Leitsatz (amtlich)

a) Die verjährungsunterbrechende Wirkung der Erhebung einer Schadenersatzklage gegen den früheren Geschäftsführer einer GmbH tritt auch dann ein, wenn der für die Begründetheit des Klagebegehrens erforderliche Beschluß der Gesellschafterversammlung noch nicht gefaßt ist.

b) Ein förmlich festgestellter, an Mängeln leidender, aber nicht nichtiger Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG ist nicht nur vorläufig, sondern wird endgültig verbindlich, wenn er nicht entsprechend den aktienrechtlichen Vorschriften angefochten wird.

 

Normenkette

BGB § 209; GmbHG § 43 Abs. 4, § 46 Nr. 8; AktG §§ 243 ff.

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Aktenzeichen 11 U 154/94)

LG Hamburg (Aktenzeichen 326 O 335/93)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 26, vom 14. Juli 1994 hinsichtlich der Verurteilung zu einem 900,– DM nebst Zinsen übersteigenden Betrag zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der jetzige Liquidator der klagenden GmbH i.L. hatte die Idee für ein mit Wärmestrahlen arbeitendes, maschinenlesbares Codierungsverfahren, das zur Kennzeichnung von Gegenständen verwendet werden sollte. Der Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagter) und der frühere Beklagte zu 2 unterstützten ihn bei der Entwicklung und Anmeldung des Patents. Im Zusammenhang damit kam es im November 1984 zur Gründung der R. GbR, welche in Deutschland als Trägerin der Erfindung auftreten sollte. Der Beklagte, der dabei als Treuhänder für die Gesellschaft handelte, meldete die Erfindung – unter Nennung des Namens des Erfinders – zum deutschen Patent an. Zur Verwertung der Rechte aus diesen Patentanmeldungen wurde unter Beteiligung u.a. des Beklagten und des jetzigen Liquidators der Klägerin zunächst im Mai 1986 die R. + Partner GbR C. und im Oktober desselben Jahres die Klägerin gegründet. Der Beklagte wurde unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot zum Geschäftsführer berufen.

Er entwickelte verschiedene, der Verwertung der genannten Rechte dienende Aktivitäten und trat hierbei auch in geschäftlichen Kontakt mit der „W. L. & Partner GmbH” (L. GmbH). Mit dieser schloß er – dabei nach außen nicht für die Klägerin, sondern als „Inhaber” des näher bezeichneten Patents auftretend – am 10. Dezember 1986 einen Vertrag, nach welchem diese Gesellschaft gegen das Versprechen eines Erfolgshonorars von 12,5 % des mit 12,5 bis 20 Mio. DM veranschlagten Erlöses den Alleinauftrag zum Verkauf des Patents erhielt. In den folgenden Monaten entwickelte die Klägerin ein anderes Verwertungsmodell, das sich bei Aufrechterhaltung des an die L. GmbH erteilten Alleinauftrags nicht verwirklichen ließ. Nach der Darstellung des Beklagten wurde der Vertrag vom 10. Dezember 1986 aus diesem Grunde von den Beteiligten am 22. April 1987 aufgehoben; der Beklagte übernahm die Verpflichtung, der L. GmbH 65.000,– DM zzgl. 14 % MWSt. als Abfindung zu zahlen. In diesem Zusammenhang entnahm er der Gesellschaftskasse 75.000,– DM.

Die Klägerin, deren geschäftliche Erwartungen sich nicht erfüllt haben, hat den zwischenzeitlich als Geschäftsführer abberufenen Beklagten u.a. auf Ersatz jenes Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten insoweit antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung hatte keinen Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Da die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ergeht die Entscheidung als Versäumnisurteil, aber aufgrund sachlicher Prüfung (BGHZ 37, 79).

Die Revision ist bis auf einen Betrag von 900,– DM zzgl. Zinsen begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, daß es sich bei der in der Aufhebungsvereinbarung übernommenen Zahlungsverpflichtung gegenüber der L. GmbH in Wahrheit um eine Verpflichtung der Klägerin gehandelt und er deswegen – zumindest in Höhe von 74.100,– DM (65.000,– DM zzgl. 14 % MWSt.) – einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft erworben gehabt habe. Anders als der Beklagte meine, sei der Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt, und es fehle auch nicht an dem nach § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlichen Beschluß der Gesellschafterversammlung. Dies hält nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.

