Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung wegen Verlust von Steuervergünstigungen aufgrund Systemfehlern in der Buchhaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters ist es, sich selbst zu vergewissern, ob die Buchhaltung seines Mandanten den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Buchführung genügt; er haftet daher auch für einen durch falsche Beratung hervorgerufenen Systemfehler der Buchhaltung, der für den Unternehmer den Verlust der in § 10a EStG vorgesehenen Vergünstigungen zur Folge hat.

 

Normenkette

StBerG § 33; BGB §§ 823, 276

 

Tatbestand

Der Kläger war Grundstücks- und Finanzmakler und als solcher, da seine Firma im Handelsregister eingetragen war, gemäß § 38 HGB buchführungspflichtig. Seine Bücher wurden in der für diesen Rechtsstreit interessierenden Zeit von dem Betriebswirt K geführt. Die steuerliche Beratung oblag ab 1. 1. 1955 dem Beklagten, der damals als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig war.

Im Jahre 1961 führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch, auf Grund deren dem Kläger die Steuervergünstigungen, die er als Flüchtling nach § 10 a Abs. 1 EStG in Anspruch genommen hatte, versagt wurden, weil er über seine unbaren Geschäftsvorfälle kein Kontokorrentkonto und keine Personenkonten geführt hatte. Das Finanzamt sah darin einen Systemfehler in der Buchhaltung des Klägers, der zu einer Versagung der von ihm in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen führen müsse. Infolgedessen wurde der Kläger zur Einkommensteuer neu veranlagt und mußte für die Jahre 1956 bis 1960 insgesamt rd. 27.101 DM nachzahlen, davon 7.160 DM für die Jahre 1956 und 1957.

Der Kläger war der Ansicht, der Beklagte habe ihn falsch beraten und nicht sichergestellt, daß durch eine ordnungsgemäße Buchführung den Anforderungen des § 10 a EStG genügt werde. Mit der Klage beantragte er, den Beklagten zur Zahlung von 27.101 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte bestritt ein Verschulden. Er trug vor, die Buchführung habe ihm nicht obgelegen. Er habe die Buchführung auch nicht gesehen, habe es aber, da er K als sachkundig habe ansehen dürfen, als selbstverständlich gehalten, daß im Journal wenigstens ein Debitorenkonto geführt werde. Die Führung besonderer Kontokorrentkonten (Personenkonten) habe er für nicht erforderlich gehalten und – entgegen der Auffassung des Finanzamt – auch nicht für erforderlich zu halten brauchen, weil, wie ihm der Kläger mitgeteilt habe, dieser seinen Kunden jeweils nur eine Rechnung erteilt habe, die sogleich oder nur wenige Tage später beglichen worden sei. Die Bilanzen hätten auch zum jeweiligen Jahresende – abgesehen von einem kleinen Einzelposten – keine Außenstände aufgewiesen.

Das Landgericht hat durch Teilurteil den Beklagten wegen des für die Jahre 1956 und 1957 entstandenen Schadens zur Zahlung von rd. 7.160 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß der Rat des Beklagten, es brauchten keine Kontokorrentkonten geführt zu werden, falsch gewesen sei. Die hiergegen erhobenen Revisionsrügen des Beklagten sind im Ergebnis unbegründet.

a) Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe seine Rechtsauffassung nicht begründet, die Bezugnahme auf die im Prüfbericht des Finanzamts dargelegte Rechtsauffassung stelle keine hinreichende Begründung dar (Verstoß gegen § 551 Nr. 7 ZPO).

Diese Rüge geht fehl. Das Berufungsgericht hat die Beanstandungen des Finanzamts im wesentlichen dargelegt. Das Urteil läßt allerdings nicht erkennen, daß das Berufungsgericht die Frage, ob die Ansicht des Finanzamts richtig ist, selbst geprüft hat. Es hat dazu ausgeführt, der Beklagte könne nicht einwenden, daß die Ansicht des Finanzamts falsch sei, weil er von der Möglichkeit, gegen die Neuveranlagung der Einkommensteuer für den Kläger Einspruch einzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe; er müsse deshalb die Ansicht des Finanzamts als richtig hinnehmen.

