Leitsatz (amtlich)

Einem Arbeitnehmer-Erfinder ist es auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwehrt, ein auf eine in Anspruch genommene gebundene Erfindung erteiltes Patent mit der Nichtigkeitsklage anzugreifen, solange er einen durchsetzbaren Vergütungsanspruch hat oder bereits voll abgefunden ist.

Die dem Arbeitnehmer-Erfinder obliegende Nichtangriffspflicht kann einer GmbH entgegengehalten werden, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter er ist. Dies gilt auch dann, wenn die GmbH wegen eigener rechtlicher Interessen nicht als sog. „Strohmann” anzusehen ist.

 

Normenkette

PatG 1981 § 22 Abs. 1; BGB § 242; Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 25; Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 26

 

Verfahrensgang

BPatG (Zwischenurteil vom 02.07.1986)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats III) des Bundespatentgerichts vom 2. Juli 1986 abgeändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist als Inhaberin der Patente 24 55 551, 24 62 295 und 26 41 110 (Streitpatente) in der Patentrolle eingetragen. Die Patente betreffen ein Verfahren zum Abführen der Abwässer von einer Vielzahl von Hausanschlüssen, eine Vakuum-Entwässerungsanlage und ein Steuerventil für das Absaugventil einer solchen Anlage. Sie beruhen auf Anmeldungen vom 23. November 1974 bzw. 13. September 1976.

Die Erfindungen nach den Streitpatenten und noch weitere auf den Namen der Beklagten zum Patent angemeldete Erfindungen stammen von dem Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter der Klägerin, Herrn Mic., der von 1969 bis 1985 bei der Beklagten beschäftigt und dort für den Geschäftsbereich Vakuumtechnik zuständig war. Er wurde als Produktmanager eingestellt und arbeitete in seinem Bereich zunächst ohne weitere Hilfskräfte. Er befaßte sich während seiner Tätigkeit für die Beklagte in größerem Umfang mit eigenen Entwicklungen, baute dabei seinen Geschäftsbereich auch in personeller Hinsicht aus, erlangte wiederholt erhebliche Gehaltsaufbesserungen und wurde an Umsatz und Ertrag des Unternehmens beteiligt. Er selbst hat die Anmeldung der Streitpatente auf den Namen der Beklagten durch die Patentanwälte des Unternehmenskonzerns veranlaßt. Im Jahre 1979 hat er von der Beklagten ohne weitere Spezifizierung als Vergütung für seine sämtlichen Erfindungen einen Betrag von 25.000,– DM erhalten.

Im Jahre 1985 veräußerte die Beklagte den Geschäftsbereich Vakuumtechnik zusammen mit den Streitpatenten und anderen einschlägigen Patenten. Ihr damaliger Angestellter Mic. schied zum 30. Juni 1985 bei ihr aus, arbeitete aber über die Klägerin weiterhin in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich. Die Klägerin hat Klage auf Nichtigerklärung des Streitpatents erhoben, nachdem sie zuvor von den Erwerbern der Streitpatente wegen Patentverletzung verwarnt und wegen Verletzung des Patents 24 62 255 verklagt worden war.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend: Die Streitpatente seien wegen eigener offenkundiger Vorbenutzungshandlungen der Beklagten in den Jahren 1971 bis 1974 nicht mehr schutzfähig; das sei der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft auch bekannt gewesen. Mic. habe sich die Folgen der Vorbenutzung zunächst nicht bewußt gemacht und später die Patentanmeldungen im Interesse der Beklagten weiterverfolgt.

Die Klägerin hat beantragt, die Streitpatente für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen und deren Kenntnis bestritten und im übrigen geltend gemacht, die Nichtigkeitsklage sei unzulässig, da der Geschäftsführer Mic. der Klägerin mit der von ihm veranlaßten Klage gegen seine aus dem früheren Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten fließenden Treuepflichten verstoße. Das müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen.

Das Bundespatentgericht hat durch Zwischenurteil vom 2. Juli 1986 die Nichtigkeitsklage gegen alle Streitpatente für zulässig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klagen wegen Unzulässigkeit begehrt. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der miteinander verbundenen Nichtigkeitsklagen, da diese unzulässig sind.

