Leitsatz (amtlich)

Eine vollstreckbare Urkunde über die Bestellung einer Grundschuld, in der auch eine persönliche Schuld in Höhe des Geldbetrags der Grundschuld anerkannt und bestimmt wird, daß Grundschuld und Schuldanerkenntnis der Sicherung aller gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung dienen sollen, ist in der Regel dahin auszulegen, daß der Gläubiger aus der Urkunde den angegebenen Betrag nur einmal verlangen und vollstrecken kann, auch wenn die gesicherte Forderung höher ist.

 

Normenkette

BGB §§ 781, 1191

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.10.1986)

LG Limburg a.d. Lahn

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 3. Oktober 1986 teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a.d. Lahn teilweise abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars Arno S. in Wei. vom 20. November 1965 (UR-Nr. 634/65) betreffend die im Grundbuch von F. Band … Blatt 910 eingetragene Grundschuld mit dinglicher und persönlicher Vollstreckungsklausel wird in Höhe von 20.000,– DM nebst anteiligen Zinsen ab 9. März 1984 für unzulässig erklärt.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 5/9 und die Beklagte 4/9. Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen bis zum Teilannahmebeschluß des Senats vom 17. September 1987 werden dem Kläger zu 3/5 und der Beklagten zu 2/5 auferlegt. Die weiteren Kosten des Revisionsrechtszuges trägt die Beklagte allein.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 20. November 1965 bestellte der Kläger, der ein Geschäftsgirokonto bei der beklagten Bank unterhielt, zu ihren Gunsten eine Grundschuld über 45.000,– DM nebst 10 % Zinsen. Unter Nr. IV der notariellen Bestellungsurkunde erkannte er an, der Gläubigerin 45.000,– DM nebst 10 % Zinsen zu schulden. Er unterwarf sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung, und zwar in den belasteten Grundbesitz wegen aller Ansprüche aus der Grundschuld, in sein gesamtes Vermögen wegen des im Schuldanerkenntnis genannten Betrages. Nach den Schlußbestimmungen unter Nr. V der notariellen Urkunde dienten Grundschuld und Schuldanerkenntnis der Sicherung aller gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Beklagten aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung; Zahlungen sollten nicht auf die Grundschuld, sondern auf die persönliche Forderung anzurechnen sein.

Im Jahre 1982 kam es zwischen den Parteien zu Differenzen. Der Kläger warf der Beklagten vor, sie berechne ihm zu hohe Kreditzinsen und Kosten. Die Beklagte kündigte die Kredite, bezifferte ihre Gesamtforderung mit mehr als 200.000,– DM und trat im Januar wegen der Grundschuld dem Zwangsversteigerungsverfahren bei, das eine andere Gläubigerin in den Grundbesitz des Klägers betrieb. Im Versteigerungstermin vom 9. März 1984 wurden für den Kläger 20.000,– DM an die Beklagte gezahlt, und zwar – wie es in der Quittung heißt – „als Teilzahlung auf die … im Zwangsversteigerungsverfahren … geltend gemachte Forderung”. In einer am selben Tage geschlossenen Vereinbarung der Parteien erklärte die Beklagte sich bereit, gegen Zahlung der 20.000,– DM die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 30 ZVG zu bewilligen, während der Kläger versicherte, die Restforderung innerhalb von 9 Monaten in voller Höhe abzulösen bzw. eine Umschuldung zu versuchen.

Später vertrat der Kläger die Auffassung, er habe bereits mehr gezahlt als geschuldet, außerdem sei die notarielle Urkunde vom 20. November 1965 nicht wirksam errichtet worden, weil der Notar als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten an der Beurkundung nicht habe mitwirken dürfen. Mit seiner Klage gemäß § 767 ZPO hat sich der Kläger zunächst nur gegen die Vollstreckung aus der Grundschuld gewandt, später, im zweiten Rechtszug, aber auch gegen den zugleich titulierten persönlichen Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ist die Klage erfolglos geblieben. Die Revision hat der Senat nur insoweit angenommen, als der Kläger die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 20.000,– DM nebst anteiligen Zinsen seit dem 9. März 1984 begehrt. Im übrigen ist die Annahme durch den Senatsbeschluß vom 17. September 1987 abgelehnt worden.

