Leitsatz (amtlich)

Die in einem Handelsvertretervertrag enthaltene, vom Unternehmer als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Bestimmung "Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen" ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam.

 

Normenkette

HGB § 90a; BGB § 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 17.04.2015; Aktenzeichen 15 U 89/14)

LG Mosbach (Entscheidung vom 08.08.2014; Aktenzeichen 3 O 13/13)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 17.4.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten, ihren ehemaligen Handelsvertreter, verschiedene Ansprüche im Zusammenhang mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (hier: Verbot der Abwerbung von Kunden) geltend.

Rz. 2

Die Klägerin vermittelt als Vertriebsgesellschaft im Rahmen ihres Allfinanzangebots verschiedene Finanzdienstleistungen, insb. gewerbliche und private Finanzierungen, eine Vielzahl von Spar- und Anlageprodukten sowie Versicherungsverträge und Bausparverträge.

Rz. 3

Der Beklagte war für die Klägerin als Handelsvertreter (Vermögensberater) aufgrund Vermögensberater-Vertrags vom 25.5./14.6.2007 tätig. Nr. V. dieses Vertrags lautet auszugsweise wie folgt:

"Der Vermögensberater ist verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 I HGB aufgegeben ist. Er hat ferner jede Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen oder die Vermittlung von Vermögensanlagen, die nicht zur Produktpalette der Gesellschaft gehören, ebenso zu unterlassen wie das Abwerben von Vermögensberatern oder anderen Mitarbeitern oder Kunden der Gesellschaft oder dies alles auch nur zu versuchen. Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Vermögensberater, andere Mitarbeiter oder Kunden abzuwerben oder dies alles auch nur zu versuchen. Verstößt der Vermögensberater gegen auch nur eines der vorstehenden Verbote, so hat er für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe i.H.v. 25.000 EUR zu zahlen, und zwar auch für jeden erfolglos gebliebenen Versuch. Diese Vertragsstrafe ist der Höhe nach auf einen Betrag beschränkt, der den sechsmonatigen Provisionsbezügen des Vermögensberaters - errechnet nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Verstoß - entspricht. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. ..."

Rz. 4

Das Vertragsverhältnis der Parteien wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 24.2.2011 zum 30.9.2011 gekündigt.

Rz. 5

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe gegen seine Verpflichtung aus Nr. V. des Vermögensberater-Vertrag verstoßen, indem er im Zeitraum 2012/2013 versucht habe oder es ihm gelungen sei, vier näher bezeichnete Kunden, die mit Produktpartnern der Klägerin Versicherungsverträge abgeschlossen hätten, zur Kündigung oder Änderung dieser Verträge zu bestimmen. Dieser Umstand lasse vermuten, dass der Beklagte weitergehende Verstöße begangen habe.

Rz. 6

Im Wege der Stufenklage begehrt die Klägerin zur Vorbereitung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs, den Beklagten zur Erteilung einer Auskunft zu verurteilen, wann (genauer Zeitpunkt) er - seit dem 30.9.2011 bis zum 30.9.2013 - welche Kunden der Klägerin (anonymisierte personenbezogene Daten der Kunden) dazu bestimmt oder zu bestimmen versucht hat, ihre Verträge (genaue Bezeichnung) mit den Produktpartnern der Klägerin zu beenden und/oder inhaltlich einzuschränken. Die Klägerin hat darüber hinaus den ursprünglichen Antrag (Antrag Nr. 1), den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel bis zum 30.9.2013 zu unterlassen, weder persönlich noch durch Einschalten Dritter Kunden der Klägerin, die mit deren Partnergesellschaften Verträge geschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Einschränkung dieser Verträge zu bewegen, oder dies alles auch nur zu versuchen, dahin geändert, nach Erledigungserklärung die ursprüngliche Begründetheit dieses Antrags festzustellen sowie im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen, dass der Beklagte ihre Kunden, die mit ihren Partnergesellschaften Verträge abgeschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Änderung dieser Verträge bewegt oder dies alles auch nur versucht habe.

Rz. 7

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Rz. 8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 9

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

I.

Rz. 10

Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus, die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Auskunft über etwa konkurrierendes Verhalten des Beklagten nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses noch habe sie einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gehabt. Auch die hilfsweise erhobene Zwischenfeststellungsklage sei nicht begründet. Denn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei nicht wirksam vereinbart worden. Die im Vermögensberater-Vertrag getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners, insb. auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot, unwirksam.