I. Eine auf den Mangel der Patentfähigkeit gestützte Nichtigkeitsklage (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1968 bzw. §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 PatG 1981) kann zwar von jedermann erhoben werden; es ist jedoch anerkannt, daß die Zulässigkeit einer solchen Klage dort ihre Grenze findet, wo sich aus der Person des Klägers oder aus den Beziehungen der Parteien zueinander besondere Umstände ergeben, welche die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens gerade zwischen diesen Parteien und unter den besonderen Umständen dieses Falles als anstößig oder jedenfalls den auch im Prozeßrecht zu beachtenden Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechend erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 10.1.1963 – I a ZR 174/63, GRUR 1963, 253 – Bürovorsteher; Urt. v. 30.11.1967 – I a ZR 93/65, GRUR 1971, 243, 244 – Gewindeschneidvorrichtungen). Als solche Umstände hat die Rechtsprechung den Verstoß gegen eine vertragliche Verpflichtung zum Nichtangriff auf ein Schutzrecht angesehen, die sich nicht nur aus einer im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 GWB) zugelassenen ausdrücklichen Vereinbarung, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch als Nebenpflicht aus den sonstigen Rechten und Pflichten eines Schuldverhältnisses ergeben kann (vgl. im einzelnen die Nachweise bei Benkard PatG GebrMG, 7. Aufl., § 22 Rdn. 25 ff.). Im vorliegenden Fall ergibt sich eine solche Nichtangriffspflicht aus den durch das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) geregelten besonderen Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin (siehe nachfolgend zu Ziff. II); hierauf kann sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auch gegenüber der Klägerin berufen (nachfolgend Ziff. III).

II.

Das Patentgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin einerseits und der Beklagten andererseits eine Nichtangriffspflicht besteht. Diese Frage ist im Ergebnis zu bejahen. Sie bedarf auch der Klärung, da sie entgegen der unten (Ziff. III) zu erörternden Argumentation des angefochtenen Urteils entscheidungserheblich ist.

1. Aus einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht läßt sich eine Nichtangriffspflicht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers gegenüber seinem früheren Arbeitgeber schwerlich ableiten, da mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch die arbeitsrechtliche Treuepflicht endet (Volmer, Anm. bei AP Nr. 1 zu § 2 ArbNErfindVO; Nipperdey Anm. MDR 1956, 84, 86; Dohr, Die Nichtigkeitsklage des Arbeitnehmers bei der Arbeitnehmer-Erfindung, Diss. Köln 1961, S. 62 ff.). Das hindert jedoch nicht die Annahme einer davon unabhängigen, aus dem Arbeitnehmererfinderrecht abgeleiteten Verhaltenspflicht, die einerseits auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauert und andererseits sachlich beschränkt ist auf eigene Erfindungen, die dem früheren Arbeitgeber zustehen und von diesem zu vergüten sind (vgl. Röpke, GRUR 1962, 173 ff.).

2. Der Bundesgerichtshof hat in einem älteren Urteil (Urt. v. 12.7.1955 – I ZR 31/54, GRUR 1955, 535 ff.; im gleichen Sinne auch Urt. v. 14.7.1964 – I a ZR 195/63, GRUR 1965, 135, 137 – Vanal-Patent; BPatG GRUR 1979, 851) ausgesprochen, ein Erfinder, der seine Erfindung in Erfüllung einer ihm aufgrund eines Angestellten- oder Mitarbeitervertrages obliegenden Leistungspflicht auf den Arbeitgeber übertragen habe, sei nach Treu und Glauben jedenfalls dann verpflichtet, von einer Nichtigkeitsklage gegen das von dem Arbeitgeber auf die Erfindung erwirkte Patent abzusehen, wenn nach dem gesamten Inhalt des Vertrages, insbesondere der Höhe der Vergütung und dem Aufgabenbereich, von vornherein damit gerechnet wurde, daß er sich auf dem Interessengebiet des Arbeitgebers erfinderisch betätigen werde.

Diese vor Inkrafttreten des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) formulierte Rechtsprechung ist zwar teilweise überholt, da die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmererfinders nunmehr mangels konkreter Vereinbarung in erster Linie auf der Grundlage des ArbEG zu bestimmen sind. Die gedankliche Grundlage dieser Rechtsprechung kann jedoch nach wie vor Gültigkeit beanspruchen. Danach ist eine zur Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage führende Nichtangriffspflicht dann anzunehmen, wenn der Angriff auf das Schutzrecht in einem Treu und Glauben widersprechenden unvereinbaren Widerspruch zu dem mit der Übertragung der Rechte an einer Erfindung verfolgten Zweck und zu den mit der Übertragung zusammenhängenden sonstigen Rechten und Pflichten steht; wegen dieses Zusammenhanges kann sich eine Nichtangriffspflicht ähnlich wie für den Verkäufer bei Verkauf eines Schutzrechts oder einer Erfindung auch für den Arbeitnehmererfinder bei einer vom Arbeitgeber in Anspruch genommenen Arbeitnehmererfindung ergeben.

