Leitsatz (amtlich)

Lehnt es der Konkursverwalter ab, einen vom Gemeinschuldner und vom Besteller bei Konkurseröffnung nicht vollständig erfüllten Bauvertrag an Stelle des Gemeinschuldners zu erfüllen, so kann er nur dann vom Besteller etwas zur Masse zurückverlangen, wenn der Wert der Teilleistungen des Gemeinschuldners den dem Vertragsgegner durch die Erfüllungsverweigerung entstandenen Schaden übersteigt.

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 15.03.1976)

LG Stade

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 15. März 1976 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Der Bauunternehmer Reinhold W.-We. führte 1974 für den Beklagten Umbauarbeiten an dessen Wohnhaus aus. Als Vergütung war ein Festpreis ausgemacht. Die Arbeiten waren noch nicht abgeschlossen, als über das Vermögen des Bauunternehmers das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der zum Konkursverwalter bestellte Kläger lehnte die Erfüllung des Vertrags ab und stellte dem Beklagten für bisher erbrachte, noch nicht bezahlte Teilleistungen 5.859,65 DM in Rechnung. Der Beklagte ließ die Arbeiten anderweitig zu Ende führen. Er macht geltend, dadurch sei ihn der Umbau 8.749,17 DM teurer gekommen, als mit dem Gemeinschuldner vereinbart gewesen sei. Mit dem daraus folgenden Schadensersatzanspruch hat er aufgerechnet.

Der Kläger hat die Höhe der Mehrkosten bestritten und behauptet, er habe dem Beklagten unverzüglich nach Konkurseröffnung eine Firma genannt, die bereit gewesen sei, den Umbau zum vereinbarten Festpreis fertig zu stellen. Außerdem habe der Beklagte die Restarbeiten teilweise im Stundenlohn vergeben, ohne daß das nötig gewesen wäre.

Der Kläger hat die 5.859,65 DM nebst Zinsen eingeklagt. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf Wertersatz für vom Gemeinschuldner erbrachte Teilleistungen, der aus ungerechtfertigter Bereicherung herzuleiten wäre, wegen der dem Beklagten zustehenden höheren Schadensersatzforderung nicht bestehe.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil befindet sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

1.

Danach wird durch die Weigerung des Konkursverwalters gemäß § 17 KO, einen zweiseitigen, von keiner Partei vollständig erfüllten Vertrag zu erfüllen, dieser Vertrag zwar nicht aufgehoben. Das Rechtsverhältnis wird aber umgestaltet: An die Stelle des gegenseitigen Schuldverhältnisses tritt der einseitige Anspruch des Vertragsgegners des Gemeinschuldners auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (BGH NJW 1962, 153, 155; 1962, 2296, 2297; 1963, 1869, 1870; 1967, 2203, 2204 (insofern nicht abgedruckt in BGHZ 48, 203); Senatsurteil vom 30. Mai 1963 - VII ZR 11/62 = WM 1963, 964, 965; RGZ 135, 167, 170; 140, 10, 15; Jaeger/Lent 8. Aufl. Rdn. 41, 42; Mentzel/Kuhn, 8. Aufl. Rdn. 36; Böhle-Stamschräder 12. Aufl. Anm. 4 c jeweils zu § 17 KO; Schulz-Bourmer KTS 1975, 103; Rosenberger BauR 1975, 233, 234). Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob dieser Schadensersatzanspruch auf bürgerlich-rechtlichen Vorschriften beruht oder auf konkursrechtlichen Bestimmungen (BGHZ 15, 333, 336; BGH NJW 1962, 153, 155; RGZ 135, 167, 170 jeweils mit weiteren Nachweisen). Das hat keine praktischen Auswirkungen.

2.

Innerhalb des an die Stelle des Vertrags getretenen Abrechnungsverhältnisses (Senatsurteil NJW 1963, 1869, 1870) sind die vom Gemeinschuldner vor Eröffnung des Konkursverfahrens erbrachten Teilleistungen nur Rechnungsposten bei der Ermittlung des dem Vertragsgegner entstandenen Schadens (Böhle-Stamschräder a.a.O. § 26 KO Anm. 8). Übersteigt der Wert der Teilleistungen den dem Vertragsgegner durch die Erfüllungsverweigerung entstandenen Schaden nicht, so kann der Konkursverwalter nichts zur Masse zurückverlangen. Das kann er vielmehr nur, wenn dem Vertragsgegner durch die Ablehnung der Erfüllung kein Schaden entstanden ist oder dessen Schaden niedriger ist als der Wert der Teilleistungen des Gemeinschuldners.

3.

