Leitsatz (amtlich)

Wer einen anderen zum Geschäftsführer seines Maklergeschäfts bestellt, von dessen starker Neigung zu Straftaten gegen das Vermögen und mehrfachen einschlägigen Vorstrafen er weiß, haftet einem Vertragspartner aus eigenem Verschulden für die dadurch erwachsenden Schäden.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 278, 831D

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 25.10.1968)

LG Weiden i.d.OPf.

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. Oktober 1968 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte eröffnete am 11. August 1965 in Weiden ein Immobilienbüro. In diesem war ihr damaliger Ehemann Heinrich F. als „Geschäftsführer” tätig. Heinrich F. war zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich vorbestraft, u.a. im Jahre 1951 wegen Diebstahls, Unterschlagung und Untreue zu Freiheitsstrafe und Geldstrafe, im Jahre 1958 wegen schweren Diebstahls, Anstiftung zum Diebstahl und Hehlerei zu Freiheitsstrafe, im Jahre 1962 wegen Hinterziehung von Umsatz-, Einkommmens- und Lohnsteuer zu Geldstrafe und am 27. April 1965 wegen fortgesetzten Betrugs zu Geldstrafe. Wegen seines dem jetzigen Rechtsstreit zugrundeliegenden Verhaltens gegenüber den Klägerinnen schwebt ein Strafverfahren.

Ende November 1965 suchte Heinrich F. die Klägerinnen auf, da er erfahren hatte, daß diese ihr Einfamilienhaus in der A.-B.-Straße in Weiden verkaufen wollten. Im Auftrag der Klägerinnen veräußerte er dieses Anwesen an Hans S. in Pleystein. Der notarielle Kaufvertrag wurde jedoch auf Bitten des Käufers rückgängig gemacht, der Heinrich F. eine Abstandssumme von 5.000 DM leistete. Daraufhin veräußerte Heinrich F. am 4. Januar 1966 das Einfamilienhaus der Klägerinnen an den Käufer F. für 82.500 DM. An 12. Februar 1966 zogen die Klägerinnen in eine von Heinrich F. zur Verfügung gestellte Wohnung, um das verkaufte Anwesen zu räumen.

Im Zusammenhang mit den von F. zu leistenden Kaufpreis kam zwischen den Klägerinnen und Heinrich F. am 17. Februar 1966 folgende als „Darlehensvertrag” bezeichnete Vereinbarung zustande:

„Zwischen Frau Caroline W. und deren Tochter Maria W., beide wohnhaft in W., S.weg …, nachfolgend Darlehensgeber genannt, und Herrn Heinrich F. Geschäftsführer W., S.straße … nachfolgend Darlehenehmer genannt, wird folgender Darlehensvertrag geschlossen:

Die vorbezeichneten Darlehensgeber stellen hiermit einen Betrag von DM 70.000 in Worten siebzigtausend dem Darlehensnehmer zur Verfügung, Das Darlehen ist zinslos.

Für die zur Verfügung gestellten Beträge übernimmt der Darlehensnehmer bis auf Widerruf folgende Verpflichtungen:

  1. Zahlung der Miete in Höhe von DM 240 monatlich bis zur Darlehenskündigung.
  2. Zahlung der Heizung, Wassergeld, Stromgeld, Putzfrau (alle 5 Wochen), und sonstige, die Wohnung betreffend anfallenden Gebühren und Unkosten.
  3. Ein Zimmer kann untervermietet werden. Der Erlös aus dieser Untermiete steht den Darlehensgebern voll zur Verfügung.

Der Darlehensnehmer verpflichtet sich, den zur Verfügung gestellten Betrag mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu verwalten und die Beträge bei einem evtl. Kauf eines Objektes kurzfristig zur Verfügung zu halten.

Der Darlehensnehmer kann über die Darlehenssumme frei verfügen, muß jedoch dafür Sorge tragen, daß baldigst über die Firma seiner Frau ein passendes Kauf Objekt, Wohn- oder Geschäftshaus, mit guter Rendite in Weiden gefunden wird. Die Darlehensgeber verpflichten sich, nur über die Firma J.F. Maklerin in Weiden ein Objekt käuflich zu erworben.

