Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallersatztarif. Schadensminderungspflicht. Ersatz der Mietwagenkosten. Normaltarif. Schwacke-Mietpreisspiegel. Individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten. Örtliches Mietwagenpreisniveau. Erforderlicher Herstellungsaufwand. Wirtschaftlichkeitsgebot. Abzug Eigenersparnis

 

Leitsatz (amtlich)

a) Für die Frage, ob ein günstigerer Tarif als der sog. Unfallersatztarif "ohne Weiteres" zugänglich war, kommt es darauf an, ob dem Geschädigten in seiner konkreten Situation "ohne Weiteres" ein günstigeres Angebot eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung stand.

b) Es obliegt dem Schädiger, der einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umstanden "ohne Weiteres" zugänglich gewesen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 254; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 21.05.2008; Aktenzeichen 8 S 237/06)

AG Dresden (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 115 C 7746/05)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin und der Streithelferin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dresden vom 21.5.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Klägerin ergangen ist.

Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um die Erstattung weiterer Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 30.4.2005. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.

Rz. 2

Das Fahrzeug der Klägerin, ein Mitsubishi Galant 2.0 GLS, wurde in der Zeit vom 3. bis 10.5.2005 repariert. Während dieser Zeit mietete die Klägerin bei der Streithelferin einen AUDI A 4 1.8 T an, für den ihr Mietwagenkosten i.H.v. 1.838,60 EUR in Rechnung gestellt wurden. Die Beklagte zahlte als Haftpflichtversicherer des Schädigers hierauf 749,82 EUR.

Rz. 3

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das LG unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils weitere 162,38 EUR zuerkannt. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin und ihrer Streithelferin, mit denen diese die nicht zugesprochenen weiteren Mietwagenkosten i.H.v. 883,20 EUR begehren, und die Anschlussrevision der Beklagten, die eine Abweisung der Klage erreichen will.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin nur ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten auf der Basis des "Normaltarifs" für acht Anmiettage auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels 2006" zu. Die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Unfallersatztarifs könne offen bleiben, weil feststehe, dass der Klägerin in der konkreten Situation die Anmietung eines Pkw zum "Normaltarif" ohne Weiteres möglich gewesen sei.

Rz. 5

Hierfür habe der Geschädigte darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt zumindest auf Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei. Zwar trage die Klägerin unter Beweisantritt vor, dass ihr eine Anmietung zu einem günstigeren Tarif nicht möglich gewesen sei. Diesem Beweisangebot habe aber nicht nachgegangen werden müssen. Es sei nämlich allgemeinkundig, dass es im Bereich der Stadt Dresden, dem Freital zuzurechnen sei, ohne Weiteres möglich sei, einen Pkw zum "Normaltarif" anzumieten. Bei Anmietungen in unterschiedlichsten Situationen sei den Kammermitgliedern der übliche "Normaltarif" angeboten worden. Hinzu komme, dass es in Dresden mehr als 20 Mietwagenvermieter gebe. Die Klägerin und ihre Streithelferin hätten auch keine dezidierten Behauptungen dazu aufgestellt, wie sich die für ihren Vortrag benannten Zeugen auf eine etwaige Nachfrage nach einem Selbstzahlertarif verhalten hätten.

Rz. 6

Die Klägerin habe nicht damit rechnen können, dass die von der Streithelferin gefertigte Übersicht einen repräsentativen Überblick über das örtliche Mietwagenpreisniveau ermöglichte. Letztlich könne die Erkennbarkeit des überhöhten Unfallersatztarifs bei der Anmietung dahinstehen: Verzichte ein Geschädigter ohne Kenntnisse betreffend das übliche Preisniveau auf Anfragen bei Drittunternehmen, obgleich hierzu Gelegenheit bestehe, nehme er billigend in Kauf, dass er sich auf ein ungünstiges Angebot einlasse und letztlich nicht erforderliche Kosten verursache.

II.

Rz. 7

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision der Klägerin und der Streithelferin nicht stand, wohingegen die Anschlussrevision der Beklagten keinen Erfolg hat.

Rz. 8

A. Revision der Klägerin und der Streithelferin:

Rz. 9

1. In seinem rechtlichen Ansatz entspricht das Berufungsurteil der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats.

Rz. 10

Danach kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der ggü. dem "Normaltarif" teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen ggü. dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2008 - VI ZR 234/07, VersR 2008, 1370 Rz. 14 m.w.N.).

