Leitsatz (amtlich)

›Die Bestimmung in einem Grundstückserwerbsvertrag, wonach der Gesamterwerbspreis schon von einem Tage an verzinst werden soll, der mehrere Monate vor Vertragsschluß, also vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem der Erwerbspreis frühestens fällig werden kann, ist so ungewöhnlich, daß der Erwerber mit ihr nicht zu rechnen braucht; sie wird deshalb nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil.‹

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tatbestand

Mit notarieller Urkunde vom 30. Juli 1981 bot die Beklagte der SB (künftig: SB), der Streithelferin der Beklagten, den Abschluß eines "Kaufvertrages" über ein etwa 130.000 qm großes Baugelände zur Errichtung von Reihen- und Atriumhäusern mit der Maßgabe an, daß die SB nur Dritte als (Teil-) Annehmer des Angebots benennen, nicht aber selbst das Angebot annehmen durfte. Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen das Angebot hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks am 29. März 1982 an. Die nach dem Vertrage zu zahlende Vergütung schloß auch "vorläufige Planungskosten" in Höhe von 26.500 DM ein. Außerdem war in dem Angebot bestimmt, daß die Erwerber den "Kaufpreis" unabhängig von dessen Fälligkeit, die binnen 14 Tagen nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung eintreten sollte, vom 1. November 1981 an mit 12% zu verzinsen hätten.

Der Ehemann der Klägerin hat die 26.500 DM zusammen mit dem auf das erworbene Grundstück und die sonstigen Aufwendungen entfallenden Beträge am 16. Juli 1982 überwiesen. Die von ihm selbst ermittelten Zinsen in Höhe von 22.735,29 DM hat er am 24. August 1982 unter Vorbehalt gezahlt.

Mit der Klage hat die Klägerin, die sich die Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen, jene beiden Beträge, insgesamt also 49.233,29 DM mit Zinsen aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert. Sie hat die Ansicht vertreten, daß die Verpflichtung zur Vergütung der Planungskosten wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot des Art. 10 § 3 MRVG und die Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes unwirksam seien. Hilfsweise hat sie 30.651,96 DM nebst Zinsen als Schadensersatz wegen Nichterfüllung und aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangt, weil die Beklagte die mitveräußerte Planung trotz Fristsetzung und Ablehnungsandrohung nicht vollständig übergeben habe und weil die Verzinsungspflicht sich jedenfalls nicht auf die Nebenkosten erstrecke.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.

Mit der Revision hat die Klägerin ihre bisher erhobenen Ansprüche zunächst weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision nur im Kostenpunkt und insoweit angenommen, wie die Klage in Höhe von 22.733,29 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist; im übrigen hat er die Annahme der Revision durch Beschluß vom 19. Dezember 1985 abgelehnt.

Die Klägerin beantragt jetzt, die Beklagte zur Zahlung von 22.733,29 DM nebst 4% Zinsen aus 4.151,96 DM seit dem 26. Oktober 1982 und aus 18.581,33 DM seit dem 23. Februar 1983 zu verurteilen. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Rückzahlung der Zinsen. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten das Angebot der Beklagten zum Abschluß des Grundstückskaufvertrages so, wie es aus der Anlage zu dem Angebot ersichtlich sei, angenommen. Deshalb seien sie auch daran gebunden, daß die Erwerber der einzelnen Grundstücke den jeweils auf sie entfallenden Kaufpreis nach Abschnitt IV Nr. 5 der Anlage unabhängig von seiner Fälligkeit schon vom 1. November 1981 an bis zum Eingang des Betrages auf dem Konto der Verkäuferin mit 12% zu verzinsen hätten.

Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, daß die Anlage zum Kaufangebot dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen sei. Die Bestimmungen über den von den Erwerbern endgültig zu zahlenden Kaufpreis seien zwar nicht auf den ersten Blick zu überschauen und in ihren Auswirkungen zu erfassen. Auch sei diese Verzinsungsklausel nicht üblich. Das reiche aber nicht aus, um sie als im Sinne des § 3 AGBG "überraschend" aus dem Vertragswerk auszuschließen. Die Klausel befinde sich an einer Stelle des Angebots, an der ein Käufer Regelungen über die Zahlung des Kaufpreises erwarten könne. Im übrigen sei die Klausel auch nicht nach § 11 Nr. 1 AGBG unwirksam.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Bestimmung über die Verpflichtung zur Zinszahlung ist eine "überraschende Klausel" im Sinne des § 3 AGBG; sie ist deshalb nicht Vertragsbestandteil geworden.

1. Derartige Klauseln, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, liegen, was auch das Berufungsgericht nicht verkennt, dann vor, wenn ihnen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt und zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Vertragspartners eine deutliche Diskrepanz besteht. Überraschend können daher Klauseln sein, die nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages an der vom Verwender gewählten Stelle nicht zu vermuten sind, und solche, auf deren Regelungsgehalt der Vertragspartner sich vernünftigerweise nicht einzurichten braucht (Senatsurteil BGHZ 84, 109, 112 f mit Nachw.). Für die Frage, ob eine Klausel Vertragsbestandteil geworden ist, kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Erwerbers an; entscheidend ist die Erkenntnismöglichkeit des Erwerberkreises, der für die Verträge als Partner in Betracht zu ziehen ist (BGH NJW 1981, 117, 118; 1985, 850, 851).

2. Dieser hier maßgebliche Erwerberkreis brauchte nicht damit zu rechnen, daß der Gesamterwerbspreis schon von einem Tage an verzinst werden sollte, der mehrere Monate vor Vertragsschluß, also vor dem Zeitpunkt lag, zu dem der Erwerbspreis frühestens fällig werden konnte.

a) Daß Zinsen für einen Zeitraum zu entrichten sind, der vor dem Eintritt der Fälligkeit der Hauptforderung liegt, ist nicht nur, wie das Berufungsgericht meint, unüblich. Eine dahingehende Vereinbarung verstößt gegen den auch im Sinne des § 9 AGBG wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, daß Zinsen regelmäßig nur bei Verzug oder seit Rechtshängigkeit, allenfalls seit Fälligkeit der Hauptforderung zu zahlen sind. Auch § 452 BGB, wonach der Käufer den Kaufpreis von dem Zeitpunkt an zu verzinsen hat, von dem an ihm die Nutzungen des gekauften Gegenstandes gebühren, besagt nichts anderes, weil diese Vorschrift nicht gilt, wenn der Kaufpreis gestundet, seine Fälligkeit also hinausgeschoben worden ist. Selbst Kaufleute können für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften Zinsen erst vom Tage der Fälligkeit an beanspruchen (§ 1553 Satz 1 HGB).

b) Im Ergebnis erweist sich die Zinsklausel, die als Preisnebenabrede auch der Inhaltskontrolle unterworfen ist (vgl. BGHZ 93, 358, 361; ferner Senatsurteil NJW 1984, 171, 172; Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 8 AGBG Anm. 2 b), damit als eine versteckte Erhöhung des vereinbarten Erwerbspreises. Bei einem Gesamterwerbspreis, wie ihn der Ehemann der Klägerin in seinem Schreiben vom 24. August 1982 von der Beklagten unbeanstandet mit 264.725 DM ermittelt hat, betrug diese Erhöhung bei Annahme des Angebots Ende März 1982 bereits über 13.000 DM.

