Leitsatz (amtlich)

›a) Der Hersteller von Bausätzen für sog. Überrollbügel, die nur an Landmaschinenfachbetriebe geliefert werden, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, in die beigefügten Anbauanleitungen eine Belehrung über die der Konstruktion der Bügel zugrundeliegende statische Berechnung oder Prinzipien aufzunehmen oder einen Hinweis darauf, daß für die Benutzer der Zugmaschinen, an denen solche Überrollbügel angebracht werden, bei Nichtbeachtung der Montageanweisungen Gefahren bestehen.

b) Hat ein Hersteller jedoch solche Bausätze zunächst mit Anbauanleitungen in den Verkehr gebracht, die eine unsachgemäße und damit sicherheitsgefährdende Montage vorsahen, so ist er nach Aufdeckung des Fehlers verpflichtet, in den neuen Anbauanleitungen durch deutliche, nicht zu übersehende Hinweise auf die richtige Montageart aufmerksam zu machen..‹

 

Verfahrensgang

LG Stade

OLG Celle

 

Tatbestand

Die Drittbeklagte ist Herstellerin von Überrollbügeln für Zugmaschinen.

Der Ehemann der Klägerin hatte im August 1977 bei der bisherigen Erstbeklagten an seiner Hanomag-Zugmaschine vom Typ Granit R 332 einen von der Drittbeklagten hergestellten und von der R. KG gelieferten Überrollbügel anbringen lassen. Die Montage hatte der bisherige Zweitbeklagte vorgenommen. Dem Überrollbügel lag eine Anbauanleitung bei, die allerdings für den leichteren Schlepper vom Typ R 324 S bestimmt war. Die Verwechslung beruhte entweder auf einem Versehen der Lieferantin oder auf einer falschen Bestellung durch die Erstbeklagte. Der gelieferte Bügel war jedoch auch für den Traktor R 332 geeignet.

Am 5. Oktober 1977 kippte das Fahrzeug beim Befahren eines etwa 1,80 m hohen Maissilos auf dessen abgeschrägtem Hang nach hinten um. Dabei knickte der Überrollbügel auf beiden Seiten kurz oberhalb der auf den Kotflügeln angesetzten Verankerung ein. Der Ehemann der Klägerin wurde zwischen Lenkrad und dem eingeknickten Überrollbügel eingeklemmt und getötet.

