Leitsatz (amtlich)

Wird ein Kapitalanleger durch schuldhaft unrichtige Angaben bewogen, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, so ist ihm nicht nur seine Einlage, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, daß Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre.

 

Tatbestand

Am 20. Dezember 1971 beteiligte sich der Beklagte über die G. Gesellschaft für Industriestudien mbH als Treuhandkommanditistin mit einer Einlage einschließlich Agio von insgesamt 315.000,– DM mittelbar an der H. Grundstücks mbH & Co. KG (H.), einer Publikums- und Abschreibungsgesellschaft, die auf K. ein Ferienzentrum errichten sollte. In § 5 des Treuhandvertrags trat die G. ihre Ansprüche gegen H. auf Gewinn, Auseinandersetzungsguthaben und Liquidationserlös mit sofortiger Wirkung anteilig an die Treugeber ab.

Der Beklagte machte geltend, durch unrichtige Prospektangaben zum Beitritt veranlaßt worden zu sein, und verlangte von der G., so gestellt zu werden, als hätte er sich nie beteiligt. Der Beklagte klagte auf Schadensersatz in Höhe von 317.781,– DM nebst 10 % Zinsen seit Klagezustellung. Durch Urteil des Senats vom 24. Mai 1982 (II ZR 116/81) wurde der Klage in Höhe von 315.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung stattgegeben; im übrigen verblieb es bei der Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht.

Am 27. August 1984 wurde im Handelsregister vermerkt, daß die G. aufgelöst sei, weil ein Konkursverfahren über ihr Vermögen mangels Masse nicht eröffnet worden ist. H. wurde im Jahre 1988 liquidiert und am 16. März 1989 im Handelsregister gelöscht. Der Liquidator hat einen Anteil am Liquidationserlös in Höhe von 72.537,60 DM zugunsten des Beklagten und der Klägerinnen beim Amtsgericht München hinterlegt.

Die Klägerinnen klagen auf Zustimmung des Beklagten, daß der hinterlegte Betrag an sie ausgezahlt wird, und auf Feststellung, daß der Beklagte auch der Auszahlung weiterer Liquidationserlöse an sie zuzustimmen habe. Sie machen geltend, sie hätten im Jahre 1982 als Versicherer die Schadensersatzverpflichtung ihrer Versicherungsnehmerin, der G., gegenüber dem Beklagten erfüllt; damit seien gemäß ihren Versicherungsbedingungen Ansprüche der G. auf sie übergegangen, vom Beklagten die Abtretung der Ansprüche zu fordern, über die dieser aufgrund seiner Beteiligung noch verfüge.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr – mit Ausnahme des Feststellungsantrags – stattgegeben. Der Senat hat die Revision lediglich in Höhe von 40.400,25 DM angenommen. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Soweit der Senat die Revision angenommen hat, führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Klägerinnen gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, erste Alternative BGB gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 72.537,60 DM, weil in diesem Umfang der Rechtsgrund für die Schadensersatzleistung in Höhe von 315.000,– DM weggefallen sei, die die Klägerinnen im Jahre 1982 dem Beklagten für Rechnung der G. erbracht hätten. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß ihm ein über den Verlust seiner Einlage hinausgehender Schaden entstanden sei; denn diesem Einwand stehe die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß entgegen. Der Anspruch der G. sei auf die Klägerinnen übergegangen, die als Versicherer deren Schuld gegenüber dem Beklagten getilgt hätten.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision, soweit es um den hinterlegten Betrag in Höhe von 40.400,25 DM geht, im Ergebnis mit Erfolg.

2. Im Streit darüber, welcher von zwei Prätendenten von der Hinterlegungsstelle die Auszahlung des hinterlegten Betrages verlangen kann, steht dem wirklichen Inhaber des Rechts gegen den anderen Prätendenten gemäß § 812 BGB ein Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu (vgl. BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244). Mit Begründung des Hinterlegungsverhältnisses durch den Liquidator von H. ist gemäß § 378 BGB der Anspruch auf den Liquidationserlös erloschen. Inhaber dieses Anspruchs war der Beklagte; denn die Treuhandkommanditistin, die G., hatte diesen Anspruch gemäß § 5 des Treuhandvertrags dem Beklagten bereits mit dessen Beitritt abgetreten. Der Beklagte ist Inhaber dieses Anspruchs geblieben; insbesondere hat er ihn im Jahre 1982 nicht Zug um Zug gegen Zahlung der 315.000,– DM auf die G. zurückübertragen. Der Beklagte trägt selbst vor, daß er noch in den Jahren 1984 und 1985 gegenüber dem Finanzamt als Treugeber und damit als mittelbar Beteiligter an H. ausgewiesen war.

