Leitsatz (amtlich)

Ein formelhafter – ohne ausführliche Belehrung und eingehende Erörterung seiner einschneidenden Rechtsfolgen gem. § 242 BGB unwirksamer – Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neuerrichteter oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen und Häuser in notariellen Verträgen kann auch dann vorliegen, wenn die Freizeichnung des Veräußerers von Gewährleistungspflichten in einem notariell beurkundeten „Kaufangebot” des Erwerbers enthalten ist und der Veräußer er dieses Angebot annimmt (Fortführung von BGHZ 74, 204, 209; BGH NJV 1982, 2243).

 

Normenkette

BGB § § 459 ff., § 633 ff.

 

Verfahrensgang

OLG Bremen (Urteil vom 14.12.1982; Aktenzeichen 1 U 102/82 (c))

LG Bremen (Urteil vom 11.05.1982; Aktenzeichen 1 O 470/82)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bremen vom 14. Dezember 1982 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die (inzwischen in Konkurs gefallene) S. D. B. GmbH errichtete auf dem Grundstück der Kläger ein sogenanntes Dachhaus. Da die Kläger bereits vor Fertigstellung des Hauses das bebaute Grundstück weiterveräußern wollten, unterbreiteten ihnen die Beklagten mit notarieller Urkunde vom 30. Juni 1980 ein bis zum 31. Mai 1981 befristetes Erwerbsangebot. Die Beklagten erklärten sich darin bereit, das Haus zu einem Preis von 355.000,– DM zu erwerben. Außerdem enthält das zum Abschluß eines „Kauf”vertrags formulierte „Kaufangebot” unter anderem folgende Regelung:

„Für den Fall, daß dem Verkäufer Gewährleistungsansprüche gegenüber den Handwerkern oder gegenüber der S. D. B. GmbH zustehen sollten, verpflichtet sich Verkäufer diese an Käufer auf jederzeitiges Verlangen abzutreten.

Der Kaufgegenstand geht in dem vorhandenen Zustand auf Käufer über. Für bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit wird keine Gewähr geleistet, auch keine Haftung für Fehler oder Mängel übernommen.”

Die Kläger nahmen mit notariell beurkundeter Erklärung vom 8. Mai 1981 das Angebot an.

Mit Schreiben vom 29. Mai 1981 rügten die Beklagten zahlreiche Mängel am Haus und baten um einen angemessenen Minderungsvorschlag. Die Kläger erklärten sich daraufhin zu einer Kaufpreisminderung in Höhe von 6.333,78 DM bereit. Im übrigen verwiesen sie die Beklagten auf Gewährleistungsansprüche gegen die Bauhandwerker, deren Namen und Anschriften sie den Beklagten mitteilten.