3. Dies entspricht dem auch sonst im Recht der Schuldverhältnisse anerkannten allgemeinen Grundsatz, daß sich nach dem Prinzip der Wahrung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und im Rahmen der Zumutbarkeit aus jedem Schuldverhältnis ergänzende Verhaltenspflichten ergeben können, soweit sie erforderlich sind, um den Zweck des Schuldverhältnisses zu erreichen und die Gegenseite vor vermeidbaren Schäden zu bewahren; dabei hat der Schuldner insbesondere in der Regel alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Erreichung des Zwecks des Schuldverhältnisses zu vereiteln (vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., S. 9 ff., 138 ff.).

4. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Beklagten einerseits und ihres früheren Angestellten und jetzigen Geschäftsführers der Klägerin andererseits in bezug auf die in Streit stehenden Erfindungen ergeben sich im wesentlichen aus dem hier anwendbaren ArbEG. Die Frage einer Nichtangriffspflicht ist dort nicht ausdrücklich geregelt und konnte vom Gesetzgeber schon deswegen als nicht regelungsbedürftig angesehen werden, weil es im allgemeinen auch nach Ausscheiden aus dem Betrieb nicht im Interesse des Arbeitnehmers liegen kann, ein Schutzrecht zu Fall zu bringen, an dessen Zustandekommen er wesentlichen Anteil gehabt hat, dessen Existenz er sich daher als Verdienst anrechnen kann und an dessen Auswertung durch den Arbeitgeber er über eine angemessene Erfindervergütung im allgemeinen auch noch nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb beteiligt ist.

Da die Regelung des ArbEG insgesamt dem angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmererfinder dient, ist auch die Frage der Nichtangriffspflicht im Rahmen dieses Systems zu beantworten und darf nicht zu einem unangemessenen Ungleichgewicht der vom Gesetzgeber ausgewogenen beiderseitigen Rechte und Pflichten führen.

Die wesentlichen Grundprinzipien der gesetzlichen Regelung des Arbeitnehmererfinderrechts bestehen darin, daß der Arbeitnehmer jede Diensterfindung melden muß (§ 5 ArbEG), daß der Arbeitgeber diese – auch ohne vorherige Meldung – durch einseitige Erklärung beschränkt oder unbeschränkt für sich in Anspruch nehmen kann (§ 6), daß er damit im Falle unbeschränkter Inanspruchnahme Inhaber aller Rechte an der Erfindung wird und bleibt (§ 7 Abs. 1) und bei beschränkter Inanspruchnahme ein Benutzungsrecht erlangt (§ 7 Abs. 2), zum Ausgleich jedoch eine angemessene Vergütung an den Arbeitnehmererfinder zahlen muß (§§ 9, 10). Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, eine gemeldete Erfindung zur Erteilung eines Schutzrechts anzumelden (§ 13), und der Arbeitnehmererfinder hat ihn hierbei zu unterstützen (§ 15). Diese und andere Rechte und Pflichten aus dem ArbEG werden durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt (§ 26).

Dieses System wechselseitiger Rechte und Pflichten gilt nicht nur für die Fälle eindeutig schutzfähiger Erfindungen.

