Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage, wer mit einem Vermächtnis belastet werden kann

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung der Klausel in einem Grundstücksüberlassungsvertrag, in der sich der Erblasser vorbehalten hat, statt der vereinbarten Anrechnung bei der späteren Erbauseinandersetzung testamentarisch eine andere Regelung zu treffen.

 

Normenkette

BGB §§ 157, 315 Abs. 1-2, §§ 316, 328, 2147, 2150, 2174

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats den Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 14. Juli 1983 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der am 14. August 1978 verstorbene Vater der Parteien war Eigentümer eines Grundstücks in S.-O. Durch notariellen "Grundstücksüberlassungsvertrag" vom 15. Januar 1968 überließ er hiervon dem Beklagten ein Trenngrundstück zur Bebauung mit einem Bungalow. Unter anderem wurde im Vertrag bestimmt:

"§ 2

Ein Entgelt wird nicht gezahlt, jedoch muß sich der Übernehmer den Gegenwert des übernommenen Trennstücks, wie er zur Zeit maßgebend ist, bei der Erbauseinandersetzung mit seinen drei Geschwistern anrechnen lassen.

Der Überlassung (richtig wohl: Überlasser) behält sich jedoch vor, testamentarisch oder auf andere Weise eine andere Regelung zu treffen."

Der Beklagte wurde Ende 1969/Anfang 1970 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Am 21. November 1972 errichtete der Vater der Parteien ein notarielles Testament. Darin bestimmte er neben anderem:

"Zu meinem alleinigen Erben setze ich meinen Sohn Herrn Adolf W. (Kläger) ... ein.

...

Mein Sohn Johann W. jun. (Beklagter) hat vor einiger Zeit bereits ein etwa 900 qm großes unbebautes Gelände von mir aufgelassen erhalten. Statt der bei dieser Gelegenheit gemachten Auflage einer Abfindung der Geschwister soll jetzt allgemein für meine vier Kinder folgende Regelung gelten:

Nach meinen Tod soll der Zeitwert des Grund und Bodens meines Grundstücks (das darauf stehende Gebäude ist völlig wertlos) und der Zeitwert des Grund und Bodens des Grundstücks meines Sohnes Johann W. festgestellt werden, notfalls mit Hilfe eines Sachverständigen. Dieser Wert wird unter die vier Kinder zu je 1/4 aufgeteilt. Da Johann und Adolf Eigentümer des Grund und Bodens sind bzw. werden, müssen sie untereinander und im Verhältnis zu ihren beiden Schwestern:

a)

Lydia K. ...

b)

Amanda H. ...

einen Ausgleich in Geld vornehmen."

Im Jahre 1977 verkaufte der Vater der Parteien das ihm verbliebene Restgrundstück. Der beurkundete Kaufpreis betrug 90.000 DM. Diese Summe überließ er dem Kläger, der den beiden Schwestern und dem Vater "lebtägliche unentgeltliche" Wohnrechte an Wohnungen in seinem Mehrfamilienhaus einräumte. Etwa zwei Jahre nach dem Vater verstarb die Schwester Lydia K.

Gestützt auf die Anordnungen im Testament begehrt der Kläger vom Beklagten Zahlung in Höhe von 1/3 des Wertes des Trenngrundstücks. Er ist der Auffassung, sein Vater habe den Beklagten verpflichtet, seine drei Geschwister zu je 1/4 am Wert der Schenkung zu beteiligen. Nach dem Tod der Schwester habe sich sein Anteil auf 1/3 erhöht.

Die zuletzt auf 36.000,- DM bezifferte Zahlungsklage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

1.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich das Klagebegehren nicht auf § 2050 Abs. 3 BGB stützen läßt. Zu Unrecht hebt die Revision darauf ab, der Erblasser habe im Hinblick auf die unentgeltliche Übertragung des Trenngrundstücks zu Lasten des Beklagten eine Ausgleichung angeordnet. Die Pflicht zur Ausgleichung führt nur zur Anrechnung auf den Erbteil (§ 2055 BGB). Ansprüche auf Herauszahlung werden nicht begründet (§ 2056 BGB). Auch ist der Beklagte gar nicht Miterbe (vgl. u. II.2.).

2.

Das Berufungsgericht führt ferner aus, daß mit der Klage keine Pflichtteilergänzung verlangt werde. Die Revision läßt dies unbeanstandet. Demnach macht der Kläger in diesem Verfahren keine Ansprüche aus § 2329 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten als Beschenkten geltend. Eine Prüfung seines Begehrens unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kommt somit nicht in Betracht (RGZ 151, 93, 97 f.). Es bedarf daher keiner Erörterung, ob das Berufungsgericht zu Recht annimmt, die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB sei am Todestag des Erblassers bereits abgelaufen gewesen.

II.

