Leitsatz (amtlich)

›Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung von Fürsorgepflichten im Zivildienstverhältnis sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen.

Schadensersatzansprüche der Bundesrepublik Deutschland gegen eine nach § 4 ZDG anerkannte Beschäftigungsstelle wegen Verletzung von Pflichten, die sich aus dem durch die Anerkennung begründeten verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ergeben, sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen.

Zur Verweisung des Rechtsstreits bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, für die teils der ordentliche und teils der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

 

Verfahrensgang

LG Köln

OLG Köln

 

Tatbestand

Der beklagte Verein ist eine anerkannte Beschäftigungsstelle für Zivildienstleistende. Er setzte den Zivildienstleistenden B. seit Anfang April 1984 ohne Wissen der Klägerin als Helfer in der Zentralsterilisation des Evangelischen Krankenhauses K. ein. Seine Aufgabe war es dort, medizinische Instrumente und Bestecke zu reinigen. Im November 1984 erkrankte er an Hepatitis B. Die Klägerin macht den Beklagten für die Infektion verantwortlich und verlangt von ihm aus übergegangenem Recht des Zivildienstleistenden, hilfsweise aus eigenem Recht, die Erstattung der von ihr aufgewendeten Heilbehandlungskosten sowie der während der Dienstunfähigkeit geleisteten Geld- und Sachbezüge.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Hilfsweise beantragt sie - wie schon im Berufungsrechtszug - die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, daß die Erkrankung des Zivildienstleistenden auf eine Infektion bei seiner Tätigkeit im Evangelischen Krankenhaus K. zurückzuführen ist. Trotzdem hat es Ansprüche des Zivildienstleistenden aus unerlaubter Handlung, die gemäß § 35 Abs. 1 ZDG, § 30 Abs. 3 SoldG, § 87 a BBG auf die Klägerin hätten übergehen können, verneint. Zur Entscheidung über eine etwaige Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen Fürsorgepflichtverletzung hat es die Verwaltungsgerichte für berufen angesehen, die beantragte Verweisung aber abgelehnt.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

II. 1. Die Revision geht davon aus, daß als mögliche Rechtsgrundlage eines auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzanspruchs gegen den beklagten Verein allein die Verletzung von Fürsorgepflichten zu prüfen sei. Für einen solchen Anspruch ist jedoch nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht der ordentliche, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

a) Erleidet ein Zivildienstleistender im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der Beschäftigungsstelle einen Gesundheitsschaden, so kommt in seiner Person ein Ersatzanspruch gegen die Beschäftigungsstelle nur unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflichtverletzung in Betracht. Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) oder Aufopferung können sich nur gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Senatsurteil vom 5. Juli 1962 - III ZR 80/61 - NJW 1962, 673; vgl. auch BGH Urteil vom 30. November 1967 - VII ZR 34/65 - NJW 1968, 443; Kreft in BGB-RGRK § 839 Rn. 65), nicht aber gegen einen Verein des bürgerlichen Rechts wie den Beklagten richten; einen solchen Anspruch kann die Klägerin daher gegen den Beklagten nicht durch Rechtsübergang von dem Zivildienstleistenden erworben haben. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche kommen wegen der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Zivildienstverhältnisses, das auch im Verhältnis des Zivildienstleistenden zur Beschäftigungsstelle durch deren Beleihung (Senatsurteil BGHZ 87, 253, 255 f.; BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 84/86 - NVwZ 1988, 1027 - und vom 21. Oktober 1988 - 8 C 112/86 - NVwZ-RR 1989, 486) öffentlich-rechtlich geprägt ist, ebenfalls nicht in Betracht.

Ein Anspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung ist - auch als übergegangener - im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen.

b) Für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist allerdings grundsätzlich der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dies gilt jedoch nicht für Schadensersatzansprüche aus dem Zivildienstverhältnis, weil hier die besonderen Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts anwendbar sind, die nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO unberührt bleiben, der Rechtswegzuweisung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO also vorgehen.