Diese Begründung des Berufungsgerichts, mit der es sich ersichtlich der Notwendigkeit enthoben zu sein glaubte, die Richtigkeit der Auffassung des Finanzamts selbst nachzuprüfen, ist nicht unbedenklich. Doch kann das in diesem Zusammenhang auf sich beruhen; denn eine fehlerhafte Begründung steht nicht dem Fehlen von Gründen gleich.

b) Es bedarf auch keiner Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur selbständigen Prüfung der Frage, ob die Auffassung des Finanzamts richtig und demnach der Rat des Beklagten falsch waren; denn es handelt sich insoweit um eine reine Rechtsfrage, die das Revisionsgericht selbst entscheiden kann. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis richtig.

Für eine Vergünstigung nach § 10 a EStG ist Voraussetzung eine ordnungsmäßige Buchführung. Dazu gehört, daß über unbare Geschäftsvorfälle grundsätzlich ein Kontokorrentkonto als Sachkonto und daneben ein Kontokorrentbuch zu führen ist, letzteres mit einer kontenmäßigen Darstellung der Vorfälle und nach Geschäftsfreunden aufgegliedert. Das soll dazu dienen, den Kaufmann über den Stand seiner Forderungen und Verpflichtungen gegenüber seinen Geschäftsfreunden jederzeit auf dem laufenden zu halten. Fehlt es an solchen Aufzeichnungen, so kann von einer ordnungsgemäßen Buchführung nicht die Rede sein. Ein derartiger „Systemfehler” muß nach der Rspr. zur Versagung der Vergünstigungen nach § 10a EStG führen (BFH-Urteile vom 23. 2. 1951 – IV 15/51 –, BFHE 55,199, BStBl. III 1951, 75; vom 5. 3.1953 – IV 174/52 U –, BFHE 58, 507, BStBl. III 1954, 106; vom 10. 4.1953 – IV 18/53 U –, BFHE 57,403, BStBl. III 1953, 157 und vom 14. 6. 1963 – VI 241/ 62 U –, BFHE 77,172, BStBl III 1961,381). Der wesentliche Inhalt dieser Rspr. ist auch in Abschn. 29 Abs. 2 Nr. 2 EStR 1955 wiedergegeben.

Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn ein beachtlicher unbarer Geschäftsverkehr nicht vorhanden ist. Aber auch dann muß jedenfalls zum Bilanzstichtag ein Geschäftsfreundeverzeichnis vorliegen, aus dem sich die Schulden und Forderungen der einzelnen Geschäftsfreunde ergeben (BFH vom 23. 2. 1951 a.a.O).

Diesen Anforderungen hat der Kläger, wie sich aus den dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Feststellungen im Prüfbericht ergibt, nicht genügt. Er hat kein Kontokorrent geführt, nicht einmal ein Debitorenkonto im Journal. Auch ein Geschäftsfreundeverzeichnis zum Bilanzstichtag fehlte.

Der Auffassung des Beklagten, die Beanstandungen des Finanzamts seien unberechtigt, weil der unbare Geschäftsverkehr des Klägers „verhältnismäßig gering” gewesen sei, kann nicht beigetreten werden. Nach dem Prüfbericht handelte es sich bei ihm um 50-100 Geschäftsvorfälle im Jahr. Nach seinem eigenen Vortrag sind etwa 10-12 unbar abgewickelt worden. Auch wenn man von der Richtigkeit dieser Behauptung ausgeht, kann – insbesondere auch im Hinblick auf die unstreitige Feststellung des Prüfberichts, wonach die Außenstände des Klägers am Ende der in Frage kommenden Jahre 1956 und 1957 recht beachtlich waren, nämlich rd. 27.503 DM und rd. 21.719 DM betrugen – von einem unbaren Geschäftsverkehr nur geringen Umfangs keine Rede sein.

