Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche aus Gewinnzusagen § 661a BGB. Erfüllungsort Wohnsitz des Adressaten. Klage am internationalen Gerichtsstand Art. 5 Nr. 1

 

Leitsatz (amtlich)

a) Für die Klage aus einer Gewinnzusage (§ 661a BGB), die nicht zu einer Warenbestellung geführt hat, ist der internationale Gerichtsstand des Vertrags (Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ) eröffnet.

b) Der Ort, "an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre" (Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ), ergibt sich aus dem - nach dem internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts - zu bestimmenden nationalen Recht.

c) Art. 34 des (deutschen) EGBGB beruft für die Entscheidung über Ansprüche aus Gewinnmitteilungen das deutsche Recht (§ 661a BGB).

d) Der nach deutschem Recht bestimmte Ort, "an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre" (Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ), liegt im Fall der Gewinnzusage (§ 661a BGB) am Wohnsitz des Adressaten der Gewinnzusage.

 

Normenkette

BGB §§ 269, 661a; EGBGB Art. 34; EuGVÜ Art. 5 Abs. 1 Hs. 1; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 1 lit. a und c

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 03.06.2003; Aktenzeichen 30 U 634/02)

LG Augsburg (Urteil vom 05.08.2002; Aktenzeichen 1 O 819/02)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 3.6.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte, eine in W./Österreich ansässige AG (inzwischen umgewandelt in eine GmbH i.L.), betrieb einen Versandhandel. Sie übersandte der Klägerin im Dezember 2000 ein Schreiben, in dem es u.a. hieß:

"Stimmt Ihre persönliche GEWINN-NUMMER mit einer in den Rubbelfeldern überein, dann winken Ihnen tatsächlich 50.000 DM ... 100.000 DM ... oder sogar bis zu 200.000 DM IN BAR! ...

Frau E. ≪= KLÄGERIN≫,

HOLEN SIE SICH MIT IHRER GEWINN-NUMMER 200.000 DM!" ...".

Die von der Klägerin freigerubbelte Gewinnnummer entsprach derjenigen, für die ein Gewinn i.H.v. 200.000 DM genannt war.

Im Januar 2001 erhielt die Klägerin ein ähnliches Schreiben der Beklagten bezüglich eines Gewinns i.H.v. 200.000 DM.

Im Februar 2001 ging der Klägerin schließlich "ÜBER 125.000 DM" eine "AUSZAHLUNGS-NACHRICHT" zu. Darin wurde die Klägerin aufgefordert, mittels der beigefügten "TEST-/BARGELD-ANFORDERUNG" "Ihren Bargeld-Anteil" anzufordern und ein Potenzmittel zu bestellen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Versender einer Gewinnzusage nach § 661a BGB in Anspruch. Gestützt auf die vorerwähnten Werbeschreiben hat sie drei Teilbeträge zu je 12.000 DM, insgesamt also 36.000 DM (= 18.406,51 EUR), der dort genannten Gewinne nebst Zinsen und 10,23 EUR "vorgerichtliche Mahnkosten" bei dem LG Augsburg eingeklagt. Die Beklagte hat die internationale Unzuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und - auf ihre Widerklage hin - festzustellen, dass der Klägerin auf Grund der Gewinnmitteilungen - über die eingeklagten Teilbeträge (36.000 DM) hinaus - ein Anspruch auf Zahlung von 250.021,73 EUR (= 489.000 DM = 200.000 DM + 200.000 DM + 125.000 DM - 36.000 DM) nicht zustehe. Das Berufungsgericht hat der Klägerin wegen der Mitteilungen von Dezember 2000 und Februar 2001 die insoweit begehrten Teilbeträge i.H.v. zusammen 12.271,01 EUR (= 24.000 DM) zzgl. Zinsen und "vorgerichtlicher Mahnkosten" zugesprochen und die weiter gehende Klage (12.000 DM aus der Gewinnmitteilung von Januar 2001) abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es - unter Abweisung im Übrigen - festgestellt, dass der Klägerin aus der Gewinnmitteilung von Januar 2001 über den eingeklagten und abgewiesenen Teilbetrag von 12.000 DM hinaus weitere 96.122,87 EUR (= 188.000 DM = 200.000 DM - 12.000 DM) nicht zustehen.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, die Klage vollständig abzuweisen und ihrer Feststellungswiderklage auch im Übrigen stattzugeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Für die auf § 661a BGB gestützte Klage gegen die in Österreich ansässige Beklagte bestehe am Wohnsitz der Klägerin in K./Bundesrepublik Deutschland die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 27.9.1968, BGBl. 1972 II, S. 774, im Folgenden: EuGVÜ) oder der internationale Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ).