Da die Beklagten den Kaufpreis nicht leisteten – sie erklärten während des Berufungsverfahrens im Hinblick auf weitere schwerwiegende Mängel an dem Bau die Wandelung des Vertrags –, verlangen die Kläger Zahlung von 348.666,22 DM (Erwerbspreis abzüglich Minderungsbetrag) nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der – angenommenen – Revision, um deren Zurückweisung die Kläger bitten, verfolgen die Beklagten die Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagten könnten aufgrund der mit den Klägern vereinbarten Klausel über den Gewährleistungsausschluß die Wandelung des Vertrags nicht verlangen. Der Gewährleistungsausschluß sei wirksam, weil es sich um eine individuelle, nicht um eine formularmäßige Klausel handle. Zwischen den Parteien sei nicht ein sogenannter Serienkauf vertrag, sondern ein von einem Notar entworfener und beurkundeter Einzelvertrag abgeschlossen worden. Zwar führten in einem solchen Vertrag enthaltene vorgefertigte Freizeichnungsklauseln nur dann zu einem vollen Haftungsausschluß, wenn diese zuvor Gegenstand ausführlicher Belehrung und besonderer Vereinbarung gewesen seien. Nach der Fassung der einzelnen Vertragsbestimmungen und der von den üblichen Gewährleistungsausschlußklauseln abweichenden Formulierung der Klausel handle es sich im Streitfall aber nicht um einen Formularvertrag mit einer vom Notar vorgefertigten Freizeichnungsklausel. Insbesondere hätten die Beklagten nichts dafür vorgetragen, daß diese Klausel nicht ihrem Villen entsprochen und gewissermaßen ohne ihr Zutun vom Notar in das Kaufangebot eingesetzt worden sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß der Notar pflichtgemäß den Inhalt des Kaufangebots mit den Beklagten besprochen habe, die beurkundete Fassung des Kaufangebots mithin das Ergebnis dieser Besprechung wiedergebe.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag unterliegt nicht der Inhaltskontrollenach dem AGBG. Denn das von den Beklagten abgegebene „Kauf”angebot enthält keine Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von derartigen Verträgen vorformuliert sind. Auch hat der Notar, der das Kaufangebot mit der Gewährleistungsausschlußklausel beurkundet hat, nicht ein von ihm stammendes Formblatt verwendet. Es kann daher offen bleiben, ob das AGBG auf Vertragsmuster des Notars dann anwendbar ist, wenn sich der Verkäufer eines neuerrichteten Hauses die im Formblatt des Notars enthaltene Freizeichnungsklausel einseitig zu seinen Gunsten zunutze macht (vgl. hierzu OLG München NJW 1981, 2472).

2. Allerdings hat der Senat in Fällen, in denen das AGBG noch nicht anwendbar war, die völlige Freizeichnung des Veräußerers von seinen Gewährleistungspflichten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für unwirksam gehalten, wenn der Vereinbarung über den Ausschluß der Gewährleistung ein vorgefertigter Vertragstext zugrundegelegt worden war (BGHZ 74, 204, 209 f; NJV 1982, 2243). Nach gefestigter Rechtsprechung ist die formularmäßige Freizeichnung des Veräußerers von seiner eigenen Gewährleistungspflicht gegenüber dem Erwerber von neuerrichteten oder noch zu errichtenden Eigentumswohnungen und Häusern allenfalls bei gleichzeitiger Abtretung seiner Gewährleistungsansprüche gegen andere am Bau Beteiligte möglich und auch dann nur insoweit, als sich der Erwerber aus den abgetretenen Ansprüchen schadlos halten kann (BGHZ 74, 258, 270 m.w.N.; BGH NJV 1982, 169, 170). Jeder in einem Vertrag enthaltene formularmäßige Haftungsausschluß kann deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur hingenommen werden, wenn er zuvor Gegenstand ausführlicher Belehrung und besonderer Vereinbarung gewesen ist. Das gilt gerade für häufig vorkommende Freizeichnungsklauseln, die in einem notariell beurkundetenFormularvertrag unwirksam wären. Auch eine solche Klausel kann dann nicht als rechtsverbindlich anerkannt werden, wenn sie nur formelhaft und ohne eingehende Erörterung ihrer einschneidenden Rechtsfolgen benutzt worden ist, gleichviel wie der Vertrag sonst gestaltet ist (BGH NJV 1982, 2243, 2244).

Diese Rechtsprechung hat zumindest im Ergebnis im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl., § 1 AGBG Rdn. 10; Garrn NJV 1980, 2782; Kötz in MünchKomm, BGB, Ergänzungsband, § 1 AGBG Rdn. 8; Kramer ZHR 146 (1982), 105, 114 f; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 1 AGBG Rdn. 27; Wiedemann in Pestgabe für Max Kummer (1980) S. 175, 185 ff; Stein, Die Inhaltskontrolle vor formuliert er Verträge des allgemeinen Privatrechts (1982) S. 110; vgl. auch Hönn JZ 1983, 677; a.A. Brambring/Schippel NJW 1979, 1802; Peters NJW 1979, 1820; Stürner JZ 1979, 758; Wolf gang Thomas DNotZ 1979, 746; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Kommentar, 4. Aufl., § 1 Rdn. 32, 76 ff; vgl. auch Ulmer DNotZ 1982, 587). An ihr hält der Senat fest.

