Entscheidungsstichwort (Thema)

Wasserversorgung. Allgemeine Versorgungsbedingungen. Anschluss an öffentliches Versorgungsnetz. Wohnungseigentumsanlage. Zentraler Hausanschluss. Interessenabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

Die in Ergänzenden Bestimmungen eines Wasserversorgungsunternehmens zur AVBWasserV enthaltene Klausel

"Jedes Grundstück oder jedes Haus muss einen eigenen Anschluss an der Versorgungsleitung haben."

ist wegen unangemessener Benachteiligung der Anschlussnehmer gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

 

Normenkette

AVBWasserV § 10; BGB § 307

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 17.08.2004; Aktenzeichen 3 U 1489/03)

LG Mainz (Urteil vom 27.11.2003)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 17.8.2004 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Mainz v. 27.11.2003 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, zu erklären, dass sie mit der Verwendung des an der Technikzentrale des Bauvorhabens "Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage mit 37 Wohneinheiten An der Z." in S. befindlichen Wasseranschlusses DN 50 für die Wasserversorgung aller 37 Wohneinheiten einverstanden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des VG Mainz entstandenen Kosten, welche die Klägerin zu tragen hat.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Bauträgerunternehmen, das im gesamten Bundesgebiet Wohnanlagen in einer "Gesamtbauweise" errichtet und diese in der Form von Wohnungseigentum veräußert. Die Beklagte ist die für die Gemeinde S. allein zuständige Trägerin der Wasserversorgung.

Die Klägerin erstellte in S. auf einem einzelnen Grundstück 37 Wohneinheiten, die in fünf Gebäuden mit Reihenhauscharakter angeordnet sind. Sie hat das Eigentum an dem Grundstück nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes zum Zwecke der Veräußerung des hierdurch geschaffenen Wohnungseigentums geteilt. Nach dem technischen Konzept der Klägerin ist aus Kostengründen vorgesehen, alle 37 Wohneinheiten, die nicht mit eigenen Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen ausgestattet sind, über ein im gemeinschaftlichen Eigentum der zukünftigen Wohnungseigentümergemeinschaft stehendes, zentrales Technikgebäude mit Strom, Wasser und Wärme zu versorgen. Allein das Technikgebäude soll an die öffentlichen Versorgungsnetze angeschlossen werden. Mit den Versorgungsunternehmen soll jeweils nur ein Anschlussvertrag im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft als Anschlussnehmerin geschlossen werden.

Im Oktober 2002 - vor Baubeginn - beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Herstellung eines Hausanschlusses für die Technikzentrale zur Versorgung der gesamten Wohnanlage. Dies lehnte die Beklagte ab. Sie ist der Auffassung, dass jede der 37 Wohneinheiten - die jeweils eine eigene Hausnummer erhalten - eines eigenen Hausanschlusses bedürfe. Die Ergänzenden Bestimmungen der Beklagten zur Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) enthalten u.a. folgende Regelungen:

"A. Anschlussvertrag

...

II. Hausanschluss (zu § 10 AVBWasserV)

1. Jedes Grundstück oder jedes Haus muss einen eigenen Anschluss an der Versorgungsleitung haben.

Als Grundstück gilt ohne Rücksicht auf die Grundbuchbezeichnung jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet, insb., wenn eine eigene Hausnummer zugeteilt worden ist. ...".

Mit ihrer zunächst beim VG Mainz erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, an der Technikzentrale des Bauvorhabens "Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage mit 37 Wohneinheiten An der Z." in S. einen Wasserhausanschluss DN 50 zu erstellen. Das VG hat den Rechtsweg zu den VG für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das LG verwiesen. Das LG hat die Klage abgewiesen. In der Folgezeit sind das Technikgebäude sowie auf Verlangen der Beklagten - zusätzlich zu den seitens der Klägerin auf der Bodenplatte der Wohngebäude verlegten Versorgungsleitungen zum Technikgebäude - alle Wohneinheiten mit jeweils einem Hausanschluss für die Wasserversorgung versehen worden. Die Klägerin, die weiterhin alle Wohneinheiten über den im Technikgebäude verlegten Wasserhausanschluss versorgen möchte, hat daraufhin im Berufungsverfahren beantragt, die Beklagte zu verpflichten, an der Technikzentrale des Bauvorhabens einen Wasserhausanschluss DN 50 für alle zu der Wohnungseigentumsanlage gehörenden Wohneinheiten herzustellen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an der Technikzentrale des vorgenannten Bauvorhabens einen zentralen Wasseranschluss DN 50 für alle zu der Wohnungseigentumsanlage gehörenden Wohneinheiten herzustellen und zu erklären, dass sie mit der Verwendung dieses Anschlusses für die Wasserversorgung aller 37 Wohneinheiten einverstanden sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in OLGReport Koblenz 2005, 65 veröffentlicht ist, hat ausgeführt:

