Leitsatz (amtlich)

Eine an mögliche Kapitalanleger gerichtete Werbeaussage über die Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals ist auch dann i. S. d. § 3 UWG zur Irreführung geeignet, wenn sie zwar keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen enthält, aber gerade darauf angelegt ist, die irrige Vorstellung zu wecken, es sei eine sichere Rendite zu erwarten. Dabei genügt es jedenfalls für das Eingreifen des § 3 UWG, wenn die Werbeaussage geeignet ist, einen erheblichen Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher irrezuführen.

 

Normenkette

UWG § 3

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Urteil vom 01.08.2001)

LG Würzburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 1.8.2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte, eine u. a. im Immobiliengeschäft tätige Aktiengesellschaft, bietet interessierten Anlegern an, sich an ihrem Unternehmen als atypische stille Gesellschafter mit Einmaleinlagen ab 5.000 DM oder Rateneinlagen ab 50 DM pro Monat zu beteiligen. In ihrem dafür 1999 und Anfang 2000 verwendeten Emissionsprospekt stellte sie ihr Beteiligungsangebot auf der ersten Seite anhand von insgesamt elf Stichwörtern vor, wobei sie diese jew. kurz erläuterte. Zu dem Stichwort "Mindestverzinsung" machte sie folgende Angabe:

"6 % der zur Zeit erbrachten Einlage jahresdurchschnittlich

ergebnisunabhängig vertraglich zugesichert

(anrechenbar auf höheren Gewinn)".

Auf der Seite 8 des Prospekts führte die Beklagte unter der Überschrift "Ergebnisbeteiligung, Entnahmen, Mindestverzinsung" im laufenden Text aus:

"Eine Mindestverzinsung der zur Zeit erbrachten Einlage im Jahresdurchschnitt von 6 % p.a. gilt für die Vertragslaufzeit als zugesichert. Sie wird auf höhere Gewinne angerechnet."

Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 Seite 1 UWG, § 4 UKlaG eingetragene Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. Er hat die Angaben in dem Emissionsprospekt der Beklagten als irreführend beanstandet. Diese erweckten den unzutreffenden Eindruck, die angegebene "Verzinsung" der Einlage von 6 % sei unabhängig von der Entwicklung der Ertragslage des Unternehmens sicher zu erreichen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie folgt zu werben:

"Mindestverzinsung: 6 % der zur Zeit erbrachten Einlage jahresdurchschnittlich ergebnisunabhängig vertraglich zugesichert ..."

und/oder

"Eine Mindestverzinsung der zur Zeit erbrachten Einlage im Jahresdurchschnitt von 6 % p.a. gilt für die Vertragslaufzeit als zugesichert ...".

Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, mit den beanstandeten Angaben werde nicht unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens eine Verzinsung der Einlage i. H. v. 6 % garantiert, sondern den stillen Gesellschaftern lediglich ein entsprechender schuldrechtlicher Anspruch zugesagt. Im Emissionsprospekt werde ausdrücklich auf das unternehmerische Risiko des Anlegers, einschließlich des Risikos des Totalverlusts der Anlage, hingewiesen. Dieses Risiko sei allerdings gering und die vertragliche Zusicherung der Mindestverzinsung von 6 % durchaus realistisch.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die beanstandeten Angaben des Emissionsprospekts der Beklagten als irreführend i. S. d. § 3 UWG angesehen. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Werbeangaben erweckten bei einem nicht geringen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Mitglieder des Senats gehörten, den Eindruck, es handele sich bei der beworbenen Kapitalanlage um eine Anlage mit fester Verzinsung von (mindestens) 6 % in Form eines fest verzinslichen Wertpapiers oder um eine ähnlich sichere Anlage. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte nicht nur behaupte, es bestehe ein vertraglicher Anspruch auf die "Mindestverzinsung", sondern bekräftige, die 6 %ige Verzinsung sei "ergebnisunabhängig", sie sei "vertraglich zugesichert" bzw. gelte "für die Vertragslaufzeit als zugesichert". Da die Beklagte, wie sie unter Hinweis auf die verhältnismäßig geringe Mindesteinzahlung selbst betone, auch viele Kleinanleger anspreche, die auf dem Kapitalmarkt nicht selten nur geringe Erfahrung hätten, werde dieser Eindruck bei mindestens 15 bis 20 % der angesprochenen Verkehrskreise entstehen.