Der Darlehensnehmer haftet mit seinem gesamten Vermögen für alle Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag und unterwirft sich bei Nichterfüllung desselben der sofortigen Zwangsvollstreckung, Zwischen der Verfügungstellung des Darlehens und dem Kauf eines anderen Objektes liegt ein bestimmter Zeitraum. Damit dem Darlehensgeber kein finanzieller Schaden entsteht, wird folgende Vereinbarung getroffen:

Sollte der Lebensindex innerhalb dieses Zeitraumes um 10 % steigen oder fallen, ist der Unterschiedsbetrag an den Darlehensgeber zu zahlen, bzw. abzuzichen.

Die bis zum heutigen Tage anfallenden Rechnungen, wie Malerarbeiten, Beschaffen von Gardinen, Teppichen, Möbeln usw. sind nach Eingang der Rechnung von dem Darlehensnehmer zu zahlen, und von dem Darlehen in Abzug zu bringen.

Die Darlehensgeber erklären sich damit einverstanden, daß ein Bausparvertrag mit einem größeren Betrag von den Darlehensnehmer abgeschlossen wird. Der Darlehensnehmer verpflichtet sich, jedes Objekt, welches die Firma in Weiden zum Verkauf anbietet, erst dem Darlehensgeber zu nennen und diesen dasselbe zur Besichtigung zur Verfügung zu stellen, bevor einen anderen Kunden der Firma das Objekt angeboten wird.

Das Darlehen kann mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden, und ist von beiden Seiten kündbar.

Als weitere Verpflichtung übernimmt der Darlehensnehmer einen neuerlichen Umzug in das zu kaufende Objekt, kostenlos für die Darlehensgeber.

Weiden/OPf., dem 17. Februar 1966

gez. Caroline W.

gez. Heinrich F.

gez. Maria W.

Darlehensberger

Darlehensnehmer,”

Heinrich F. vermittelte den Klägerinnen im April 1966 das Anwesen E.-Weg … in Weiden. Am 2. Mai 1966 wurde der Kaufvertrag über dieses Anwesen notariell beurkundet.

Mit der Klage verlangen die Klägerinnen von der Beklagten als Teilbetrag die Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen, Sie haben vorgetragen: Sie hätten Heinrich F. das Darlehen von DM 70.000 ausbezahlt. Dieser habe aber trotz Kündigung den Betrag nicht zurückgezahlt. In Wirklichkeit sei das Immobilienbüro von Heinrich F. betrieben worden und nur auf den Namen der Beklagten gelaufen, weil ihr Ehemann wegen seiner erheblichen Vorstrafen die Maklertätigkeit nicht habe ausüben dürfen. Die Beklagte habe das Tätigwerden ihres Ehemannes ermöglicht und gedeckt und seine Tätigkeit als Geschäftsführer nicht überwacht, obwohl sie seine Vorstrafen gekannt habe. Sie habe die Klägerinnen damit in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Zudem sei sie um einen in ihr Maklergeschäft geflossenen Betrag von 6,500 DM ungerechtfertigt bereichert. Außerdem hafte sie auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Weiden vom 24. Oktober 1966, durch die die Gehaltsforderungen des Heinrich F. gegen sie gepfändet worden seien.

Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Sie hat vorgebracht: Lediglich 4.000 DM oder 6.000 DM seien von Heinrich F. für das Maklerbüro verwendet, aber inzwischen wieder an ihn zurückbezahlt worden. Das Darlehen sei nicht in ihrem Interesse aufgenommen Worden; Darlehensnehmer sei ausschließlich Heinrich F. Die Klägerinnen hätten die Beklagte auch nicht verpflichten wollen. Es habe sich vielmehr um ein Privatdarlehen an Heinrich F. gehandelt, das mit der Beklagten selbst oder ihrem Gewerbebetrieb in keinem Zusammenhang gestanden habe. Sie hafte auch nicht aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen; Heinrich F. habe im Geschäft so wenig verdient, daß nichts habe einbehalten werden können.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstreben die Klägerinen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat Heinrich F. von den Klägerinnen den Betrag von 70.000 DM erhalten. Abweichend vom Landgericht verneint das Berufungsurtoil über eine Haftung der Beklagten. Eine Begründung aus § 831 BGB lehnt es – ebenso wie eine vertragliche Haftung in Verbindung mit § 278 BGB – mit der Begründung ab, es fehle an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen den schädigenden Vorhalten des Heinrich F. und der ihn aufgetragenen Verrichtung. Aus § 823 Abs. 1 BGB erachtet das Berufungsgericht das Klagebegehren deshalb nicht für gerechtfertigt, weil die Klägerinnen lediglich in ihrem in dieser Norm nicht geschützten Vermögen geschädigt seien.

II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Wie das Berufungsgericht feststellt, hat die Beklagte das Maklerbüro deshalb auf ihren Kamen angemeldet, weil ihr damaliger Ehenann Heinrich F. einschlägig vorbestraft war und deshalb als Makler nicht zugelassen worden wäre. Den Aussagen der Beklagten als Partei entnimmt der Tatrichter weiterhin, die Beklagte habe nur Anrufe entgegengenommen und Wohnungen vermittelt, die übrigen Geschäfte habe ihr Ehemann getätigt. Im Rahmen der Erörterung des § 823 Abs. 1 BGB führt das Berufungsgericht aus, die Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dadurch außer acht gelassen, daß sie Heinrich P. zum Geschäftsführer bestellt habe, obwohl ihr dessen Neigung zu Vermögensdelikten bekannt gewesen sei; die Aufgabe als Geschäftsführer eines Maklerbüros gewähre im besonderen Maße Gelegenheit zu Vermögonsdelikten. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB lehnt das Berufungsgericht, wie bereits erwähnt, lediglich deshalb ab, weil das nicht in dieser Bestimmung geschützte Vermögen geschädigt sei.

2. Legt man diese tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Wertung – gegen die Bedenken nicht zu erheben sind – zugrunde, dann scheitert zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB daran, daß durch das Verhalten des Heinrich F. kein in dieser Norm geschütztes Recht oder Rechtsgut der Klägerinnen verletzt ist. Bei der endgültigen Verneinung der Klageansprüche berücksichtigt das Berufungsgericht aber nicht, daß – wovon auch das Berufungsgericht und die Parteien ausgehen – zwischen der Beklagten, vertreten durch Heinrich F. und den Klägerinnen ein Vertragsverhältnis (Maklervertrag) bestand, das zur Zeit des schädigenden Verhaltens noch nicht abgewickelt war. Zunächst war durch Vermittlung der Firma der Beklagten der Kaufvertrag mit den Käufer Hans S. und später am 4. Januar 1966 mit dem Käufer F. zustande gekommen. Die Klägerinnen waren am 12. Februar 1966 als Zwischenlösung in eine ihnen zur Verfügung gestellte Wohnung gezogen, um das verkaufte Anwesen zu räumen. Sie hatten Auftrag erteilt, baldigst ein passendes Kauf Objekt, Wohn -oder Geschäftshaus, mit guter Rendite in Weiden zu vermitteln, wobei der Firma der Beklagten eine Ausschließlichkeit und den Klägerinnen eine Priorität eingeräumt wurde.