Die Beklagte sei auf Grund des für sie im Rahmen ihrer Allgemeinen Bedingungen und Tarife bestehenden Kontrahierungszwangs verpflichtet, die von der Klägerin errichtete Wohnanlage über das zentrale Technikgebäude an die Wasserversorgung anzuschließen. Die Bestimmungen der AVBWasserV i.V.m. den Ergänzenden Bestimmungen der Beklagten - die insoweit eine Lücke enthielten - seien ergänzend dahin auszulegen, dass für eine Wohnungseigentumsanlage wie diejenige der Klägerin ein einziger Wasserhausanschluss ausreiche. Eine Wohnungseigentumsanlage sei auch dann eine selbstständige wirtschaftliche Einheit i.S.v. Buchst. A. Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen und als solche mit lediglich einem Hausanschluss zu versehen, wenn sie aus einer Mehrzahl von Häusern auf einem einzelnen Grundstück bestehe. Die mittlerweile erfolgte Herstellung des Anschlusses durch die Beklagte sei keine (teilweise) Erfüllung des Klagebegehrens, da die Beklagte nicht behauptet habe, dass der Anschluss geeignet sei, der Versorgung aller 37 Wohneinheiten zu dienen.

II.

Die zulässige Revision der Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht der Auffassung, dass der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte zusteht, alle 37 Wohneinheiten der von ihr errichteten Wohnungseigentumsanlage zentral über den im Technikgebäude befindlichen Hausanschluss mit Wasser zu versorgen.

Die Beklagte ist als alleinige Trägerin der kommunalen Wasserversorgung in S. grundsätzlich verpflichtet, mit dem Eigentümer eines Grundstücks einen Vertrag über den Anschluss an das öffentliche Leitungsnetz und über die nachfolgende Versorgung der Anschlussstelle mit Wasser zu ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen zu schließen (BGH, Urt. v. 30.4.2003 - VIII ZR 279/02, BGHReport 2003, 914 = NJW 2003, 3131 = WM 2003, 1730, unter II 1b; Begründung zur AVBWasserV, BR-Drucks. 196/80, 2, m.w.N.). Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Bestimmungen der AVBWasserV oder ihre Ergänzenden Bestimmungen zu dieser Verordnung dem Anspruch der Klägerin auf Versorgung der Wohnanlage über einen zentralen Hausanschluss entgegenstehen. Die Revision rügt zwar zu Recht, dass das Berufungsgericht zu diesem Ergebnis auf Grund einer ergänzenden Auslegung der von der Beklagten verwendeten Versorgungsbedingungen gelangt ist (1.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), weil Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist (2.a) und die Beklagte auch nach § 10 Abs. 2 AVBWasserV nicht berechtigt ist, der Klägerin die Wasserversorgung über einen zentralen Hausanschluss zu verweigern (2.b). Die Revision hat allerdings Erfolg, soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte habe den Klageantrag auf Herstellung des Hausanschlusses in der Technikzentrale noch nicht erfüllt (3.).

1. Nach Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen zur AVBWasserV ist die von der Klägerin begehrte zentrale Wasserversorgung der Wohnanlage unzulässig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthalten die Ergänzenden Bestimmungen im Hinblick auf den vorliegenden Fall keine Regelungslücke als Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (st.Rspr., BGH v. 17.12.1987 - VII ZR 307/86, BGHZ 102, 384 [389 f.] = MDR 1988, 401, m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts regelt Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen der Beklagten auch den vorliegenden Fall, dass eine auf einem einzelnen Grundstück errichtete und aus mehreren Häusern bestehende Wohnungseigentumsanlage an die Wasserversorgung angeschlossen werden soll. Aus der Sicht eines verständigen Anschlussnehmers ist die Klausel so zu verstehen, dass jedes Wohnhaus einen eigenen Wasserhausanschluss erhalten muss.