3. a) Gleichwohl könnte der Beklagte im Prätendentenstreit keine Rechte aus seiner Gläubigerstellung herleiten, falls er den Anspruch auf den Liquidationserlös auf die G. zurückzuübertragen hatte und deren Anspruch auf Rückübertragung auf die Klägerinnen übergegangen ist. Die Verpflichtung zur Rückübertragung könnte sich aus der vom Beklagten gewählten Art der Schadensabwicklung ergeben.

b) Ist auf dem Kapitalmarkt ein Anlageinteressent durch unrichtige Prospekte oder Verletzung von Aufklärungspflichten bewogen worden, einer Anlagegesellschaft als Gesellschafter oder – wie der Beklagte – über eine Treuhandkommanditistin mittelbar beizutreten, so kann er zwischen zwei Möglichkeiten des Schadensausgleichs wählen; er kann an seiner Beteiligung festhalten und den Ersatz der durch das Verschulden des anderen Teils veranlaßten Mehraufwendungen fordern (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1988 – VII ZR 83/88, WM 1989, 416, 417 f. m.w.N.); er kann aber auch verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn er der Gesellschaft nicht beigetreten wäre. In diesem Fall sind dem Geschädigten seine Einlage und die Vorteile zu ersetzen, die er durch deren anderweitige Anlage hätte erzielen können; der Geschädigte seinerseits ist entsprechend § 280 Abs. 2 und § 286 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 346, 348 BGB verpflichtet, Zug um Zug gegen Ausgleich seines Schadens dem Schädiger die Rechte zu überlassen, die er aus dem Beitritt erlangt hat (vgl. BGHZ 69, 53, 57; 79, 337, 346). Hierbei handelt es sich um den Gesellschaftsanteil oder – in Fällen einer mittelbaren Beteiligung – um den künftigen Anspruch auf den Liquidationserlös, wenn er – wie im vorliegenden Falle – durch Abtretung vom Treuhandkommanditisten auf ihn übergegangen ist.

c) Der Beklagte hat die zweite Alternative des Schadensausgleichs gewählt; er war infolgedessen verpflichtet, den Anspruch auf den Liquidationserlös auf die G. (oder die Klägerinnen) zu übertragen, soweit ihm seine Einlage und die mangels anderweitiger Anlage entgangenen Vorteile ersetzt worden sind. Dieser Anspruch auf Rückübertragung entfiel nicht dadurch, daß die G. im Vorprozeß nicht Zug um Zug gegen Abtretung von seiten des Beklagten, sondern uneingeschränkt zum Ersatz der Einlage verurteilt worden ist. Der Anspruch war nicht Gegenstand des früheren Verfahrens, so daß dessen rechtskräftiger Abschluß der Geltendmachung des Anspruchs durch den Schädiger nicht entgegenstand. Waren die Vermögenseinbußen des Beklagten ausgeglichen, so konnte die G. bzw. konnten die Klägerinnen als Versicherer auch nach rechtskräftigem Abschluß des früheren Prozesses verlangen, daß ihnen der Anspruch auf den Liquidationserlös abgetreten wurde. Nachdem die Forderung durch Hinterlegung erloschen ist, haben sie Anspruch auf den hinterlegten Betrag.

