Leitsatz (amtlich)

Beim Kauf einer aus Hard- und Software bestehenden Computeranlage fehlt es an der Ablieferung, solange die zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers gehörende Lieferung der Hard- und Softwarehandbücher nicht erfolgt ist.

 

Normenkette

BGB § 477 Abs. 1; HGB § 377 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 08.07.1991; Aktenzeichen 31 U 291/90)

LG Dortmund

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Juli 1991 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 24. Juli 1991 und 23. September 1991 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Im Jahre 1987 hatte die Beklagte der Klägerin für deren Dachdeckerbetrieb ein im Wege des Leasing finanziertes Computersystem überlassen. Dieses sollte durch eine größere Anlage ersetzt werden. Deshalb bestellte die Klägerin bei der Beklagten gemäß „Auftrag und Auftragsbestätigung” vom 28. Dezember 1988 ein neues „U.-Computersystem” zum Preise von 58.400 DM zzgl. 14% Mehrwertsteuer (= insgesamt 66.576 DM), bestehend aus einer Zentraleinheit mit vier Schnittstellen, zwei „Bildschirmen” einem Matrix-Drucker und vier Softwareprogrammen (Dachdecker HWO, Lohn, FiBu und Text). Die Finanzierung erfolgte wiederum über einen Leasingvertrag, den der Leasinggeber, eine OHG, noch am 28. Dezember 1988 mit der Klägerin unter Abtretung seiner kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche abschloß. Ebenfalls am 28. Dezember 1988 kaufte der Leasinggeber von der Beklagten zu deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auch der Bestellung der Klägerin zugrundelagen, die Computeranlage. In diesen Bedingungen ist unter § 5 Nr. 3 bestimmt:

„Der Einsatz der Programme obliegt dem Kunden. Hierbei berät U. (= Beklagte) den Kunden telefonisch auf Wunsch. Eine solche Beratung erfolgt in den ersten sechs Monaten nach Installation kostenlos bzw. gemäß ausdrücklicher Vereinbarung. Während des Zeitraums der unentgeltlichen Beratung ist U. nicht verpflichtet, Bedienungshandbücher zur Verfügung zu stellen.”

Am 6. Januar 1989 lieferte die Beklagte die Anlage an die Klägerin aus. Diese bestätigte dem Leasinggeber gegenüber die Übernahme. Nicht mitgeliefert wurden jedenfalls Bedienungshandbücher für das FiBu- (= Finanzbuchhaltungs-) und Lohnprogramm.

In der Zeit bis zum 29. März 1989 arbeitete die Beklagte Personal der Klägerin in die Benutzung der Programme ein. Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang die Einarbeitung erfolgte und ob die Klägerin schon während der Einarbeitungsphase telefonisch Beanstandungen erhoben hat. Mit Anwaltsschreiben vom 11. April 1989 ließ die Klägerin verschiedene Mängel der Software rügen. Mit der am 22. Juni 1989 eingereichten Klage hat sie aus abgetretenem Recht von der Beklagten Wandelung des Kaufes und Rückzahlung des Kaufpreises von 66.576 DM an den Leasinggeber Zug um Zug gegen Herausgabe der Computeranlage beansprucht.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat sich dem Sachverständigen angeschlossen, der im wesentlichen die im Rügeschreiben vom 11. April 1989 beanstandeten Programmängel und weitere im Schriftsatz der Klägerin vom 9. Februar 1990 gerügte Fehler bestätigte und zu dem abschließenden Ergebnis gelangte, daß die praktische Benutzung der Software wegen der Vielzahl von Unzulänglichkeiten einem Anwender kaum zugemutet werden könne. Die Berufung der Beklagten, mit der sie geltend machte, wesentliche Mängel weise die Software nicht auf, auch habe die Klägerin solche nicht rechtzeitig im Sinne des § 377 HGB gerügt, und sich ferner hilfsweise auf Verjährung hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 9. Februar 1990 gerügten weiteren Mängel berief, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hauausgeführt, das Wandelungsbegehren der Klägerin sei gerechtfertigt, weil nach dem in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen feststehe, daß die gelieferte Software mit erheblichen Fehlern behaftet sei. Darüber hinaus sei die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Lieferung eines umfassenden Handbuches für die Software nicht nachgekommen. Sehe man darin einen Mangel, könne die Klägerin Rückzahlung des vom Leasinggeber geleisteten Kaufpreises nach §§ 459 f BGB i.V.m. § 346 BGB verlangen; bei Annahme einer teilweisen Nichterfüllung ergebe sich der Anspruch aus § 326 BGB, wobei eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung „unter Berücksichtigung aller Umstände” entbehrlich gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten reiche eine Einarbeitung oder eine Bedienerführung auf dem Bildschirm nicht als Ersatz für eine schriftliche Dokumentation aus. Hinzu komme, daß der Sachverständige ausdrücklich festgestellt habe, die Bedienerführung des Systems zeige die erforderlichen Details nicht auf.