Die von Seiten der Beklagten der Klägerin übersandten Mitteilungen von Dezember 2000 und Januar 2001 seien Gewinnzusagen i.S.d. § 661a BGB. Sie enthielten die Ankündigung eines - bereits gewonnenen - Preises durch die Beklagte als Absenderin an die Klägerin als Empfängerin.

B.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.

I.

Die deutschen Gerichte sind für die vorliegende Klage aus § 661a BGB international zuständig.

1. Maßgeblich für die internationale Zuständigkeit ist hier noch das EuGVÜ. Denn der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides ist am 17.7.2001 bei Gericht eingereicht worden, vor In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 22.12.2000 (ABl. EG Nr. L 12/01 S. 1, im Folgenden: EuGVVO) am 1.3.2002 (vgl. Art. 30 Nr. 1, Art. 66 Abs. 1, Art. 76 EuGVVO).

2. Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen; entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ; vgl. auch Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff. EuGVÜ genannten Wahlgerichtsstände besteht (Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ, vgl. auch Art. 3 Abs. 1, Art. 5 ff. EuGVVO). So liegt es bezüglich der vorbeschriebenen Klage.

3. Zwar ist die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ; vgl. andererseits Art. 15 ff. EuGVVO) zu verneinen. Soweit sie der Senat (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [88 f.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider) in einem gleich gelagerten Fall - alternativ zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) - befürwortet hat, ist daran nicht festzuhalten.

a) Der allein nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ in Betracht zu ziehende Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers setzt insb. voraus, dass die Klage des Verbrauchers an einen von diesem geschlossenen Vertrag anknüpft, der die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat und der gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen den beiden Parteien des Vertrages hat entstehen lassen (EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00 - Gabriel Slg. 2002, I 6367 = NJW 2002, 2697, jeweils Rz. 38 ff. und 47 ff.; Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 34). Die in Art. 13 EuGVÜ genannten Begriffe sind - ebenso wie diejenigen in Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVÜ - autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Ziele des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen einheitliche Anwendung in allen Vertragsstaaten sicherzustellen (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 33). Die besonderen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 13 bis 15 EuGVÜ müssen eine enge Auslegung erfahren, die nicht über die in dem Übereinkommen ausdrücklich in Betracht gezogenen Fälle hinausgehen darf. Denn die Art. 13 bis 15 EuGVÜ normieren eine Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ, der die Zuständigkeit den Gerichten des Vertragsstaates zuweist, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat; zudem ist Art. 13 EuGVÜ lex specialis zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, der sich allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 31 f., 42f.).

b) Die vorbeschriebenen Voraussetzungen der Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ sind im Streitfall nicht gegeben. Es kam nicht zum Abschluss eines Vertrages, der "die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand" hatte (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ). Denn die werbenden Gewinnmitteilungen der Beklagten führten nicht dazu, dass die Klägerin Waren bestellte. Der Erhalt des von der Klägerin angeblich gewonnenen Preises hing auch nicht davon ab, dass sie von der Beklagten angebotene Ware kaufte. Dass die an die Klägerin gerichtete Gewinnbenachrichtigung der Beklagten auf die Anbahnung eines solchen Vertrages zielte, genügte nach dem insoweit maßgeblichen Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EuGVÜ nicht (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 36 ff.; anders noch: BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [89] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider). Ob dasselbe für die Auslegung des weiter gefassten Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO gilt (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., 2005, Art. 15 EuGVVO Rz. 10), ist hier nicht zu entscheiden.