Die Klägerin hat von allen Beklagten Ersatz der Beerdigungskosten und des ihr entstandenen Unterhaltsschadens verlangt, jedoch wegen der Betriebsgefahr des Fahrzeugs nur zu 3/4. Sie hat behauptet, der Zweitbeklagte habe den Überrollbügel fehlerhaft montiert und die Erstbeklagte habe ihre Bediensteten unzureichend beaufsichtigt. Die Drittbeklagte hat die Klägerin deshalb auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch genommen, weil die von ihr herausgegebenen Montageanweisungen unklar gewesen seien und diese Unklarheiten zu dem Montagefehler geführt hätten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klageforderung auf Ersatz der Beerdigungskosten im wesentlichen und dem Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsschadens dem Grunde nach stattgegeben. Die Revisionen der Erst- und des Zweitbeklagten hat der erkennende Senat nicht angenommen. Die Drittbeklagte verfolgt mit ihrer Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Drittbeklagte habe in früherer Zeit, als sie für die verschiedenen Fahrzeugtypen Bausätze mit unterschiedlich langen Rohren für die Überrollbügel hergestellt hatte, für den Schleppertyp R 324 S Anleitungen für die Montage von Überrollbügeln herausgegeben, die eine falsche Montage nahegelegt hätten, da sie eine Zeichnung enthalten hätten, nach der das Einsteckrohr oberhalb der Verschraubung von Konsol- und Muffenrohr endete. Später habe sie einheitliche Bausätze mit längeren Rohren sowohl für den Traktor R 332 als auch für den Schlepper R 324 S herausgegeben und habe in den Anbauanleitungen darauf hingewiesen, in welcher Weise die Rohre bei den einzelnen Typen zu kürzen seien. Aus der neuen Anbauanleitung für den Schlepper R 324 S vom 3. Februar 1976 sei ferner zu entnehmen gewesen, daß alle drei Rohre unten miteinander hätten verschraubt werden müssen, wie dies bereits in der früheren Anleitung für den Einbau des für den Traktor R 332 bestimmten Bügels vorgesehen gewesen sei, und wonach sich die Montage richtig habe durchführen lassen. Der Zweitbeklagte habe einen Bausatz neuerer Art verwendet und den Überrollbügel anhand der dazu gehörenden neuen Anbauanleitung montiert. Er habe aber - möglicherweise aus Bequemlichkeit - (entsprechend der alten Methode) nur jeweils getrennt das Konsolrohr mit dem Muffenrohr und dieses mit dem Einsteckrohr verschraubt und habe sich dadurch der nicht ganz einfachen Aufgabe, die Bohrungen durch alle drei Rohre miteinander zum Fluchten zu bringen, entzogen. Die erforderliche Stabilität wäre aber nur erreicht worden, wenn die drei Rohre, aus denen die Halterungen des Bügels zusammengesetzt sind, in jenem kritischen Bereich übereinander geschoben worden wären. Ohne den Montagefehler wäre der Bügel nicht gebrochen und der Ehemann der Klägerin nicht getötet worden.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Drittbeklagte hafte neben der Erst- und dem Zweitbeklagten, weil die Anweisungen, die sie für die Montage der Überrollbügel herausgegeben habe, unzureichend gewesen seien. Da konstruktionsbedingt die erforderliche Stabilität des Überrollbügels nur zu erreichen gewesen sei, wenn die drei Rohre, aus denen die Halterungen des Bügels zusammengesetzt sind, an dem am stärksten belasteten Punkt etwas oberhalb der Kotflügel übereinander geschoben wurden, habe die Drittbeklagte diesen "Kardinalpunkt" in ihrer Montageanleitung deutlich machen müssen, damit die Monteure den Sinn der einzelnen, in den Zeichnungen angegebenen Maße hätten erkennen können. Auf jeden Fall wäre ein solcher deutlicher Hinweis erforderlich gewesen, da sie früher jedenfalls den Bausätzen für den Fahrzeugtyp R 324 S Montageanleitungen beigefügt habe, die irreführend gewesen seien bzw. sogar eine nicht sachgemäße Montage, wie sie vom Zweitbeklagten vorgenommen worden sei, vorgesehen hätten. Für einen Fachmann sei nicht ohne weiteres einzusehen gewesen, warum er jetzt anders verfahren solle als früher. Die Drittbeklagte habe nicht damit rechnen können, daß die Wertstätten, die früher nach den alten Anbauanleitungen gearbeitet hätten, die nicht auf den ersten Blick erkennbare Änderung beachten würden. Die Drittbeklagte hätte daher, um Irrtümer bei der Bügelmontage an den verschiedenen Fahrzeugen zu vermeiden, durch deutliche, nicht zu übersehende Hinweise auf die jetzt gültige Montageart aufmerksam machen müssen.

II. Das Berufungsurteil hält, soweit es die Drittbeklagte betrifft, einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen an die Instruktionspflichten der Drittbeklagten, wenn es von ihr verlangt, sie habe, da der Überrollbügel nur durch die Zusammenführung von Konsole, Muffenrohr und Einsteckrohr die notwendige Stabilität erhalte, in ihren Montageanleitungen diesen "Kardinalpunkt" deutlich machen müssen, damit die Monteure den Sinn der einzelnen, in den Zeichnungen angegebenen Maße hätten erkennen können.

