Leitsatz (amtlich)

›Eine grob fehlerhafte ärztliche Behandlung vermag hinsichtlich der Kausalität für den Gesundheitsschaden des Patienten auch dann in vollem Umfang zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Arztseite zu führen, wenn zwar eine alleinige Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers äußerst unwahrscheinlich ist, dieser aber zusammen mit anderen Ursachen den Gesundheitsschaden herbeigeführt haben kann und eine solche Mitursächlichkeit nicht äußerst unwahrscheinlich ist.‹

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig

LG Braunschweig

 

Tatbestand

Der Kläger wurde am 4. März 1980 um 12.36 Uhr im Klinikum der Beklagten zu 1) geboren. Er leidet an einer körperlich-geistigen Schädigung, die er auf Fehler bei der Geburtshilfe zurückführt. Geburtsleitende Arzte waren die Beklagten zu 2) und zu 3). Die zum Zeitpunkt der Geburt 41 Jahre alte Mutter des Klägers war von einem kurz zuvor aufgesuchten Frauenarzt eingewiesen und um 11.20 Uhr in die Klinik aufgenommen worden. Sie litt unter Bluthochdruck und massiven Oedemen, war ohne schwangerschaftsbegleitende ärztliche Vorsorge und vermochte den Zeitpunkt ihrer letzten Regel nicht mitzuteilen. Eine erste geburtshilfliche Untersuchung ist für 12.00 Uhr dokumentiert. Gleichzeitig wurde zur Ableitung eines Kardiotokogramms (künftig: CTG) eine Kopfschwartenelektrode angelegt und grünes Fruchtwasser festgestellt. Das CTG zeigte "tiefe kombinierte Decelerationen", in der Folge wurde ein Wehentropf angelegt. Die Geburt des Klägers erfolgte mit Zangenentbindung vom Beckenboden aus. Der Kläger wog bei seiner Geburt 2.100 g. Die geburtshilflich erhobenen Apgar-Werte waren 5/7/8, die von dem schon vor der Geburt herbeigerufenen Pädiater festgestellten Werte 1/4/8. Der Kläger war schwer asphyktisch und wurde durch Intubation, Absaugen von Fruchtwasser, Beatmung wahrend 10 Minuten und Pufferung mit Natriumcarbonat reanimiert.

Der Kläger hat vorgetragen, zum einen seien entgegen zwingender Notwendigkeit bei der Aufnahme seiner Mutter erforderliche Befunde nicht erhoben worden. Zum anderen sei fehlerhaft trotz einer aus dem CTG ersichtlichen Notsituation statt einer zur intrauterinen Reanimation erforderlichen Gabe wehenhemmender Mittel ein Wehentropf zur Förderung des Geburtsfortschritts verabreicht worden.

Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen, das er in einer Größenordnung von 100.000 DM für angemessen halt.

Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 100.000 DM, das Oberlandesgericht ein solches von 50.000 DM zugesprochen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Beklagten haben sich der Revision angeschlossen, um eine vollständige Klagabweisung zu erreichen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Schmerzensgeld lediglich für die Schäden zu, die möglicherweise dadurch hervorgerufen worden seien, daß nicht eine dringend gebotene Schnittentbindung, sondern eine Zangenentbindung durchgeführt worden sei. Es hat einen groben Behandlungsfehler darin gesehen, daß trotz des pathologischen CTG, des Alters der Kindsmutter und des vorangehenden Teils im Beckeneingang keine intrauterine Reanimation mit nachfolgender Schnittentbindung erfolgt sei, durch die eine vorbestehende Asphyxie begrenzt worden wäre. Auch sei eine Wehenhemmung zwingend notwendig gewesen statt der Anlegung eines Wehentropfes. Die Beklagten könnten eine Verweigerung der Zustimmung zur Schnittentbindung durch die kurz nach der Geburt verstorbene Mutter nicht beweisen.