 

Entscheidungsgründe

Im Umfang der Annahme hat die Revision des Klägers Erfolg.

I.

Nach Auffassung der Vorinstanzen ist die vollstreckbare Urkunde vom 20. November 1965 wirksam errichtet worden, weil die Voraussetzungen der §§ 6 und 7 BeurkG nicht vorgelegen hätten.

Der Senat hat bereits in seinem Teilannahmebeschluß vom 17. September 1987 darauf hingewiesen, daß die erst am 1. Januar 1970 in Kraft getretenen Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969 auf die Urkunde vom 20. November 1965 noch nicht anwendbar sind.

Die Frage, ob ein Verstoß gegen die seinerzeit noch geltenden Vorschriften der §§ 16 BNotO a.F., 170 ff FGG a.F. vorlag, hat der Senat für nicht entscheidungserheblich erklärt, weil die Klage aus § 767 ZPO nur auf materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch gestützt werden kann, nicht aber auf formelle Rügen, die nach § 732 i.V.m. § 797 Abs. 3 ZPO beim Vollstreckungsgericht geltend zu machen sind (vgl. BGHZ 22, 54, 64/65; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 797 Rn. 18 und Fußn. 49; Zöller/Stöber ZPO 15. Aufl. § 797 Rn. 7).

Auch der VII. Zivilsenat hat in seinem Urteil vom 21. Mai 1987 (VII ZR 210/86 = WM 1987, 1232) bestätigt, daß für förmliche Einwendungen nur der Rechtsbehelf des § 732 ZPO gegeben ist. Der VII. Zivilsenat hat aber die Auffassung vertreten, trotzdem müßten auch in einem – auf materielle Einwendungen gestützten – Klageverfahren nach § 767 ZPO formelle Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels geprüft werden, weil die Vollstreckungsgegenklage nur zulässig sei, wenn überhaupt ein wirksamer Titel vorliege.

Selbst wenn der erkennende Senat sich nunmehr dieser Auffassung – trotz der auch im Schrifttum dagegen erhobenen Bedenken (vgl. Messer WuB VII A § 732 ZPO 1.87) – anschließen wollte, wären hier doch die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde vom 20. November 1965 und damit die Zulässigkeit der Klage aus § 767 ZPO zu bejahen:

§ 16 Abs. 1 BNotO a.F. enthielt nur ein Verbot dessen Verletzung eine Beurkundung nicht ungültig machte (Seybold/Hornig BNotO 4. Aufl. § 16 Rn. 2; Keidel FGG 9. Aufl. § 170 Rn. 2).

Nur in den §§ 170 ff FGG a.F. waren echte Ausschließungsgründe in dem Sinne normiert, daß der Notar in den angegebenen Fällen nicht tätig werden konnte, ein Verstoß also zur Nichtigkeit der Amtshandlung führte (Seybold/Hornig a.a.O.; Keidel a.a.O.). Ein derartiger Unfähigkeitsgrund lag hier nicht vor:

Der beurkundende Notar war nicht selbst Beteiligter im Sinne der §§ 170 Nr. 1, 168 Satz 2 FGG a.F.; beurkundet wurden nur Erklärungen des Klägers und seiner Ehefrau; sie handelten dabei auch nicht als Vertreter des Notars.

In der Urkunde vom 20. November 1965 wurde auch nicht zugunsten des Notars eine Verfügung im Sinne des § 171 Abs. 1 Nr. 1 FGG a.F. getroffen. Die Grundschuldbestellung und das Schuldanerkenntnis sollten ihm persönlich keine materiellen oder rechtlichen Vorteile bringen (vgl. RGZ 121, 30, 34; 155, 172, 179). Seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der begünstigten Beklagten ist ohne Bedeutung; sogar wenn der beurkundende Notar Vertreter des Begünstigten ist, ist der Tatbestand des § 171 Abs. 1 Nr. 1 zu verneinen; als Beteiligter gilt hier im Gegensatz zu § 168 Satz 2 FGG a.F. nicht der Vertreter, sondern der Vertretene (RGZ 49, 127, 129; 121, 30, 34; Keidel FGG 9. Aufl. § 171 Rn. 3–5).