Die Rechtsprechung. hat zwar verschiedentlich verlangt, daß die Warenhersteller in den ihren Produkten beigegebenen Gebrauchsanweisungen den späteren Produktverwendern unter klarer Bezeichnung der spezifischen Gefahren und ihrer Folgen einen eindeutigen, sinnvollen und unmißverständlichen Hinweis auf den vollen Umfang des Risikos bzw. von Produktnebenwirkungen geben (Senatsurteil vom 18. Oktober 1960 - VI ZR 8/60 - Kühlanlage - VersR 1960, 1095, 1096; OLG Koblenz und OLG Köln in Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Produkthaftung Bd. II Nr. II 26 und 30). Dies kann aber im allgemeinen von dem Hersteller nur dann verlangt werden, wenn er damit rechnen muß, daß seine Produkte in die Hand von Personen gelangen, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind, da die Instruktionspflicht grundsätzlich nur im Rahmen der Verbrauchererwartung besteht (vgl. Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1520, S. 48). Was dagegen auf dem Gebiete allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Gebrauchsanleitung oder einer Warnung gemacht zu werden (Senatsurteil vom 14. April 1959 - VI ZR 94/58 - Fensterkran - VersR 1959, 523, 524 und vom 3. Juni 1975 - VI ZR 192/73 - Spannkupplung - VersR 1975, 922, 924). Das gilt nicht nur für Anleitungen zum Gebrauch von Geräten und sonstigen Arbeitsmitteln, sondern auch für Montageanweisungen. Was zum normalen technischen Fachwissen der Monteure gehört, muß nicht zusätzlich als besonderer Hinweis des Herstellers in den Montageanleitungen enthalten sein (vgl. OLG Bamberg mit Beschluß des erkennenden Senats vom 29. März 1977 - VI ZR 251/75 - VersR 1977, 771, 772 zur Instruktionspflicht von Felgenherstellern für die Schlauch- und Reifenmontage). So war es auch im Streitfall. Das Berufungsgericht geht - sachverständig beraten - auf S. 8 seines Urteils selbst davon aus, daß ein Handwerker sowohl der Anbauanleitung vom 3. Februar 1976 als auch der früheren Anleitung für den Bügel zum Fahrzeugtyp R 332 entnehmen konnte, daß alle drei Rohre unten miteinander verschraubt werden mußten. In dem Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. E. heißt es dazu sogar, wie die Revision mit Recht geltend macht, daß der Einbau des Überrollbügels nach der Anbauanleitung vom 3. Februar 1976 "zweifelsfrei" so durchgeführt werden mußte, und daß ein Anbau ohne Bohrung des Einsteckrohres zur erforderlichen Verschraubung mit Konsole und Muffenrohr "bei Zugrundelegen des normalen technischen Fachwissens in einem Landmaschinen Fachbetrieb als unfachmännisch und erkennbar fehlerhaft zu werten" sei. Trotz des auf S. 14 der Urteilsausfertigung in anderem Zusammenhang erfolgten Hinweises, der im Ermittlungsverfahren zugezogene Sachverständige B. habe die Anbauanleitung für den Schlepper R 324 S vom 3. Februar 1976 als aus sich heraus für die angesprochenen Fachkreise nicht hinreichend verständlich angesehen, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich das Berufungsgericht dieser Auffassung angeschlossen hat. War das aber der Fall, dann bedurfte es in jener Anbauanleitung für die erfahrenen Monteure eines Landmaschinenfachbetriebes keines Hinweises darauf, daß für die Benutzer von Zugmaschinen, an denen ein solcher Überrollbügel angebracht wurde, bei Nichtbeachtung der eindeutigen Montageanweisungen Gefahren bestanden. Es muß für den Monteur von Sicherheitseinrichtungen ohnehin klar sein, daß diese ihre Funktion grundsätzlich nur dann vollkommen erfüllen können, wenn sie ordnungsgemäß eingebaut werden, und daß die für die Benutzer angestrebte Sicherheit dann nicht gewährleistet werden kann, wenn die Anleitungen für den An- bzw. Einbau nicht beachtet werden. Einer Belehrung über die der Konstruktion zugrundeliegenden statischen Berechnungen oder "Prinzipien" bedarf es in Montageanleitungen, die für Fachhandwerker bestimmt sind, in aller Regel nicht. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Gefahr einer Fehlmontage zu befürchten ist, die - für den Monteur überraschend - schwere Schäden bei anderen Personen auslösen kann (vgl. Kullmann/Pfister, aaO, S. 49; zu entsprechenden Hinweisen, wenn mit versehentlichen Fehlanwendungen von Arzneimitteln gerechnet werden muß, vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1972 - VI ZR 194/70 - Estil - VersR 1972, 1075, 1076). Demgemäß hat die Drittbeklagte zu Recht nach dem Unfall des Ehemannes der Klägerin und, nachdem sich herausgestellt hatte, daß auch in anderen Fällen Fehlmontagen vorgekommen waren, durch das als "wichtige Chefsache" bezeichnete Rundschreiben vom 15. November 1977 nochmals besonders darauf hingewiesen, daß die Einsteckrohre und die Muffenrohre bis zum Ende des Konsolrohres hinunterreichen müssen, und dies in einem beigefügten besonderen Montagehinweis nochmals zeichnerisch exakt dargestellt.