1.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, als Anspruchsgrundlage komme hier allein ein Vermächtnis (§§ 2147, 2150, 2174 BGB) in Betracht. Im Ergebnis sei jedoch ein Anspruch des Klägers auf Erfüllung eines Vermächtnisses zu verneinen. Fraglich sei schon, ob der Erblasser den Beklagten mit einem Vermächtnis habe belasten können (§ 2147 BGB). Erbe sei der Beklagte nicht. Der Wortlaut des notariellen Testamentes und die Umstände seiner Erstellung ließen keinen Raum für eine derartige Annahme. Schenkungsempfänger könnten mit Vermächtnissen nicht belastet werden. Ob der Vorbehalt im Überlassungsvertrag vom 15. Januar 1978 hieran etwas ändere, sei zweifelhaft, da das Schenkungsgeschäft ausgehöhlt würde, wenn der Erblasser nachträglich dem Beklagten hätte Pflichten auferlegen dürfen, die bei Vertragsschluß nicht annähernd bestimmt gewesen seien.

Entscheidend sei aber, daß die letztwillige Verfügung vom 21. November 1972 kein Vermächtnis zu Gunsten des Klägers enthalte. Der Wille des Erblassers müsse im Testament irgendwie seinen Ausdruck gefunden haben. Daran fehle es. Der Erblasser sei bei der Testamentserrichtung davon ausgegangen, daß der Kläger als sein Erbe das Restgrundstück erhalten werde und daher lediglich die beiden Schwestern abzufinden seien. Dagegen habe eine Beteiligung des Klägers am Wert des dem Beklagten gehörenden Trenngrundstücks nicht der Vorstellung des Erblassers entsprochen. Das Testament habe weiterhin nur vorgesehen, daß die beiden Brüder untereinander einen Wertausgleich vornehmen. Sollte der Erblasser den Willen zu einer weitergehenden Verpflichtung des Beklagten bekundet haben, so sei dieser jedenfalls nicht formwirksam niedergelegt worden.

2.

Die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht die Prüfung der Anordnungen des Erblassers vor der Zeit abgebrochen und eine ergänzende Testamentsauslegung im Hinblick auf die spätere Änderung der Verhältnisse durch die Veräußerung des Restgrundstückes nicht in Betracht gezogen hat. In der Tat hätte dies vom Rechtsstandpunkt des Tatrichters aus nahegelegen.

Auch eine ergänzende Auslegung des Testaments hätte indessen nicht zu einem anderen Ergebnis führen können; denn der Erblasser konnte den Beklagten nicht wirksam mit einem Vermächtnis zu Gunsten des Klägers beschweren. Nach § 2147 BGB kann der Erblasser mit letztwilliger Verfügung nur Erben oder Vermächtnisnehmer belasten. Seine Anordnungen begründen eine Verpflichtung somit nur dann, wenn dem Beschwerten die Stellung eines Erben zukommt oder ihm von Todes wegen ein eigener Anspruch zugewendet wird. Nicht beschwert werden können dagegen nur aus Pflichtteilsrecht Begünstigte und Dritte, selbst wenn diese vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden eine unentgeltliche Zuwendung erhalten haben (Ermann/Hense, BGB 7. Aufl. § 2147 Rdn. 4; MünchKomm/Skibbe § 2147 Rdn. 5, 7; Soergel/Wolf, BGB 11. Aufl. § 2147 Rdn. 5, 7; BGB-RGRK/Johannsen 12. Aufl. § 2147 Rdn. 9). Davon macht die Möglichkeit, den Begünstigten eines Hofübergabevertrages mit einem Vermächtnis zu beschweren, nur scheinbar eine Ausnahme. Hier ist wegen des § 17 Abs. 2 HöfeO zugrundeliegenden Gedankens die vorweggenommene Hoferbfolge einem Anfall des Hofes beim Erbfall gleichzusetzen (BGHZ 37, 192, 194; LM HöfeO § 17 Nr. 20 Anm. Hückinghaus; Johannsen WM 1972, 868 f.). Die Voraussetzungen dieses Sonderfalles liegen hier nicht vor.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts wurde der Beklagte durch die Anordnungen des Erblassers in dem Testament vom 21. November 1972 enterbt. Diese Auslegung wird von der Revision nicht angegriffen und enthält auch keine Rechtsfehler. Der Kläger kann zur Begründung seines Klageanspruches auch nicht geltend machen, der Beklagte sei als Vermächtnisnehmer anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn bei Anordnung des Wertausgleichs noch offen war, welchem der beiden Grundstücke ein höherer Wert zukomme, und der Wertausgleich nach dem Willen des Erblassers in Geld hätte erfolgen sollen. Ein derartiges Vermächtnis setzte voraus, daß der Kläger eine höherwertige Zuwendung erhielte, und wäre deshalb notwendigerweise mit der Freiheit des Beklagten von Vermächtnisansprüchen des Klägers verbunden. Ein eigener Anspruch des Klägers wiederrum erforderte einen Sachverhalt, bei dem ein Vermächtnis zugunsten des Beklagten ausgeschlossen wäre.

III.