In diesem Falle nehmen Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend an, daß der Konkursverwalter den Wert der vom Gemeinschuldner erbrachten, dem Vertragsgegner verbleibenden Teilleistungen aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen kann, weil infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung der Rechtsgrund für eine Erfüllungsleistung nachträglich weggefallen sei (BGHZ 15, 333, 335/336; RGZ 135, 167, 172; Jaeger/Lent a.a.O. § 17 KO Rdn. 44; Heimann-Trosien in RGRK 12. Aufl. Rdn. 82; Soergel/Siebert/Mühl 10. Aufl. Rdn. 130; Staudinger/Seufert 10./11. Aufl. Rdn. 36 b; Erman/H.P. Westermann 6. Aufl. Rdn. 48 jeweils zu § 812 BGB). Der Anspruch geht bei Bauarbeiten an einem Grundstück auf Ersatz des objektiven Mehrwerts des gemeinen Verkehrswerts ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Aufwendungen des Bereicherungsgläubigers (vgl. Heimann-Trosien a.a.O. § 818 BGB Rdn. 18).

4.

Die Rechtslage ist hier im Ergebnis nicht anders, wenn man im Anschluß an die zu den §§ 325, 326 BGB ergangene Entscheidung BGHZ 36, 316 mit RGZ 73, 58, 61 annimmt, daß der Konkursverwalter für die Teilleistungen eine restliche Vergütung aus dem ursprünglichen Vertrag verlangen kann, weil dieser insoweit tatsächlich erfüllt worden ist (so wohl Rosenberger BauR 1975, 233, 234/235).

a)

Eine solche "Aufspaltung" eines Vertragsverhältnisses in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil ist dem bürgerlichen Recht nicht fremd, wie der Senat in BGHZ 36, 316, 318 dargelegt hat. Sie kommt nicht nur bei "teilbaren" Leistungen im Sinne der §§ 325, 326 BGB, sondern z.B. auch bei Bauverträgen vor, für die die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/B) vereinbart ist. Kündigt nämlich unter deren Geltung der Auftraggeber gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B (1973) den Vertrag, wenn der Auftragnehmer in Konkurs gerät, sind gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung in Verbindung mit § 6 Nr. 5 die ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen und Schadensersatzansprüche vom Auftraggeber nur wegen Nichterfüllung des Restes zu stellen. Soweit der Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, bleibt es also beim Vertrag (Senatsurteil WM 1963, 964, 965).

Auch sonst kann es für den Bauherrn vorteilhafter sein und damit seinem Interesse besser entsprechen, wenn er für die ihm verbleibenden Teilleistungen des in Konkurs gefallenen Unternehmers eine Vergütung nach dem Vertrag und nicht Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung schuldet. Das ist z.B. immer dann so, wenn er besonders günstige Preise ausgehandelt hatte, die unter der üblichen Vergütung liegen und damit den objektiven Wert der Arbeiten unterschreiten.

b)

Einem derartigen Vertragsanspruch des Konkursverwalters auf Vergütung der geleisteten Arbeiten würde der Schadensersatzanspruch des Bauherrn wegen Nichterfüllung der restlichen noch nicht ausgeführten Arbeiten gegenüber stehen. Dieser Anspruch ist nach § 26 Satz 2 KO zwar eine einfache Konkursforderung, die nur in Höhe der Konkursquote befriedigt wird. Es ist aber allgemein anerkannt, daß der Vertragsgegner des Gemeinschuldners mit einer solchen Schadensersatzforderung gegen Ansprüche der Masse aufrechnen kann und sich nicht auf die Anmeldung seines Anspruchs zur Konkurstabelle verweisen lassen muß. § 55 Nr. 2 KO steht dem nicht entgegen. Der Schadensersatzanspruch gilt als schon vor Konkurseröffnung aufschiebend bedingt entstanden, so daß gemäß § 54 Abs. 1 KO die Aufrechnung mit ihr auch nach Konkurseröffnung möglich ist (BGHZ 15, 333, 336; RGZ 140, 10, 16 mit weiteren Nachweisen; Jaeger/Lent § 54 KO Rdn. 9; Mentzel/Kuhn § 55 KO Rdn. 9; Böhle-Stamschräder § 54 KO Anm. 4). Aus dem Saldo der beiderseits aufzurechnenden Forderungen ergibt sich, ob der Konkursverwalter vom Bauherrn etwas zur Masse verlangen kann oder dieser wegen des zu seinen Gunsten sich ergebenden Unterschiedsbetrags in Höhe der Konkursquote Befriedigung aus der Konkursmasse suchen muß.

5.

Nach jeder der beiden vorgenannten rechtlichen Betrachtungsweisen (Bereicherung oder vertraglicher Anspruch) kommt also ein Anspruch der Masse auf den Gegenwert einer vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung erbrachten Teilleistung dann nicht in Betracht, wenn der Vertragsgegner durch den Konkurs einen gleichhohen oder höheren Schaden erlitten hat, als der Gegenwert der erbrachten Teilleistungen ausmacht. Dieses Ergebnis erscheint - entgegen der Ansicht der Revision - allein sach- und interessengerecht. Sinn und Zweck des § 17 KO gehen auch dahin, bei einem gegenseitigen, von keiner Partei vollständig erfüllten Vertrag den Vertragsgegner des Gemeinschuldners zu schützen (BGHZ 58, 246, 249). Diesem Ziel dient es, wenn ein steckengebliebener Bau einheitlich unter Einbeziehung der vom Gemeinschuldner erbrachten Teilleistungen danach beurteilt wird, ob dem Vertragsgegner des Gemeinschuldners über die durch den Konkurs erlittenen Einbußen hinaus ein Wert verblieben ist. Nur wenn das der Fall ist, muß er diesen Wert herausgeben. Es wäre dagegen unangemessen, wenn der Vertragsgegner die vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung erbrachten Teilleistungen voll der Masse vergüten müßte, mit seiner Schadensersatzforderung aber auf die Konkursquote verwiesen würde.