II.

Im angefochtenen Urteil wird die Klage aus § 767 BGB in vollem Umfang für unbegründet erklärt, obwohl die Beklagte unstreitig im Versteigerungstermin vom 9. März 1984 bereits eine Teilzahlung von 20.000,– DM erhalten hatte. Das Berufungsgericht geht ohne nähere Begründung davon aus, daß die Beklagte befugt war, diese Zahlung – statt auf die abstrakten Ansprüche aus der vollstreckbaren Urkunde vom 20. November 1965 – auf die zugrundeliegende persönliche Forderung zu verrechnen. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

1. Zwar enthielt die Grundschuldbestellungsurkunde die Formularbestimmung, Zahlungen des Eigentümers an die Gläubigerin seien nicht auf die Grundschuld, sondern auf die persönliche Forderung anzurechnen. Auf eine solche Bestimmung kann die Gläubigerin sich aber nicht mehr berufen, wenn sie aus der Grundschuld die Zwangsvollstreckung betreibt und der Schuldner deswegen Zahlungen auf die Grundschuld leistet. Dieser Auffassung des Schrifttums (vgl. MünchKomm/Eickmann 2. Aufl. § 1191 BGB Rn. 75 m.w.Nachw. gegen OLG Bamberg RPfleger 1963, 199) ist der Bundesgerichtshof inzwischen bereits in mehreren Urteilen gefolgt (Urteile vom 25. März 1986 – IX ZR 104/85 = NJW 1986, 2108, 2112 zu II 2 und vom 12. November 1986 – V ZR 266/85 = BGHR BGB § 1191 Abs. 1 Sicherungsabrede 1).

Demgegenüber beruft sich die Beklagte vergeblich darauf, ihre Auslegung, der Kläger habe die 20.000,– DM auf die persönliche Forderung gezahlt, sei vom Tatrichter gebilligt worden und daher mit der Revision nicht angreifbar. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, daß das Berufungsgericht die rechtliche Möglichkeit einer von der ursprünglichen Vereinbarung abweichende Zahlungsbestimmung gar nicht gesehen und daher hierzu auch keine bindende Feststellung getroffen hat. Die vorgelegte Quittung vom 9. März 1984 besagt eindeutig, daß der Kläger „auf die im Zwangsversteigerungsverfahren geltend gemachte Forderung” – also auf die Grundschuld – zahlen wollte und daß die Beklagte das damals auch erkannt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der am selben Tage geschlossenen Vereinbarung: Die Einstellungsbewilligung der Beklagten gemäß § 30 ZVG bezog sich, wenn der Teilbetrag von 20.000,– DM auf die Grundschuld gezahlt wurde, auf die Vollstreckung wegen des Restbetrags, den der Kläger innerhalb von 9 Monaten zu regulieren versprach.

Somit ist der Anspruch aus der Grundschuld in Höhe von 20.000,– DM durch Zahlung erloschen, die Zwangsvollstreckung insoweit für unzulässig zu erklären.

2. Die Wirkungen der Zahlung beschränken sich jedoch nicht auf die Grundschuld, sondern ergreifen auch das Schuldanerkenntnis unter Nr. IV der Urkunde vom 20. November 1965, das der Beklagten die Vollstreckung in das gesamte Vermögen der Schuldner eröffnete. Auch insoweit ist die Vollstreckung in Höhe von 20.000,– DM unzulässig geworden (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1986 – III ZR 246/84 = WM 1986, 1032, 1033/1034).