Es gilt auch für die nicht seltenen Fälle, in denen es insbesondere wegen der Schwierigkeit einer zuverlässigen Erfassung des einschlägigen Standes der Technik und zutreffenden Würdigung der technischen Bedeutung einer Neuerung als zweifelhaft erscheinen kann, ob und in welchem Umfang die materiellen Voraussetzungen eines Schutzrechts gegeben sind, ob eine Patenterteilung erreicht werden kann und ob ein erteiltes Patent einer Nichtigkeitsklage standhält. Für diese Fälle hat die Frage der Nichtangriffspflicht praktische Bedeutung. Solche Zweifelsfälle unterliegen ebenfalls der Meldepflicht des Arbeitnehmers (Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, Rdn. 4 zu § 3), und der Arbeitgeber kann sie für sich in Anspruch nehmen (vgl. § 10 Abs. 2) und erlangt damit zumindest die Chance, ein Schutzrecht zu erwerben. Nimmt der Arbeitgeber eine Erfindung in Anspruch, ist er grundsätzlich auch vergütungspflichtig und kann sich zunächst nicht auf mangelnde Schutzfähigkeit der Erfindung berufen (vgl. für die beschränkte Inanspruchnahme § 10 Abs. 2 ArbEG und für die unbeschränkte Inanspruchnahme BGH, Urt. v. 28.6.1962 – I ZR 28/61, GRUR 1963, 135 – Cromegal u. Urt. v. 30.3.1971 – X ZR 8/68, GRUR 1971, 475 – Gleichrichter); soweit sich später aufgrund einer Entscheidung des Patentamts oder eines Gerichts die Schutzunfähigkeit herausstellt, entfällt damit rückwirkend jeder Schutz, der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wird davon jedoch grundsätzlich nur für die Zukunft getroffen und bleibt für die Vergangenheit unberührt, BGH, Urt. v. 23.6.1977 – X ZR 6/75, GRUR 1977, 784 – Blitzlichtgeräte; das gilt auch für die Fälle einer als Vergütung gezahlten Pauschalabfindung, BGH, Urt. v. 17.4.1973 – X ZR 59/69, GRUR 1973, 649 – Absperrventil; geleistete Zahlungen sind grundsätzlich nicht zurückzuzahlen (§ 12 Abs. 6 Satz 2, vgl. auch § 10 Abs. 2 Satz 2).

Mit diesem ausgewogenen und gemäß § 26 ArbEG auch noch über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus geltenden Regelungssystem wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmererfinder das auf ihn zurückgehende Patent mit einer Nichtigkeitsklage angreifen könnte, solange er einen realisierbaren Vergütungsanspruch für dessen Benutzung oder gar bereits eine pauschale Abfindung auch für die Zukunft erhalten hat.

Das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten würde empfindlich gestört, wenn er sich nach seinem Belieben sowohl (in Form des Vergütungsanspruchs) die Monopolwirkung des Schutzrechts als auch dessen Vernichtbarkeit zunutze machen könnte. Die Unvereinbarkeit solcher gegensätzlichen Verhaltensweisen zeigt sich deutlich daran, daß die Nichtigerklärung eines Patents dieses mit Rückwirkung entfallen läßt und damit auch zurückliegende Patentbenutzungen durch den Arbeitnehmererfinder nachträglich legitimieren würde, daß andererseits aber der Vergütungsanspruch für die zurückliegende Zeit grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird. Besonders unbillig wäre die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage des ausgeschiedenen Arbeitnehmererfinders dann, wenn er bereits eine Pauschalabfindung auch für die Zukunft erhalten hat. Selbst bei der üblichen Form der Erfindervergütung in regelmäßigen zeitlichen Abständen nach Maßgabe des jeweiligen Umfangs der Benutzung der Erfindung fließt die Erwartung eines längerfristigen Schutzrechtsbestandes in die Berechnung der Erfindervergütung ein, weil die Amortisation der notwendigen Investitionen für einen längeren Zeitraum kalkuliert wird; diese langfristige Kalkulation würde dann nicht aufgehen, wenn das Schutzrecht auf Betreiben des Arbeitnehmererfinders vorzeitig zu Fall gebracht würde; dies würde sich einseitig zu Lasten des Arbeitgebers auswirken. Zu vergleichbaren Störungen des Gleichgewichts der beiderseitigen Leistungen würde es allerdings auch dann kommen, wenn das Schutzrecht auf Betreiben eines Dritten fallen würde. Das ist jedoch ein unvermeidbares Risiko, das von den an der Arbeitnehmererfindung Beteiligten nicht vermieden werden kann; das ist aber kein Grund, auch dem an der Erfindung beteiligten Arbeitnehmer das Recht einzuräumen, das Risiko einseitig zu Lasten seines früheren Arbeitgebers erheblich zu erhöhen, wobei noch hinzukommt, daß gerade der Erfinder häufig auch die Schwachstellen des Schutzrechts besonders gut kennt. Die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage des Arbeitnehmererfinders würde zudem in Widerspruch stehen zu dessen ausdrücklich gesetzlich geregelten, das Arbeitsverhältnis überdauernden Verpflichtung, an der Erlangung eines Schutzrechts mitzuwirken (§ 15 Abs. 2 ArbEG).

