Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, durch wen eine GmbH mit einem fakultativen Aufsichtsrat in einem Rechtsstreit mit einem ausgeschiedenen Geschäftsführer über den Wegfall einer Pensionszusage aus wichtigem Grund vertreten wird.

 

Orientierungssatz

1. Auch bei einem Rechtsstreit zwischen der GmbH-Gesellschaft und einem früheren Geschäftsführer wird diese durch den Aufsichtsrat gem GmbHG § 52 Abs 1 iVm AktG § 112 vertreten, falls in der Satzung bei bestehendem fakultativen Aufsichtsrat keine abweichende Regelung getroffen ist.

2. Bereits die Möglichkeit der Befangenheit der neuen Geschäftsführung im Prozeß (hier wegen der Pensionszulage) kann er geboten erscheinen lassen, die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vornehmen zu lassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der verklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bei dieser besteht ein fakultativer Aufsichtsrat, der, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, nach § 16 Nr. 2c des Gesellschaftsvertrages für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer sowie die mit ihnen abzuschließenden Anstellungsverträge zuständig ist. Mit Kündigungsschreiben vom 28. Juni 1982 löste der Kläger das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1982 auf. Nach § 4 Nrn. 1 und 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrages vom 16. Dezember 1965 steht dem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Zahlung einer Pension gegen die Beklagte zu. Nach § 4 Nr. 3 entfällt dieser Anspruch, wenn bei Beendigung des Dienstverhältnisses ein wichtiger Grund vorliegt, den der Kläger zu vertreten hat. Mit Schreiben der Geschäftsführung vom 26. Juli 1984 und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 30. Juli 1984 wurde dem Kläger mitgeteilt, die ihm erteilte Pensionszusage werde „aus wichtigem Grund fristlos gekündigt bzw. widerrufen”, weil er während seiner Vorstandszugehörigkeit in zahlreichen Fällen in schwerwiegender Weise gegen seine Geschäftsführerpflichten verstoßen habe. Der Kläger hat daraufhin gegen die Beklagte, „vertreten durch den Vorstand”, Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Widerrufs- bzw. Kündigungserklärungen erhoben. Die Beklagte wird in diesem Rechtsstreit durch ihre Geschäftsführer vertreten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß seine Klage als unzulässig abgewiesen wird.

I. Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 551 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Die Klage ist gegen die Beklagte, vertreten „durch den Vorstand”, erhoben worden. Die Geschäftsführer nehmen auch die gerichtliche Vertretung der Beklagten gegenüber dem Kläger wahr. Dazu ist jedoch nach § 52 Abs. 1 GmbH i.V.m. § 112 AktG ausschließlich der bei ihr bestellte Aufsichtsrat befugt. Zwar kann in der Satzung bei Bestehen eines fakultativen Aufsichtsrates eine abweichende Regelung getroffen werden. Nach dem Vortrag der Parteien kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß dies im vorliegenden Fall geschehen ist.

Das Berufungsgericht geht allerdings davon aus, daß die Vorschrift dann keine Anwendung finde, wenn der Rechtsstreit – wie vorliegend – zwischen der Gesellschaft und einem früheren Geschäftsführer geführt werde. In diesem Falle werde die Gesellschaft durch den neuen Geschäftsführer vertreten.

