Leitsatz (amtlich)

Die Frist zur Anfechtung gemäß der Konkursordnung ist nicht gewahrt, wenn gegen einen rechtzeitig beantragten und demnächst zugestellten Mahnbescheid Widerspruch erhoben und die Sache mit einer vom Konkursverwalter zu vertretenden Verzögerung erst nach Ablauf der Frist an das für das Streitverfahren zuständige Gericht abgegeben wird (Bestätigung von BGHZ 112, 325; BGH NJW 1991, 1057, 1058).

 

Normenkette

KO § 41 Abs. 1; ZPO § 693 Abs. 2; BGB § 209 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 24.06.1992)

LG Trier

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Juni 1992 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 26. Februar 1988 eröffneten Konkurs über das Vermögen der U. GmbH (nachfolgend: GmbH). Diese warb Kunden für Börsentermingeschäfte, die sie aber nur in geringem Umfange durchführte. Aus späteren Einlagen zahlte sie an frühere Kunden scheinbare Gewinne aus. Der Kläger verlangte von etwa 1.900 der Anleger im Wege der Konkursanfechtung die Rückerstattung derartiger Scheingewinne.

Die Beklagte hatte an die GmbH einen „Einschuß” von 50.000 DM geleistet. Nach der Behauptung des Klägers erhielt sie 53.000 DM ausbezahlt. Er machte die Anfechtung geltend mit einem Mahnbescheid vom 8. März 1989, welcher der Beklagten am 25. März 1989 zugestellt wurde; der entsprechende Antrag war spätestens am 27. Februar 1989 (Montag) beim Amtsgericht eingereicht worden. Die Beklagte legte Anfang April 1989 Widerspruch ein, wovon der Kläger alsbald benachrichtigt wurde, zusammen mit der Aufforderung, die zweite Hälfte des gerichtlichen Prozeßkostenvorschusses einzuzahlen. Mit einem am 13. März 1990 eingegangenen Schriftsatz zeigte der Kläger bei der Mahnabteilung des Amtsgerichts die Einzahlung dieser Gerichtskosten an, bat um Abgabe des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht und begründete die Klage. Anfang März 1991 bestellte sich ein beim Landgericht zugelassener Rechtsanwalt für den Kläger. Daraufhin wurde die Klagebegründung der Beklagten zugestellt.

Die Klage, mit welcher der Kläger noch 3.000 DM begehrt, blieb in beiden Tatsacheninstanzen erfolglos. Dagegen richtet sich die – zugelassene – Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO versäumt. Die Zustellung des Mahnbescheids habe die Jahresfrist nicht gewahrt, weil die Sache nicht alsbald nach Erhebung des Widerspruchs an das Streitgericht abgegeben worden sei. Die Verzögerung bis März 1990 sei nicht geringfügig und vom Kläger zu vertreten. Er hätte den weiteren Gerichtskostenvorschuß sowie den Antrag auf Abgabe an das Landgericht alsbald nach Eingang der Widerspruchsnachricht stellen müssen.

II.

Dagegen rügt die Revision:

Die Ausgestaltung der Anfechtungsfrist als Ausschluß-, nicht als Verjährungsfrist beruhe auf einem Irrtum des historischen Gesetzgebers. Nachdem die Rechtsprechung die Zustellung des Zahlungsbefehls (nach früherem Recht) als fristwahrend habe ausreichen lassen, habe die Rechtslehre den § 209 BGB für analog anwendbar gehalten. Die Änderung des Mahnverfahrens im Jahre 1977 rechtfertige es nicht, davon abzuweichen. Das schutzwürdige Vertrauen des Anfechtungsgegners werde bereits durch die Zustellung eines Mahnbescheides mit hinreichender Individualisierung des Anfechtungsanspruchs erschüttert. Zudem gelte § 693 Abs. 2 ZPO für alle Fristen, auch für Ausschlußfristen.