Rz. 11

Bei dem Vermögensberater-Vertrag und dem darin geregelten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot handele es sich unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin i.S.d. §§ 305 ff. BGB, die diese dem Beklagten gestellt habe. Für ein Aushandeln der Vereinbarungen (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) sei nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Rz. 12

Die von den Parteien unter Nr. V. Abs. 2 des Vermögensberater-Vertrags getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Rz. 13

Die Regelung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne gleichzeitige Vereinbarung der gesetzlich vorgeschriebenen Karenzentschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) berücksichtige die Interessen des Vertragspartners nicht in der gebotenen Weise, sondern bringe ausschließlich das Interesse des Verwenders zur Geltung. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelungen der §§ 305 ff. BGB spreche Einiges dafür, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot keine Regelung über die zu leistende Karenzentschädigung enthalten müsse, um wirksam und verbindlich zu sein, weil beim Handelsvertreter - anders als beim Handlungsgehilfen (§ 74 HGB) - die Vereinbarung einer Karenzentschädigung (§ 90a HGB) nach dem Gesetz gerade nicht Voraussetzung für die Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sei. Im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB gälten indes zum Schutz des in der Regel schwächeren Vertragspartners des Verwenders strengere Anforderungen als im Rahmen der §§ 134, 138 BGB. Gemessen an diesen erhöhten Anforderungen stelle die vorliegende Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne gleichzeitige Vereinbarung einer konkreten Karenzentschädigung eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar.

Rz. 14

Eine zur Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots führende unangemessene Benachteiligung liege auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot vor. Dieses Gebot sei vorliegend verletzt, weil das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht hinreichend klar, verständlich und bestimmt gefasst sei. Ein Verstoß liege schon deshalb vor, weil dem Handelsvertreter als Vertragspartner des Verwenders die Rechtslage nach § 90a HGB nicht hinreichend deutlich vor Augen geführt werde. Das Transparenzgebot sei aber auch deshalb verletzt, weil dem Handelsvertreter durch die Regelung in Nr. V. Abs. 2 des Vermögensberater-Vertrags für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses untersagt werde, Vermögensberater, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin abzuwerben, ohne dass dabei hinreichend deutlich gemacht werde, ob sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nur auf solche Personen erstrecke, die zur Zeit der Vertragsdauer Vermögensberater, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin gewesen seien, oder ob es auch solche Personen erfasse, die erst nach dem Ausscheiden des Vertragspartners bei der Klägerin zu deren Mitarbeitern oder Kunden geworden seien. Eine klare Aussage werde insoweit im Vertrag nicht getroffen. Für den Vertragspartner des Verwenders sei daher aus dem Vertragstext heraus nicht klar erkennbar, welcher Personenkreis dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterfalle, wie weit also das Wettbewerbsverbot reiche.

Rz. 15

Im Hinblick darauf könne dahinstehen, ob nicht der Auskunftsanspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sei. Auch der Antrag festzustellen, dass der ursprünglich in der Klageschrift geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der sich durch Zeitablauf erledigt habe, bis zum 30.9.2013 berechtigt gewesen sei, sei unbegründet.

Rz. 16

Der hilfsweise gestellte Zwischenfeststellungsantrag sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Denn Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bestünden nicht, da es an dessen wirksamer Entstehung fehle.

II.

Rz. 17

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Anträge der Klägerin, die sich sämtlich auf das nachvertragliche Verbot der Abwerbung von Kunden gründen, wegen dessen Unwirksamkeit unbegründet sind.

Rz. 18

1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass es sich bei den Bestimmungen des Vermögensberater-Vertrags einschließlich des darin geregelten nachvertraglichen Abwerbeverbots um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und dass für ein Aushandeln der Vereinbarungen i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, werden von den Parteien hingenommen. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

Rz. 19

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Bestimmung "Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft ... Kunden abzuwerben oder dies ... auch nur zu versuchen" wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten als Vertragspartner der Klägerin unwirksam ist.

Rz. 20

a) Es kann dahinstehen, ob diese Bestimmung, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bereits wegen des Fehlens der Vereinbarung einer konkreten Karenzentschädigung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist, obgleich sich die Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter für die Dauer einer Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. § 90a Abs. 1 HGB eine angemessene Entschädigung zu zahlen, unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB.