In Wirklichkeit erreiche eine Geldanlage bei der Beklagten die Sicherheit fest verzinslicher Wertpapiere bei weitem nicht. Die Beklagte gehöre nach ihrem Emissionsprospekt eher zu der Art von Anlagegesellschaften, von denen im Lauf der Jahre schon viele in Konkurs gegangen seien, so dass bei den Anlegern nicht nur Gewinneinbußen, sondern sehr häufig auch hohe Kapitalverluste entstanden seien. Die uneingeschränkte vertragliche Zusicherung einer ergebnisunabhängigen Verzinsung von mindestens 6 % vertrage sich damit nicht. Die warnenden Hinweise im Inneren des Prospekts rechtfertigten keine andere Beurteilung. Die beanstandete Werbung stehe auf der ersten Seite des Prospekts und sei auch sonst optisch hervorgehoben. Ihre sinngemäße Wiederholung auf der Seite 8 des Prospekts werde deshalb ebenfalls auf besondere Beachtung stoßen.

Die wettbewerbliche Relevanz der irreführenden Werbung folge schon daraus, dass die durchschnittliche Rendite bei Lebensversicherungen und Bausparkassen seinerzeit bei lediglich 3 bis 4 % p.a. gelegen habe.

Die Gefahr, dass die Beklagte künftig ebenso werben werde, bestehe unabhängig davon, wie diese zur Zeit werbe.

II. Die Revisionsangriffe gegen diese Beurteilung bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die beanstandeten Angaben über die Zusicherung einer Mindestverzinsung als irreführende Werbung gegen § 3 UWG verstoßen.

1. Für die Beurteilung, ob Werbeangaben irreführend sind, ist die Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 167/97, MDR 2000, 1087 = GRUR 2000, 619 [621] = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urt. v. 28.11.2002 - I ZR 110/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 394 = CR 2003, 174 = GRUR 2003, 249 = WRP 2003, 379 - Preis ohne Monitor, m. w. N.). Der Emissionsprospekt der Beklagten richtete sich an mögliche Kapitalanleger, darunter unstreitig viele Kleinanleger.

2. Die Beklagte hat die Zusicherung einer Mindestverzinsung von 6 % p.a. auf der ersten Seite ihres Emissionsprospekts in die - nach Stichpunkten gegliederte - zusammenfassende Darstellung ihres Angebots, sich an ihrem Unternehmen als stiller Gesellschafter zu beteiligen, aufgenommen und damit in besonderer Weise herausgestellt. Auf Seite 8 des Prospekts wird diese Zusicherung inhaltsgleich wiederholt.

Die dabei gewählten Formulierungen sind geeignet, die Vorstellung hervorzurufen, es handele sich um eine Kapitalanlage mit sicherer Rendite; die Beklagte sei bereit und vor allem auch in der Lage, ihren stillen Gesellschaftern unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer Geschäfte neben der Rückzahlung der Einlage eine Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals i. H. v. 6 % p.a. zuzusichern. Es wird in der Werbung nicht nur - für die Beteiligung eines stillen Gesellschafters ungewöhnlich - von einer "Mindestverzinsung" gesprochen, sondern auch davon, dass diese "ergebnisunabhängig vertraglich zugesichert" werde und "anrechenbar auf höheren Gewinn" sei.

Die Werbeaussage ist nach diesem Verständnis irreführend, weil die Beklagte die danach in Aussicht gestellte Sicherheit nicht bieten kann. Die Beklagte hat selbst dargelegt, es sei ihr nicht möglich, bereits aus eigenem Vermögen einer Vielzahl von Anlegern unabhängig von der Geschäftsentwicklung Zinsleistungen in der zugesagten Höhe zu erbringen. Es sei gerade der Zweck ihres Kapitalanlagemodells, mit dem vorhandenen Eigenkapital und den Einlagen der stillen Gesellschafter durch Investitionen Renditen zu erwirtschaften, um den angegebenen Zins als vertraglich eingeräumte Rendite zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Zinsen i. H. v. 6 % p.a. bei einem unzureichenden Gewinn und erst recht bei Verlusten der Beklagten - zumindest im Wesentlichen - aus den eigenen Einlagen der stillen Gesellschafter aufgebracht werden müssen. Ein solches Vorgehen gefährdet nicht nur den weiteren Geschäftserfolg, sondern auch die spätere Auszahlung eines Abfindungsguthabens in Höhe des als Einlage eingesetzten Kapitals.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die beanstandeten Werbeaussagen allerdings nicht geeignet, sämtliche angesprochenen Anlageinteressenten irrezuführen. Wirtschaftlich denkende Kapitalanleger werden bei einiger Überlegung erkennen, dass die Zusicherung einer "Mindestverzinsung" bei Verlusten oder zu niedrigen Gewinnen nur durch den Rückgriff auf die von den stillen Gesellschaftern erbrachten Einlagen und damit zu Lasten des für Investitionen zur Verfügung stehenden Kapitals erfüllt werden kann. Dies schließt jedoch die Annahme einer Irreführung i. S. d. § 3 UWG nicht aus. Die beanstandeten Werbeaussagen enthalten zwar nicht ausdrücklich eine unrichtige Tatsachenbehauptung. Sie sind aber auf Grund der Wortwahl gerade darauf angelegt, dahin zu wirken, dass Kapitalanleger eine sichere Rendite erwarten und durch diese irrige Vorstellung von dem Beteiligungsangebot angezogen werden.