Der Vorbehalt des § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO bezieht sich auf (den unmittelbar geltenden) § 126 BRRG, der alle Klagen von Beamten, Ruhestandsbeamten, früheren Beamten und Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis in den Verwaltungsrechtsweg verweist. Eine entsprechende Rechtswegzuweisung für Klagen aus dem Soldatenverhältnis enthält § 59 SoldG; für Rechtsstreitigkeiten bei der Ausführung des Wehrpflichtgesetzes ist nach § 32 WPflG ebenfalls der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Eine vergleichbare ausdrückliche Rechtswegzuweisung enthält das Zivildienstgesetz allerdings nicht. Indes stellt § 78 Abs. 2 ZDG den Zivildienst bei Anwendung der Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts dem Wehrdienst aufgrund der Wehrpflicht gleich. Diese Gleichstellung ist auch auf die Rechtswegzuweisung des § 32 WPflG zu beziehen. Die Rechtsprobleme und Streitigkeiten, die sich aus der Ausführung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes ergeben können, sind grundsätzlich gleichgeartet. Es besteht daher kein Anhaltspunkt dafür, daß eine unterschiedliche Rechtswegzuweisung sinnvoll wäre und der Gesetzgeber sie gewollt haben könnte.

2. Auch soweit die Klage auf einen eigenen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gestützt ist, macht die Revision ohne Erfolg geltend, für die Entscheidung über einen solchen Anspruch seien die ordentlichen Gerichte berufen.

a) Als Rechtsgrundlage für einen eigenen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten kommt nur das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis in Betracht, das durch die Anerkennung nach § 4 ZDG begründet wird. Diese Anerkennung ist im Verhältnis zu privatrechtlich organisierten Stellen als mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt zu qualifizieren (Senatsurteil BGHZ 87, 253, 255) und begründet ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und dem Träger der Beschäftigungsstelle, kraft dessen dieser auch der Klägerin gegenüber zur Fürsorge für den Zivildienstleistenden verpflichtet ist. Verletzungen dieser Fürsorgepflicht stellen im Rahmen dieses Schuldverhältnisses eine positive Forderungsverletzung dar (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 1983, S. 68; Zuleeg, DÖV 1970, 627, 630).

Ein Rückgriffsanspruch nach Art. 34 Satz 2 GG kommt dagegen nicht in Betracht. Ein solcher Anspruch ist allerdings schon dann gegeben, wenn ein Dienstherr Heilfürsorgeleistungen auch zur Erfüllung eines Amtshaftungsanspruchs erbringt. Dies ist hier nicht schon durch § 35 Abs. 1 ZDG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 SoldG, § 91 a Abs. 1 SVG ausgeschlossen. § 91 a SVG gilt zwar auch für Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht in einem Wehrdienstverhältnis stehen, und dementsprechend auch für Zivildienstleistende (vgl. auch § 78 Abs. 2 ZDG). Er nimmt ihnen aber Amtshaftungsansprüche nicht von Grund auf, sondern schränkt sie nur der Höhe nach ein (Senatsurteil BGHZ 106, 13, 15). Indes fehlt es für einen Rückgriffsanspruch schon nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin an der in Art. 34 Satz 2 GG als Mindestes vorausgesetzten groben Fahrlässigkeit eines Bediensteten der Beschäftigungsstelle. Dies hat schon das Landgericht zutreffend ausgeführt und die Klägerin in den Rechtsmittelzügen nicht mehr in Frage gestellt.

b) Schadensersatzansprüche des Bundes gegen eine Beschäftigungsstelle wegen Verletzung von Pflichten, die dieser gegenüber dem Bund obliegen, sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen. § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO findet auf solche Ansprüche keine Anwendung; denn er betrifft nur Ansprüche gegen die öffentliche Hand (BGHZ 43, 269, 277; vgl. auch Senatsurteile vom 7. Februar 1963 - III ZR 70/61 - LM VwGO § 40 Nr. 9 - und vom 21. Dezember 1964 - III ZR 70/63 - BB 1965, 142), nicht solche die von der öffentlichen Hand gegen Privatpersonen erhoben werden (BVerwGE 18, 72, 78; 37, 231, 236). Dazu zählt auch der Anspruch der öffentlichen Hand gegen einen beliehenen Unternehmer. Insoweit fehlt die "Sachnähe" zur Amtshaftung, die für die Rechtswegzuweisung in § 40 Abs. 2 Satz 1 bedeutsam ist (BGHZ a.a.O. S. 277 f.).

III. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Verwaltungsgericht ist nicht zulässig.

1. Nach Wortlaut und Sinn des § 17 GVG ist eine Verweisung nur dann geboten und zulässig, wenn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist; ist dagegen bei mehrfacher - auch bei mehrfacher rechtlich und tatsächlich selbständiger - Begründung des einen Klageanspruchs der ordentliche Rechtsweg hinsichtlich eines der konkurrierenden Klagegründe zulässig und nur hinsichtlich eines weiteren Klagegrundes unzulässig, so ist eine Verweisung an das für den weiteren Klagegrund zuständige Gericht nicht statthaft (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 27. Oktober 1988 - III ZR 23/88 - NuR 1989, 147 m.w.Nachw.). Selbst bei Klagenhäufung ist ebenso wie bei der Annahme einer mehrfachen Begründung desselben prozessualen Anspruchs ein Teilurteil über einen der Klagegründe nicht zulässig (BGHZ 13, 145, 154; BVerwGE 16, 181; 22, 45).

Ob für das Klagebegehren konkurrierende Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, die teils in dem beschrittenen, teils in einem anderen Rechtsweg zu verfolgen sind, ist auf der Grundlage des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen (BGH Urteil vom 9. Juli 1985 - VI ZR 219/83 - NJW 1985, 2756). Der Umstand, daß der Kläger sich auf eine materielle Anspruchsgrundlage beruft, für die der beschrittene Rechtsweg zulässig wäre, steht einer Verweisung dann nicht entgegen, wenn diese Anspruchsgrundlage aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, daß kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen.

2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann steht schon die ursprüngliche Berufung der Klägerin auf übergegangene Amtshaftungs- und Aufopferungsansprüche des Zivildienstleistenden gegen den Beklagten einer Verweisung an das Verwaltungsgericht entgegen. Solche Ansprüche lassen sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt zwar nicht herleiten; mit Recht weist die Revision darauf hin, daß der Beklagte als juristische Person des Privatrechts für Ansprüche dieser Art nicht passivlegitimiert sein kann. Indes hat die Klägerin Ansprüche dieser Art im ersten Rechtszug ernstlich geltend gemacht; ihre Abweisung bedurfte einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen. Die Geltendmachung materiellrechtlicher Anspruchsgrundlagen, die aus demselben Sachverhalt hergeleitet werden, unterliegt auch nicht der Dispositionsbefugnis der Partei, so daß diese einmal geltend gemachte Ansprüche nicht aus dem Verfahren ausscheiden und dadurch eine Verweisung zulässig machen kann.

In jedem Fall hindert aber die Geltendmachung eines Rückgriffsanspruchs nach Art. 34 Satz 2 GG durch die Klägerin die Verweisung an das Verwaltungsgericht. Ein solcher Anspruch ist im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen. Der Umstand, daß die Klägerin die erforderliche grobe Fahrlässigkeit eines Bediensteten des Beklagten nicht hat dartun können, führt nicht dazu, daß diese Anspruchsgrundlage im Rahmen der Entscheidung über eine Verweisung vernachlässigt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993048

NJW 1991, 97

BGHR GG Art. 34 Körperschaft 3

BGHR GVG § 17 Teilverweisung 2

BGHR VwGO § 40 Abs. 2 Satz 2 Zivildienst 1

DÖV 1990, 1027

VersR 1991, 324

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