Leitsatz (amtlich)

Aushandeln im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG kann nur bejaht werden, wenn der Verwender den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden” Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich zur Disposition stellt.

 

Normenkette

AGBG § 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 24.06.1983)

LG Flensburg

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 24. Juni 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte will die von der Klägerin begehrte Maklerprovision nicht zahlen, weil er die Vertragsklausel, auf welche die Klägerin ihr Begehren stützt, für unwirksam hält.

Die Klägerin ist eine GmbH, die in Immobilienbereich Makleraufgaben für eine Landesbausparkasse wahrnimmt. Der Beklagte wollte 1980 sein Einfamilienhaus verkaufen. Deshalb wandte er sich an eine Geschäftsstelle der Klägerin. Er unterzeichnete ein Auftragsformular der Klägerin, das deren Angestellte W. zuvor ausgefüllt und ebenfalls unterzeichnet hatte. Das Formular enthält insgesamt neun. Nummern. Es hat u. a. den folgenden Wortlaut:

„1. Der Auftraggeber entscheidet zwischen zwei verschiedenen Formen der Auftragsdurchführung:

  1. Intensive Nachweis- oder Vermittlungsbemühungen, wobei sich die Gesellschaft neben der Auswertung des vorhandenen Interessenbestandes verpflichtet, individuell nach einem geeigneten Vertragspartner zu suchen. Diese Tätigkeit wird durch eine angemessene Werbung auf Kosten der Gesellschaft nachhaltig unterstützt, die der Art und dem Umfang des in Auftrag gegebenen Objektes entspricht.

    Als Gegenleistung für diese Verpflichtung der Gesellschaft verzichtet der Auftraggeber darauf, sich selbst um einen Vertragsabschluß zu bemühen oder Dritte dabei einzuschalten. Er verspricht, der Gesellschaft alle Interessenten für das Objekt vor Vertragsabschluß zur Auftragserteilung zuzuführen. Bei Verletzung dieser Vereinbarung entrichtet der Auftraggeber eine Courtage von 2 % + MWSt vom Kaufpreis an die Gesellschaft.

  2. Allgemeine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit, die im wesentlichen auf die Auswertung des vorhandenen Interessentenbestandes ausgerichtet ist. Die Gesellschaft ist zu werblichen Vorleistungen nicht verpflichtet.

2. Für den Nachweis oder die Vermittlung zahlt der Auftraggeber bei Veräußerung des Objektes an die Gesellschaft eine Courtage von 2 % vom gesamten Wirtschaftswert des Vertrages unter Einschluß aller damit zusammenhängenden Nebenabreden und Ersatzgeschäfte zuzüglich Mehrwerts teuer.

6. Dieser Auftrag gilt unbeschadet einer entgeltlichen Tätigkeit für die Gegenseite und ist nur durch schriftliche Benachrichtigung an die obige Anschrift mit einmonatiger Frist frühestens zum Ablauf von sechs Monaten kündbar.”

An der auf dem Formular dafür vorgesehenen Stelle wurde vermerkt, daß der Beklagte sich für die Auftragsdurchführung nach 1. a) entschieden habe.

Zum Abschluß mit einem von der Klägerin benannten Interessenten kam es nicht. Vielmehr veräußerte der Beklagte sein Haus an einen von ihm selbst gefundenen Käufer. Unter Hinweis auf die Klausel 1. a) des Formularvertrages verlangt die Klägerin aus einem Kaufpreis von 190.000,– DM 2 % Maklerprovision zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 4.294,– DM nebst Zinsen. Der Beklagte meint, die Klausel sei wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam; außerdem habe die Klägerin sich nicht ausreichend bemüht.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.

Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen finde keine Anwendung, weil die Klausel Nr. 1. a) des Formularvertrages als im einzelnen ausgehandelt im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG anzusehen sei.