2. Soweit das Berufungsgericht eine Verletzung von Geschäftsführerpflichten angenommen hat, ist dies auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen allein hinsichtlich eines Teils der Klagesumme von 900,– DM zzgl. Zinsen zutreffend. Denn für die unstreitige Entnahme dieses über der der L. GmbH geschuldeten Summe von 74.100,– DM liegenden Spitzenbetrages hat der Beklagte keinerlei rechtfertigenden Grund angeben können.

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützte Schadenersatzanspruch nicht verjährt. Der Mahnbescheid, der vor Ablauf der fünf Jahre betragenden Verjährungsfrist (§ 43 Abs. 4 GmbHG) eingereicht worden ist, war hinreichend individualisiert (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO 21. Aufl. § 693 Rdn. 3), weil er auf ein detailliertes Anspruchsschreiben der Klägerin Bezug nahm, dem der Beklagte ohne weiteres entnehmen konnte, daß die Gesellschaft von ihm als ehemaligem Geschäftsführer Schadenersatz u.a. wegen der Entnahme jener 75.000,– DM aus der Gesellschaftskasse forderte. Daß in dem Mahnbescheidsantrag jenes Anspruchsschreiben, zu dem der spätere Prozeßvertreter des Beklagten bereits vorgerichtlich Stellung genommen hatte, mit einem unzutreffenden Datum benannt worden war, steht der Unterbrechungswirkung nicht entgegen, weil es sich hinsichtlich der Jahres- und der Monatszahl um einen offensichtlichen Schreibfehler gehandelt hat und weil wegen des differenzierten Zahlenwerks für den Empfänger des Mahnbescheids – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – ebenfalls kein Zweifel bestehen konnte, daß allein das erst einen Monat vor dem Erlaß des Mahnbescheids versandte Schreiben gemeint war.

b) Der Revision ist auch nicht darin zu folgen, daß der Mahnbescheid nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung hätte haben können, wenn der nach § 46 Nr. 8 GmbHG für die Verfolgung des Schadenersatzanspruchs gegen den Beklagten erforderliche Beschluß der Gesellschafterversammlung bereits in unverjährter Zeit gefaßt worden wäre. Es trifft zwar zu, daß dieser Beschluß Voraussetzung für die Begründetheit der Klage gegen den Geschäftsführer ist (vgl. BGHZ 97, 382, 390; Sen.Urt. v. 24. Mai 1993 - II ZR 73/92, ZIP 1993, 1076, 1078). Die Unterbrechung der Verjährung durch Klage oder Mahnbescheid nach § 209 BGB hängt aber nicht davon ab, ob bereits zur Zeit der Zustellung alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Sen.Urt. v. 4. Juli 1983 - II ZR 235/82, NJW 1983, 2813; BGH, Urt. v. 26. Juni 1996 - XII ZR 38/95, NJW-RR 1996, 1409 f. m.w.N.), fehlende Begründungselemente können vielmehr auch noch während des Rechtsstreits vorgetragen werden. Für den Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG hat der Senat bereits ausgesprochen, daß es ausreicht, wenn er – wie hier geschehen – im Laufe des Rechtsstreits gefaßt und dem Gericht vorgelegt wird (vgl. Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 279/96, ZIP 1998, 508 f. [zu § 39 GenG] m.N.).

c) Keinen Erfolg hat die Revision schließlich mit ihrem Angriff gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beschluß über die Verfolgung der Ansprüche gegen den Beklagten sei, da nicht angefochten, wirksam. Der Senat wendet in ständiger Rechtsprechung auf fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH die aktienrechtlichen Vorschriften mit der Folge entsprechend an, daß von dem Versammlungsleiter festgestellte Beschlüsse, soweit sie zwar fehlerhaft, aber nicht nichtig sind, vorläufig verbindlich sind und binnen einer am Leitbild des § 246 AktG orientierten kurzen Frist angefochten werden müssen, wenn sie nicht endgültig wirksam werden sollen (vgl. BGHZ 51, 209 ff.; BGHZ 104, 66 ff.; Sen.Urt. v. 13. November 1995 - II ZR 288/94, ZIP 1995, 1982; zuletzt Sen.Urt. v. 1. März 1999 - II ZR 205/98 z.V.b.).