Rz. 11

Nach diesen Grundsätzen müssen grundsätzlich Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs getroffen werden, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die einen ggü. dem "Normaltarif" höheren Unfallersatztarif rechtfertigen sollen. Solche Umstände haben die Klägerin und die Streithelferin geltend gemacht, indem sie vorgetragen haben, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, einen Mietpreis vorzufinanzieren, und eine Anmietung zum "Normaltarif" hätte neben der nicht möglichen Angabe der voraussichtlichen Mietdauer die Leistung einer Sicherheit und Vorauszahlung des Mietpreises mittels einer Kreditkarte erfordert, welche die Klägerin nicht besessen habe (vgl. dazu BGH BGHZ 163, 19 [26]; v. 14.2.2006 - VI ZR 32/05, VersR 2006, 564 Rz. 9; v. 20.3.2007 - VI ZR 254/05, VersR 2008, 235 Rz. 13, 17 f.; v. 19.2.2008 - VI ZR 32/07, VersR 2008, 554 Rz. 18).

Rz. 12

2. Das Berufungsgericht hat in seinem rechtlichen Ausgangspunkt auch zutreffend gesehen, dass die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, nur ausnahmsweise offen bleiben kann, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte. Die Frage, ob die geltend gemachten höheren Mietwagenkosten aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich sind, kann auch offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. Denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann als i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06, VersR 2007, 1286 Rz. 13; v. 24.6.2008 - VI ZR 234/07 -, a.a.O., Rz. 25; v. 14.10.2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rz. 12, jeweils m.w.N.).

Rz. 13

3. Trotz des zutreffenden rechtlichen Ansatzes halten die nachfolgenden Ausführungen des Berufungsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Frage der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB vermengt und zu geringe Anforderungen daran gestellt, ob der Klägerin ein günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich gewesen wäre.

Rz. 14

a) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der in Anspruch genommene Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB war. Für das Revisionsverfahren ist dies deshalb zu unterstellen.

Rz. 15

b) Das Berufungsgericht durfte die Frage nicht mit der Begründung offen lassen, dem Kläger sei ein wesentlich günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich gewesen.

Rz. 16

aa) Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass für die Frage, ob dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich war, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06 -, a.a.O.). Soweit es jedoch in diesem Zusammenhang ausführt, der Geschädigte habe "hierfür" darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt zumindest auf Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war, vermengt es die Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Frage der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB. Im Streitfall geht es nur darum, ob die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Unfallersatztarifs offen bleiben kann, da die Geschädigte ihrer Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB deshalb nicht nachgekommen ist, weil ihr ein wesentlich günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich gewesen ist. Die dafür maßgeblichen Umstände haben nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH, Urt. v. 24.6.2008 - VI ZR 234/07 -, a.a.O., Rz. 26).

Rz. 17

bb) Die Ausführungen des Berufungsgerichts stehen auch nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, soweit es darauf abstellt, es sei allgemeinkundig, dass es im Bereich der Stadt Dresden ohne Weiteres möglich sei, einen Pkw zum "Normaltarif" anzumieten. Das Berufungsgericht hat dabei zu geringe Anforderungen an die Prüfung der Frage gestellt, ob der Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich gewesen ist.

Rz. 18

Das Berufungsgericht hat nicht in dem für den Ausnahmefall des § 254 Abs. 2 BGB erforderlichem Maße auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abgestellt. Insoweit reicht die Feststellung nicht aus, dass es in Dresden mehr als 20 Mietwagenvermieter gebe, bei denen Mitgliedern der Berufungskammer bei unterschiedlichen Anmietungen jeweils der übliche "Normaltarif" angeboten worden sei. Bei der gebotenen subjektbezogenen Betrachtungsweise kommt es vielmehr darauf an, ob der Klägerin in ihrer konkreten Situation "ohne Weiteres" ein günstigeres Angebot eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung gestanden hätte. Im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB war es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht Aufgabe der Klägerin und ihrer Streithelferin "dezidierte Behauptungen" dazu aufzustellen, wie sich etwaige Mietwagenunternehmer auf eine etwaige Nachfrage nach einem Selbstzahlertarif verhalten hätten. Es oblag vielmehr der Beklagten und in der Begründung seines Urteils dem Berufungsgericht, konkrete Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ergibt, dass der Klägerin ein günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich war, weil sie etwa bei der Streithelferin auch ein Fahrzeug zum "Normaltarif" hätte anmieten können (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2006 - VI ZR 32/05 -, a.a.O., Rz. 1, 9) oder der Haftpflichtversicherer die Klägerin vor der Anmietung auf einen günstigeren Tarif hingewiesen hat. Darauf kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Geschädigte ohne Kenntnisse bezüglich des üblichen Preisniveaus auf Anfragen bei Drittunternehmen gänzlich verzichtet habe. Dies entbindet nicht davon, im konkreten Fall festzustellen, ob sich dies ausgewirkt hat. Daran fehlt es im Streitfall.

