Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Notars wegen Amtspflichtverletzung. Hinweispflicht des Steuerberaters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein beurkundender Notar ist nur dann verpflichtet, auf die Gefahr der Versteuerung eines „Spekulationsgewinns” hinzuweisen, wenn er vor oder während der Beurkundung des Kaufvertrages erfährt, daß der Verkäufer das Grundstück vor weniger als zwei Jahren erworben hat, und wenn für ihn zugleich erkennbar ist, daß die steuerlichen Auswirkungen des Geschäfts für den Verkäufer von Bedeutung sind.

2. Hat ein Steuerberater Kenntnis von einem Grundstücksverkauf seines Mandanten, so ist er verpflichtet, seinen Mandanten auch ohne besonderen Auftrag über die Möglichkeiten von Steuerersparnissen aufzuklären, auch wenn der Kaufvertrag bei Kenntniserlangung bereits abgeschlossen war, aber die Steuerersparnisse noch durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu erreichen waren. Im Streitfall bestand die rechtliche Möglichkeit, der Besteuerung von Spekulationsgewinn noch dadurch zu vermeiden, daß der Kaufvertrag mit Einverständnis der Erwerber zunächst wieder aufgehoben und gegebenenfalls nach Ablauf der 2-Jahres-Frist des § 23 Nr. 1a EStG erneut abgeschlossen wurde. Hierüber hätte der Steuerberater seinen Mandanten aufklären müssen.

 

Normenkette

BeurkG § 17 Abs. 1 S. 2; BNotO § 19; EStG 1971 § 22 Nr. 2; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.04.1979; Aktenzeichen 12 U 203/77)

LG Darmstadt (Urteil vom 03.10.1977; Aktenzeichen 3 O 430/76)

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung Ersatz von ihr und ihrem Ehemann gezahlter Einkommensteuer.

Im Jahre 1970 kaufte die Klägerin zusammen mit anderen Personen ein größeres Grundstück in D. Dieses Grundstück war von einem Umlegungsverfahren betroffen. In jenem Verfahren wurde der Klägerin und ihren Miteigentümern ein Bauplatz zugeteilt, den sie, ehe sie im Grundbuch als Eigentümer eingetragen waren, durch einen vom Beklagten am 26. November 1971 beurkundeten Vertrag für 1,5 Millionen DM verkauften. Der Beklagte kannte den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht; er hatte vor der Protokollierung des Vertrages auch im Einverständnis mit den Beteiligten das Grundbuch nicht eingesehen. Vor Beginn des Beurkundungsvorganges äußerte er sich zu der von dem Sprecher der Verkäufer gestellten Frage, ob bei dem vorgesehenen Verkauf sogenannte „Spekulationssteuer” anfalle.

Das Finanzamt sah den auf die Klägerin entfallenden Anteil an dem Verkaufserlös als Einkünfte aus einem Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) an und unterwarf ihn der Einkommensteuer, so daß sich ihre und ihres Ehemannes Steuerschuld für das Jahr 1972 um 259.428,30 DM erhöhte.

Diesen Betrag will die Klägerin von dem Beklagten ersetzt haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht stellt fest, der Beklagte habe beim Protokollierungstermin die von dem Makler H. geäußerte Auffassung, es falle keine Spekulationssteuer an, unterstützt. Die Frage des Sprechers der Verkäufer habe sich auf die mögliche Steuerpflicht aller drei Verkäufer bezogen. Das Berufungsgericht läßt es dahinstehen, ob der Beklagte bei seiner Auskunft einschränkend davon gesprochen hat, „bei Altbesitz” falle keine Steuer an. Denn der Beklagte habe auch in einem solchen Falle zumindest fahrlässig gehandelt. Mit ihrer Frage nach der Steuerpflicht hätten die Verkäufer zu erkennen gegeben, daß sie auf die steuerlichen Auswirkungen und die Sicherung vor einer steuerlichen Inanspruchnahme bei diesem konkreten Geschäft Wert legten, so daß der Beklagte in seiner Auskunft keine abstrakte und hypothetische Antwort habe erteilen dürfen, zumal es für ihn ein Leichtes gewesen sei, die naheliegende und sich geradezu aufdrängende Frage nach dem Erwerb des Grundstücks zu stellen.