4. Die hier in Rede stehende Klage ist aber als Klage aus einem Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ anzusehen; damit kann dahinstehen, ob der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, vgl. auch Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) eröffnet ist (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 29 [60]; anders - für Anwendung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - noch: BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [89 ff.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider; s. ferner: Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., 2005, EuGVVO Art. 5 Rz. 16, Art. 15 Rz. 20: nur Vertragsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1).

a) Gemäß Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, und zwar wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Der Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" wird von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht eng ausgelegt. Die Feststellung, dass eine Klage nicht eine solche aus einem Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ ist, steht nicht der Annahme entgegen, es handele sich bei dieser Klage um eine solche aus einem Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 48 f.). Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ setzt ferner - schon seinem Wortlaut nach und insoweit anders als Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ - nicht den Abschluss eines Vertrages voraus. Es genügt, dass eine von einer Person ggü. der anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung festgestellt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 50 f.). So liegt es hier:

b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, dass das beklagte Versandhandelsunternehmen auf eigene Initiative hin einer Verbraucherin, der Klägerin nämlich, ohne dass diese darum gebeten hatte, die Schreiben übersandte, in denen sie namentlich als Gewinner eines Preises bezeichnet wurde. Die Klägerin konnte - bei objektiver Betrachtung - die Mitteilung von Dezember 2000 dahin verstehen, sie werde den Preis erhalten, wenn die freigerubbelte Gewinn-Nummer - wie unstreitig - mit derjenigen im Kuvert übereinstimme und sie den "SUPER-TEILNAHME-GEWINN" anfordere. Im Fall der Mitteilung von Februar 2001 sollte sie ohne weiteres berechtigt sein, das "von ≪IHR≫ gewonnene Bargeld" mittels "ANFORDERUNGS-SCHEIN" zu beanspruchen. Die Revision bekämpft diese Feststellungen mit Verfahrensrügen (§ 286 ZPO). Der Senat hat sie geprüft und erachtet sie für unbegründet; von einer Begründung wird gem. § 564 S. 1 ZPO abgesehen.

Die Klägerin "nahm" auch die Gewinnzusagen der Beklagten "an", indem sie die Auszahlung der scheinbar gewonnenen Preise verlangte. Eine freiwillig eingegangene, die Grundlage der Klage bildende Verpflichtung der Beklagten ist somit gegeben; die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ sind - aus Sicht des Übereinkommens - erfüllt (EuGH, Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 52 ff.).

5. Nach dem mithin eröffneten Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ (vgl. jetzt Art. 5 Nr. 1 lit. a und c EuGVVO) ist das Gericht des Ortes international zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die Anschlussfrage, wo die aus der Gewinnzusage erwachsene Verpflichtung zu erfüllen ist, ist nicht übereinkommensautonom zu beantworten; maßgeblich ist vielmehr das - nach dem internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts - zu bestimmende nationale Recht (EuGH, Urt. v. 6.10.1976 - Rs. C-12/76 - Tessili, Slg. 1976, 1473 = NJW 1977, 491, jeweils Rz. 13 ff.; v. 28.9.1999 - Rs. C-440/97 - Concorde, Slg. 1999 I-6342 = NJW 2000, 719, jeweils Rz. 13; Urt. v. 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Engler, NJW 2005, 811 Rz. 56; BGH, Urt. v. 31.1.1991 - III ZR 150/88, BRAK 1991, 239 = MDR 1991, 800 = NJW 1991, 3095 [3096]; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., 2001, Art. 5 EuGVÜ Rz. 19 f.; Schlosser, EuGVÜ 1996, Art. 5 Rz. 10 und Einleitung Rz. 24, vgl. ferner: Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2003, Art. 5 EuGVO Rz. 10 ff.; Musielak/Weth, ZPO, 2. Aufl., 2000, Art. 5 EuGVÜ Rz. 7, vgl. ferner: Musielak/Weth, ZPO, 4. Aufl., 2005, Art. 5 EuGVO Rz. 7).