Rz. 19

4. Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es für den Erfolg der Revision auf das weitere Vorbringen der Klägerin und der Streithelferin nicht mehr an. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 20

a) Soweit sich die Klägerin und die Streithelferin gegen den Abzug einer Eigenersparnis i.H.v. 10 % der Mietwagenkosten wenden, liegt die Schätzung des Berufungsgerichts gem. § 287 ZPO im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung, in der sich im Interesse der Vereinfachung ein prozentualer Abzug durchgesetzt hat. Nachdem früher eine Ersparnis von 15-20 % der Mietwagenkosten angesetzt worden ist (vgl. OLG Köln VersR 1993, 372 [373]; OLG Celle, SP 2001, 204), wird heute teilweise eine Ersparnis von 10 % der Mietwagenkosten (vgl. etwa OLG Hamm VersR 2001, 206, 208 und Urt. v. 21.4.2008 - 6 U 188/07 - juris Rz. 20; OLG Jena OLGReport Jena 2007, 985, 988; LG Dortmund NZV 2008, 93 [95]) und teilweise eine solche von 3-5 % angenommen (vgl. etwa OLG Stuttgart NZV 1994, 313 [315]; OLG Düsseldorf VersR 1998, 1523 [1524 f.]; OLG Nürnberg VersR 2001, 208; OLG Köln SP 2007, 13, 16). Zum Teil wird die Auffassung vertreten, ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen i.H.v. 10 % der Mietwagenkosten sei jedenfalls dann berechtigt, wenn der zu ersetzende Mietpreis nicht durch pauschale Zuschläge auf den Normaltarif einem deutlich höheren Unfallersatztarif angenähert sei (OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2008 - 6 U 188/07 -, a.a.O.; vgl. auch Nugel, jurisPR-VerkR 13/2009 Anm. 5 E).

Rz. 21

Einer Überprüfung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO durch das Revisionsgericht sind enge Grenzen gezogen; es hat nur zu prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1975 - VI ZR 79/74, VersR 1976, 435 [437]; v. 9.10.1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437 [438]). Derartige Rechtsfehler lassen die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht erkennen. Ihnen ist insb. zu entnehmen, dass das Berufungsgericht eine mögliche geringere Eigenersparnis in seine Überlegungen einbezogen hat, jedoch aus sachlichen Gründen eine Schätzung auf 10 % der Mietwagenkosten als angemessen ansieht.

Rz. 22

b) Soweit sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der Höhe des "Normaltarifs" im konkreten Fall wendet, kann das Berufungsgericht nach der gebotenen Zurückverweisung seine Schätzung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin und der Streithelferin überprüfen.

Rz. 23

B. Anschlussrevision der Beklagten:

Rz. 24

Die Anschlussrevision macht geltend, der vom Berufungsgericht für die Schätzung des "Normaltarifs" zugrunde gelegte "Schwacke-Mietpreisspiegel 2006" stelle keine geeignete Schätzungsgrundlage dar. Diese Rüge hat keinen Erfolg.

Rz. 25

1. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht nicht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rz. 9; v. 14.10.2008 - VI ZR 308/07 -, a.a.O., Rz. 22). Demgemäß hat der Senat mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.2006 - VI ZR 117/05, VersR 2006, 986 [987]; v. 30.1.2007 - VI ZR 99/06 -, a.a.O., Rz. 8; v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06, VersR 2007, 1144 Rz. 10; v. 24.6.2008 - VI ZR 234/07 -, a.a.O., Rz. 22). Er hat auch die Schätzung auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels 2006" als grundsätzlich möglich angesehen (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07 -, a.a.O., Rz. 8 ff.; v. 19.1.2009 - VI ZR 112/09 - unter II 2, z.V.b.). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07 -, a.a.O., Rz. 9; v. 14.10.2008 - VI ZR 308/07 -, a.a.O., Rz. 19).

Rz. 26

2. Nach diesen Grundsätzen begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht den "Normaltarif" auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels 2006" ermittelt hat. Es hält sich insoweit im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO.