Im übrigen habe der Kläger angesichts der Schwierigkeit bei der Sachverhaltsaufklärung und der Vielzahl von Fällen bei entsprechendem Kostenrisiko alles ihm Zumutbare und Mögliche zur Beschleunigung getan. Die Streitsache sei deshalb noch „demnächst” abgegeben worden.

III.

Gemäß § 41 Abs. 1 KO kann die Anfechtung binnen Jahresfrist seit Eröffnung des Verfahrens erfolgen.

1. Der Ablauf dieser Frist kann nicht gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB unterbrochen werden.

a) Eine unmittelbare Anwendung dieser für Verjährungsfristen erlassenen Vorschriften scheidet aus. Denn bei der Anfechtungsfrist handelt es sich, wie ein Umkehrschluß aus § 41 Abs. 1 Satz 2 KO ergibt, nicht um eine Verjährungs–, sondern um eine Ausschlußfrist (einhellige Meinung, vgl. RGZ 79, 24, 27; 88, 294, 295; 90, 86; BGHZ 90, 249, 251; BGH, Urt. v. 25. Oktober 1972 – VIII ZR 54/71, WM 1972, 1427, 1428, insoweit in BGHZ 59, 353 nicht abgedruckt; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 41 Rdn. 2; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch § 53 Rdn. 16; Gerhardt, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung S. 101 ff; A. Rümelin KuT 1927, 54; Weber KTS 1961, 49, 51 ff), deren fruchtloser Ablauf zum Erlöschen des angriffsweise durchzusetzenden Rechts führt (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 41 Rdn. 3 ff, 6; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht Bd. II 12. Aufl. Rdn. 20.14). An dieser Gesetz gewordenen Regelung ändert es nichts, daß sie nach der Entstehungsgeschichte der Konkursgesetznovelle von 1898 auf der bald als unrichtig erkannten Vorstellung des historischen Gesetzgebers beruht, das Anfechtungsrecht sei – ähnlich wie die Anfechtung einer Willenserklärung – ein Gestaltungsrecht und kein Anspruch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. Materialien zu den Reichs-Justizgesetznovellen 1897–1898, Zweiter Band S. 48, 168; Weber aaO S. 50 f; Jaeger/Henckel aaO Rdn. 4). Unabhängig von seinen dogmatischen Vorstellungen hat der Gesetzgeber es ausdrücklich nicht bei dem früheren Rechtszustand belassen, wonach das Anfechtungsrecht verjährte (§ 34 KO a.F.). Es geht deshalb – entgegen einer Ansicht im Schrifttum (Jaeger/Henckel aaO Rdn. 4 a.E.; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 41 Rdn. 9; Weber aaO S. 52 f; Gerhardt NJW 1981, 1542 f; Smid WuB VI B. § 41 KO 2.91) – nicht an, allein mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte in abändernder Gesetzesauslegung die Anfechtungsfrist wie eine Verjährungsfrist zu behandeln und die für diese geltenden Hemmungs- und Unterbrechungsregelungen auf die Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO ohne die gebotene Rücksicht auf die zwischen einer Ausschluß- und einer Verjährungsfrist bestehenden Unterschiede anzuwenden.

b) § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist auf die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO auch nicht sinngemäß anzuwenden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner für die Verjährung geltender Regelungen auf Ausschluß fristen nicht schlechthin ausgeschlossen. Vielmehr ist von Fall zu Fall nach Sinn und Zweck der jeweiligen einzelnen Bestimmung zu entscheiden, inwieweit Verjährungsvorschriften auf Ausschlußfristen auch dann anzuwenden sind, wenn nicht ausdrücklich auf sie verwiesen wird (BGHZ 43, 235, 237 [zu § 12 Abs. 3 VVG]; 53, 270, 272 [zu § 215 Abs. 2 BGB]; 73, 99, 101 f [zu § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB]; 79, 1, 2 [zu § 12 StrEG]).

