gemäß § 3 Abs. 1 GerSiG ab diesem Zeitpunkt zu befolgen.

Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, daß jede DIN-Norm mit ihrem Inkrafttreten auch als eine allgemein anerkannte Regel der Technik zu qualifizieren ist. DIN-Normen haben zunächst den Charakter von Empfehlungen. Sie sollen der Sicherheit von Mensch und Sache sowie der Qualitätsverbesserung in allen Lebensbereichen dienen (vgl. DIN 820 Bl. 1 Nr. 2 Abs. 2 in Grundlagen der Normungsarbeit des DIN, 3. Aufl. 1978, S. 13); soweit sie sich auf die Technik beziehen, sollen sie sich als „anerkannte Regeln der Technik einführen” (DIN 820 Bl. 1 Nr. 6.1 aaO, S. 15). Daraus ist grundsätzlich zu folgern, daß eine DIN-Norm für ihre Qualifikation als eine allgemein anerkannte Regel der Technik in ihrer Handhabung einer Branchenübung und der Durchsetzung bei den beteiligten Verkehrskreisen bedarf (Peine, Gesetz über technische Arbeitsmittel, § 3 Rdn. 32 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.12.1984 – I ZR 71/83, GRUR 1985, 555, 556 – Abschleppseil; Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 144/86, GRUR 1987, 468, 469 – Warentest IV; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 872, 873).

Von diesem Grundsatz ist jedoch im Streitfall nicht auszugehen. Auf eine allgemeine Handhabung der DIN 32 615 als Voraussetzung ihrer Qualifikation als allgemein anerkannte Regel der Technik kommt es vorliegend nämlich nicht an, weil sie als Sicherheitsnorm unter Beteiligung der betroffenen Fachkreise erarbeitet wurde, um ein erkanntes Unfallrisiko auszuschließen. Eine solche Normen spiegelt den Stand der für die betroffenen, bei der Erarbeitung der Norm beteiligten Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wieder (vgl. BGHZ 103, 338, 342; BGH, Urt. v. 19.4.1991 – V ZR 349/89, BB 1991, 1149; BVerwG BB 1984, 563; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.1.1985 – I ZR 22/83, GRUR 1985, 973, 974 – DIN 2093; Urt. v. 26.4.1990 – I ZR 79/88, GRUR 1990, 1003 – DIN-Normen; Marburger in BB 1985, Beilage 4 – Rechtsfragen der technischen Normung –, S. 20 ff.). Eine solche Norm ist regelmäßig mit ihrem Inkrafttreten als eine verbindliche, allgemein anerkannte Regel der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 GerSiG anzusehen, wenn ihre Befolgung dem Hersteller aufgrund ihrer Vorveröffentlichung und des vorgegebenen Standes der Technik keine Schwierigkeiten bereitet. Für eine dahingehende rechtliche Qualifikation ist nicht erforderlich, daß die DIN-Norm – wie im Streitfall gemäß Bekanntmachung im Bundesarbeitsblatt im Januar 1989 geschehen (Nachw. bei Schmatz/Nöthlichs, Sicherheitstechnik, Kz. 1305, S. 33) – gemäß § 11 GerSiG in der Anlage A der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über technische Arbeitsmittel vom 27. Oktober 1970 (abgedr. bei Schmatz/Nöthlichs aaO Kz. 1304) bereits aufgenommen ist. Die Aufnahme einer technischen Norm in die Anlage A der genannten Verwaltungsvorschrift setzt nämlich voraus, daß in der DIN-Norm eine allgemein anerkannte Regel der Technik ihren Niederschlag gefunden hat (§ 11 Satz 2 GerSiG).

Die für die rechtliche Beurteilung der DIN-Sicherheitsnorm 32 615 als einer allgemein anerkannten Regel der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 GerSiG zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gebotenen Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt.