2. Aber auch gegen die weitere Begründung des Berufungsgerichts, die Drittbeklagte hafte der Klägerin zumindest deshalb auf Schadensersatz, weil sie ursprünglich Anbauanleitungen auf den Markt gebracht habe, die eine nicht sachgemäße Montage vorsahen, wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Rechtlich einwandfrei führt das Berufungsgericht insoweit allerdings aus, daß ein Unternehmer, der Anbausätze für Sicherungseinrichtungen von Kraftfahrzeugen herstellt und diese zunächst mit Anbauanleitungen in den Verkehr bringt, die eine unsachgemäße und damit sicherheitsgefährdende Montage vorsehen, nach Aufdeckung des Fehlers verpflichtet ist (neben der Verpflichtung, die Werkstätten und sonstigen Fachbetriebe, welche die entsprechenden Montagen vornehmen, entsprechend zu informieren und zu warnen), in den neuen Anbauanleitungen durch deutliche, nicht zu übersehende Hinweise auf die richtige (und jetzt gültige) Montageart aufmerksam zu machen.

b) Das angefochtene Urteil kann aber mit dieser Begründung schon deshalb keinen Bestand haben, weil, wie die Revision mit Recht rügt, bisher nicht nachgewiesen ist, daß das Unterlassen eins Hinweises ursächlich für den eingetretenen Schaden war. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Zweitbeklagte die frühere - unrichtige - Anbauanleitung gekannt und früher nach ihr gearbeitet hat. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen.

III Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es Gelegenheit erhält, die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen.

Für die Verhandlung wird zusätzlich noch darauf hingewiesen, daß das Berufungsgericht auch Anlaß haben wird, seine Annahme zu überprüfen, die frühere Anbauanleitung für den Hanomag L324 S habe eine solche nicht sachgemäße Montage des Sicherheitsbügels, wie sie der Zweitbeklagte vorgenommen habe, vorgesehen. Das Berufungsgericht kann sich für diese Ansicht auf den Hinweis des Sachverständigen Prof. W. berufen, der (GA Bl. 387) der früheren Anbauanleitung für den Hanomag R 324 S entnahm, ursprünglich sei nicht vorgesehen gewesen, das Einsteckrohr ebenfalls in die Konsole hineinzuführen. die Revision hat zwar eingeräumt, die in der Anbauanleitung enthaltene Schemazeichnung sei irreführend gewesen, weil es danach tatsächlich so aussehe, als solle das Einsteckrohr nicht bis in die Konsole vorgeschoben werden. Sie weist aber darauf hin, was die Drittbeklagte schon vorprozessual (vgl. das Schreiben Bl. 57 der Ermittlungsakten) und auch in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hatte, daß bei Schemazeichnungen die bildliche Darstellung nicht maßgebend sei, sondern allein die angegebenen Maße, deren Beachtung schon damals, als die Rohre ungekürzt zur Verwendung kamen, zu einer richtigen Montage hätte führen müssen. Mit dieser Einlassung setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander.

War aber lediglich die Schemazeichnung irreführend, ohne daß sich dies auf die Montage auswirken mußte, und hatte die Drittbeklagte keinen Anlaß zu der Annahme, daß diese Ungenauigkeit zu Fehlmontagen geführt hat, dann genügte sie ihren Verkehrssicherungspflichten, wenn sie später, als sie einheitliche Bausätze für verschiedene Zugmaschinentypen auf den Markt brachte, bei denen nun die Monteure die Rohre erst auf die richtige Länge zuschneiden mußten, genaue Schemazeichnungen mitlieferte, die keine Zweifel mehr daran ließen, daß sowohl das Einsteckrohr als auch das Muffenrohr bis in die Konsole eingeführt und dort miteinander verschraubt werden mußten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992835

DB 1986, 1113

NJW 1986, 1863

DRsp I(145)308a-b

MDR 1986, 744

RdL 1986, 121

VersR 1986, 653

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