Ob die für Verjährungsfristen geltende Unterbrechungsnorm des § 209 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf die Ausschlußfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO entsprechend anzuwenden ist, hängt mithin vom Sinn dieser Vorschrift ab. Deren Zweck kann – wie der ihrer Vorgängerin (§ 34 KO a.F.) – zunächst darin gesehen werden, „denjenigen, welcher der Anfechtung ausgesetzt ist, der Drohung einer solchen nicht auf unbestimmte Zeit zu überliefern” (Begründung zu § 34 des Entwurfs einer Konkursordnung, abgedruckt bei Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen Vierter Band S. 157). Neben dieser Warnfunktion hat die Ausübung des Anfechtungsrechts noch eine weitere Aufgabe zu erfüllen. Mit ihr soll die anfechtungsrechtliche Unwirksamkeit in den Formen des allgemeinen Vermögensrechts, insbesondere für Dritte erkennbar, verwirklicht werden. Weitere Personen können von der Anfechtung insoweit betroffen werden, als sie auf die haftungsrechtliche Wirksamkeit der äußerlich erkennbaren Vermögens Zuordnung vertrauen (§ 40 Abs. 2 KO). Damit Haftungs- und Vermögens Zuordnung nicht zu lange auseinanderfallen, hat der Konkursverwalter das Anfechtungsrecht innerhalb der gesetzlichen Frist in einer Weise auszuüben, die Gewähr dafür bietet, daß er es gegen den Willen des Anfechtungsgegners durchsetzen kann, um das Anfechtungsgut alsbald der Masse zuzuführen. Die Anfechtungsfrist ist auch im Interesse der Gläubiger wie der Allgemeinheit eingeführt worden, damit Konkurse beschleunigt abgeschlossen werden können (vgl. Materialien zu den Reichs-Justizgesetznovellen 1897–1898 aaO S. 167 f).

Das unterscheidet die Frist des § 41 Abs. 1 KO von anderen Ausschlußfristen und schließt eine entsprechende Anwendung der für Verjährungsfristen geltenden Regelungen nach geltendem Recht grundsätzlich aus. Diese enthalten eine zu große Zahl von Möglichkeiten, die Verwirklichung des Anspruchs – entgegen dem Gesetzeszweck – auch für längere Zeit hinauszuschieben (§§ 208, 209 Abs. 2 Nr. 4, 210 BGB). Allein die Unterbrechungswirkung könnte die Frist verdoppeln (§ 217 BGB). Kommt ein eingeleitetes Verfahren zum Stillstand, so könnte die Frist noch weiter vervielfacht werden (§ 211 Abs. 2 BGB). Daraus, daß § 41 Abs. 1 Satz 2 KO diese Vorschriften, die im Ergebnis eine Fristverlängerung bewirken können, ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt, ist zu entnehmen, daß sie nicht eingreifen sollen.

Der Bundesgerichtshof hat auch bisher nicht etwa § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB analog auf die Anfechtungsfrist des § 41 KO angewendet. Insbesondere nennt sein Urteil vom 14. Juli 1960 – VIII ZR 174/59 (WM 1960, 1035, 1036) diese Vorschrift nicht.

Eine Änderung der gesetzgeberischen Wertung zu Lasten des Anfechtungsgegners und möglicherweise Dritter würde den Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung sprengen. Diese vermag der in § 165 Abs. 1 E.-InsO vorgesehenen Regelung nicht vorzugreifen.