c) Diese Erhöhung hätte die Beklagte offenlegen können und müssen, wenn sie meinte, zu einer "Wertsicherung", auf die sie sich jetzt in ihrer Revisionserwiderung stützt, berechtigt zu sein. Stattdessen findet sich in der notariellen Urkunde über die Annahme des Angebots der Beklagten hierüber kein Wort. Dort ist nur davon die Rede, daß die Erwerber eine beglaubigte Abschrift der (insgesamt 42 Seiten umfassenden) Angebotsurkunde erhalten sollten und daß die Bestimmungen des Angebots "mit den Beteiligten durchgegangen" worden seien. "Insbesondere hingewiesen" wurde dort nur auf sechs andere Punkte, darunter darauf, daß die Erwerber für die Gemeinschaftsflächen 8.000 DM auf ein Sonderkonto zu zahlen hätten, mithin einen Betrag, der in seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht an die Verpflichtung zur Verzinsung des Gesamterwerbspreises schon vor dessen Fälligkeit heranreichte.

d) Daß die Zinsklausel dort zu finden war, wo sie im Angebot der Beklagten "noch am ehesten" hingehörte und "am wenigsten überraschend", wirkt, wie die Revisionserwiderung betont, reicht danach nicht aus. Ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, bei ihrer Kalkulation auch die Zeit zu berücksichtigen, die von der Abgabe ihres Angebots bis zu dessen Annahme notwendigerweise verstreichen mußte, kann dahinstehen. Mit dein von ihr eingeschlagenen Weg brauchten die einzelnen Erwerber jedenfalls nicht zu rechnen.

3. Darauf, ob die Zinsklausel außerdem noch aus anderen Gründen unwirksam wäre, kommt es nicht mehr an. Auch den von der Revision erörterten weiteren Gesichtspunkten, die für die Unwirksamkeit der Klausel sprechen könnten, braucht nicht nachgegangen zu werden.

4. Da nach dem Sachvortrag der Parteien nichts dagegen spricht, daß der Gesamterwerbspreis ordnungsgemäß bei Fälligkeit gezahlt worden ist, wegen verspäteter Leistung also Zinsen nicht geschuldet waren, kann der Senat in dieser Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin kann die Zinsen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB aus ungerechtfertigter Bereicherung von der Beklagten zurückverlangen. Die Vorschrift des § 814 BGB steht nicht entgegen, weil die Zinsen unter Vorbehalt gezahlt worden sind. Die Aufrechnungserklärung mit "weiteren Planungskosten", die der Beklagten in Höhe von 8.900 DM entstanden sein sollen, hat hier außer Betracht zu bleiben; die Beklagte hat sie nur vorsorglich gegenüber dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten und bereits aus anderen Gründen abgewiesenen Schadensersatzanspruch ausgesprochen.

Zinsen auf die zu erstattenden 22.733,29 DM kann die Klägerin erst ab Rechtshängigkeit, also seit dem 12. April 1983 beanspruchen (§ 291 BGB). Daß die Beklagte sich schon zu einem früheren Zeitpunkt im Verzuge befunden habe, ist nicht ersichtlich. Auch dann würden gemäß § 818 Abs. 4 BGB die Verzugsfolgen erst mit Rechtshängigkeit eintreten (RGZ 93, 271, 272; 110, 430, 435; Heimann-Trosien in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 818 Rdn. 49; Lieb in MünchKomm., 2. Aufl., § 818 BGB Rdn. 112 mit Nachw.). Daß die Voraussetzungen für die verschärfte Haftung gemäß § 819 BGB vor Rechtshängigkeit gegeben sind, ist nicht dargetan. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Bestimmung des § 820 Abs. 2 BGB betrifft nur den hier nicht in Betracht zu ziehenden Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB.

5. Im Umfang der Annahme und insoweit wiederum mit Ausnahme des weitergehenden Zinsanspruchs kann das Berufungsurteil nach alledem nicht bestehen bleiben. Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen hat die Beklagte der Klägerin 22.733,29 DM nebst 4% Zinsen seit dem 12. April 1983 zu zahlen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92, 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992842

DB 1986, 1519

NJW 1986, 1805

BauR 1986, 452

DRsp I(120)154c-d

DRsp I(130)253a

WM 1986, 768

MDR 1986, 746

ZfBR 1986, 169

ZfBR 1987, 279

DRsp-ROM Nr. 1992/3867

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