Rz. 21

Sie ist jedenfalls gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam, weil sie den Anforderungen des Transparenzgebots nicht genügt, das unabhängig davon anwendbar ist, ob die Bestimmung auch in sonstiger Hinsicht einer Inhaltskontrolle unterliegt (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Rz. 22

aa) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlangt das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 14.1.2014 - XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rz. 23 m.w.N.). Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2015 - VIII ZR 104/14, ZVertriebsR 2015, 243 Rz. 16; Urt. v. 5.12.2012 - I ZR 23/11, GRUR 2013, 375 Rz. 35 - Missbrauch des Verteilungsplans; Urt. v. 6.12.2007 - VII ZR 28/07, NJW-RR 2008, 615 Rz. 12 m.w.N.). Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, Urt. v. 23.2.2011 - XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144 Rz. 10 m.w.N.). Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen (BGH, Versäumnisurteil v. 10.9.2014 - XII ZR 56/11, NJW 2014, 3722 Rz. 25; Urt. v. 3.8.2011 - XII ZR 205/09, NJW 2012, 54 Rz. 16).

Rz. 23

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Bestimmung unwirksam, weil sich aus ihr die Reichweite des Abwerbeverbots, die auch Einfluss auf die Höhe der dem Handelsvertreter bei dessen Beachtung zustehenden angemessenen Entschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) hat, nicht hinreichend klar und verständlich entnehmen lässt, § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB.

Rz. 24

Das nicht näher konkretisierte Verbot der Abwerbung von Kunden in Nr. V. Abs. 2 ist ebenso wie die bloße Vereinbarung von nicht näher konkretisiertem Kundenschutz (vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl., Rz. 265 m.w.N.; Thamm, BB 1995, 790, 792) nicht bestimmt genug. Nicht nur ist für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Abwerbeverbots während der Vertragslaufzeit in Nr. V. Abs. 1 nicht hinreichend klar, ob mit "Kunden" im Sinne von Nr. V. Abs. 2 sämtliche Personen gemeint sind, die Verträge mit Partnerunternehmen der Klägerin abgeschlossen haben, oder nur solche Personen, die derartige Verträge aufgrund einer dem Handelsvertreter (Vermögensberater) zuzurechnenden Vermittlungstätigkeit abgeschlossen haben. Hinzu kommt, dass nicht hinreichend klar ist, ob sich das Verbot der Abwerbung von Kunden in Nr. V. Abs. 2 auch auf Personen erstreckt, die erst nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, aber binnen des Zeitraums von zwei Jahren nach dieser Beendigung Verträge mit Partnerunternehmen der Klägerin geschlossen haben. Außerdem ist für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin auch nicht hinreichend klar, ob sich das Verbot der Abwerbung von Kunden nur auf eine Ausspannung erstreckt, bei der Kunden veranlasst werden, mit Partnerunternehmen der Klägerin bestehende Verträge vorzeitig zu beenden (vgl. die Definition des Begriffs "Ausspannung" in Nr. 48, Nr. 65 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft [Stand: 1.9.2006], abgedruckt bei Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., S. 2035 ff.), oder ob es dem Handelsvertreter (Vermögensberater) auch untersagt ist, Personen, die bereits einen Vertrag mit Partnerunternehmen der Klägerin geschlossen haben, zusätzlich weitere Produkte zu vermitteln, die in der Produktpalette der Klägerin eine Entsprechung haben. Angesichts dieser Unklarheiten bezüglich der Verbotsreichweite sind die Nachteile und Belastungen für den durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin nicht hinreichend erkennbar. Die Unklarheiten eröffnen der Klägerin, der es ohne Weiteres möglich gewesen wäre, die Verbotsreichweite zu konkretisieren, ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume bei der Geltendmachung und Durchsetzung des Verbots, aber auch bei der Abwehr etwaiger Karenzentschädigungsansprüche. Hieraus resultiert eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten als Vertragspartner der Klägerin.