Lex fori ist hier das (deutsche) EGBGB; es beruft für die Entscheidung über Ansprüche aus Gewinnmitteilungen das deutsche Recht. Das ergibt sich aus einer Sonderanknüpfung gem. Art. 34 EGBGB.

a) Der Revision ist - im Ergebnis - dahin zu folgen, dass Ansprüche aus Gewinnmitteilungen - aus Sicht des deutschen Rechts - weder vertraglich (Art. 27, 28 EGBGB) noch deliktisch (Art. 40, 41 EGBGB) qualifiziert werden können.

aa) Eine vertragliche Qualifikation scheitert bereits daran, dass die Haftung wegen Gewinnzusage nicht an ein Versprechen des Versenders anknüpft; der Versender will i.d.R. gerade nicht einen Anspruch auf den Gewinn begründen. Eine Annahme der "Zusage" ist nicht vonnöten. Es kommt nur darauf an, dass die dem Verbraucher zugegangene Zusendung eines Unternehmers - nach Inhalt und Gestaltung - abstrakt geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen - Preis erhalten. Auf das subjektive Verständnis der Zusendung durch den Empfänger kommt es nicht an. Es ist nicht erforderlich, dass der Empfänger dem Schreiben tatsächlich Glauben schenkt. Auch der Verbraucher, der die Gewinnzusage als bloßes Werbemittel durchschaut oder durchschauen könnte, kann nach § 661a BGB die Leistung des (angeblich) gewonnenen Preises verlangen; § 116 S. 2 BGB findet insoweit keine Anwendung. Letztlich geht es um die Haftung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das durch eine geschäftsähnliche Handlung, eben die Versendung der Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung an einen Verbraucher, begründet wurde (BGH, Urt. v. 19.2.2004 - III ZR 226/03, MDR 2004, 677 = BGHReport 2004, 750 = NJW 2004, 1652 [1653], m.w.N.; Lorenz, NJW 2000, 3305 [3307]; Lorenz, IPRax 2002, 192 [193, 195]; Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 [221, 223]).

bb) Deliktisch ist diese Haftung indes nicht. Zwar zielt § 661a BGB auf die Unterbindung wettbewerbswidrigen Verhaltens (BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [90 f.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider). Der Gesetzgeber selbst hat die Haftung wegen Gewinnzusage (§ 661a BGB) aber nicht der unerlaubten Handlung (Buch 2. Abschnitt 8. Titel 27.: §§ 823 ff. BGB), sondern Buch 2. Abschnitt 8. Titel 11. Auslobung zugeordnet, also in die Nähe der einseitigen Rechtsgeschäfte Auslobung (§ 657 BGB) und Preisausschreiben (§ 661 BGB) gerückt. Zudem ist die von § 661a BGB bestimmte Rechtsfolge, dass der Versender Erfüllung schuldet, der Systematik der unerlaubten Handlungen fremd; sie begründen nicht Erfüllungs-, sondern Schadensersatzansprüche (Lorenz, NJW 2000, 3305 [3308]). An den im Senatsurteil v. 28.11.2002 (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [90 ff.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider) bezüglich Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - angestellten Erwägungen hält der Senat nicht fest.

b) Der von der Revision geforderten Anwendung des Art. 11 EGBGB kann nicht beigetreten werden. Die Bestimmung betrifft die Form von Rechtsgeschäften. Durch die alternative Zulassung der Geschäftsform und der Ortsform soll den Parteien die formgültige Vornahme ihres Rechtsgeschäfts erleichtert werden (vgl. im Einzelnen: Spellenberg in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., 1998, Art. 11 Rz. 1 ff., m.w.N.); darum geht es hier nicht.