2. Ohne eine entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschriften greift auch § 693 Abs. 2 ZPO nicht isoliert in der Weise ein, daß die Anfechtungsfrist des § 41 KO uneingeschränkt und in jeder Beziehung durch die bloße Zustellung eines Mahnbescheides (sogar wenn er § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gerecht wird) gewahrt werden könnte. § 693 Abs. 2 ZPO soll lediglich nachteilige Regelungen ausgleichen, die auf einer Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens beruhen und von dem auf gerichtliche Hilfe angewiesenen Antragsteller nicht beeinflußt werden können (BGHZ 75, 307, 310 f; BGH, Urt. v. 21. Oktober 1981 – VIII ZR 212/80, NJW 1982, 172; MünchKomm-ZPO/Holch § 693 Rdn. 17; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 51. Aufl. § 693 Rdn. 6 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO 17. Aufl. § 693 Rdn. 6). Dagegen ist nach Wesen und Zweck der einzuhaltenden Frist zu entscheiden, ob sie allein durch Zustellung eines Mahnbescheids gewahrt werden kann. Das ist für die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO zu verneinen, weil die bloße Zustellung des Mahnbescheids eben nicht die hinreichende Gewähr dafür bietet, daß der Anfechtungsanspruch auch alsbald durchgesetzt wird. Dem Antragsteller bleibt nach einem zugestellten Mahnbescheid – im Vergleich mit einer zugestellten Klageschrift – noch die Möglichkeit, das Verfahren durch Nichteinzahlung der Gebühren gemäß Nr. 1005 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz zu verzögern. Losgelöst von den Einschränkungen durch die Verjährungsvorschriften (insbesondere § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB), würde dies zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, daß durch Zustellung eines Mahnbescheids die Anfechtungsfrist bis zur Grenze der dreißigjährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) gewahrt bliebe, falls der Anfechtungsgegner Widerspruch einlegt; nur wenn er dies unterließe, könnte die fristwahrende Wirkung nach § 701 ZPO entfallen.

3. Statt dessen ist die Art und Weise, wie die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO zu wahren ist, allein aus Wesen und Zweck dieser Frist zu erschließen. Nach einhelliger Ansicht muß die Anfechtung – durch Klage oder Einrede – gerichtlich geltend gemacht werden (RGZ 58, 44, 45 ff im Anschluß an RGZ 52, 334, 340 ff; RGZ 62, 197, 199; 79, 24, 25; 88, 294, 295; 149, 9; BGHZ 30, 248, 252; 90, 249, 251; BGH, Urt. v. 26. März 1953 – IV ZR 165/52, LM § 193 BGB Nr. 1; v. 1. Dezember 1988 – IX ZR 112/88, NJW 1989, 985, 986; Jaeger/Henckel aaO § 41 Rdn. 2, 5, 18; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 41 Rdn. 4 ff; Kilger aaO § 29 Anm. 21; Gerhardt, Gläubigeranfechtung aaO S. 307 im Anschluß an S. 133 f; Baur/Stürner aaO Rdn. 20.14 f, 20.20). Gerichtlich geltend gemacht ist das Anfechtungsrecht nur, wenn es in einer Art und Weise ausgeübt wird, die dem Zweck der Vorschrift entspricht, also insbesondere durch Klage oder Einrede. Da die Ausübung des Rechts die baldige Durchsetzbarkeit des Anspruchs gewährleisten soll, kann die Frist durch die Zustellung eines Mahnbescheides nur gewahrt werden, wenn nach Erhebung des Widerspruchs alsbald die Voraussetzungen für eine Abgabe der Sache (§ 696 ZPO) an das für das Streitverfahren zuständige Gericht geschaffen werden (BGHZ 112, 325, 327 f – die Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1991 – 2 BvR 1641/90 – nicht zur Entscheidung angenommen; BGH, Urt. v. 22. Oktober 1990 – II ZR 238/89, NJW 1991, 1057, 1058; ebenso für die Klagefrist nach Art. 12 Abs. 3 NTS-AG BGH, Urt. v. 23. November 1972 – III ZR 13/71, NJW 1973, 248; V. 5. April 1979 – III ZR 33/78, NJW 1979, 1709, 1710).

Dementsprechend hat auch in der Vergangenheit die Rechtsprechung die Frist stets nur dann als gewahrt angesehen, wenn – etwa bei (rechtzeitiger) Anrufung eines unzuständigen Gerichts – die Klage zwar nach Fristablauf, aber noch in einem gerichtlich ständig kontrollierten Verfahren an das zuständige Gericht abgegeben oder verwiesen wurde (RGZ 149, 9, 11; BGH, Urt. v. 26. März 1953 – IV ZR 165/52, aaO). Hingegen galt die Frist nicht als eingehalten, wenn im Falle der Abgabe an ein anderes Landgericht die Klageschrift bei der erst von diesem veranlaßten Zustellung nicht von einem bei ihm zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet war (BGHZ 90, 249, 252 f). Eine weitergehende Aussage ist dem erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 1960 – VIII ZR 174/59 (WM 1960, 1035, 1036) nicht zu entnehmen; denn darin wurde über einen Sachverhalt entschieden, in dem nach Erhebung des Widerspruchs der Rechtsstreit alsbald an das zuständige Landgericht verwiesen worden war (§ 696 Abs. 2 ZPO a.F.). In Streit stand ausschließlich, ob der einleitende Zahlungsbefehl „demnächst” zugestellt worden war. Soweit aus der Entscheidung weitergehend der Schluß gezogen worden ist, die Zustellung eines Mahnbescheids genüge stets zur Wahrung der Anfechtungsfrist, rechtfertigt die veröffentlichte Entscheidung das nicht. In ihren Gründen wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, daß nach der Erhebung des Widerspruchs gegen den Zahlungsbefehl alsbald Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden war. Der Sinn der darin enthaltenen Sätze:

„Nach § 696 Abs. 2 ZPO gilt die Streitsache zwar erst mit Zustellung des Zahlungsbefehls als rechtshängig geworden, wenn nach der Erhebung des Widerspruchs alsbald Termin anberaumt wird. Entscheidend ist aber, daß nach § 693 Abs. 2 ZPO die Wirkung der Zustellung … bereits mit der Einreichung des Gesuchs … eintritt …” (aaO)

erschließt sich, wenn man sie als Auflösung eines (vermeintlichen) Gegensatzes zwischen § 696 Abs. 2 ZPO und § 693 Abs. 2 ZPO – jeweils a.F. – versteht: Während die erstgenannte Vorschrift die Rechtshängigkeit auf den (dort erst nach Ablauf der Frist des § 41 Abs. 1 KO liegenden) Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls bezog, stellte die zweitgenannte Bestimmung schon auf die frühere Einreichung ab. Dann ist der Entscheidung nichts anderes zu entnehmen, als daß die Bestimmung des § 696 Abs. 2 ZPO a.F. der Wahrung der Anfechtungsfrist nicht entgegenstand. Diese Zusammenhänge übersieht Siemon (ZIP 1991, 283, 284 ff).

Der Senat verkennt nicht, daß die Jahresfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO unter heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen sehr kurz bemessen ist. Einer Überforderung des Konkursverwalters sucht die Rechtsprechung insbesondere dadurch entgegenzuwirken, daß sie an die Schlüssigkeit eines Klagevorbringens bei Anfechtungsklagen keine unerfüllbaren Anforderungen stellt (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 1983 – VIII ZR 156/82, WM 1983, 1313, 1315; v. 17. Januar 1985 – IX ZR 29/84, WM 1985, 425, 426 f; v. 19. März 1992 – IX ZR 166/91, WM 1992, 813, 815, z.V.b. in BGHZ 117, 374). Eine nachträgliche Ergänzung der Begründung wird für zulässig gehalten, sofern der Anfechtungsanspruch rechtzeitig wenigstens individualisiert war. Eine außerordentliche Belastung des Konkursverwalters durch eine Häufung vieler Anfechtungsklagen und/oder aufwendige Ermittlungen kann auch durch Einräumung großzügiger Fristen zur Klagebegründung berücksichtigt werden. Ob die zweiwöchige Frist des § 697 Abs. 1 ZPO zur Anspruchsbegründung überhaupt durch die Sanktion des § 296 Abs. 2 ZPO bewehrt ist, ist streitig (verneinend BGH, Urt. v. 16. Dezember 1981 – IVa ZR 282/80, NJW 1982, 1533, 1534 – bejahend MünchKomm-ZPO/Holch § 697 Rdn. 13 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO § 697 Rdn. 6 f; Zöller/Vollkommer aaO § 697 Rdn. 4). Jedenfalls hätte eine durch unabweisbare, außergewöhnliche Belastungen bedingte Nichteinhaltung der Frist als entschuldigt zu gelten. Jedoch hat der Konkursverwalter mit der Einreichung eines ordnungsmäßigen Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheids allein noch nicht alles seinerseits Erforderliche getan. Er muß weiterhin bemüht bleiben, das Verfahren zu fördern.