Die Klägerin habe nicht gegen ihr oder dem Leasinggeber obliegende Untersuchungs- und Rügepflichten nach § 377 HGB verstoßen. Als Ablieferungstermin im Sinne dieser Vorschrift sei nicht der Tag der Auslieferung der Anlage an die Klägerin anzusehen. Bei Lieferung und Installation einer Computeranlage einschließlich der Lieferung von Programmen könne man – wie bei einem Kauf mit Montageverpflichtung – erst dann von einer Ablieferung ausgehen, wenn die Software nach Einweisung durch den Lieferanten in der Erprobungsphase eine gewisse Zeit im wesentlichen fehlerfrei laufe. In jedem Falle gehöre zur Ablieferung die vollständige Lieferung von Hard- und Software, die Einweisung des Anwenders durch den Lieferanten und ein im wesentlichen ungestörter Probelauf. Da die Beklagte keine ausreichende Bedienungshandbücher für die Software zur Verfügung gestellt habe, habe sie die von ihr geschuldete Leistung im Zeitpunkt der Wandelungserklärung noch nicht vollständig erbracht gehabt. Die Lieferung einer ausreichenden Dokumentation sei Hauptleistungspflicht des Lieferanten. ohne Vorliegen ausreichender Bedienungsanleitungen sowie ausreichender Einweisungen sei der Klägerin eine sachgerechte Untersuchung des Systems nicht möglich gewesen, so daß sie schon aus diesem Grunde nicht gegen ihr obliegende Untersuchungs- und Rügepflichten verstoßen haben könne. Zudem seien von der Klägerin ausweislich der von ihr vorgetragenen Umstände und der vorgelegten Rechnungen während der bis zum 29. März 1989 andauernden Anweisungs- und Einarbeitungszeit Fehler gerügt worden, soweit diese hätten festgestellt werden können. Die ausführliche schriftliche Mängelrüge vom 11. April 1989 sei somit in jedem Fall rechtzeitig gewesen, ohne daß es auf die erst später geltend gemachten Mängel ankomme. Wegen Nichtlieferung der geschuldeten Bedienungsanleitungen sei es außerdem zumindest rechtsmißbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf die Verletzung von Rügepflichten seitens der Klägerin berufe.

Entgegen der Ansicht der Beklagten könne die Klägerin wegen der vorhandenen Softwaremängel Rückabwicklung des einheitlichen Geschäfts über den Erwerb und die Installation des gesamten Systems verlangen. Werde – wie hier – eine Vielzahl von Anlagenteilen zur Bewältigung einer besprochenen Gesamtaufgabe aus einer Hand bestellt, so bestehe grundsätzlich ein Gesamtwandelungsrecht nach § 469 BGB bzw. bei teilweiser Nichtlieferung ein Recht auf Gesamtrückgängigmachung gemäß §§ 326 Abs. 1 Satz 3, 325 Abs. 2 Satz 2 BGB.

II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung und den Revisionsangriffen jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Die Feststellung der Vorinstanzen, daß die von der Beklagten gelieferte Software mit erheblichen Fehlern im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB behaftet sei, greift die Revision nicht an. Sie ist daher für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO).