Die Pflicht, ein Kontokorrentkonto zu führen, entfiel auch nicht deshalb, weil es sich bei jedem Kunden idR jeweils nur um einen Geschäftsvorgang handelte. Maßgebend ist, daß jedenfalls für eine gewisse Zeit Forderungen bestanden und zudem die Vorgänge in ihrer Gesamtheit einen nicht nur unbedeutenden Umfang aufweisen. Ob der Kläger sich unter diesen Umständen damit hätte begnügen können, ein „Konto für Verschiedene” zu führen (also mehrere Kunden auf einem Kontoblatt), kann dahingestellt bleiben. Auch das war nicht geschehen. Überdies fehlte auch noch die Führung eines Debitorenkontos im Journal.

2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler ein Verschulden des Beklagten bejaht. Als Steuerberater mußte er wissen, welche Anforderungen die Finanzbehörden und Finanzgerichte im Hinblick auf die Vergünstigungen des § 10 a EStG an die Buchführung des Steuerpflichtigen stellen. Er mußte insbesondere wissen, daß nach den von diesen aufgestellten Grundsätzen die Führung eines Kontokorrentbuches oder mindestens die Erstellung eines Geschäftsfreundeverzeichnisses unerläßlich war. Deshalb durfte er sich nicht darauf verlassen, daß die Buchführung von einem, wie er meinte, erfahrenen Betriebswirt geführt wurde. Vielmehr wäre er verpflichtet gewesen, sich selbst davon zu vergewissern, daß die Buchhaltung des Klägers den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung entsprach, weil davon die Steuervorteile des § 10 a EStG abhingen. Der Beklagte kann sich auch nicht damit entschuldigen, daß er keinen Einblick in die Buchhaltung gehabt habe. Diesen mußte er sich unter allen Umständen verschaffen. Daß ihm, wenn er darauf gedrungen und auf die Notwendigkeit einer eigenen Prüfung hingewiesen hätte, die Einsicht in die Buchhaltung dennoch verweigert worden wäre, hat er nicht vorgetragen. Wäre das übrigens der Fall gewesen, dann hätte er jede weitere Beratung und Haftung ausdrücklich ablehnen müssen.

Darauf, ob der Beklagte des Glaubens sein durfte, der Kläger führe wenigstens ein Debitorenkonto, kommt es überdies auch schon deshalb nicht an, weil ein solches die Führung eines Kontokorrentbuches oder wenigstens eines Geschäftsfreundeverzeichnisses in keinem Falle entbehrlich gemacht hätte.

3. Das Berufungsgericht hat somit – jedenfalls im Ergebnis – zutreffend eine Schadenersatzpflicht des Beklagten bejaht, weil er dem Kläger schuldhaft den falschen Rat gegeben hat, von der Führung eines Kontokorrentbuches oder der Erstellung eines Geschäftsfreundeverzeichnisse abzusehen, mit der Folge, daß dem Kläger die Vergünstigungen des § 10 a EStG nicht gewährt wurden.

4. Das Berufungsgericht hat ein ursächliches Mitverschulden des Klägers verneint. Es meint u.a., die von dem Beklagten behaupteten falschen Angaben des Klägers seien nicht ursächlich für dessen Schaden gewesen, „weil unter allen Umständen Kontokorrentkonten hätten geführt werden müssen”. Es bedürfe dazu deshalb keiner Beweiserhebung.

Der Beklagte rügt hierzu, das Berufungsgericht habe seinen Schriftsatz nicht berücksichtigt, in dem er vorgetragen habe, der Kläger habe ihm erklärt, daß er fast alle Geschäfte bar abwickle und daß er zum Jahresende keine Außenstände gehabt habe. Wäre er von dem Beklagten richtig unterrichtet worden, dann hätte er auf eine geordnete Buchführung gedrungen.

Die Rüge ist nicht begründet. Der Kläger hat die Behauptung des Beklagten bestritten. Dieser hat keinen Beweis angetreten. Das Berufungsgericht brauchte sich deshalb nicht damit auseinanderzusetzen.

Die Revision des Beklagten ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

JZ 1968, 381

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge