Entscheidungsstichwort (Thema)

fehlende Widerrufsbelehrung. Erstbegehungsgefahr. Sammeln von Bücherreihen. Ergänzungslieferungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein auf eine Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der bezeichneten Weise verhalten. Allein dass sich ein Bklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, reicht dazu nicht aus.

 

Normenkette

ZPO § 91a; UWG § 1; BGB §§ 312d, 355-356

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 23.08.2001; Aktenzeichen 6 U 1982/01)

LG München I (Urteil vom 29.12.2000)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG München v. 23.8.2001 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I, 1. Kammer für Handelssachen, v. 29.12.2000 geändert.

Die Klage wird, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht hinsichtlich des in erster Instanz gestellten Klageantrags zu I und des in der Revisionsinstanz verfolgten Antrags zu 1 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz fallen der Klägerin zu 22/100 und der Beklagten zu 78/100 zur Last. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 56/100 und die Beklagte 44/100. Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte vertreibt im Versandwege Bücherreihen zum Sammeln. Der Kunde erhält zunächst auf Anforderung eine von der Beklagten als "Willkommenspaket" bezeichnete Lieferung und in der Folgezeit im Abstand von ungefähr drei Wochen Ergänzungslieferungen zugesandt, die er binnen zehn bis 14 Tagen auf seine Kosten zurückschicken kann. Erfolgt keine Rücksendung, muss der Kunde die Sendung bezahlen. Schickt der Kunde zwei aufeinander folgende Sendungen zurück oder kündigt er, erhält er von der Beklagten keine Lieferung mehr.

Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale B. . Sie hält das Vorgehen der Beklagten wegen fehlender Belehrung über ein dem Kunden zustehendes Widerrufsrecht für wettbewerbswidrig.

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,

I. ...

II. der Beklagten zu untersagen, Bestellungen zum fortlaufenden Bezug einer Ware entgegenzunehmen, beispielsweise der Sammlung "A. ", ohne den Kunden in einer gesondert zu unterzeichnenden, drucktechnisch hervorgehobenen und ihm auszuhändigenden Belehrung auf das ihm nach dem Verbraucherkreditgesetz zustehende Widerrufsrecht hinzuweisen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, es werde über jede einzelne Lieferung ein Vertragsverhältnis begründet. Mangels Sukzessivlieferungsvertrags sei sie zu einer Belehrung nach dem Verbraucherkreditgesetz nicht verpflichtet.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin zusätzlich hilfsweise beantragt,

der Beklagten zu untersagen, Bestellungen zum fortlaufenden Bezug einer Ware entgegenzunehmen, beispielsweise der Sammlung "A. ", ohne den Kunden schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger über sein Widerrufsrecht nach § 3 Fernabsatzgesetz und § 361a BGB zu belehren, ausgenommen die Fälle, in denen dem Empfänger ein Rückgaberecht gem. § 361b BGB eingeräumt wird.

Das Berufungsgericht hat die gegen die Verurteilung nach dem in erster Instanz gestellten Unterlassungsantrag zu II gerichtete Berufung zurückgewiesen (OLG München v. 23.8.2001 - 6 U 1982/01, CR 2002, 287 = OLGReport München 2002, 174 = NJW-RR 2002, 399).

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hat ihre Anträge im Hinblick auf die am 1.1.2002 auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl. I 2001,3138) in Kraft getretenen Bestimmungen neu gefasst und beantragt,

1. der Beklagten zu untersagen, Bestellungen zum fortlaufenden Bezug einer Ware entgegenzunehmen, beispielsweise der Sammlung "A. ", ohne den Kunden in einer gesondert zu unterzeichnenden, drucktechnisch hervorgehobenen und ihm auszuhändigenden Belehrung auf das ihm nach den §§ 505, 355 BGB n. F. zustehende Widerrufsrecht hinzuweisen,

2. hilfsweise:

der Beklagten zu untersagen, Bestellungen zum fortlaufenden Bezug einer Ware entgegenzunehmen, beispielsweise der Sammlung "A. ", ohne den Kunden schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger über sein Widerrufsrecht nach § 312d BGB n. F. i. V. m. § 355 BGB n. F. zu belehren, ausgenommen die Fälle, in denen dem Empfänger ein Rückgaberecht gem. § 356 BGB n. F. eingeräumt wird.