Dagegen beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht Ansprüche aus einem lebzeitigen Rechtsgeschäft des Beklagten mit dem Erblasser, die der Kläger als dessen Rechtsnachfolger oder aus eigenem Recht (§§ 328 ff. BGB) geltend machen könnte, nicht prüft. Die Anordnungen im Testament - möglicherweise auch die angeblichen späteren Äußerungen des Erblassers - lassen sich nicht nur als letztwillige Verfügungen verstehen, sondern auch als Ausübung eines dem Erblasser im Verhältnis zum Beklagten vertraglich eingeräumten Leistungsänderungs- und -bestimmungsrechts. Solche Erwägungen - wie sie die Parteien bereits in I. Instanz (Bl. 94, 151 ff.) anstellten - liegen hier nahe. Deshalb bedurfte es vorab einer Auslegung des Überlassungsvertrages vom 15. Januar 1968, insbesondere auch des dort zugunsten des Erblassers aufgenommenen Änderungsvorbehalts.

Der Berufungsrichter wird deshalb zunächst zu prüfen haben, wie weit der Vorbehalt in dem überlassungsvertrag vom 15. Januar 1968 reicht, ob damit insbesondere dem Erblasser die Möglichkeit eröffnet werden sollte, statt der im Vertrag vereinbarten Anrechnung des Wertes des überlassenen Trennstücks beim künftigen Erbfall auch eine Pflicht des Beklagten zur Zahlung einer Wertdifferenz festzulegen. Aus Rechtsgründen ist eine solche Auslegung nicht von vornherein auszuschließen. Sie würde nicht - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang meint - zu einer unzulässigen Aushöhlung der Schenkung führen. Denn zum einen bliebe die Überlassung auch bei einem Wertausgleich für den Beklagten vorteilhaft. Zum anderen kann erst eine Auslegung ergeben, ob und inwieweit der Überlassungsvertrag unentgeltlichen Charakter haben und behalten sollte. Rechtlich möglich ist es, dem Gläubiger in einem gegenseitigen Vertrag vorzubehalten, die zunächst vereinbarte (Gegen-)Leistung durch eine andere zu ersetzen oder überhaupt erst eine solche festzulegen. Möglich ist es auch, ihm dabei zu überlassen, den Inhalt der anderen Leistung entsprechend §§ 315 Abs. 1, 316 BGB zu bestimmen. Denkbar ist auch, daß die so bestimmte Gegenleistung in der Zahlung an einen Dritten besteht. Daß eine solche Neubestimmung der Leistung durch - dem Beklagten nicht zugegangene - letztwillige Verfügung erfolgte, kann unschädlich sein. Denn § 315 Abs. 2 BGB, der an sich den Zugang einer Leistungsbestimmung an den Vertragspartner voraussetzt, enthält - wie die ganze Vorschrift - nachgiebiges Recht (Palandt/Heinrichs, BGB 44. Aufl. § 315 Anm. 3 b). Der Erblasser hatte sich eine anderweite Bestimmung durch letztwillige Verfügung ausdrücklich vorbehalten. Schließlich stellten sich insoweit auch keine Formprobleme im Hinblick auf § 313 BGB (RGZ 165, 161, 163; BGH Urteile vom 30. Juni 1967 - V ZR 104/64 = BB 1967, 1394; vom 28. Februar 1968 - V ZR 206/64 = LM BGB § 313 Nr. 33). Für die danach zu treffende Auslegung kann von Bedeutung sein, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Erblasser schon bei Abschluß des Überlassungsvertrages im Auge hatte, seine Kinder evtl. später im wesentlichen gleich zu bedenken, und welche Vorstellungen er damals vom Wert des ganzen Grundstücks und des Trennstücks hatte. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Aufklärung. Der Senat kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden.

Sollte die Auslegung ergeben, daß der Vorbehalt in dem Überlassungsvertrag auch die nachträgliche Bestimmung einer Zahlungspflicht des Beklagten deckt, wird der Tatrichter die Ausgleichsklausel in dem Testament des Erblassers auszulegen haben. Da der Erblasser beim Abfassen dieser Klausel davon ausging, daß der Kläger das Restgrundstück erben werde, diese offensichtlich wesentliche Grundlage seiner Entschließung durch die Veräußerung des Grundstücks aber später entfiel, kommt eine ergänzende Auslegung in Betracht, die sich insbesondere damit wird befassen müssen, ob angenommen werden kann, für diesen Fall solle nach dem hypothetischen Willen des Erblassers der Erlös an die Stelle des Grundstücks treten. Dabei wird auch zu beachten sein, inwieweit nach dem hypothetischen Willen des Erblassers zu berücksichtigen ist, daß die beiden Schwestern in Gestalt der Wohnrechte - wenn auch mittelbar - unentgeltliche Vermögenszuwendungen erhalten haben.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Kläger Gelegenheit, seinen Klageantrag, soweit er ihn auf ein Erbrecht nach seiner nachverstorbenen Schwester stützt, dem anzupassen, daß möglicherweise insoweit noch eine Erbengemeinschaft der Geschwister besteht.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen,

Dr. Lang,

Dehner,

Dr. Schmidt-Kessel,

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456099

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