c) Die oben beschriebene systematische Stellung des § 661a BGB legte an sich nahe, diesen kollisionsrechtlich ebenso zu behandeln wie die einseitigen Rechtsgeschäfte. Wenn das Vertragsstatut (Art. 27, 28 EGBGB), das für einseitige Rechtsgeschäfte entsprechend gilt (Palandt/Heldrich, BGB, 64. Aufl., 2005, Art. 27 EGBGB Vorbem. 2), auch auf § 661a BGB Anwendung fände, führte das aber zu gänzlich unangemessenen Ergebnissen; die Haftung nach § 661a BGB wäre dann praktisch in die Hände des Versenders gelegt, der sich durch die Gestaltung der Gewinnzusage - Berufung nichtdeutschen (oder nichtösterreichischen) Rechts - freizeichnen könnte (Lorenz, NJW 2000, 3305 [3308]; der Senat hatte im Fall der Gewinnzusage bislang die - im Prozess erfolgte - Wahl deutschen Rechts "jedenfalls" genügen lassen: BGH, Urt. v. 9.12.2004 - III ZR 112/04, BGHReport 2005, 526 = MDR 2005, 616 = NJW 2005, 827; v. 15.7.2004 - III ZR 315/03, GmbHR 2004, 1227 = BGHReport 2004, 1512 = MDR 2004, 1235 = NJW 2004, 3039 [3040]; v. 19.2.2004 - III ZR 226/03, MDR 2004, 677 = BGHReport 2004, 750 = NJW 2004, 1652 [1653]; v. 16.10.2003 - III ZR 106/03, BGHReport 2004, 44 = MDR 2004, 83 = NJW 2003, 3620).

d) § 661a BGB ist vielmehr als zwingende Regelung i.S.d. Art. 34 EGBGB anzusehen; denn § 661a BGB beansprucht, eine grenzüberschreitende Gewinnzusage ohne Rücksicht auf das - entsprechend Art. 27 ff. EGBGB berufene - Vertragsstatut nach deutschem Recht zu regeln (Palandt/Heldrich, BGB, 64. Aufl., 2005, Art. 34 EGBGB Rz. 3a; jurisPK-BGB/Laukemann, 2. Aufl., 2004, § 661a Rz. 36; Lorenz, IPRax 2002, 192 [196]; Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 [223]; Häcker, ZVglRWiss 103, 464 [498 f.]; Mörsdorf-Schulte, JZ 2005, 770 [777]; Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 [411]; Felke/Jordans, EWS 2005, 228 [230]; s. auch: OLG Jena OLG-NL 2004, 55 [56]; OLG Nürnberg v. 28.8.2002 - 4 U 641/02, OLGReport Nürnberg 2003, 332 = NJW 2002, 3637 [3639], die die Anwendung von Art. 34 oder 40 bzw. Art. 29 oder 40 EGBGB offen lassen; zweifelnd noch: Lorenz, NJW 2000, 3305 [3308]; kritisch ferner: Sonnenberger, IPRax 2003, 104 [110]; Blobel, VuR 2005, 164 [168]; Fetsch, RIW 2002, 936 [938 f.], der allerdings über eine wettbewerbsrechtliche Qualifikation des Anspruchs aus § 661a BGB Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ für anwendbar hält und so ebenfalls zu einem internationalen Gerichtsstand in Deutschland kommt: Fetsch, RIW 2002, 936 [942]).