Das Landgericht hatte nach seiner Beweisaufnahme festgestellt, vor dem eigentlichen Abschluß des Vertrages habe die als Zeugin vernommene Angestellte W. mit dem Beklagten eingehend mündlich die Möglichkeiten erörtert, die die Klägerin dem Beklagten für den Abschluß eines Maklervertrages biete; der Beklagte habe sich für den mündlich erläuterten Abschluß eines Vertrages gemäß Nr. 1. a) entschieden. Diese Beweiswürdigung hält das Berufungsgericht für bedenkenfrei und nach dem protokollierten Ergebnis der Vernehmung für zutreffend.

Der Beklagte sei demnach, so meint das Berufungsgericht, nicht vor die Wahl gestellt worden, abzuschließen oder nicht. Ihm sei für den Fall, daß er die besonderen Bedingungen der Klägerin nicht gewollt habe, der Abschluß eines Maklervertrages nach dem gesetzlichen Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuches angeboten worden. Mehr Verhandlungsbereitschaft über den Inhalt von allgemeinen Geschäftsbedingungen brauche deren Verwender nicht zu zeigen.

Der Anspruch der Klägerin beruhe damit auf einer individuell ausgehandelten Vereinbarung, pauschalierten Aufwendungs- und Schadensersatz als Ersatz für entgangenen Gewinn zu zahlen. Eine vertragswidrige Untätigkeit der Klägerin sei nicht festzustellen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 1 Abs. 2 AGBG enthalten Rechtsfehler.

1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie die in Nr. 1. a) Abs. 2 Satz 2 des hier fraglichen Vertragsformulars, mit der dem Maklerkunden die Verpflichtung auferlegt wird, von ihm selbst geworbene Interessenten dem Makler zuzuführen oder mit ihnen nur unter Zuziehung des Maklers abzuschließen, ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam; sie ist mit dem Grundgedanken der in § 652 BGB enthaltenen gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (Senatsurteil BGHZ 88, 368; vgl. auch schon BGHZ 60, 377).

2. Deshalb ist entscheidend, ob es sich bei den Bestimmungen des Vertragsformulars um solche handelt, auf welche § 9 AGBG Anwendung findet. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen gemäß § 1 Abs. 2 AGBG nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im einzelnen ausgehandelt sind.

a) Was das Berufungsgericht zu der Frage des Aushandelns festgestellt hat, ist wegen seiner Bezugnahme dem Urteil des Landgerichts zu entnehmen. Danach hat die Zeugin den Beklagten lediglich über die wesentlichen Klauseln – damit sind jedenfalls Nr. 1. und 2. gemeint – und seine Wahlmöglichkeit bezüglich Nr. 1. genau unterrichtet. Den Feststellungen kann nicht entnommen werden, daß sie von der Wahlmöglichkeit abgesehen die Verhandlungsbereitschaft der Klägerin hinsichtlich des Inhalts der angebotenen Klauseln irgendwie habe erkennen lassen. Sie hat dem Beklagten nur eingehend auseinandergesetzt, daß die Klägerin auf der Basis eines Alleinauftrages oder aber einer allgemeinen Vermittlungstätigkeit tätig werden könne; dem Beklagten seien somit die Bedingungen, zu denen die Klägerin einen Alleinauftrag übernehme, bekannt gemacht worden. Ein Hinweis darauf, daß konkrete Verhandlungen über den Vertragsinhalt stattgefunden hätten oder gar der Inhalt der verschiedenen Vertragsbestimmungen zur freien Disposition gestanden habe, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen.

Hiernach ist jedenfalls möglich, daß dem Kläger die jeweils zu wählende Variante a) oder b) als unabänderlich dargestellt, und daß ihm nur deren jeweiliger Inhalt näher erläutert wurde.