4. Dies hat der Kläger im vorliegenden Falle unterlassen, so daß die Sache nicht demnächst an das für das Streitverfahren zuständige Gericht abgegeben worden ist. Der Begriff „demnächst” bezeichnet eine angemessene, unter Umständen sogar objektiv recht lange Frist, sofern die Partei alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Klagezustellung getan hat. Eine schuldhaft verzögerte Einzahlung der angeforderten Prozeßgebühr schadet jedoch (BGH, Urt. v. 23. Januar 1967 – III ZR 3/66, NJW 1967, 779, 780; vgl. auch Urt. v. 25. November 1985 – II ZR 236/84, WM 1986, 273; BGHZ 103, 20, 28 f). Das im Rahmen von § 693 Abs. 2 ZPO erhebliche Verschulden ist rein prozessual zu verstehen und bezieht sich allein auf die Förderung des Verfahrens durch die Partei. Es liegt vor, wenn sie eine ihr mögliche und prozessual zumutbare Mitwirkung – insbesondere die Einzahlung als fällig angeforderter Gebühren – bewußt unterläßt, ohne daß es auf die weiteren Beweggründe hierfür ankäme. Entgegen der Auffassung, welche die Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten hat, ist es deshalb in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, ob der Kläger im Jahre 1989 darauf vertrauen durfte, daß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf die Anfechtungsfrist nach § 41 Abs. 1 KO anwendbar sei; dies mag allenfalls einen denkbaren Schuldvorwurf im Zusammenhang mit § 82 KO entkräften können.

Der Kläger hat hier die Anfang April 1989 angeforderte zweite Hälfte des Gerichtskostenvorschusses entgegen § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG erst im März 1990 eingezahlt und keine Gründe im Sinne von § 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 und 4 GKG vorgebracht. Die Verzögerung war unangemessen lang, nämlich nahezu genauso lang wie die ganze Frist des § 41 Abs. 1 KO. Zudem war sie auf eine schuldhaft unterlassene Prozeßförderung des Klägers zurückzuführen. Nach seiner Darstellung hat ihm der Gläubigerausschuß am 19. Januar 1989 die Genehmigung zur Klageerhebung erteilt. Die Einzahlung des Kostenvorschusses hat er gemäß den Angaben der Revision bis März 1990 zurückgestellt, weil er erst die Erfolgsaussichten der Verfahren näher klären und den Ausgang der beiden Musterprozesse (vgl. Senatsurt. v. 29. November 1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff, und IX ZR 55/90, WM 1991, 331 ff) abwarten wollte. Das Kostenrisiko muß der Konkursverwalter jedoch, wie jeder Kläger, selbst tragen; er kann es von Rechts wegen nicht dadurch verringern, daß er einseitig die Anfechtungsfrist ausdehnt, die dem Schutz des Beklagten und der Rechtsklarheit dient. Auch Gesichtspunkte der Prozeßökonomie rechtfertigen es nicht, den Schutz des Anfechtungsgegners einzuschränken sowie die Ungewißheit über die Haftungszuordnung der streitigen Vermögensgegenstände zu verlängern.

 

Unterschriften

Brandes, Schmitz, Kreft, Kirchhof, Fischer

 

Fundstellen

Haufe-Index 875195

BGHZ

BGHZ, 23

BB 1993, 1042

NJW 1993, 1585

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1993, 605

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