3. Danach ist der Gewährleistungsausschluß, der in dem zwischen den Parteien zustandegekommenen Vertrag enthalten ist, gemäß § 242 BGB nur wirksam, wenn er mit den Beklagten eingehend erörtert worden ist.

a) Die in das „Kauf”angebot der Beklagten aufgenommene Freizeichnungsklausel schließtjede Verpflichtung des Veräußerers zur Gewährleistung aus. Der Veräußerer leistet nämlich „für bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit keine Gewähr”. Auch übernimmt er „keine Haftung für Fehler oder Mängel”. Die Klausel enthält somit einen typischen Haftungsausschluß des Veräußerers von neuerrichteten Häusern, wie er üblicherweise in Formularverträgen zu finden ist. Sie bevorzugt einseitig die Interessen des Veräußerers, indem sie ihn von jeglicher Gewährleistung freistellen soll. Demgegenüber bleiben die Interessen des Erwerbers unberücksichtigt. Der Erwerber soll allenfalls Gewährleistungsansprüche gegenüber den Handwerkern oder der Bauträgerin geltend machen können, die ihm der Veräußerer „auf Verlangen” abzutreten hat. Gegen den Veräußerer selbst soll er nicht vorgehen können.

Ein solcher Gewährleistungsausschluß ist – wie dargelegt – nur dann wirksam, wenn er mit dem benachteiligten Vertragspartner ausführlich erörtert wurde. Der Erwerber muß insbesondere nachhaltig über die einschneidenden Rechtsfolgen aufgeklärt werden, die mit einer solchen Freizeichnung des Veräußerers verbunden sind. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Klausel in einem bei Vertragsabschluß verwendeten Formular enthalten ist oder ob sie – als „häufig vorkommende Freizeichnungsklausel” – formelhaft in den Vertragstext übernommen wird (Senatsurteil NJW 1982, 2243, 2244).

b) Wird eine solche Klausel in ein Angebot des Erwerbers aufgenommen, gilt nichts anderes. Auch in einem solchen Fall muß der Erwerber eingehend über die Folgen einer völligen Haftungsfreizeichnung belehrt werden, deren Tragweite ihm häufig nicht bewußt sein wird. Daß der Erwerber mit dem Angebot die Bedingungen für den Grundstückserwerb einseitig festlegt, ist nicht entscheidend. Wie bei Abschluß eines Vertrags geht auch bei Abgabe eines Angebots der Inhalt einer solchen Klausel gewöhnlich auf einen Vorschlag des Notars oder ein entsprechendes Formular zurück. Es ist daher gleichgültig, ob der Vertrag in Gegenwart beider Vertragspartner abgeschlossen oder ob und von wem lediglich zunächst ein Vertragsangebot formuliert wird. Die Interessenlage des Erwerbers ist in beiden Fällen gleich.

4. Über das Zustandekommen der in dem „Kauf”angebot der Beklagten enthaltenen Freizeichnungsklausel hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Es hat lediglich darauf verwiesen, die Beklagten hätten nichts dafür vorgetragen, daß diese Klausel nicht ihrem Willen entsprochen habe und gewissermaßen ohne ihr Zutun vom Notar in das „Kauf”angebot eingesetzt worden sei. Daraus hat es den Schluß gezogen, daß der Notar pflichtgemäß den Inhalt des Kaufangebots mit den Beklagten besprochen habe, die beurkundete Fassung des „Kauf”-Angebots mithin das Ergebnis dieser Besprechung wiedergebe.