Das Berufungsgericht ist auch überzeugt davon, daß die Klägerin und die anderen Miteigentümer den Verkauf des Grundstücks bis zum Ablauf der 2-Jahres-Frist verschoben hätten, wenn der Beklagte die Frage nach der Spekulationssteuer zutreffend beantwortet hätte. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit schließt das Berufungsgericht aus, da der Makler H. nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten keine verbindliche Auskunft gegeben hat. Der Anspruch ist nach Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht verjährt.

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann schon nicht davon ausgegangen werden, daß der beklagte Notar seine der Klägerin gegenüber bestehenden Amtspflichten verletzt hat.

a) Zutreffend beanstandet die Revision, daß es das Berufungsgericht nicht offen lassen durfte, ob der Beklagte, wie er behauptet hat, bei seiner Ankunft über die „Spekulationssteuer” einschränkend davon gesprochen hatte, bei „Altbesitz” falle eine solche Steuer nicht an. Es konnte den Beklagten nicht verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz zu leisten, solange es seine Einlassung nicht für widerlegt hielt.

aa) Ein Notar ist, wovon das Berufungsgericht auch ausgeht, grundsätzlich nicht verpflichtet, den an notariellen Amtshandlungen beteiligten Personen steuerliche Belehrungen zu erteilen (vgl Senatsurteile vom 21. November 1978 – VI ZR 227/77 – VersR 1979, 185 und vom 22. April 1980 – VI ZR 96/79 – VersR 1980, 742).

Auch auf die Gefahr einer Steuerpflicht muß er nur hinweisen, wenn die ihm in § 17 Abs 1 Satz 2 BeurkG auferlegte Betreuungspflicht dies gebietet. Das ist aber nur der Fall, wenn er aufgrund besonderer Umstände Anlaß zu der Besorgnis haben muß, einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil dieser sich wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage oder von Sachumständen, die die Bedeutung des beurkundeten Rechtsgeschäfts für seine Vermögensinteressen beeinflussen, einer Gefährdung seiner Interessen nicht bewußt ist (BGHZ 58, 343, 348). Die Entstehung einer Steuerpflicht kann ebenfalls ein solcher „Schaden” sein (Senatsurteil vom 22. April 1980 – VI ZR 96/79 – aaO; vgl schon zur Lastenausgleichsabgabe: BGH, Urt v 11. Juli 1957 – III ZR 28/56 – VersR 1957, 654, 655). Ein Notar wäre aber nur verpflichtet, auf die Gefahr der Versteuerung eines „Spekulationsgewinns” hinzuweisen, wenn er vor oder während der Beurkundung eines Kaufvertrages erfährt, daß der Verkäufer das Grundstück vor weniger als zwei Jahren erworben hat, und wenn für ihn zugleich erkennbar ist, daß die steuerlichen Auswirkungen des Geschäfts für den Verkäufer von Bedeutung sind (vgl OLG Oldenburg, VersR 1971, 380; OLG Hamm, VersR 1980, 360).

Diese Voraussetzung war im Streitfall schon deswegen nicht erfüllt, weil der Beklagte nicht erkennen konnte, daß die Verkäufer das Grundstück gerade erst gekauft hatten.

bb) Der Senat folgt dem Berufungsgericht ferner darin, daß ein Notar wegen Amtspflichtverletzung auch schadensersatzpflichtig werden kann, wenn er – ohne dazu verpflichtet zu sein – über steuerrechtliche Fragen des beurkundeten Rechtsgeschäfts berät und dabei keine zuverlässige Auskunft erteilt (OLG Hamm, aaO; vgl auch „Haftpflichtecke” in DNotZ 1978, 584, 585). Er haftet dann gemäß § 19 BNotO auch für die Folgen aller unrichtigen sowie unklaren und für den Belehrten nicht erkennbar unvollständigen Auskünfte. Eine Haftung kann dann gegenüber allen bei der Fragestellung anwesenden Beteiligten eintreten, auch wenn nur einer von ihnen – wie im Streitfalle der Sprecher der Verkäufer – die Steuerfrage anschneidet, jedenfalls dann, wenn sich die Frage offenkundig auf die mögliche Steuerpflicht aller anwesenden Beteiligten bezieht.