aa) Sieht das Gesetz - wie hier § 661a BGB - nicht ausdrücklich den internationalen Geltungsanspruch vor, sind für die Einordnung einer Bestimmung als zwingende Norm i.S.d. Art. 34 EGBGB die mit ihr verfolgten ordnungspolitischen Interessen maßgebend (BGH v. 27.2.2003 - VII ZR 169/02, BGHZ 154, 110 [115] = MDR 2003, 683 = BGHReport 2003, 591 m. Anm. Schwenker, zu § 4 HOAI; Staudinger/Magnus, 2002, Art. 34 EGBGB Rz. 2, 51 ff.; Martiny in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., 1998, Art. 34 EGBGB Rz. 12; Sonnenberger, IPRax 2003, 104 [109 ff.], jeweils m.w.N.). Solche sind in der - eine Differenzierung nach dem Herkunftsland der Gewinnzusage nicht duldenden - lauterkeitsrechtlichen und sozialpolitischen Zielsetzung des § 661a BGB zu sehen. Der Gesetzgeber wollte einer verbreiteten und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken, dass Unternehmer Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne übersenden, um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf Nachfrage aber nicht aushändigen. Eine solche, auch von der Revision als unlauter bezeichnete Werbung mittels - im Streitfall wie i.d.R. vorsätzlicher (Lorenz, NJW 2000, 3305 [3306]) - Vortäuschung scheinbarer Gewinne sollte unterbunden werden, indem dem Verbraucher gesetzlich eingeräumt wurde, den Unternehmer beim Wort zu nehmen und die Leistung des mitgeteilten "Gewinns" zu verlangen (BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [90 f.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider, m.w.N. aus den Gesetzesmaterialien). Welche Ausmaße diese Art Werbung angenommen hat, belegt der Vortrag der Beklagten, allein auf e i n solches "Gewinnspiel" von ihr seien mehr als 25.000 Gewinnanforderungen eingegangen. Indem § 661a BGB diesen ausufernden Geschäftspraktiken zu begegnen sucht, verfolgt er neben dem Verbraucherschutz ein darüber hinausreichendes öffentliches Interesse an der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs (Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 [411]); das spricht entscheidend dafür, § 661a BGB als zwingende Vorschrift i.S.d. Art. 34 EGBGB zu verstehen.

bb) Die Art. 29, 29a EGBGB, die in ihrem Regelungsbereich den Rückgriff auf Art. 34 EGBGB grundsätzlich nicht zulassen (BGH v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [390 f.]; v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [135 f.]), sind im Fall der Gewinnzusage (§ 661a BGB) nicht anwendbar (Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 [223]; Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 [410 f.]; Blobel, VuR 2005, 164 [168]; für Analogie hingegen: Leipold, FS Musielak, 2004, S. 317 [334]; Dörner, FS Kollhosser, 2004, Bd. II S. 75 [86]; s. auch: Palandt/Heldrich, BGB, 64. Aufl., 2005, Art. 29 EGBGB Rz. 2; OLG Nürnberg v. 28.8.2002 - 4 U 641/02, OLGReport Nürnberg 2003, 332 = NJW 2002, 3637 [3639]). Denn es geht bei § 661a BGB nicht um einen der in Art. 29, 29a EGBGB aufgeführten Verbraucherverträge, sondern - wie bereits dargelegt - um die Haftung des Unternehmers aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das durch die Versendung der Gewinnzusage an einen Verbraucher begründet wurde. Eine analoge Anwendung der Art. 29, 29a EGBGB würde nicht hinreichend berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen ein spezifisches, in sich abgeschlossenes Regelungsziel verfolgt hat (Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 [223]; BGH v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [135]).

6. Der demnach gem. Art. 34 EGBGB nach deutschem Recht zu bestimmende - für die internationale Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ maßgebliche - Ort, "an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre", liegt im Fall der Gewinnzusage (§ 661a BGB) am Wohnsitz des Empfängers der Zusage.

a) Es gelten die deutschen Regeln zum Leistungsort (§§ 269, 270 BGB; BGH, Urt. v. 31.1.1991 - III ZR 150/88, BRAK 1991, 239 = MDR 1991, 800 = NJW 1991, 3095 [3096]; Musielak/Weth, ZPO, 4. Aufl., 2005, Art. 5 EuGVÜ Rz. 7, s. auch: Musielak/Weth, ZPO, 4. Aufl., 2005, Art. 5 EuGVVO Rz. 7). Danach ergibt sich der Leistungsort zunächst aus gesetzlicher Sonderregelung, Parteivereinbarung oder den Umständen; subsidiär liegt der Leistungsort am Wohnsitz des Schuldners (vgl. § 269 Abs. 1 BGB; Krüger in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., 2003, § 269 Rz. 9; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., 1990, § 269 Rz. 1; Erman/Kukuk, BGB, 11. Aufl., 2004, § 269 Rz. 7).