Nach den von der Rechtsprechung zur Umkehr der Beweislast nach groben Behandlungsfehlern entwickelten Grundsätzen hatten die Beklagten jedoch lediglich zu beweisen, da der grobe Behandlungsfehler nicht mitursächlich für die später aufgetretenen Entwicklungsstörungen gewesen sei, denn der Behandlungsfehler sei nach den Umständen geeignet gewesen, zu dem Gesundheitsschaden des Klägers beizutragen. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. sei aber zu entnehmen, es sei in hohem Maße unwahrscheinlich, daß der Behandlungsfehler den Gesundheitsschaden allein hervorgerufen habe. Infolgedessen seien die Beklagten nicht auch beweisbelastet dafür, daß der Behandlungsfehler nicht die alleinige Ursache der Störungen gewesen sei. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten beschränke sich daher auf die durch die Zangenentbindung statt der Schnittentbindung zusätzlich eingetretenen Entwicklungsstörungen. Die Schaden, die auch bei sachgerechter Durchführung der Geburt eingetreten wären, seien ihnen dagegen nicht zuzurechnen. Da ungeklärt sei und nicht weiter aufgeklart werden könne, in welchem Umfang die Beklagten zur Entstehung des Gesundheitsschadens beigetragen hätten, müsse sich der Umfang der Ersatzpflicht der Beklagten nach dem Maß der Wahrscheinlichkeit des ihnen zuzurechnenden Verursachungsanteils bemessen. Der pädiatrische Sachverständige habe hierzu ausgeführt, die Annahme einer gemischten intrauterinen und intranatalen Schädigung des Gehirns sei am ehesten wahrscheinlich, wobei der intranatalen Schädigung ein deutlich geringerer Anteil zukomme. Hiernach sei eine Belastung der Beklagten mit einer Ersatzpflicht von 1/4 angemessen. Dem entspreche unter den gegebenen Umständen ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 DM.

II. Gegen diese Erwägungen des Berufungsgerichts wendet sich die zugelassene Revision des Klägers mit Erfolg. Die Anschlußrevision der Beklagten bleibt dagegen ohne Erfolg.

A) Zur Revision des Klägers:

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß statt der Förderung der Wehen trotz eines hochpathologischen CTG die Verabreichung wehenhemmender Mittel zur intrauterinen Reanimation und nachfolgend eine Schnittentbindung statt der durchgeführten Zangengeburt aus medizinischer Sicht erforderlich gewesen waren, daß diese Versäumnisse eindeutig gegen bewahrte ärztliche Behandlungsregeln verstoßen hatten und daß sie als grobe Behandlungsfehler zu werten seien. Diese der Revision günstigen Erwägungen des Berufungsgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen.

2. Auf dieser Grundlage wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die Klage mit der Begründung zum Teil abgewiesen hat, es sei in hohem Maße unwahrscheinlich, daß allein die Geburtsleitung den Gesundheitsschaden verursacht habe, die Beklagten deshalb nur die Beweislast für das Fehlen einer denkbaren Mitverursachung der Entwicklungsstörung durch ihr Verhalten trügen und sich ihre Pflicht zum Schadensersatz auf die etwa dadurch zusätzlich eingetretenen Entwicklungsstörungen beschranke.

Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatzpunkt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon aus, daß infolge der grob fehlerhaften Geburtsleitung dem Kläger Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast zugute kommen können. Es verkennt aber, daß es zum Ausschluß der Beweislastumkehr für den gesamten Kausalzusammenhang nicht schon dann kommt, wenn die Alleinverursachung äußerst unwahrscheinlich ist, sondern nur dann, wenn jeglicher Ursachenbeitrag äußerst unwahrscheinlich ist. Denn die Mitursächlichkeit genügt, um dem Schädiger den gesamten Schaden zuzurechnen, wenn nicht feststeht, daß sie nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat. Allgemein können grobe Behandlungsfehler zu Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast auch dann führen, wenn sie die eingetretene Schädigung nur zusammen mit einer (eventuell sogar bereits vorhandenen) anderen, der Behandlungsseite nicht anzulastenden Ursache herbeizuführen geeignet sind. Beweiserleichterungen bis zu einer Beweispflicht der Behandlungsseite infolge eines groben Behandlungsfehlers sind der Ausgleich dafür, daß diese durch ihr fehlerhaftes Vorgehen das Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert und so eine Sachlage herbeigeführt hat, die nicht mehr erkennen läßt, ob das ärztliche Versagen oder eine andere Ursache (hier: eine intrauterine Vorschädigung) den schädigenden Erfolg herbeigeführt hat. Die Aufklärung des Behandlungsgeschehens ist dann in besonderer Weise erschwert worden. In einem solchen Fall kann der Arzt nach Treu und Glauben dem Patienten den (vollen) Kausalitätsbeweis nicht mehr zumuten. Das ist auch dann der Fall, wenn die Handlung des Schädigers den Schaden nicht abgrenzbar allein, sondern nur zusammen mit einer anderen Ursache (etwa der besonderen Befindlichkeit des Geschädigten aufgrund einer genetischen oder intrauterinen "Vorschädigung") herbeigeführt hat (sog. Gesamtkausalität, vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 - IX ZR 113/89 - NJW 199O, 2882, 2884 unter I 3.). Deshalb ist es gerechtfertigt, in diesen Fallen nicht abgrenzbarer Ursachenzusammenhänge die allgemein für das Arzthaftungsrecht bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers entwickelten Regeln für Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast anzuwenden.

Anderes gilt lediglich im Falle der sog. Teilkausalität (vgl. Senat, Urt. v. 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - LM § 27 (Ca) Nr. 11 unter II., v. 22. Oktober 1963 - VI ZR 187/62 VersR 1964, 49, 51 unter II. 3. b), BGH, Urt. v. 26. Mai 1952 - III ZR 73/51 - LM § 823 (C) Nr. 4), wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben. Von einem solchen Sachverhalt kann hier indessen nicht ausgegangen werden.

Das Berufungsgericht hat - gestützt auf das pädiatrische Gutachten - festgestellt, daß das fehlerhafte Vorgehen der Beklagten den Umständen nach geeignet war, zu dem Gesundheitsschaden des Klägers beizutragen. Das genügt, um zu Beweiserleichterungen für den Kläger bis zur Umkehr der Beweislast zu führen, darauf, ob ein bestimmter Verlauf nahe liegend ist, kommt es nicht an (vgl. Senatsurteil v. 29. März 1988 - VI ZR 185/87 - VersR 1988, 721, 722 unter II. 2.). Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast sind erst dann ausgeschlossen, wenn ein jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang "äußerst unwahrscheinlich" ist (vgl. dazu BGHZ 85, 212, 216 f. und die Senatsurteile v. 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80, 81 unter 2., vom 26. Oktober 1993 - VI ZR 155/92 - VersR 1994, 52, 53 und II. 2. c) bb), vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46, 47 unter II. 2. a), c), vom 24. September 1996 - VI ZR 303/95 unter II. 2. - zur Veröffentlichung bestimmt).

Die Beklagten haben wegen der Eignung ihres Fehlverhaltens zur Verursachung der Schädigung das Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert und die Aufklärung des Behandlungsgeschehens in besonderer Weise erschwert. Die Verursachung der Schädigung durch das Vorgehen der Beklagten ist nach den getroffenen Feststellungen zudem nicht äußerst unwahrscheinlich.

Abgrenzbare Ursachenzusammenhänge sind nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht festgestellt, daß einzelne Körper- oder Gesundheitsschaden des Klägers auch bei fehlerfreier Geburtsleitung in gleicher Weise entstanden waren oder daß eine intrauterine Schädigung infolge einer Plazentainsuffizienz zu einem Schaden des Klägers geführt hätte, auf den durch das Fehlverhalten der Beklagten abgrenzbar ein weiterer Schaden "aufgepfropft" worden wäre. Es bleibt daher dabei, daß den Beklagten die Beweislast in der Kausalitätsfrage nicht nur für das "Ob" der Kausalität, sondern auch für das Ausmaß der Ursächlichkeit des ärztlichen Handelns zufallt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts tragen die Beklagten damit die Beweislast auch hinsichtlich der Frage, ob bei dem Kläger Vorschädigungen vorgelegen haben, die bei einer Geburtsleitung nach fachärztlichem Standard zu abgrenzbaren Schaden des Klägers geführt hatten (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1970 - VI ZR 58/69 - VersR 1970, 839, 840 unter II. a.E.).