Rz. 27

a) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision, die sich insoweit auf ein Urteil des OLG Köln stützt (OLGReport Köln 2008, 545), ist die Heranziehung des "Schwacke-Mietpreisspiegels 2006" für die erfolgte Anmietung im Mai 2005 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat dies damit begründet, dass der Erhebungszeitraum dieses Mietpreisspiegels näher beim Anmietzeitraum liege als der Erhebungszeitraum des Mietpreisspiegels 2003. Auch wenn die Anmietung im Mai 2005 erfolgte, ist es nicht rechtsfehlerhaft, im Rahmen der Schätzung der Höhe des Schadens als Schätzgrundlage auf einen nach dem Unfallereignis erstellten Mietpreisspiegel zurückzugreifen, wenn dies - wie hier - aus sachlichen Gründen geschieht.

Rz. 28

b) Die Beklagte hat auch nicht mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass sich geltend gemachte Mängel des Mietpreisspiegels 2006 auf den zu entscheidenden Fall auswirken.

Rz. 29

aa) Soweit die Beklagte darauf hinweist, in die Liste seien Unfallersatztarife als Normaltarife eingeflossen, wenn Mietwagenunternehmen nur Unfallersatztarife anböten, ist dies nach ihrem eigenen Vortrag in der Liste offen gelegt, so dass der Tatrichter diesen Umstand bei seiner Schätzung berücksichtigen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass sich dies unter den Umständen des Streitfalls ausgewirkt hat. Das Berufungsgericht ist aufgrund eines Vergleichs des Modus des Tagestarifes 2006 mit dem gewichteten Mittel nach dem Mietpreisspiegel 2003 für Dresden und Nachbarstädte zu der Überzeugung gelangt, dass der Modus des Mietpreisspiegels 2006 jedenfalls für den Postleitzahlenbereich, in dem sich die Wohnung der Klägerin und die mit der Reparatur beauftragte Werkstatt befinden, keine derartigen Besonderheiten aufweist, dass sich Zweifel an seiner Eignung als Schätzgrundlage ergeben. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 30

bb) Auch der Vortrag, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe bei einer Internet-Recherche festgestellt, dass die Klägerin ein dem unfallgeschädigten Pkw vergleichbares Fahrzeug günstiger hätte anmieten können, lässt nicht erkennen, dass sich Mängel des Mietpreisspiegels 2006 auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Aus den vorgelegten Vergleichsangeboten ergibt sich, dass die Recherche Angebote für den Zeitraum von sieben Tagen betraf, bei denen es sich um Wochenpauschalen handeln kann. Das Berufungsgericht hat seiner Schätzung jedoch den zweimaligen Ansatz eines Dreitagestarifs und eines Eintagestarifs für insgesamt acht Tage zugrunde gelegt, weil zum Zeitpunkt der Anmietung die Reparaturdauer noch nicht bekannt war.

Rz. 31

cc) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Berufungsgericht nicht dem Beweisangebot der Beklagten nachgehen, im Selbstzahlergeschäft würden im Nachhinein immer Wochenpauschalen abgerechnet, auch wenn sich der Kunde vorher nicht festgelegt habe. Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist auch die Beweiserhebung in das (pflichtgemäße) Ermessen des Gerichts gestellt; dies bedeutet, dass das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO an Beweisanträge nicht gebunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.1986 - VI ZR 151/84, VersR 1986, 596 [597]; v. 9.10.1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437 [438]). Einer Überprüfung des tatrichterlichen Ermessens durch das Revisionsgericht sind auch insoweit enge Grenzen gezogen; es hat nur zu prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1975 - VI ZR 79/74 -, a.a.O.; v. 9.10.1990 - VI ZR 291/89 -, a.a.O.). Derartige Rechtsfehler lässt die Erwägung des Berufungsgerichts nicht erkennen, für die Gewährung von Rabatten bei der Anmietung über größere Zeiträume sei auch der Gesichtspunkt der besseren Planbarkeit des Einsatzes von Fahrzeugen maßgebend, die hier nicht gegeben war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2313382

NJW 2010, 1445

NJW 2010, 8

EBE/BGH 2010

JurBüro 2010, 387

ZAP 2010, 360

AnwBl 2010, 127

DAR 2010, 383

JZ 2010, 249

JZ 2010, 255

MDR 2010, 567

NZV 2010, 289

NZV 2010, 4

VRS 2010, 68

VersR 2010, 545

ZfS 2010, 381

GuT 2010, 127

NJW-Spezial 2010, 202

SVR 2010, 144

VRA 2010, 75

VRR 2010, 162

VRR 2010, 219

ZGS 2010, 197

r+s 2010, 214

DS 2010, 325

Verkehrsjurist 2010, 11

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