Allerdings wird im Schrifttum neuerdings teilweise die Auffassung vertreten, nur wenn der Schuldner in der Bestellungsurkunde die persönliche Haftung für die Zahlung oder den Eingang des Grundschuldbetrages selbst übernommen habe, könne die Bank, soweit sie Zahlung aus der Grundschuld erhalten habe, auch aus dem Schuldanerkenntnis nicht mehr gegen den Schuldner vorgehen. Werde dagegen die Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Grundschuldbetrags und/oder – wie im vorliegenden Fall – in Höhe eines genau bezifferten Betrages in Höhe der Grundschuldsumme übernommen, so stünden der Bank beide Vollstreckungsmöglichkeiten kumulativ zur Verfügung, so daß sie, auch wenn sie aus der Grundschuld befriedigt sei, wegen weiterer Ansprüche aus dem Grundverhältnis noch aus dem Schuldanerkenntnis weiter vollstrecken könne (Rehbein Anm. zu OLG Düsseldorf WM 1986, 1345 = WuB I F 3 Grundpfandrechte 3.87; ebenso oder noch weitergehend Obermüller Anm. zu BGHZ 99, 274 = WuB I F 3 Grundpfandrechte 6.87; Clemente, Die Sicherungsgrundschuld in der Bankpraxis Rn. 101, 102).

Nach der Gegenmeinung kann der Gläubiger im Zweifel aus der Urkunde nur einmal einen Betrag in Höhe der Grundschuld verlangen; im Umfang der Befriedigung aus der bestellten Grundschuld wird auch die Vollstreckung aus dem Schuldanerkenntnis unzulässig (Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden 4. Aufl. S. 77; Kolbenschlag DNotZ 1965, 205, 206, 207/208; Aepfelbach Anm. zu OLG Celle WM 1985, 1313 = WuB I F 3 Grundpfandrechte 1.86). Diese Auffassung wird auch von den Oberlandesgerichten Düsseldorf und Celle a.a.O. vertreten, während der Bundesgerichtshof die Streitfrage bisher noch nicht abschließend entschieden hat (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1986 – IX ZR 11/86 = BGHZ 99, 274, 280).

Der erkennende Senat schließt sich im vorliegenden Fall der letztgenannten Auffassung an. Wenn eine Urkunde, die nach ihrer Überschrift der „Bestellung einer Briefgrundschuld (mit dinglicher und persönlicher Zwangsvollstreckungsklausel)” dient, auf der dritten Formularseite die Bestimmung enthält, der Schuldner unterwerfe sich – unter Anerkennung einer der Höhe nach mit der Grundschuldsumme übereinstimmenden Schuld – der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen, so darf der Schuldner davon ausgehen, daß dadurch seine Haftung für die Grundschuldsumme nur gegenständlich über den belasteten Grundbesitz hinaus auf sein gesamtes Vermögen erweitert, nicht aber betragsmäßig verdoppelt wird. Wenn der Schuldner die beiden Sicherheiten in Höhe des Grundschuldbetrages kumulativ nebeneinander bestellen und sich in doppelter Höhe der Zwangsvollstreckung unterwerfen soll, muß dies – im Urkundentext oder zumindest mündlich bei der Erörterung des Erklärungsinhalts – klarer zum Ausdruck gebracht werden oder sich – wie bei der Entscheidung BGHZ 99, 274, 280/281 – aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Diese Voraussetzungen sind hier weder vorgetragen noch festgestellt.

Zu Unrecht beruft sich Rehbein (a.a.O.) darauf, seine gegenteilige Auslegung sei für den Schuldner weder überraschend noch unangemessen benachteiligend, weil dieser, wenn er aus dem Kausalverhältnis mehr als den Grundschuldbetrag schulde, ohnehin mit seinem gesamten Vermögen für die Erfüllung einzustehen habe. Diese Argumentation verkennt, daß die entscheidende Bedeutung der Urkunde darin liegt, daß sie in der von Rehbein vertretenen Auslegung dem Gläubiger die sofortige Zwangsvollstreckung in der doppelten Höhe des Grundschuldbetrages ohne Nachweis einer entsprechenden Kausalverpflichtung eröffnet und es dem Schuldner aufbürdet, im Verfahren nach § 767 ZPO eine geringere Höhe dieser Verpflichtung zu beweisen.

Auch aus dem Schuldanerkenntnis darf daher in Höhe von 20.000,– DM nebst Zinsen nicht mehr vollstreckt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

 

Unterschriften

Kröner, Boujong, Halstenberg, Werp, Rinne

 

Fundstellen

Haufe-Index 1830916

NJW 1988, 707

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1988, 80

DNotZ 1988, 487

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