Den Klageantrag zu 1) haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Den Hilfsantrag zu 2) verfolgt die Klägerin dagegen weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Hauptantrag aus § 1 UWG i.V. mit § 7 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG, § 361a BGB a. F. für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Verträge, die die Beklagte mit ihren Kunden schließe, verpflichteten diese zum fortlaufenden Bezug von Waren. Auf das Vertragsverhältnis seien die Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes sowie nach § 2 Nr. 2 VerbrKrG die Vorschrift des § 7 VerbrKrG entsprechend anwendbar. Die Bestimmungen über die Widerrufsbelehrung nach § 3 Abs. 1 S. 1 FernAbsG und § 7 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG jeweils i. V. m. § 361a und b BGB a. F. unterschieden sich inhaltlich und seien deshalb nebeneinander anwendbar. Die Beklagte habe die Kunden nicht über ein Widerrufsrecht belehrt und keine deutlich gestaltete Belehrung über ein Rückgaberecht vorgesehen.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt hinsichtlich des noch im Streit befindlichen in der Revisionsinstanz weiterverfolgten Hilfsantrags zur Abweisung der Klage.

1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf den in der Revisionsinstanz gestellten Hauptantrag übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über den von der Klägerin hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag zu 2) zu befinden. Der von der Klägerin für den Fall, dass sie mit dem Hauptantrag zu 1) nicht durchdringt, gestellte Hilfsantrag zu 2) ist nicht deshalb hinfällig geworden, weil die Klägerin mit dem Hauptantrag nicht gescheitert ist, sondern ihn für erledigt erklärt hat. Stellt der Kläger, wie vorliegend, einen (echten) Hilfsantrag unter der Bedingung, dass der Hauptantrag unzulässig oder unbegründet ist, darf über den Hilfsantrag erst entschieden werden, wenn der Hauptantrag abgewiesen ist oder sich anderweitig erledigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.1989 - V ZR 137/87, NJWRR 1989, 650 [651]; Urt. v. 11.7.1996 - IX ZR 226/94, MDR 1997, 52 = NJW 1996, 3147 [3150]; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 260 Rz. 17; vgl. auch: Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 260 Rz. 22). Dabei ist das Eventualverhältnis aber nicht darauf beschränkt, dass der Hauptantrag wegen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit abgewiesen wird. Einer Abweisung des Hauptantrags als unzulässig oder unbegründet steht der Fall gleich, dass es wegen einer Erledigungserklärung zu keiner Entscheidung über den Hauptantrag kommt. In einem derartigen Fall trägt der Kläger durch Abgabe der Erledigungserklärung nur dem Umstand Rechnung, dass der aus seiner Sicht ursprünglich zulässige und begründete Hauptantrag nachträglich gegenstandslos geworden ist. Ansonsten bliebe dem Kläger, wenn er, wie im Streitfall, nach wie vor eine Entscheidung über den Hilfsantrag begehrt, nur die Möglichkeit, trotz Erledigung des in erster Linie geltend gemachten Hauptantrags diesen Antrag weiterzuverfolgen und eine Abweisung des Hauptantrags hinzunehmen. Es besteht aber keine Veranlassung, dem Kläger im Falle einer Erledigung des Hauptantrags die Möglichkeit der Erledigungserklärung zu versagen, wenn er eine Entscheidung über den Hilfsantrag erreichen möchte.

2. Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht nach §§ 312d, 355, 356 BGB besteht jedoch nicht. Es fehlt an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr. Zum Zeitpunkt der beanstandeten Verletzungshandlungen im Frühjahr 1999 und Mai 2000 galt die Bestimmung des § 312d BGB noch nicht, die erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführt worden ist. Auch die Vorschrift des § 3 FernAbsG, die in der Zeit v. 30.6.2000 bis 31.12.2001 gegolten hat und an deren Stelle § 312d BGB getreten ist, war zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Verletzungshandlungen noch nicht in Kraft. Ein auf eine Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch besteht jedoch nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise verhalten. Dazu reicht allein, dass sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, nicht aus, eine Erstbegehungsgefahr zu begründen, wenn nicht den Erklärungen die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft auch in der beanstandeten Weise zu verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, BGHReport 2001, 797 = MDR 2002, 106 = GRUR 2001, 1174 [1175] = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe; Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 290/00, Umdr. S. 12 = BGHReport 2003, 714 = MDR 2003, 923 - Abonnementvertrag). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die seit dem 1.1.2002 bestehende Belehrungspflicht nach § 312d BGB nicht erfüllt, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a, § 92 Abs. 1 ZPO.