Es würde allerdings unter den gegebenen Umständen für das Eingreifen des § 3 UWG nicht genügen, wenn die Werbung nur geeignet wäre, 15 bis 20 % aller angesprochenen Anlageinteressenten irrezuführen. Das Berufungsgericht hat diese Zahlen jedoch nur im Sinne einer Untergrenze genannt. Nach dem feststehenden Sachverhalt kann auch im Revisionsverfahren ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass verständige, durchschnittlich vorsichtige Anleger zumindest zu einem erheblichen Teil ebenfalls in dem dargelegten Sinn irregeführt werden können. Dies genügt, um eine Irreführung anzunehmen. Bei der Beurteilung, ob eine Irreführung i. S. d. § 3 UWG vorliegt, ist zwar auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die genannte Vorschrift nur dann eingreift, wenn die Angabe geeignet ist, jeden durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressat irrezuführen. Denn auch durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher können eine Werbeangabe unterschiedlich auffassen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Teil der Anlageinteressenten werde auf Grund der Werbung mit einer Mindestverzinsung annehmen, es werde der Erwerb eines fest verzinslichen Wertpapiers angeboten, ist dagegen kaum vereinbar mit den weiteren Angaben über das Beteiligungsangebot. Im Hinblick darauf, dass jedenfalls die dargelegte Irreführung gegeben ist, kommt es darauf jedoch nicht mehr an.

Entgegen der Auffassung der Revision wird die Beurteilung der Angaben über die "Mindestverzinsung" als irreführend auch nicht durch den sonstigen Inhalt des Emissionsprospekts ausgeschlossen. Die Werbung mit der Zusicherung eines festen Mindestzinses ist - wie dargelegt - gerade darauf angelegt, den Eindruck zu vermitteln, dass eine entsprechende Mindestrendite sicher sei, um damit das Interesse für die angebotene Kapitalanlage zu wecken. Bereits die Eignung, in dieser Weise auf mögliche Kapitalanleger zu wirken, macht die Werbeaussage zu einer irreführenden Angabe i. S. d. § 3 UWG. Ein verständiger Durchschnittsanleger wird im Übrigen nicht annehmen, dass ein durch die Wortwahl besonders nahe gelegtes Verständnis relevanter Angaben über ein Beteiligungsangebot in einem Prospekt durch davon abweichende Angaben an anderer Stelle korrigiert wird.

3. Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte kann die Irreführungsgefahr, die sie mit ihren Werbeangaben hervorruft, durch eine entsprechende Fassung ihrer Werbung ohne Weiteres vermeiden.

4. Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Wiederholungsgefahr nicht dadurch entfallen ist, dass die Beklagte in ihrem neuen Emissionsprospekt nicht mehr mit den beanstandeten Angaben wirbt. An den Wegfall der nach einem begangenen Wettbewerbsverstoß grundsätzlich zu vermutenden Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1997 - I ZR 62/95, GRUR 1998, 483 [485] = WRP 1998, 296 - Der M.-Markt packt aus; Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 82/99, MDR 2002, 285 = BGHReport 2001, 880 = GRUR 2002, 180 = WRP 2001, 1179 - Weit-Vor-Winter-Schluss-Verkauf). Die bloße Änderung der Verhältnisse reicht nur dann aus, wenn im Hinblick darauf jede Wahrscheinlichkeit für die erneute Begehung eines gleichartigen Wettbewerbsverstoßes beseitigt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1992 - I ZR 84/90, MDR 1992, 359 = GRUR 1992, 318 [320] = WRP 1992, 314 - Jubiläumsverkauf; Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, MDR 2001, 763 = BGHReport 2001, 391 = GRUR 2001, 453 [455] = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum). Die bloße Einstellung der beanstandeten Werbung genügt diesem Erfordernis zumal dann nicht, wenn die Werbung - wie im Streitfall - jederzeit ohne größeren Aufwand wieder aufgenommen werden kann (vgl. BGH v. 16.1.1992 - I ZR 84/90, MDR 1992, 359 = GRUR 1992, 318 [320] - Jubiläumsverkauf).

III. Die Revision der Beklagten war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1081073

DB 2004, 482

DStZ 2004, 134

NJW 2004, 439

BGHR 2004, 245

EBE/BGH 2003, 415

EWiR 2004, 203

GRUR 2004, 162

NZG 2004, 87

WM 2003, 2454

WuB 2004, 529

ZAP 2004, 63

ZIP 2004, 184

MDR 2004, 462

WRP 2004, 225

BKR 2004, 27

ZBB 2004, 58

BBV 2004, 39

JWO-VerbrR 2004, 37

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