Mit dieser Ansicht zieht das Berufungsgericht den Anwendungsbereich des § 112 AktG jedoch zu eng. Zwar könnte sein Wortlaut darauf hindeuten, daß die ausschließliche Befugnis des Aufsichtsrats, die Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten zu vertreten, auf im Amt befindliche Mitglieder der Geschäftsführung beschränkt ist. Wie der Senat aber schon wiederholt ausgeführt hat, widerspräche ein solches Verständnis dieser Vorschrift dem gesetzlichen Zweck, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, die von sachfremden Erwägungen unbeeinflußt ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt (Urt. v. 11. Mai 1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759; Urt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 284/85, WM 1986, 1411, 1412; Urt. v. 8. Februar 1988 – II ZR 159/87, WM 1988, 413, 414; Urt. v. 13. Februar 1989 – II ZR 209/88, WM 1989, 637, 638f.). Die Parteien streiten darüber, ob die in § 4 Nrn. 1 und 2 des Anstellungsvertrages vom 16. Dezember 1965 geregelte Pensionszusage nach dessen § 4 Nr. 3 mit Rücksicht darauf entfallen ist, daß bei Beendigung des Dienstverhältnisses ein vom Kläger zu vertretender wichtiger Grund für die Auflösung des Anstellungsvertrages vorgelegen hat. Die dabei auftretenden Streitpunkte berühren sowohl die Versorgung des Klägers als auch seine Stellung als früherer Geschäftsführer der Beklagten. Dieser Umstand kann generell dazu führen, daß sich auch die gegenwärtigen Mitglieder der Geschäftsführung der Beklagten durch die von dieser gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe tangiert fühlen (zum Widerruf der Vorstandsbestellung vgl. Sen.Urt. v. 8. Februar 1988 aaO S. 414; zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vgl. Sen.Urt. v. 13. Februar 1989 aaO S. 638f.). Aufgrund dessen kann eine unbefangene Vertretung der Beklagten durch ihre Geschäftsführung im Prozeß gefährdet werden. Bereits das Vorliegen einer solchen Situation läßt es geboten erscheinen, daß eine Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat unabhängig davon vorgenommen wird, ob die Unbefangenheit der Vertretung der Gesellschaft auch tatsächlich im konkreten Einzelfall gefährdet ist oder nicht (vgl. Sen.Urt. v. 13. Februar 1989 aaO S. 639).

Die ausschließliche Befugnis des Aufsichtsrates, die Gesellschaft im Verfahren über Streitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag mit ehemaligen Geschäftsführern zu vertreten, stellt darüber hinaus die Rechtsklarheit und Kontinuität der Vertretung der Gesellschaft sicher. Dem nach § 52 GmbHG bestellten Aufsichtsrat wird in der Regel in dem Gesellschaftsvertrag, wie das auch nach § 16 Nr. 2c des Gesellschaftsvertrages der Beklagten geschehen ist, abweichend von § 46 Nr. 5 GmbHG nicht nur das Recht übertragen, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen, sondern auch, die entsprechenden Anstellungsverträge mit ihnen abzuschließen. Wird die Gesellschaft in einem Zivilprozeßverfahren, das zwischen ihr und einem früheren Geschäftsführer durchgeführt wird und in dem Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag streitig sind, durch den Aufsichtsrat vertreten, ist für die Begründung und Geltendmachung dieser Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich eine einheitliche Vertretung der Gesellschaft gewährleistet (vgl. Sen.Urt. v. 8. Februar 1988 aaO S. 414; Sen.Urt. v. 13. Februar 1989 aaO S. 639).

II. Der Aufsichtsrat der Beklagten ist als deren gesetzlicher Vertreter nicht in den Prozeß eingetreten. Entgegen der Ansicht des Klägers hat er die bisherige Prozeßführung der Geschäftsführung nicht genehmigt. Vielmehr hat die Beklagte in der Berufungsinstanz den Vertretungsmangel gerügt. Dieser Mangel ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 53 II 4 e, S. 308). Da er nicht durch Genehmigung der Prozeßführung durch den Aufsichtsrat behoben worden ist, ist die Klage unzulässig. Die Verweigerung der Genehmigung verstößt nicht gegen Treu und Glauben (Rosenberg/Schwab aaO i.V.m. § 44 III 2 S. 245 Fn. 20; vgl. auch Stein/Jonas/Leipold, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 56 Rdn. 3). Der Klageabweisung als unzulässig steht das Verbot der Schlechterstellung (reformatio in peius) nicht entgegen (vgl. Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 559 Rdn. 3; AK-ZPO-Ankermann, 1987, § 559 Rdn. 2; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18. Dezember 1985 – IV b ZB 677/81, NJW 1986, 1494, 1496 unter 3b, bb).

 

Fundstellen

Haufe-Index 650029

BB 1990, 729

GmbHR 1990, 297

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