2. Der von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachte, auf diesen Mängeln beruhende Wandelungsanspruch ist entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Verletzung der Rügeobliegenheit aus § 377 HGB erloschen.

a) Allerdings findet auf einen Handelskauf, der – wie hier – die Lieferung von Hardware und nicht speziell für den Käufer hergestellter Anwenderprogramme zum Gegenstand hat, die Vorschrift des § 377 HGB zumindest entsprechende Anwendung (Senatsurteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 22/89 = WM 1990, 510). Auch stellt der zwischen dem Leasinggeber und der Beklagten abgeschlossene Kauf ein beiderseitiges Handelsgeschäft dar (§§ 343, 344 Abs. 1 HGB); beide Partner sind Kaufleute, so daß der Leasinggeber bzw. die Klägerin als Zessionaren der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte diese gemäß § 377 Abs. 2 und 3, 2. Halbs. HGB verloren hätten, wenn versäumt worden wäre, die vom Berufungsgericht festgestellten Mängel rechtzeitig im Sinne des § 377 Abs. 1 und 3, 1. Halbs. HGB der Beklagten anzuzeigen. Das ist indessen nicht der Fall.

b) Die Obliegenheit des Käufers zur unverzüglichen Untersuchung der Kaufsache und Rüge entdeckter Fehler setzt erst mit der Ablieferung des Kaufgegenstandes ein (BGHZ 93, 338, 347), die grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn die Ware zur Erfüllung des Kaufvertrages vollständig in den Machtbereich des Käufers verbracht wurde. Vor diesem Zeitpunkt läuft daher selbst dann keine Rügefrist, wenn der Käufer den Mangel bereits zuvor erkannt hatte. Er kann, muß ihn aber in einem solchen Falle noch nicht vor der Ablieferung rügen (Staub/Brüggemann, HGB, GroßKomm, 4. Aufl., 377 Rdnr. 24).

c) Hiernach sind nicht nur die Mängelrügen vom 11. April 1989, sondern auch die im Schriftsatz vom 9. Februar 1990 erhobenen rechtzeitig. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß als Zeitpunkt der Ablieferung im Sinne des § 377 HGB nicht der Tag der erfolgten Auslieferung der Hard- und Software an die Klägerin – der 6. Januar 1989 – anzusehen sei.

aa) Ob sich diese Annahme allerdings mit seiner Erwägung rechtfertigen ließe, daß bei der Lieferung einer Computeranlage mit Anwenderprogrammen erst dann von einer Ablieferung auszugehen sei, wenn die Software nach Einweisung durch den Lieferanten in der Erprobungsphase eine gewisse Zeit im wesentlichen fehlerfrei gelaufen sei, oder ob die Notwendigkeit einer Einweisung in die Programmabläufe und deren Erprobung eher für die Bemessung der dem Käufer zuzubilligenden Untersuchungsfrist von Bedeutung sind, kann dahinstehen.

bb) Denn jedenfalls setzte die Ablieferung des U.-Computersystems auch die Auslieferung einer schriftlichen Bedienungsanleitung für die Software-Gegenstände voraus. Die Lieferung einer solchen Anleitung (auch als Dokumentation oder Handbuch bezeichnet) gehört zur Hauptleistungspflicht, auch wenn sie nicht im Vertragstext als geschuldeter Gegenstand erwähnt ist. Das hat der Senat in einem Leasingfall für das Hardware-Handbuch bereits mit Urteil vom 5. Juli 1989 (VIII ZR 334/88 = WM 1989, 1574, 1577) entschieden. Für Software-Handbücher und im Kaufrechtsverhältnis kann nichts anderes gelten.

Der Senat hat allerdings in dem vorerwähnten Urteil – weil es für die Streitentscheidung nicht darauf ankam – offengelassen, ob das Fehlen eines Handbuches einen Mangel des betroffenen Nutzungsgegenstandes oder eine teilweise Nichterfüllung darstellt (Urteil vom 5. Juli 1989 a.a.O.). Hier ist diese Frage indessen entscheidungserheblich. Handelt es sich nämlich lediglich um einen Mangel, so stand die fehlende Aushändigung des Handbuches dem Vollzug der Ablieferung nicht entgegen. Ist die Zurückhaltung des Handbuches aber als teilweise Nichterfüllung zu werten, dann war der Ablieferungsvorgang nicht beendet, bevor die Aushändigung des Handbuches nachgeholt wurde, so daß bis zu diesem Zeitpunkt weder die Rügefrist aus § 377 HGB noch die – gleichfalls zeitlich an die Ablieferung anknüpfende – Verjährungsfrist des § 477 BGB in Gang gesetzt wurde.