Innerhalb dieses Vertragsverhältnisses hat die Beklagte als Vertragspartnerin für eigenes Verschulden einzustehen (§ 276 BGB), ohne daß die Haftung wie bei § 823 Abs. 1 BGB auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter begrenzt ist. Das schuldhafte Verhalten der Beklagten liegt, wie das Berufungsgericht bei Erörterung des § 823 Abs. 1 BGB zutreffend ausführt, darin, daß sie Heinrich Fehrmann in Kenntnis seiner einschlägigen Vorstrafen und damit seiner Meigung zu Vermögensdelikten zum Geschäftsführer bestellt hat. Mit Recht weist das Berufungsurteil darauf hin, daß die Übertragung einer solchen Aufgabe in einem Maklergeschäft im besonderen Maße Gelegenheit zu Vermögensdelikten bietet. Jedenfalls mußte die Beklagte damit rechnen, daß Heinrich P. diese ihm offen stehende Gelegenheit zur Schädigung ihrer Kunden mißbrauchen könnte. Irgendwelche Überwachungsmaßnahmen zur Abwendung solcher Gefahren, die – wenn eine Bestellung unter diesen Umständen überhaupt vertretbar war – bei solcher Sachlage in besonders hohem Maße geboten waren, hat sie ersichtlich nicht getroffen, Das landgerichtliche Urteil weist auf die Aussage der Beklagten als Partei hin, nach der sich Heinrich P. nicht habe „dreinroden” lassen, woraus es geschlossen hat, sie habe ihn nicht überwacht.

Daher ist der Beklagten diese spezifische Gefährdung anzulasten. Sie hat nach §§ 652, 276 BGB für alle Schäden einzustehen, die den Klägerinnen aus der schuldhaften Verletzung dieser vertraglichen Pflichten durch die Beklagte entstanden sind. Diese Ursächlichkeit stellt den für diese rechtliche Sicht erforderlichen und hinreichenden Zusammenhang dar. Ob die gekennzeichnete Gefahrsetzung für die Schädigung der Klägerinnen ursächlich geworden ist, hat das Berufungsgericht – im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB folgerichtig – abschließend nicht festgestellt. Ersichtlich neigt es aber zu einer Bejahung. Sie drängt sich nach aller Erfahrung auch auf. Im übrigen geht das Berufungsgericht zu Recht von der Annahme aus, einer Haftung der Beklagten stehe nicht entgegen, daß Heinrich F. die Klägerinnen vorsätzlich geschädigt hat.

3. Schon aus diesen Gründen konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Daher kann dahinstehen, ob die Haftung der Beklagten nicht auch daraus folgt, daß diese für Heinrich F. vertraglich als ihren Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) und deliktisch als ihren Verrichtungsgehilfen (§§ 831, 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) einzustehen hat. Allerdings wäre für die Bejahung erforderlich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, daß das schädigende Verhalten des Heinrich F. in einem inneren Zusammenhang mit der Erfüllung der Verbindlichkeiten der Beklagten oder der Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung stand und sich nicht als lediglich „gelegentlich” darstellt. Immerhin wäre bei der Beurteilung dieser Frage von Belang, ob die Überlassung des erlösten Kaufpreises an Heinrich F. nach Sinn und Punktion nicht als eine Art treuhänderischer Hingabe in Zusammenhang mit dein durchgeführten Verkauf ihres bisherigen Anwesens und dem in Auftrag gegebenen Erwerb eines anderen Hausgrundstücks anzusehen ist. Einzelne Bestimmungen des „Darlehensvertrages” vom 17. Februar 1966 könnten dafür sprechen. Deutlicher trat dieser Sinn in dem schriftlichen Vertrag vom 4. Januar 1966 zwischen Heinrich F./Richard Z. und den Klägerinnen hervor; dort ist sogar der Ausdruck der treuhänderischen Verwaltung verwendet. Der Grund der Abänderung dieses Vertrages durch die Vereinbarung mit Heinrich F. von 17. Februar 1966 lag, wie das landgerichtliche Urteil und die Strafakten ergeben, darin, daß die Klägerinnen Z. den Betrag nicht anvertrauen wollten, nachdem sie von seiner Vorbestrafung erfahren hatten, was gegen die Annahme einer gewollten Abänderung dieses Zwecks der ursprünglichen Vereinbarung sprechen könnte.

III. Nach alledem mußte das Berufungsurteil aufgehoben werden. Da weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen war.

 

Unterschriften

Pehle, Dr. Weber Nüßgens, Sonnabend, Scheffen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502209

Nachschlagewerk BGH

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