b) Unter diesen Umständen ist dem Beklagten lediglich das Angebot unterbreitet worden, unkündbar für den Zeitraum von sechs Monaten entweder die Zuziehungsklausel mit der Sanktion voller Provisionszahlung in Kauf zu nehmen, oder aber eine nicht intensive, nämlich im wesentlichen sich in der Karteiauswertung erschöpfende Maklertätigkeit gemäß § 652 BGB mit ausdrücklicher Gestattung der Tätigkeit auch für den Vertragsgegner zu vereinbaren. Ein solches Angebot bedeutet noch kein individuelles Aushandeln der Vertragsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG; seine bloße Erläuterung mit der Folge der umfassenden Kenntnisnahme reicht angesichts des Schutzzwecks des Gesetzes ebensowenig (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB Kommentar 4. Aufl. § 1 Rdn. 49 m.w.N.; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG § 1 Rdn. 35; Staudinger/Schlosser, 12. Aufl. AGBG § 1 Rdn. 30 und 31).

c) Der Erwägung des Berufungsgerichts, der Verwender brauche nicht mehr Verhandlungsbereitschaft als den Abschluß eines Vertrages nach den gesetzlichen Bestimmungen des BGB zu zeigen, wenn sein Vertragspartner sich nicht für die besonderen Bedingungen des Verwenders entschließen wolle, kann nicht gefolgt werden.

In Nr. 1. und 2. des Vertragsformulars wird der für den Maklerkunden regelmäßig wichtigste Teil des Vertragsinhalts festgelegt. Mit dem Einräumen der im Formular allein vorgesehenen Wahlmöglichkeit ist dieser Teil und seine konkrete Ausformung jedoch nicht, wie es für ein Aushandeln erforderlich wäre, von beiden Seiten in den jeweiligen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden. Die hier gegebene Wahlmöglichkeit erlaubte dem Beklagten nicht, in rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung und -verantwortung sich die Regelung voll zueigen zu machen (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB Kommentar 4. Aufl. § 1 Rdn. 48). Vielmehr stellte die Klägerin ihm nach den bisherigen Feststellungen zwei unabänderliche Vertragsgestaltungen gegenüber, die sie lediglich in einem Formular zusammengefaßt hatte. Aushandeln im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG kann aber nur bejaht werden, wenn der Verwender den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden” Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich zur Disposition stellt, nicht aber, wenn er diesen „gesetzesfremden” Kerngehalt bei ablehnender Haltung des Vertragsgegners einfach zugunsten einer anderen, unabänderlich vorgefertigten Vertragsgestaltung entfallen läßt. Erschöpft sich die Freiheit des Aushandelns darin, statt AGB die ohne AGB sowieso eingreifende gesetzliche Regelung „wählen” zu können, dann wird in Wahrheit keine Möglichkeit des Aushandelns eingeräumt, weil eine solche sich nur auf die das Gesetz ändernden oder ergänzenden AGB beziehen kann und muß.

Für das Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG fehlen angesichts der bisherigen Feststellungen sowohl die Bereitschaft des Verwenders zu konkreter Abänderung des vorformulierten Vertragsinhaltes als auch die Kundmachung dieser Bereitschaft. Weil das Aushandeln mehr voraussetzt als die lediglich theoretische Bereitschaft dazu, kann auf die Bekundung der Bereitschaft seitens des Verwenders nicht verzichtet werden, es sei denn, der Vertragsgegner des Verwenders wisse anderweitig davon. Das hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen (Senatsurteil vom 26.2.1981 – IVa ZR 99/80 – WM 1981, 561 unter 2.; Urteil vom 15.12.1976 – IV ZR 197/75 – LM BGB § 652 Nr. 61 unter I 2 c, insbesondere Bl. 2 R).

4. Eine abschließende Entscheidung kann der Senat nicht treffen. Der Klägerin darf der im dargelegten Sinne umfassendere Nachweis für das Aushandeln, den sie zu erbringen hat, nicht abgeschnitten werden. Sie hat in ihrer Berufungserwiderung (GA 92, 93) behauptet, die einzelnen Bedingungen des Vertrages zur Disposition gestellt und dem Beklagten die Bereitschaft, über den Vertragsinhalt zu verhandeln, ausdrücklich erklärt zu haben. Sie hat dazu um „die Wiederholung der Beweisaufnahme” gebeten.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Dr. Lang, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1985, 1272

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