In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur wird das Fehlen eines Handbuches verschiedentlich als Sachmangel (OLG Frankfurt, NJW 1987, 3206; OLG Köln, NJW 1988, 2477; wohl auch OLG Karlsruhe, NJW 1989, 2630, 2631; Schneider, CR 1989, 193; Bokelmann, CR 1990, 194, 195; Graf v. Westphalen; Der Leasingvertrag, 4. Aufl., Rdnr. 1175) und im übrigen als teilweise Nichterfüllung (OLG Stuttgart in dem Senatsurteil vom 5. Juli 1989 a.a.O. zugrundeliegenden Berufungsurteil; OLG Saarbrücken, CR 1988, 470; LG Baden-Baden, CR 1988, 308; AG Essen, CR 1988, 309; Malzer, CR 1989, 1084, 1086) angesehen. Der letzteren Auffassung ist zuzustimmen.

Ist von einer verkauften Sachgesamtheit nur ein Teil geliefert worden, dann hat der Käufer noch nicht alle ihm nach dem Vertrag zustehenden Gegenstände erhalten, der Verkäufer seinerseits, die ihm obliegende Hauptleistungspflicht noch nicht vollständig erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1992 – V ZR 36/91, zur Veröffentlichung bestimmt). So liegt es auch, wenn beim Verkauf von Hard- oder Software die zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers gehörenden Handbücher nicht mitgeliefert werden. Auch hier verbleibt dem Käufer ein Anspruch auf restliche Erfüllung, an der er grundsätzlich ein vorrangiges Interesse hat.

Die teilweise Nichterfüllung einer Hauptleistungspflicht gleichwohl als Mangel zu werten, verbietet sich deshalb auch von der Rechtsfolgeseite her, weil die Mangelfreiheit, vom Gattungskauf abgesehen, nicht selbständig durchsetzbar ist, sondern ihr Fehlen lediglich die sekundären Rechte aus §§ 459 f BGB auslöst, während eine Hauptleistungspflicht als primäre Erfüllungspflicht vom Käufer erzwungen werden kann. Darüber hinaus beeinträchtigt das Fehlen eines Handbuches die Gebrauchstauglichkeit der gelieferten Hard- und Software als solche tatsächlich nicht. Diese können, falls sie selbst mangelfrei sind, an sich dem Vertragszweck entsprechend eingesetzt werden. Das Handbuch stellt daneben mit dem in ihm verkörperten Nutzungswissen lediglich einen selbständigen „Funktionsteil” dar, der den jeweiligen Käufer individuell in die Lage versetzen soll, die an sich auch ohnedies funktionsfähigen Hard- oder Softwareteile umfassend zu nutzen (im Ergebnis ebenso Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 52). Soweit – wie die Revision meint – aus dem Senatsurteil vom 29. Mai 1991 (VIII ZR 125/90 = WM 1991, 1416, 1419) etwas anderes entnommen werden könnte, würde daran nicht festgehalten.

An dem Ergebnis, daß ohne die Aushändigung der in Rede stehenden Handbücher die Ablieferung der Kaufsache nicht vollendet war, vermag hier entgegen der Auffassung der Revision die in § 5 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung nichts zu ändern, wonach die Beklagte in den ersten sechs Monaten nach Installation der Anwenderprogramme nicht verpflichtet sein sollte, Bedienungshandbücher zur Verfügung zustellen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Bestimmung einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz standhielte. Auch wenn darin die Fälligkeit der Pflicht zur Lieferung der Handbücher hinausgeschoben wurde, bleibt es jedenfalls dabei, daß es an der „Ablieferung” fehlt, wenn – was, wie ausgeführt, zu bejahen ist – ohne Lieferung der Handbücher die von der Beklagten geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht wurde.

d) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte der Klägerin keine Softwarehandbücher mitgeliefert. Das greift die Revision vergeblich an.

aa) Erfolglos rügt sie, das Berufungsgericht habe bei seiner Feststellung verkannt,. daß die Klägerin die Beweislast für das Fehlen der Handbücher trage, weil sie sowohl auf dem Lieferschein vom 5. Januar 1989 als auch auf der Übernahmebestätigung vom 6. Januar 1989 erklärt habe, alles Geschuldete erhalten zu haben.