Hat der Beklagte die zuvor von dem Makler H. geäußerte Auffassung, es falle keine „Spekulationssteuer” an, mit der Erklärung bestätigt, eine solche Steuer sei nicht zu entrichten, wenn „Altbesitz” von der Umlegung erfaßt werde, so war das zwar keine umfassende steuerliche Belehrung; sie war aber richtig und jedenfalls für den auf diesem Gebiet nicht gerade unkundigen Fragesteller, den Sprecher der Verkäufer, auch vollständig. Er mußte dazu nicht unbedingt wissen, wie lange die sog Spekulationsfrist bemessen ist. Das Wort „Altbesitz” deutete sogar eher darauf hin, daß ein Spekulationsgewinn nur vermieden wird, wenn die Verkäufer länger als zwei Jahre Eigentümer des verkauften Grundstücks waren.

b) Die Revision rügt ferner mit Recht, daß das Berufungsgericht sich nicht mit dem Einwand des Beklagten auseinandersetzt, er habe ebenso wie der Makler H. bei seiner Antwort Vorbehalte gemacht und ausdrücklich erklärt, daß er keine verbindliche Auskunft geben könne. Wäre das der Fall, dann könnte die Klägerin dem Beklagten selbst dann keine Amtspflichtverletzung vorwerfen, wenn er nicht einschränkend von „Altbesitz” gesprochen haben sollte.

2. Sollte sich nach weiterer Sachaufklärung ergeben, daß der Beklagte gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig sein kann, dann haftet er entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht für deren gesamten Schaden.

a) Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß der Klägerin kein eigenes Mitverschulden (§ 254 BGB) angelastet werden kann. Sie muß sich aber gemäß § 254 Abs 2 Satz 2 BGB die Nachlässigkeit des Sprechers der Verkäufer anrechnen lassen. Ein Mitverschulden von Hilfspersonen wird dem Verletzten entsprechend § 278 BGB nicht nur im Rahmen vertraglicher Beziehungen angerechnet, sondern auch dann, wenn zwischen den Parteien eine sonstige rechtliche Sonderverbindung, zB auch eine vertragsähnliche öffentlich-rechtliche Beziehung, besteht (BGHZ 68, 142, 151; BGH, Urteile vom 16. April 1964 – III ZR 83/63 – VersR 1964, 730, 731 und vom 8. Februar 1965 – III ZR 170/63 – VersR 1965, 493, 494). Bei der Beziehung zwischen einem Notar und den an notariellen Amtshandlungen beteiligten Personen handelt es sich um eine solche Sonderverbindung.

b) Den Sprecher der Verkäufer kann sogar ein erhebliches Mitverschulden treffen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß er genau erkannt hatte, daß es für die Frage der Erlangung eines steuerpflichtigen „Spekulationsgewinns” entscheidend auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs ankam und daß der Beklagte aufgrund des ihm allein ausgehändigten Umlegungsbescheides davon ausging, die Verkäufer seien mindestens schon mehrere Jahre lang Eigentümer des in die Umlegung eingebrachten Grundstücks gewesen. Wenn er in dieser Situation den Beklagten nicht über den Erwerbszeitpunkt informierte, dann hat er die etwaige unklare bzw unrichtige Antwort des Beklagten wesentlich mitverursacht.

3. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin kann – wie die Revision weiterhin mit Erfolg geltend macht – auch wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ausgeschlossen sein (§ 19 Abs 1 Satz 2 BNotO).

a) Zutreffend geht allerdings auch das Berufungsgericht davon aus, daß eine Haftung des Beklagten ausscheiden würde, wenn die Klägerin auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Die von dem beklagten Notar vorgenommene steuerliche Beratung war nämlich keine selbständige notarische Rechtsbetreuung im Sinne des § 24 BNotO, was zu einer primären Haftung des Beklagten führen könnte (§ 19 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 BNotO). Die Verletzung der notariellen Pflichten bei der freiwillig übernommenen Beratung in steuerlichen Angelegenheiten, die das Berufungsgericht dem Beklagten zur Last legt, steht in so engem Zusammenhang mit der Beurkundungstätigkeit, daß sie nicht als Ausfluß einer selbständigen notarischen Rechtsbetreuung aufgefaßt werden kann.

b) Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht als anderweitige Ersatzmöglichkeit nur eine Haftung des Maklers H. aus positiver Vertragsverletzung erwogen, aber einen Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater R. unerörtert gelassen hat.

aa) Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien muß im Revisionsverfahren davon ausgegangen werden, daß der Steuerberater R. auch Steuerberater der Klägerin und ihres Ehemannes war, die gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

bb) Der Klägerin können auch wegen ihrer Verpflichtung zur Versteuerung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften Schadensersatzansprüche gegen den Steuerberater R. zustehen.

Hatte der Steuerberater bereits im Dezember 1971 Kenntnis von dem Vertragsabschluß, was das Berufungsgericht für möglich hält, so war er verpflichtet, die Klägerin als seine Mandantin auch ohne besonderen Auftrag über die Möglichkeiten von Steuerersparnissen aufzuklären (BGH, Urt v 28. November 1966 – VII ZR 132/64 = BB 1967, 105; Gräfe/Suhr, Haftung des Steuerberaters, S 32). Dem steht nicht entgegen, daß der Kaufvertrag bereits abgeschlossen war, als der Steuerberater erstmals davon Kenntnis erhielt. Das entband ihn nicht von der Verpflichtung zur Belehrung seiner Mandanten über Möglichkeiten zur Steuerersparnis, wenn diese noch durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu erreichen waren. Im Streitfalle bestand, wie die Revision zutreffend geltend macht, aber die rechtliche Möglichkeit, der Besteuerung noch dadurch zu entgehen, daß der Kaufvertrag im Einverständnis mit den Erwerbern zunächst wieder aufgehoben und gegebenenfalls nach Ablauf der 2-Jahres-Frist des § 23 Nr. 1a EStG erneut abgeschlossen wurde. Hierüber hätte der Steuerberater die Klägerin und ihren Ehemann aufklären müssen. Ein solcher Rat war umsomehr geboten, als, worauf die Revision ebenfalls mit Recht hinweist, bei einer damaligen Aufhebung des Kaufvertrages die Erwerber nicht mit Grunderwerbsteuer belastet worden wären (§ 17 Abs 2 Nr 1 Hess.GrEStG; vgl dazu Knur, DNotZ 1966, 707, 715), ihnen also evtl ein derartiges Verfahren zumutbar gewesen wäre.

Voraussetzung für das Bestehen eines Schadensersatzanspruches wäre allerdings, daß die Käufer bereit gewesen wären, den Kauf des Grundstückes aufzuschieben, da nur dann eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Steuerberaters und dem Schaden der Klägerin bestände. Aus dem bisherigen Vorbringen der Parteien ergibt sich dafür allerdings kein tatsächlicher Anhalt.

III.

Da für die Entscheidung der Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht, noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, konnte der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden. Die Sache mußte vielmehr zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Für die neue Verhandlung wird darauf hingewiesen, daß das Berufungsgericht dann, wenn es entgegen dem Landgericht für bewiesen ansehen will, der Beklagte habe ohne Einschränkung auf Altbesitz die Steuerpflicht verneint, die hierfür benannten Zeugen gemäß § 398 ZPO nochmals wird vernehmen müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2078688

DNotZ 1981, 775

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