Gemäß Abs. 1 der Klausel muss "jedes Grundstück oder jedes Haus" einen eigenen Anschluss an der Versorgungsleitung haben. Nach der erstgenannten Alternative müssen alle 37 Wohneinheiten einen eigenen Anschluss an der Versorgungsleitung haben, weil nach Abs. 2 der Klausel jede Wohneinheit, die eine Hausnummer erhält, als Grundstück i.S.d. Klausel gilt. Danach gilt als Grundstück jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet, insb., wenn eine eigene Hausnummer zugeteilt ist. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Vergabe einer Hausnummer sei nur ein widerlegliches Indiz für das Vorhandensein einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit. Aus der Verwendung des Worts "insb." ergibt sich, dass jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Hausnummer zugeteilt ist, eine selbständige wirtschaftliche Einheit und mithin ein Grundstück i.S.d. Klausel vorliegt. Diese Formulierung hat erkennbar den Zweck, hierfür bereits die Vergabe einer Hausnummer genügen zu lassen, ohne jedoch andere Anknüpfungspunkte für die Annahme einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit auszuschließen.

Auch nach der zweiten Alternative des Abs. 1 ist die von der Klägerin begehrte Versorgung der Wohnanlage über einen zentralen Wasseranschluss nicht zulässig, wobei offen bleiben kann, ob dem Begriff des "Hauses" jede Wohneinheit oder lediglich die fünf Gebäude mit Reihenhauscharakter unterfallen. Daraus folgt, dass - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen dem Verlangen der Klägerin nach einer zentralen Wasserversorgung entgegensteht.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Buchst. A Ziff. II 1 der von der Beklagten verwendeten Ergänzenden Bestimmungen ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB - der anzuwenden ist, weil die Klägerin den Anschluss an das Leitungsnetz der Beklagten im Oktober 2002 und mithin nach In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes beantragt hat (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) - sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleiht (BGH v. 21.12.1983 - VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206 [211] = MDR 1984, 395; v. 25.6.1991 - XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38 [42] = MDR 1991, 859, jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

aa) Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handelt (BGH, Urt. v. 4.12.1986 - VII ZR 77/86, MDR 1987, 399 = NJW 1987, 1828 = WM 1987, 295, unter II 2a, betreffend Ergänzende Bestimmungen zur AVBGasV; Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV), E, § 1 S. 7), weicht von § 10 Abs. 2 AVBWasserV ab.

Nach § 10 Abs. 2 AVBWasserV werden Art, Zahl und Lage der Hausanschlüsse sowie deren Änderung nach Anhörung des Anschlussnehmers und unter Wahrung seiner berechtigten Interessen vom Wasserversorgungsunternehmen bestimmt. Das Wasserversorgungsunternehmen hat seine Bestimmung nach billigem Ermessen auszuüben (Recknagel in Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser, Bd. 2, 1984, § 10 AVBV Rz. 8; BGH, Urt. v. 10.11.1960 - VIII ZR 167/59, LM Nr. 9 Allg. Beding. d. ElektrVersorgUnternehmen, unter B IV). Dies erfordert eine vom Wasserversorgungsunternehmen vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen berechtigten Interessen (Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, AVBWasserV, § 10 vor Rz. 1 i.V.m. AVBEltV § 10 Rz. 11; Recknagel in Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser, Bd. 2, 1984, § 10 AVBWasserV Rz. 7; Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV), E § 10 S. 5 ff.).

Die von der Beklagten ergänzend zur AVBWasserV verwendete Klausel enthält eine vorformulierte Ausübung des Bestimmungsrechts der Beklagten hinsichtlich der Zahl der erforderlichen Anschlüsse. Danach "muss" jedes Grundstück oder jedes Haus einen eigenen Anschluss an der Versorgungsleitung haben. Diese Regelung weicht von § 10 Abs. 2 AVBWasserV ab, weil in ihr die Zahl der erforderlichen Hausanschlüsse zwingend festgelegt wird, ohne dass noch Raum für eine einzelfallbezogene Abwägung unter Berücksichtigung der Interessen des Anschlussnehmers ist, die § 10 Abs. 2 AVBWasserV voraussetzt.

bb) Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen ist mit wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Gesetzesrechts nicht zu vereinbaren.

Die AVBWasserV ist eine durch den Bundesminister für Wirtschaft auf Grund des § 27 AGBG erlassene Rechtsverordnung, deren Inhalt nach ihrem § 1 Abs. 1 Vertragsbestandteil wird, soweit Wasserversorgungsunternehmen - wie hier von der Beklagten beabsichtigt - für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und für die öffentliche Versorgung mit Wasser Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Es handelt sich um dispositives Recht, da von den §§ 2 bis 34 der Verordnung unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBWasserV abgewichen werden kann.