Die Beweislast für die Ablieferung und ihren Zeitpunkt trägt grundsätzlich der Verkäufer, der aus einer unterlassenen oder – wie hier – aus einer angeblich verspäteten Rüge Rechte herleiten will (BGHZ 93, 338, 347; Baumgärtel/Reinicke, Handbuch der Beweislast, 1. Aufl., Bd. 4, § 377 Rdnr. 2). Ausnahmsweise kehrt sich allerdings die Beweislast gemäß § 363 BGB um, wenn der Empfänger der Kaufsache deren Abnahme schriftlich und ohne Einschränkung dem Verkäufer gegenüber bestätigt (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1989 – VIII ZR 334/88 = WM 1989, 1575, 1576). Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich eine solche Beweislastumkehr hier hinsichtlich der. zur Softwaregehörenden Handbücher jedoch weder mit dem Inhalt des Lieferscheins noch dem der Übernahmebestätigung rechtfertigen. Der Lieferschein hat lediglich die Hardwareteile zum Gegenstand. Nur hierauf erstreckte sich die entsprechende Empfangsbestätigung der Beklagten. Die Übernahmebestätigung, die diese Beschränkung nicht enthält, sondern umfassend ist, war für den Leasinggeber bestimmt; sie stellte nicht zugleich eine Erklärung im kaufrechtlichen Verhältnis gegenüber der Beklagten dar (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 – VIII ZR 72/89 = WM 1990, 2000, 2005).

Die somit für die Ablieferung beweis- und damit auch darlegungspflichtig gebliebene Beklagte hat indessen nicht konkret behauptet, daß und gegebenenfalls wann sie der Klägerin die fraglichen Software-Handbücher ausgehändigt hat, so daß insoweit – dem Vortrag der Klägerin entsprechend – als frühester Zeitpunkt der Sachverständigentermin vom 18. Juni 1990 anzusetzen ist.

bb) Soweit die Revision ferner geltend macht, das Berufungsgericht sei dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten nicht nachgegangen, daß die Bedienungsanleitung auf dem Bildschirm sichtbar gemacht und ausgedruckt werden könne, vermag sie auch damit keinen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts darzutun. Abgesehen davon, daß sich dieses Vorbringen der Beklagten tatsächlich lediglich auf das Lohn- und FiBu-Programm bezieht, brauchte das Berufungsgericht dem Beweisantrag nicht nachzugehen, nachdem es aufgrund der Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen zur Überzeugung gelangt war, daß die Bedienerführung auf dem Bildschirm die erforderlichen Details nicht zeigte und deshalb als Ersatz für eine schriftliche Dokumentation mit ausreichender Bedienungsanleitung nicht in Betracht kam. Letzteres wird von der Revision nicht angegriffen.

3. Im Hinblick auf die somit rechtzeitig gerügten Softwaremängel hat das Berufungsgericht schließlich rechtsfehlerfrei auch ein die Hardware umfassendes Gesamtwandelungsrecht der Klägerin im Sinne des § 469 Satz 2 BGB bejaht. Diese Annahme ist allein schon deshalb gerechtfertigt, weil die aus Hard- und Software bestehende Anlage ausdrücklich als einheitliches System der Beklagten verkauft und dem Erwerber in deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 2 Nr. 3 und § 4 Nr. 1) zudem die Verpflichtung auferlegt wurde, die gelieferte Software nur auf der von der Beklagten bezogenen Hardware einzusetzen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil vom 7. März 1990 – VIII ZR 56/89 = WM 1990, 987, 990). Das verkennt die Revision, wenn sie die Auffassung des Berufungsgerichts mit dem Hinweis bekämpft, bei der gelieferten Software habe es sich um Standardprogramme gehandelt, die auch anderweit angeboten würden.

 

Fundstellen

NJW 1993, 461

Nachschlagewerk BGH

MC 2001, 22

L-SL 2001, 6

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