4. a) Voraussetzung dieses Anspruchs ist allerdings, daß die Vermögensnachteile, die der Beklagte durch den Beitritt erlitten hat, ausgeglichen sind, daß er nicht noch Anspruch auf Ersatz weiterer Schäden hat und aus diesem Grund die von den Klägerinnen beanspruchte Leistung zurückhalten kann. Von einem solchen Schaden ist revisionsrechtlich mangels gegenteiliger Feststellung zugunsten des Beklagten auszugehen.

b) Der Beklagte hat geltend gemacht, er hätte – wenn er H. nicht beigetreten wäre – die Einlage in Höhe von 315.000,– DM zu einem durchschnittlichen Zinssatz von 7 % anderweitig angelegt, so daß ihm ab Zahlung der Einlage (30. Dezember 1971) bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit im Vorprozeß (14. Dezember 1973) Zinsvorteile in Höhe von insgesamt 43.181,25 DM entgangen seien (GA 144). Mit diesem Vortrag ist der Zinsschaden hinreichend dargelegt; denn der geltend gemachte Schaden ergibt sich typischerweise daraus, daß das Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1973 – III ZR 161/71, WM 1974, 128, 129; v. 30. November 1979 – V ZR 23/78, WM 1980, 85).

c) Das Berufungsgericht ist – was die Revision mit Recht rügt – auf die entgangenen Zinsen nicht eingegangen. Die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß, auf die das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang abgestellt hat, steht der Geltendmachung des Zinsschadens aus der Zeit vor Rechtshängigkeit nur in Höhe von 2.781,– DM entgegen; denn nur in diesem Umfang ist dem Beklagten ein Anspruch aberkannt worden, den er damit begründet hat, daß ihm Zinsen und eine sonstige Rendite entgangen seien. Soweit der Beklagte im Vorprozeß festgestellt wissen wollte, daß die G. zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei, ist die Klage mangels Feststellungsinteresse und nicht deshalb abgewiesen worden, weil ein über die zuerkannten 315.000,– DM hinausgehender Schadensersatzanspruch nicht bestände.

d) Das Berufungsurteil ist im Umfang von 40.425,– DM aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die Prüfung nachholen kann, ob der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch wegen entgangener Zinsvorteile besteht.

5. Die Prüfung erübrigt sich nicht deshalb, weil die Klägerinnen – wie die Revision geltend macht – nicht Inhaber des Anspruchs auf Rückübertragung der Rechte geworden wären, die die G. dem Beklagten im Treuhandvertrag abgetreten hatte. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Klägerinnen als Versicherer verpflichtet gewesen seien, der G. etwaige Haftpflichtrisiken abzunehmen; mit der Tilgung der Schadensersatzverpflichtung der G. gegenüber dem Beklagten sei gemäß § 7 Abs. IV/1 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensversicherung von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf die Klägerinnen übergegangen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Die Feststellung, daß zwischen den Klägerinnen und der G. ein Versicherungsverhältnis bestand, trifft das Berufungsgericht aufgrund der unstreitigen Tatsache, daß die Klägerinnen, als der Beklagte sie aufforderte, für die Ersatzverpflichtung der G. einzustehen, ihre Verpflichtung als Versicherer nicht bestritten, vielmehr der Aufforderung entsprochen und dem Beklagten den Schaden ersetzt haben, zu dessen Ausgleich die G. verurteilt worden war. Diese Beurteilung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

§ 7 Abs. 4/1 der Versicherungsbedingungen, auf den das Berufungsgericht den Forderungsübergang stützt, lautet:

„Rückgriffsansprüche des Versicherungsnehmers gegen Dritte, ebenso dessen Ansprüche auf Kostenersatz, auf Rückgabe hinterlegter und auf Rückerstattung bezahlter Beträge sowie auf Abtretung gemäß § 255 BGB gehen in Höhe der vom Versicherer geleisteten Zahlung ohne weiteres auf diesen über.”

Aufgrund dieser Bestimmung gehen mit Ausgleich des Schadens durch den Versicherer nicht nur Ansprüche des ersatzpflichtigen Versicherungsnehmers gegen Dritte, vielmehr – woran der Hinweis auf § 255 BGB keinen Zweifel läßt – auch solche Ansprüche auf den Versicherer über, die dem Ersatzpflichtigen wegen des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots (vgl. BGHZ 60, 353, 358) gegen den Geschädigten zustehen. Soweit ein ausgleichsfähiger Schaden nicht mehr besteht, gehört hierzu der Anspruch der G. auf Rückübertragung der Rechte, die dem Beklagten mit dessen Beitritt aufgrund des Treuhandvertrags angefallen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 647949

NJW 1992, 1223

ZBB 1992, 148

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