Von einer solchen Erörterung der formelhaften Freizeichnungsklausel durch den Notar gegenüber den Beklagten kann jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Die Beklagten haben die Unwirksamkeit der Klausel vor dem Berufungsgericht geltend gemacht, sich aber zu ihrem Zustandekommen nicht geäußert. Aus dem unterlassenen Vortrag der Beklagten kann nicht gefolgert werden, der Notar habe die Beklagten ausführlich belehrt und die Klausel mit ihren einschneidenden Rechtsfolgen eingehend mit den Beklagten erörtert. Der vom Berufungsgericht gezogene Schluß ist somit rechtsfehlerhaft.

5. In einer Hilfserwägung meint das Berufungsgericht, auch wenn man nicht von der vollen Wirksamkeit der Gewährleistungsausschlußklausel ausgehe, sondern das Risiko eines Fehlschlags der Schadloshaltung bei den Bauhandwerkern bei den Klägern belasse, könnten die ausgeschlossenen Gewährleistungsansprüche erst dann wieder aufleben, wenn die Beklagten tatsächlich bei den am Bau beteiligten Handwerkern Gewährleistungsansprüche nicht hätten durchsetzen können. Die Beklagten hätten jedoch nicht schlüssig dargelegt, daß sie sich bei den Bauhandwerkern endgültig nicht hätten schadlos halten können.

Auch das trägt die angefochtene Entscheidung nicht. Es kann schon zweifelhaft sein, ob die Freizeichnungsklausel so eingeschränkt verstanden werden kann. Denn die Kläger haben auf keinen Fall der sie dann treffenden Mitwirkungspflicht genügt. Insbesondere haben sie die Beklagten nicht in den Stand gesetzt, etwaige Gewährleistungsansprüche rechtzeitig geltend zu machen (vgl. dazu z. B. Senatsurteile vom 13. Januar 1975 – VII ZR 194/73 – BauR 1975, 206, 208 und vom 28. Juni 1979 – VII ZR 166/78 – BauR 1979, 514, 516).

Mit der bloßen Übersendung der Handwerkerliste war es hier nicht getan. Daraus ergab sich noch nicht einmal dieSachbefugnis der Kläger. Denn sie hatten das Haus selbst von der damals bereits in Konkurs gefallenen Bauträgerin erworben, die ihrerseits die Handwerker beauftragt hatte. Gewährleistungsansprüche gegen diese hätten also erst an die Kläger abgetreten sein müssen, ehe die Kläger sie an die Beklagten hätten weiterübertragen können. Darüber fehlt jede Angabe.

Die Kläger haben die Beklagten aber auch nicht über denInhalt der jeweiligen Verträge mit den Handwerkern, über den Zeitpunkt der Abnahme und den damit verbundenen Lauf der Verjährung, noch nicht beglichene restliche Werklohnforderungen und damit etwa zu erwartende Leistungsverweigerungen der Handwerker so ins Bild gesetzt, so daß die Beklagten abschätzen konnten, mit welcher Aussicht auf Erfolg sie sich wegen der Mängelbeseitigung an Dritte wenden konnten. Bei der in Konkurs gegangenen Bauträgerin konnten sie sich auf keinen Fall mehr schadlos halten.

Unter diesen Umständen würden die Kläger ihrer eigenen Gewährleistung für Sachmängel auch dann nicht entgehen, wenn die Freizeichnung so zu verstehen wäre, wie das Berufungsgericht hilfsweise in Betracht zieht.

6. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben. Da der Senat nicht in der Lage ist, die Wirksamkeit der Freizeichnungsklausel zu beurteilen und nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, wie die Freizeichnungsklausel zu standegekommen und ob sie gegebenenfalls eingehend mit den Beklagten erörtert worden ist, so daß ein wirksamer Ausschluß jeglicher Haftung der Kläger für Sachmängel angenommen werden kann. Die Beweislast für eine so weitreichende Vereinbarung tragen die Kläger.

 

Unterschriften

G, D, B, V, Q

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 05.04.1984 durch Verner, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512616

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1984, 1361

DNotZ 1984, 760

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