Der Beklagte hat die Beteiligung der repräsentativen Gremien an dem vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1984 wegen aufgetretener Unfälle eingeleiteten Normungsverfahren durch Vorlage der Protokolle der Ausschußsitzungen dargelegt, ohne daß dem die Klägerin entgegengetreten ist. Auch Vertreter der österreichischen Muttergesellschaft der Klägerin wurden im Einspruchsverfahren gehört.

Die technische Umsetzung der Richtlinie war aufgrund der technischen Vorgaben den beteiligten Herstellerkreisen ohne weiteres möglich. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten bestanden, wie auch das Beispiel der Marktführerin zeigt, keine wesentlichen Schwierigkeiten, aufgrund der seit über einem Jahr vorveröffentlichten Norm und des vorgegebenen Standes der Technik – der das in DIN 32 615 geforderte Druckentlastungsventil schon bei handelsüblichen Sodasiphons und anderen Geräten, die mit Überdruck arbeiten, auf wies – entsprechend der DIN 32 615 zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu produzieren.

In Anbetracht der vorgenannten Umstände und unter Berücksichtigung dessen, daß entgegen der in DIN 820 Teil 12 Nr. 3.4.3. (Grundlagen aaO, S. 74) eröffneten Möglichkeit, keine Einführungsfrist vorgesehen war, ist von der Verbindlichkeit der DIN-Norm 32 615 für die Hersteller und Importeure zum 1. Februar 1988 gemäß § 3 Abs. 1 GerSiG auszugehen, was auch der vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in seinem Schreiben vom 17. Februar 1988 geäußerten Ansicht entspricht.

Eine Schadensersatzhaftung des Beklagten kann somit nicht damit begründet werden, dieser habe in (vorwerfbar) unrichtiger Weise dahin informiert, ab dem 1. Februar 1988 dürften von Herstellern und Importeuren nur noch der DIN 32 615 entsprechende Geräte vertrieben werden.

(3) Soweit die Klägerin zur Begründung ihres Schadens sich darauf berufen hat, Aufträge seien storniert worden, bedarf es der weiteren Aufklärung durch das Berufungsgericht.

Der Klägerin kann ein Schaden daraus entstanden sein, daß der Beklagte – wie oben zu II. 1. ausgeführt – mit seinem Rundschreiben bei Händlerkreisen den unzutreffenden Eindruck erweckt hat, vorhandene Lagerbestände könnten ab dem 1. Februar 1988 nicht mehr abgesetzt werden. Die der Klägerin durch Rückabwicklung von Verträgen über der DIN 32 615 nicht entsprechende Geräte entstandene Vermögenseinbuße ist – ungeachtet der Frage der Berechtigung der Händler zu einem solchen Vorgehen – dem Beklagten möglicherweise als schuldhaft adäquat verursacht anzulasten. Bei der Beurteilung des Schadens ist zu berücksichtigen, ob es auch ohne die dahingehende unrichtige Information des Beklagten zur Rückabwicklung von Verträgen gekommen wäre.

Zur Feststellung eines Schadens in diesem Rahmen ist vorrangig darauf abzustellen, wie viele Rückläufer der nicht DIN-gerechten Geräte bei der Klägerin eingegangen sind. Ihr ist Gelegenheit zu geben, hierzu vorzutragen.

Dabei wird das Berufungsgericht auch zu erwägen haben, ob in Anbetracht einer in diesem Umfang beschränkten Schadensersatzhaftung des Beklagten die von der Klägerin begehrte Auskunft erforderlich ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.2.1973 – I ZR 74/71, GRUR 1973, 375, 377 f. – Miss Petite; Urt. v. 12.2.1987 – I ZR 70/85, GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh).

III. Nach alledem ist auf die Revision des Beklagten das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als es auf die Berufung der Klägerin eine Verurteilung zu Schadensersatz und zur Auskunftserteilung ausgesprochen hat. In diesem Umfang ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Piper, Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Ullmann, Starck

 

Fundstellen

Haufe-Index 884737

BB 1991, 1817

GRUR 1991, 921

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