Buchst. A Ziff. II 1 der Ergänzenden Bestimmungen benachteiligt den Anschlussnehmer unangemessen; eine solche Klausel ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (a.A. AG Mainz, GWF/Recht und Steuern 1999, 47; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, AVBWasserV § 10 vor Rz. 1; Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV), E, S. 3 f., 6f.). § 10 Abs. 2 AVBWasserV enthält eine ausdrückliche Regelung des Grundsatzes, dass bei einer Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) die berechtigten Interessen der anderen Vertragspartei zu berücksichtigen sind. Dies ist ein wesentlicher, auf § 27 S. 1 AGBG (jetzt Art. 243 S. 1 EGBGB) beruhender Grundgedanke des § 10 Abs. 2 AVBWasserV und ein Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots und der Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dem trägt die von der Beklagten verwendete Klausel nicht Rechnung. Ihre zwingende Formulierung lässt keinen Raum für die Wahrung der Belange des Anschlussnehmers, der im Einzelfall ein die Interessen der Beklagten überwiegendes, berechtigtes Interesse daran haben kann, mehrere Häuser über einen zentralen Hausanschluss zu versorgen. Ein solcher Fall ist hier gegeben.

b) Die Beklagte ist auch nach § 10 Abs. 2 AVBWasserV nicht berechtigt, der Klägerin die Versorgung über einen zentralen Wasserhausanschluss zu verweigern, weil ihre Bestimmung, dass jede der 37 Wohneinheiten eines separaten Hausanschlusses bedarf, nicht der Billigkeit entspricht (§ 10 Abs. 2 AVBWasserV, § 315 Abs. 3 BGB). Zwar ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (BGH v. 10.10.1991 - III ZR 100/90, BGHZ 115, 311 [321] = MDR 1992, 84). Das Berufungsgericht hat eine Billigkeitskontrolle - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - jedoch nicht vorgenommen. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessen selbst vornehmen.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, ihre aus 37 Wohneinheiten bestehende Wohnungseigentumsanlage über ein zentrales Technikgebäude zu versorgen. Anderenfalls müsste sie das auf die Schaffung kostengünstigen Wohnraums vorwiegend für junge Familien ausgerichtete technische Konzept ihrer Wohnanlage verändern, weil die einzelnen Wohneinheiten nicht über eigene Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen verfügen. Hierdurch würden ihr unstreitig Mehrkosten von ca. 70.000 EUR entstehen.

Dem stehen keine hinreichend gewichtigen Interessen der Beklagten entgegen, die ihr Verlangen nach einem separaten Hausanschluss für jede Wohneinheit rechtfertigen würden.

Die von der Beklagten angeführten Gründe der Versorgungssicherheit und der Trinkwasserhygiene rechtfertigen im vorliegenden Fall nicht die Versagung eines zentralen Wasserhausanschlusses. Zwar mögen bei einer Störung der Wasserversorgung vor oder hinter der Technikzentrale sämtliche auf dem Grundstück errichteten Wohneinheiten betroffen sein. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht insoweit jedoch kein Unterschied zu dem Fall, dass sich in einem Haus mehrere zentral versorgte Wohneinheiten befinden. Das Berufungsgericht hat eine nennenswerte Gefahrerhöhung durch den Umstand, dass die Verbindungsrohre zwischen Technikzentrale und Wohneinheiten teilweise außerhalb der Gebäude verlegt sind, zu Recht unter Hinweis darauf verneint, dass die Kundenanlage gem. § 12 Abs. 2 S. 1 AVBWasserV nur unter Beachtung der Vorschriften dieser Verordnung und anderer gesetzlicher oder behördlicher Bestimmungen sowie nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet und unterhalten werden darf; das Wasserversorgungsunternehmen ist zudem nach S. 3 dieser Bestimmung berechtigt, die Arbeiten zur Errichtung und Veränderung der Anlage zu überwachen. Des Weiteren hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass alle 20 Wasserversorgungsunternehmen, in deren Gebiet sie bereits ähnliche Wohnungseigentumsanlagen errichtet hat, die zentrale Wasserversorgung gestattet haben. Das Berufungsgericht hat daraus rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen, dass sich dort keine Bedenken hinsichtlich der Versorgungssicherheit ergeben haben. Auch die Revision zeigt keine gefahrerhöhenden Umstände auf. Ein solcher Umstand liegt entgegen der Auffassung der Revision nicht darin, dass die Wohnungseigentumsgemeinschaft aufgehoben und Alleineigentum an den bebauten Grundstücksflächen begründet werden könnte. Diese Möglichkeit ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, eher theoretisch. Im Übrigen spricht auch die Möglichkeit einer rechtlichen Verselbständigung der Wohneinheiten nicht für die Erforderlichkeit separater Wasserhausanschlüsse. Denn die Wohneinheiten wären in technischer Hinsicht weiterhin von der Fortsetzung der Versorgung über die Technikzentrale abhängig, weil sie nicht über eigene Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen verfügen.