Da der Arbeitnehmererfinder über seinen Vergütungsanspruch an dem Nutzen des Schutzrechts teilnimmt, ist es ihm – im Unterschied zu sonstigen Wettbewerbern – auch zumutbar, das Schutzrecht trotz bestehender Zweifel an der materiellen Schutzwürdigkeit zu akzeptieren und von einer Nichtigkeitsklage abzusehen. Eine andere Beurteilung mag in Ausnahmefällen und insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmererfinder seinen Vergütungsanspruch – z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des früheren Arbeitgebers – nicht mehr durchsetzen kann und auch nicht bereits voll abgefunden ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Solange der Arbeitnehmer einen durchsetzbaren Vergütungsanspruch hat oder wegen seiner Vergütungsansprüche bereits voll abgefunden ist, ist aus den angeführten Gründen nach allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben eine Verpflichtung anzuerkennen, jeden Angriff auf das Schutzrecht zu unterlassen.

5. Letztlich laufen die vorstehenden Überlegungen darauf hinaus, daß es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar ist, wenn der Arbeitnehmererfinder einerseits zwar den Lohn für eine als erfinderisch angesehene Leistung in Anspruch nimmt oder jedenfalls in Anspruch nehmen kann, andererseits jedoch verhindern will, daß der Arbeitgeber in den vollen Genuß der Gegenleistung kommt. Insoweit ist in der zitierten alten BGH-Rechtsprechung (siehe oben Ziff. II 2) mit Recht eine Parallele zu den Fällen gesehen worden, in denen ein Schutzrecht verkauft oder in eine Gesellschaft eingebracht wird, und für die es nach allgemeiner Ansicht ebenfalls als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet wird, wenn der Verkäufer oder der einbringende Gesellschafter das Schutzrecht dann mit der Nichtigkeitsklage angreifen will. Nach den vorstehenden Überlegungen kommt es im Geltungsbereich des ArbEG nicht mehr auf den in der älteren Rechtsprechung herausgestellten Umstand an, daß nach dem gesamten Inhalt des Arbeitsvertrages von vornherein damit gerechnet wurde, daß sich der Arbeitnehmer auf dem Interessengebiet des Arbeitgebers erfinderisch betätigen werde. Die hier vertretene Begründung für eine Nichtangriffspflicht entspricht im wesentlichen der herrschenden Lehre im Arbeitnehmererfinderrecht, wo ebenfalls – in etwas allgemein gehaltener Formulierung – an die Zahlung einer Erfindervergütung angeknüpft wird, vgl. Röpke, MDR 1962, S. 173, 176; Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 5. Aufl., Rdn. 9 zu § 26; Bartenbach, Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, 1980, Rdn. 45 zu § 25, ähnlich auch Volmer/Gaul, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 2. Aufl., Rdn. 156, 165 zu § 26. Die Literatur zum Patentgesetz beschränkt sich demgegenüber im wesentlichen auf eine Wiedergabe der alten BGH-Rechtsprechung (oben II 2) vgl. Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., S. 434; Klauer/Möhring, Patentrechtskommentar, 3. Aufl., Rdn. 2 a zu § 37 PatG, S. 1081/2; Lindenmaier, Patentgesetz, 6. Aufl., Rdn. 14 zu § 37; Reimer, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 3. Aufl., Rdn. 20 zu § 13; Schulte, Patentgesetz, 3. Aufl., Rdn. 31 zu § 81; Benkard PatG GebrMG, 7. Aufl., Rdn. 30 zu § 22.

Bei Volmer/Gaul a.a.O. und in allgemeinerer Form auch bei Röpke und Bartenbach a.a.O. wird die Möglichkeit angesprochen, der ausgeschiedene Arbeitnehmererfinder könne aus Gründen eines überwiegenden berechtigten eigenen Interesses dann zur Erhebung der Nichtigkeitsklage berechtigt sein, wenn er sich inzwischen selbständig gemacht habe und ihm ein Mitbenutzungsrecht seiner Erfindung durch den früheren Arbeitgeber verweigert werde. Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden. Die Bestimmungen des Arbeitnehmererfindergesetzes enthalten die eindeutige Regelung, daß im Falle der unbeschränkten Inanspruchnahme die Auswertung allein dem Arbeitgeber zusteht und der Arbeitnehmer auf einen Vergütungsanspruch beschränkt ist. Ein Mitbenutzungsrecht durch den Arbeitnehmererfinder ist im Falle der unbeschränkten Inanspruchnahme nicht vorgesehen und würde dazu in Widerspruch stehen. Der Arbeitnehmererfinder kann daher aus der Verweigerung eines solchen Mitbenutzungsrechts seinerseits keine Ansprüche ableiten. Daran kann sich nach der klaren Regelung des § 26 ArbEG auch durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nichts ändern.