b) Im Streitfall ist eine Bringschuld (OLG Nürnberg v. 28.8.2002 - 4 U 641/02, OLGReport Nürnberg 2003, 332 = NJW 2002, 3637 [3640]) nicht vereinbart worden; dass der Unternehmer den zugesagten Preis am Wohnsitz des Verbrauchers zu leisten hat, ergibt sich indes aus Sinn und Zweck des § 661a BGB (Häcker, ZVglRWiss 103, 464 [490]; a.A.: Lorenz/Unberath, IPRax 2002, 219 [222]; s. auch: Mörsdorf-Schulte, JZ 2005, 770 [778]).

Die Haftung des Unternehmers wegen Gewinnzusage (§ 661a BGB) ist zwar - wie bereits dargelegt - nicht als deliktisch aufzufassen; sie steht aber in der Nähe der Haftung wegen unerlaubter Handlung. Mittels des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber die wettbewerbswidrige Praxis zurückdrängen, dass Unternehmer mit angeblichen Preisgewinnen Verbraucher zu ködern suchen, Waren zu bestellen. Der unlauter handelnde Unternehmer soll für sein täuschendes Versprechen "bestraft" werden, indem er dem Verbraucher gem. § 661a BGB auf Erfüllung haftet (BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [91] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider). Diese Zielsetzung würde durchkreuzt, wenn der Unternehmer nicht am Wohnsitz des Empfängers der Gewinnmitteilung, sondern an seinem Wohnsitz zu leisten hätte. § 661a BGB wäre dann, wie in der Revisionsverhandlung nicht in Frage gestellt worden ist, obsolet. Denn der Verbraucher müsste, wenn der Leistungsort am Wohnsitz des Unternehmers läge, den Anspruch auf den Gewinn an dessen, meist im Ausland liegenden Sitz durchzusetzen versuchen; dazu wird er aber nur selten bereit und in der Lage sein. Die unlautere Werbung wirksam abwehren, d.h. die täuschenden Gewinnzusagen tatsächlich mit einem Haftungsrisiko belasten, kann der neu geschaffene Verbraucheranspruch nach § 661a BGB nur dann, wenn der Empfänger an seinem Wohnsitz den Unternehmer auf Zahlung des Gewinns "belangen" kann. § 661a BGB muss daher - über seinen Wortlaut hinaus - als Regelung des Leistungsorts am Wohnsitz des Empfängers, hier K. als Wohnsitz der Klägerin, verstanden werden.

II.

Die Klage, für die mithin gem. Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ ein internationaler Gerichtsstand am Wohnsitz der Klägerin besteht, ist (im noch anhängigen Umfang) begründet. Die - gem. Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ zulässige - negative Feststellungswiderklage der Beklagten ist (soweit noch anhängig) unbegründet. Auf Grund der Gewinnmitteilungen von Dezember 2000 und Februar 2001 kann die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 325.000 DM = 166.169,86 EUR beanspruchen. Grundlage hierfür ist § 661a BGB, dessen Voraussetzungen das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat; die von der Revision gegen seine Beweiswürdigung vorgebrachten Rügen greifen nicht durch.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1464195

BGHZ 2006, 172

NJW 2006, 230

BGHR 2006, 250

JR 2006, 464

WM 2006, 151

WuB 2006, 441

JZ 2006, 519

JuS 2006, 560

MDR 2006, 737

RIW 2006, 144

VersR 2006, 1691

VuR 2006, 118

VuR 2006, 195

WRP 2006, 257

ZfRV 2006, 37

GuT 2006, 94

ELF 2006, 1

EuLF 2006, 26

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