Rz. 25

b) Eine geltungserhaltende Reduktion der gegen das Transparenzgebot verstoßenden Bestimmung kommt nicht in Betracht, da das Transparenzgebot anderenfalls weitgehend ins Leere liefe (vgl. BAG, NZA-RR 2009, 576 Rz. 18; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.5.2011 - VII ZR 181/10, NJW 2011, 1954 Rz. 35). Aus dem Urteil des BGH v. 25.10.2012 - VII ZR 56/11, BGHZ 195, 207, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts Abweichendes. Der BGH hat in diesem Urteil - bezüglich eines im Einzelnen ausgehandelten Wettbewerbsverbots (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2012 - VII ZR 56/11, a.a.O., Rz. 19 ff.) - entschieden, dass bei Überschreitung der in § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB genannten zeitlichen, örtlichen und/oder gegenständlichen Grenzen eine Reduktion auf den gesetzlich zulässigen Gehalt stattfindet (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2012 - VII ZR 56/11, a.a.O., Rz. 31 ff.). Um eine solche Überschreitung bei einem im Einzelnen ausgehandelten Wettbewerbsverbot geht es im Streitfall nicht.

Rz. 26

c) Ein wirksames nachvertragliches Verbot der Abwerbung von Kunden kann nicht aus der von der Klägerin gestellten Formularbestimmung Nr. VIII. Abs. 6 Satz 2 hergeleitet werden, wonach die Parteien im Falle der Unwirksamkeit einer Bestimmung ihrem Vertragsverhältnis eine Regelung zugrunde legen, die der ursprünglichen Bestimmung in ihrer wirtschaftlichen Zielrichtung am nächsten kommt. Derartige salvatorische Klauseln sind wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 BGB nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2015 - VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rz. 45, zu §§ 6 Abs. 2, 9 AGBG; Urt. v. 8.5.2007 - KZR 14/04, NJW 2007, 3568 Rz. 24 - Kfz-Vertragshändler III; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 306 BGB Rz. 39).

Rz. 27

d) Ein nachvertragliches Verbot der Abwerbung von Kunden ergibt sich - unbeschadet hier nicht geltend gemachter Einschränkungen des Wettbewerbs im Zusammenhang mit Geheimhaltungspflichten (z.B. § 90 HGB, § 17 UWG) - auch nicht aus den gem. § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften.

Rz. 28

§ 90a HGB statuiert lediglich Grenzen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die in diesem Rahmen vereinbart werden können. Es steht einem Handelsvertreter, der keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt, nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmer, für den er bis dahin tätig gewesen ist, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.1993 - I ZR 294/90, NJW 1993, 1786, 1787, juris Rz. 18).

Rz. 29

Die durch die Unwirksamkeit der Bestimmung entstandene Lücke lässt sich auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen. Zwar zählen zu den gem. § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2015 - VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rz. 46; Urt. v. 28.10.2009 - VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993 Rz. 44 m.w.N.). Lässt sich eine durch Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen und stellt ein ersatzloser Wegfall der betreffenden Klausel keine sachgerechte Lösung dar, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2014 - VI ZR 452/13, NJW 2014, 3234 Rz. 14). Das gilt auch dann, wenn eine Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 318, juris Rz. 49). Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt allerdings voraus, dass sich Anhaltspunkte dafür finden lassen, wie die Vertragsparteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Klausel bewusst gewesen wäre. Kommen dagegen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, ohne dass erkennbar ist, welche die Vertragsparteien gewählt hätten, sind die Gerichte zu einer ergänzenden Vertragsauslegung weder in der Lage noch befugt (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2014 - VII ZR 344/13, BGHZ 202, 309 Rz. 24; Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 28, juris Rz. 37 m.w.N.).

Rz. 30

So liegt der Fall hier. Bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Verbots der Abwerbung von Kunden kommen im Hinblick auf die Reichweite des Verbots unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht in Betracht, wobei die Reichweite des Verbots auch Einfluss auf die Höhe der dem Handelsvertreter (Vermögensberater) ggf. zustehenden angemessenen Entschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) hat. Es ist unter diesen Umständen nicht erkennbar, welche der Gestaltungsmöglichkeiten die Vertragsparteien gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der das Verbot der Abwerbung von Kunden betreffenden Bestimmung Nr. V. Abs. 2 bewusst gewesen wäre.

III.

Rz. 31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

BB 2016, 84

DB 2016, 8

DB 2016, 824

DStR 2016, 12

NJW 2016, 401

NJW 2016, 6

NWB 2016, 542

EWiR 2016, 237

NZG 2016, 240

StuB 2016, 204

WM 2016, 80

ZIP 2016, 676

JZ 2016, 70

MDR 2016, 98

VersR 2016, 459

BKR 2016, 79

GWR 2016, 30

NWB direkt 2016, 184

GmbH-Stpr. 2016, 253

IHR 2016, 202

WuW 2016, 305

ZVertriebsR 2016, 26

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