III. Auf die dem Arbeitnehmererfinder obliegende Nichtangriffspflicht kann sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin berufen. Zwar hat das Patentgericht zu Recht einen sogenannten „Strohmann”-Fall verneint, da die Klägerin sich selber auf dem Gebiet der Abwassertechnik betätigt, dabei mit dem Gegenstand der Streitpatente in Berührung gekommen und auch schon wegen Verletzung der Streitpatente verwarnt und verklagt worden ist. Sie hat daher ein unmittelbares eigenes Interesse, die Schutzfähigkeit überprüfen und die Patente gegebenenfalls für nichtig erklären zu lassen und kann nicht lediglich als „Strohmann” ihres Alleingesellschafters und Geschäftsführers angesehen werden (BPatG GRUR 1986, 165; Benkard a.a.O. § 22 Rdn. 22).

Jedoch muß sich eine Partei nicht nur in den sogenannten Strohmann-Fällen Einwendungen aus der Person eines Dritten entgegenhalten lassen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß der Geschäftsführer der Klägerin zugleich deren alleiniger Gesellschafter ist. Die klagende GmbH ist gewissermaßen das rechtliche Gewand, in dem sich ihr Gesellschafter und Geschäftsführer am Geschäftsleben beteiligt. Obgleich Gesellschafter und Gesellschaft im Rechtssinne getrennte Rechtspersönlichkeiten sind, die hinsichtlich bestehender Rechte und Pflichten nicht ohne weiteres austauschbar sind, kann bei Beurteilung der Frage, ob im Verhältnis zur Beklagten ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege, nicht unberücksichtigt bleiben, daß sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ein und dieselbe Person sind. Eine dem Alleingesellschafter obliegende Nichtangriffspflicht wäre wertlos, wenn er diese im Gewand der Gesellschaft ohne weiteres umgehen könnte. Andererseits ist es der Gesellschaft wegen der wirtschaftlichen Identität mit ihrem alleinigen Gesellschafter ohne weiteres zumutbar, die diesem gesetzten Grenzen wirtschaftlichen Handelns zu beachten. Nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben ist daher die dem Alleingesellschafter obliegende Nichtangriffspflicht grundsätzlich auch von der klagenden GmbH zu beachten. Ein entsprechender Rechtssatz ist bereits für den umgekehrten Fall anerkannt worden, daß eine Nichtigkeitsklage statt von der einer Nichtangriffspflicht unterliegenden Gesellschaft von ihrem Alleingesellschafter erhoben wird, BGH. Ort, vom 29. Januar 1957 – I ZR 84/55, – GRÜR 1957, 482 – Chenillefäden.

Der Beachtlichkeit einer dem Alleingesellschafter der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten obliegenden Nichtangriffspflicht steht auch nicht der Umstand entgegen, daß die Beklagte die Streitpatente inzwischen zusammen mit dem entsprechenden Geschäftsbereich ihres Unternehmens auf einen Dritten übertragen hat. Wie der Hinweis der Beklagten auf mögliche Regressansprüche des Erwerbers zeigt, wird die Beklagte weiterhin in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung wesentlich von dem Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens beeinflußt. Der Fortbestand der aus Treu und Glauben abgeleiteten Nichtangriffspflicht ist daher im vorliegenden Fall schon aus diesem Grunde unabhängig von der zwischenzeitlichen Übertragung der Schutzrechte auf einen Dritten gerechtfertigt. Es bedarf daher keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen sich auch noch der Erwerber des Schutzrechts nach vollständiger Abwicklung der Übertragung und Umschreibung des Patents in der Patentrolle auf eine Nichtangriffspflicht des Arbeitnehmererfinders berufen könnte.

IV. Da die miteinander verbundenen Nichtigkeitsklagen unzulässig sind, ist der Rechtsstreit insgesamt entscheidungsreif; die Klagen sind abzuweisen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen (§§ 84 Abs. 2, 110 Abs. 3 PatG in Verbindung mit §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Bruchhausen, Rogge, Maltzahn, Jestaedt, Broß

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502315

BGHR

GRUR 1987, 900

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