Im Hinblick auf die übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen ist nach § 91a ZPO zu entscheiden, von wem die auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten des Rechtsstreits zu tragen sind. In Bezug auf den in erster und zweiter Instanz verfolgten Klageantrag zu I), den die Parteien in der Berufungsinstanz bereits übereinstimmend für erledigt erklärt haben, bleibt es bei der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts, nach der die auf diesen Antrag entfallenden Kosten des Rechtsstreits von der Beklagten zu tragen sind.

Die auf den Klageantrag zu II) entfallenden Kosten hat die Klägerin mit Ausnahme derjenigen Kosten zu tragen, die bis zur Antragstellung in der ersten mündlichen Verhandlung entstanden sind.

Der mit dem Klageantrag zu II) verfolgte Unterlassungsanspruch bestand nach Klageerhebung (20.9.2000) bis zum 30.9.2000. Er entfiel jedoch aufgrund der Änderung des Verbraucherkreditgesetzes zum 1.10.2000.

Der Verkehr versteht die Angaben der Beklagten als ein Angebot zu einem fortlaufenden Warenbezug. Anders als die Revision meint, kommt der Vertrag nicht jeweils über die einzelne Lieferung mit Ablauf der 14-tägigen Rückgabefrist zu Stande. Denn die Beklagte geht in ihren Unterlagen selbst von einem 14-tägigen Widerrufsrecht aus. Eines Widerrufs bedarf es nur, wenn vorher schon eine Verpflichtung der Kunden zum fortlaufenden Bezug zu Stande gekommen ist. Nach der bis zum 30.9.2000 geltenden Rechtslage bestand danach eine Verpflichtung der Beklagten zur Widerrufsbelehrung nach § 2 Nr. 2, § 7 VerbrKrG a. F.

In der Zeit v. 1.10.2000 bis 31.12.2001 sah § 8 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG n. F. einen Vorrang des Widerrufsrechts nach dem Fernabsatzgesetz für finanzierte Fernabsatzverträge vor, es sei denn, dem Verbraucher stand auf Grund des Fernabsatzgesetzes kein Widerrufsrecht und kein Rückgaberecht zu, § 8 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG n. F. Da § 2 VerbrKrG n. F. auch § 8 VerbrKrG n. F. für anwendbar erklärte, kam die Bestimmung des § 8 Abs. 2 VerbrKrG n. F. für die in § 2 VerbrKrG n. F. angeführten Verträge zur Anwendung, ohne dass es sich um finanzierte Verträge handeln musste. Danach waren im Streitfall in der Zeit v. 1.10.2000 bis 31.12.2001 die Bestimmungen über das Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzgesetz einschlägig und nicht die Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes.

Für die Zeit ab 1.1.2002 sieht § 505 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB vor, über das der Verbraucher zu belehren ist. Im Streitfall ist die Anwendung des § 505 Abs. 1 S. 1 BGB nach § 505 Abs. 1 Sätze 2 und 3 i.V. mit § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, weil bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt das Verpflichtungsvolumen von 200 Euro nicht überschritten wurde. Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt betrug der Preis des Startpakets 9,95 DM zzgl. 4,90 DM Porto und Verpackung und der Folgelieferungen zwischen 12,95 DM und 42,70 DM oder 48,65 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 965158

HFR 2004, 63

NJW 2003, 3202

BGHR 2003, 1158

FamRZ 2003, 1462

FuR 2004, 131

GRUR 2003, 903

EzFamR aktuell 2003, 294

MDR 2003, 1310

WRP 2003, 1138

ITRB 2004, 5

KammerForum 2003, 405

Mitt. 2003, 531

ProzRB 2003, 322

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