Die Nasse wird dadurch letztlich nicht geschmälert. In sie gehen die Rechte des Gemeinschuldners so ein, wie sie dem Gemeinschuldner bei Eröffnung des Konkurses zustehen. Deshalb hat der Konkursverwalter in der Regel die sich aus dem von ihm verwalteten Vermögen ergebenden Lasten und Beschränkungen zu beachten (BGHZ 56, 228, 230/231). Das gilt auch von Verrechnungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten, mit denen belastet Rückgewähransprüche, um die es hier geht, überhaupt nur zur Masse gelangen (BGHZ 15, 333, 337).

Nach alledem ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.

II.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall:

1.

Der Beklagte hat im einzelnen dargelegt, daß ihm unter Einbeziehung der vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung erbrachten Teilleistungen ein Schaden entstanden ist, der die Klagforderung übersteigt. Er hat darüber Rechnungen der von ihm mit der Fertigstellung der Umbauarbeiten betrauten Firmen vorgelegt. Der klagende Konkursverwalter hat dem nicht substantiiert widersprochen. Mit Recht läßt das Berufungsgericht unter diesen Umständen das pauschale Bestreiten des Klägers nicht genügen. Eines Beweises des vom Beklagten geltend gemachten Schadens bedurfte es daher, entgegen der Ansicht der Revision, nicht.

2.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Verstoß des Beklagten gegen die Schadensminderungspflicht des § 254 BGB verneint, die auch den Gläubiger einer nach § 26 Satz 2 KO bestehenden Forderung trifft (vgl. BGH NJW 1968, 985).

a)

Das gilt einmal, soweit der Kläger vorträgt, er habe dem Beklagten ein Bauunternehmen benannt, das bereit gewesen wäre, die Restarbeiten zu den Bedingungen des Gemeinschuldners auszuführen.

Inwieweit der Vertragsgegner eines in Konkurs gefallenen Bauunternehmers verpflichtet ist, restliche Bauarbeiten zur Schadensabwehr oder -minderung an einen vom Gemeinschuldner oder von dessen Konkursverwalter genannten Dritten zu vergeben, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. So hat der Senat einem Auftraggeber nicht zur Last gelegt, daß er es ablehnte, mit der Fertigstellung einer Straßendecke eine vom Sohn des dortigen Gemeinschuldners gegründete "Auffangfirma" zu betrauen, in der der Gemeinschuldner selbst maßgeblich tätig und deren finanzielle Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen war (Urteil vom 25. Oktober 1971 - VII ZR 65/69 = WM 1971, 1474 = Schäfer/Finnern Z 2.510 Bl. 40).

Hier stellt das Berufungsgericht fest, daß das vom Kläger benannte Ersatzunternehmen dem Beklagten unbekannt war. Außerdem werde es in einer Rechtsform betrieben, nämlich als GmbH & Co KG, bei der die Prüfung, mit wem man es eigentlich zu tun hat, besonders schwierig sei. Letztlich sei dem Beklagten die Firma von seinem Vertragspartner vorgeschlagen worden, mit dem er gerade durch die Konkurseröffnung schlechte Erfahrungen gemacht habe. Unter diesen Umständen sei dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen, diesem Unternehmen die restlichen Arbeiten zu übertragen. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Revision kann insbesondere nicht zugegeben werden, daß sich der Beklagte über die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der ihm benannten Ersatzfirma selbst hätte erkundigen müssen. Das war nicht seine Sache. Er durfte die Arbeiten in erster Linie an ein Unternehmen seines Vertrauens vergeben, zumal, wenn es zu marktüblichen Preisen geschah.

b)

Wenn das Berufungsgericht schließlich dem Beklagten keinen Vorwurf daraus macht, daß er die Arbeiten teilweise im Stundenlohn hat ausführen lassen, so ist das ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zumindest bei einem Umbau, wie er hier zu erstellen war, ist es durchaus nicht ungewöhnlich, steckengebliebene Arbeiten im Stundenlohn zu Ende führen zu lassen. Erfahrungsgemäß finden sich Handwerker, die solche Arbeiten zu Einheitspreisen oder gar zu einem Festpreis übernehmen, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit meist nicht.

III.

In beiden Vorinstanzen ist nach alledem die Klage zu Recht abgewiesen worden. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018726

BGHZ 68, 379 - 383

BGHZ, 379

DB 1977, 1455-1456 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1977, 1345

NJW 1977, 1345-1346 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1977, 832-833 (Volltext mit amtl. LS)

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