Des Weiteren ist ein Haftungsrisiko der Beklagten im Falle der zentralen Wasserversorgung nicht erkennbar. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 AVBWasserV ist der Anschlussnehmer für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der Anlage hinter dem Hausanschluss mit Ausnahme der Messeinrichtungen des Wasserversorgungsunternehmens verantwortlich. Hierdurch werden die Verantwortungsbereiche des Wasserversorgungsunternehmens und des Kunden voneinander abgegrenzt (OLG Naumburg RdE 2000, 122, m.w.N.).

Die Beklagte kann auch aus Gründen der Tarifgerechtigkeit nicht die Ausstattung aller 37 Wohneinheiten mit einem Wasserhausanschluss verlangen. Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte es selbst in der Hand hat, durch ihre Tarifgestaltung Ungleichbehandlungen zu vermeiden, die dadurch entstehen können, dass eine unterschiedliche Anzahl von Wohneinheiten über denselben Hausanschluss versorgt wird. § 9 Abs. 3 AVBWasserV sieht hinsichtlich der Erhebung von Baukostenzuschüssen vor, dass das Wasserversorgungsunternehmen u.a. auch die Zahl der Wohnungseinheiten oder gleichartiger Wirtschaftseinheiten berücksichtigen kann.

3. Die Revision ist dagegen begründet, soweit das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin - von der Revision nicht angegriffen - dahin ausgelegt hat, dass sie sowohl die Verlegung einer Anschlussleitung bis zur Technikzentrale als auch die Erklärung des Einverständnisses der Beklagten mit einer Versorgung aller 37 Wohneinheiten über diesen Anschluss verlangt, und es die Beklagte auch dazu verurteilt hat, den begehrten Wasserhausanschluss in der Technikzentrale herzustellen.

Die Beklagte hat das auf Herstellung des Anschlusses gerichtete Klagebegehren erfüllt, so dass der Anspruch insoweit erloschen ist (§ 362 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat die Herstellung des Anschlusses rechtsfehlerhaft nicht als erfüllt angesehen. Seine Feststellung, die Beklagte habe nicht behauptet, dass der Anschluss geeignet sei, der Versorgung aller 37 Wohneinheiten zu dienen, beruht, wie die Revision zu Recht rügt, auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO. Die Beklagte hat innerhalb der ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewährten Schriftsatzfrist vorgetragen, die Klägerin habe den von ihr begehrten Wasserhausanschluss DN 50 erhalten; sie - die Beklagte - könne zur Erfüllung nicht mehr tun, als sie bislang schon getan habe. Dies hätte das Berufungsgericht seinen Feststellungen als unstreitigen Vortrag zu Grunde legen müssen, weil die Klägerin in ihrem Erwiderungsschriftsatz eingeräumt hat, der Wasserhausanschluss in der Technikzentrale sei "zwischenzeitlich körperlich hergestellt" worden; die einzelnen Wohneinheiten seien - neben der Versorgung über die auf Verlangen der Beklagten eingerichteten separaten Hausanschlüsse - gleichzeitig auch nach dem üblichen System der Beklagten (richtig: Klägerin) über die Technikzentrale angeschlossen und versorgbar. Dass die Beklagte durch die Herstellung des beantragten Anschlusses in technischer Hinsicht die Voraussetzungen für eine zentrale Wasserversorgung der Wohnanlage geschaffen hat, stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede.

III.

Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, den Wasserhausanschluss an der Technikzentrale herzustellen, und die Klage ist insoweit abzuweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO und § 17b Abs. 2 S. 2 GVG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1366773

BGHR 2005, 1090

BauR 2005, 1222

DWW 2005, 346

EBE/BGH 2005, 172

NJW-RR 2005, 960

IBR 2005, 404

NZM 2005, 556

WM 2005, 1808

ZMR 2006, 24

WuM 2005, 410

GuT 2005, 185

NJW-Spezial 2005, 388

FSt 2005, 648

FuBW 2006, 119

FuHe 2006, 340

IR 2005, 141

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