3. Dagegen hat die Revision Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung des Beklagten im übrigen (74.100,– DM zzgl. Zinsen) wendet.

a) Hinsichtlich dieses von dem Beklagten aus der Gesellschaftskasse zur Begleichung der Forderung der L. GmbH entnommenen Betrages greift schon die Verfahrensrüge durch. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß der Beklagte sich zum Beweise seines substantiierten Vorbringens, alle Gesellschafter der Klägerin seien seinerzeit über die Auftragserteilung an die L. GmbH informiert und mit deren Tätigwerden gegen Zahlung einer Erfolgsvergütung einverstanden gewesen, auf das Zeugnis des früheren Beklagten H. berufen hat. Dessen Eignung, als Zeuge vernommen werden zu können, stand schon deswegen außer Frage, weil hinsichtlich der Schadenersatzforderung aus dem Komplex L. allein der Beklagte in Anspruch genommen wurde und bei einfacher Streitgenossenschaft der eine Streitgenosse über Tatsachen als Zeuge vernommen werden kann, die allein den anderen betreffen (st.Rspr. vgl. Urt. v. 27. April 1983 - VIII ZR 24/82, WM 1983, 729 f.; Urt. v. 11. Juli 1990 - VIII ZR 165/89, LM Nr. 18 zu § 539 ZPO). Trifft die Behauptung des Beklagten zu, ist der Auffassung des Berufungsgerichts der Boden entzogen, der Beklagte sei beweisfällig dafür geblieben, den genannten Betrag befugtermaßen aus der Gesellschaftskasse entnommen zu haben.

b) Auch hinsichtlich der materiellrechtlichen Beurteilung der Vorgänge hat das Berufungsgericht, das allein auf das äußere Bild der Verträge abgestellt hat, den durch Urkunden belegten Sachvortrag der Parteien nicht ausgeschöpft. Danach hatte der Beklagte das Patent treuhänderisch für die R. GbR erworben. Er ist nach dem Inhalt der geschlossenen Gesellschaftsverträge auch später Treuhänder geblieben, nach außen also als Patentinhaber aufgetreten. Wenn jedoch die Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis später von dem vom Verbot des § 181 BGB befreiten beklagten Geschäftsführer, wie er geltend gemacht hat, auf die R. GbR + Partner C. bzw. auf die inzwischen gegründete Klägerin übertragen worden sind, kann allein aus dem Umstand, daß nach dem Vertrag vom 10. Dezember 1986 mit der L. GmbH auch die Aufhebungsvereinbarung vom 22. April 1987 mit dem – ausdrücklich als Inhaber des Patentes bezeichneten – Beklagten persönlich geschlossen worden ist, nicht entnommen werden, daß er im Innenverhältnis nicht als Treuhänder gehandelt und keinen Anspruch auf Freistellung von der für die Klägerin eingegangenen Verbindlichkeit erlangt hat. Nicht zuletzt die von dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht gewürdigte Aussage des Zeugen L., wonach es seinem ausdrücklichen Wunsch entsprochen habe, anders als von dem Beklagten angeboten, nicht mit der Gesellschaft selbst, sondern mit dem Patentinhaber persönlich den Vertrag zu schließen, deutet in diese Richtung.

4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht – ggfs. nach Vertiefung des Sachvortrags durch die Parteien – die Gelegenheit, die danach erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen.

 

Unterschriften

Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Kraemer

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 03.05.1999 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 1999, 1345

DB 1999, 1313

DStR 1999, 907

NJW 1999, 2115

NWB 1999, 2528

EWiR 1999, 795

NZG 1999, 722

Nachschlagewerk BGH

WM 1999, 1215

WuB 1999, 1119

WuB 1999, 1135

ZIP 1999, 1001

MDR 1999, 1075

GmbHR 1999, 714

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