3. Bei dieser Sachlage war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Erst wenn die hiernach erforderlichen Feststellungen ergeben, daß der Kläger auch bei einwandfreier Geburtshilfe mit qualitativ näher bestimmbaren Schäden geboren worden wäre, stellt sich die Frage einer quantitativen Zerlegung des Gesamtschadens unter Anwendung der §§ 254 BGB, 287 ZPO (vgl. Senatsurteil v. 22. Oktober 1963 - VI ZR 187/62 - VersR 1964, 49, 51 unter II. 3. b) m.w.N., OLG Hamm, Urt. v. 7. Juni 1995 - 3 U 248/94, Nichtannahmebeschluß des Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 244/95). Hierbei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß eine Schatzung greifbare Anhaltspunkte benötigt und gesicherte Grundlagen voraussetzt, wie die Revision zu Recht rügt. Die gebotene weitere Verhandlung ermöglicht den Parteien und dem Berufungsgericht zudem, den von der Revision vorsorglich gerügten weiteren Behandlungsfehlern sowie den Auswirkungen der angeblich ungewöhnlich hohen Dosis des verabreichten Narkosemittels auf den Kläger nachzugehen.

B) Zur Anschlußrevision der Beklagten

Die Anschlußrevision der Beklagten erweist sich als unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat einen groben Behandlungsfehler darin gesehen, daß nicht eine dringend gebotene Schnittentbindung, sondern eine Zangenentbindung durchgeführt wurde. Eine intrauterine Reanimation mit nachfolgender Schnittentbindung sei bei der alteren Erstgebärenden, pathologischen CTG und dem vorangehenden Teil des Kindes im Beckeneingang zwingend erforderlich gewesen. Zur intrauterinen Reanimation sei statt der Anlegung eines Wehentropfes die Tokolyse notwendig gewesen.

Die Anschlußrevision halt dem entgegen, die Beklagten hatten sich schon wegen des Zeitdrucks richtigerweise für eine vaginale Entbindung entschieden: Eine zusammenfassende Würdigung der ärztlichen Entscheidung aus der Sicht "ex ante" schließe eine Bewertung der Geburtsleitung als fehlerhaft aus. Die Schnittentbindung sei um 12.00 Uhr eine Alternative, nicht aber zwingend geboten gewesen, auch könne eine Zustimmung der Mutter zur Schnittentbindung unter diesen Umständen nicht unterstellt werden.

Die Revision wendet sich insoweit gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Die Würdigung der Gutachten ist als Bestandteil der Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Solche Fehler legt die Revision nicht dar. Soweit die Revision vortragt, es sei zu erwarten gewesen, daß die Geburt aufgrund der nach seinem Gewicht zu erwartenden geringen Größe des Kindes schnell beendet sein würde, legt sie nicht dar, daß das Gewicht den Beklagten schon zum damaligen Zeitpunkt bekannt war, und läßt außer acht, daß die erforderliche intrauterine Reanimation durch Verabreichung eines wehenhemmenden Mittels einer schnellen vaginalen Entbindung entgegenstand.

Auch der übrige Vortrag der Revision läßt nicht erkennen, daß das Berufungsgericht bei der Bewertung der Geburtshilflichen Maßnahmen als grob fehlerhaft Sachvortrag oder Beweisergebnisse außer acht gelassen hat. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere nicht auf Befunde vor 12.00 Uhr abgestellt, so daß die Angriffe der Revision hierzu ins Leere gehen. Die Revision geht entgegen den Feststellungen des Berufungsgerichts unzulässigerweise (§ 561 ZPO) davon aus, daß die Mutter des Klägers unmittelbar nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus nach einem ersten CTG über 5, 5 Minuten keine Wehen hatte, d. h. noch Zeit für weitere Maßnahmen geblieben und insbesondere eine vaginale Entbindung nicht fehlerhaft gewesen sei. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, daß die erste geburtshilfliche Untersuchung für 12.00 Uhr dokumentiert, ein Aufnahme-CTG dagegen nicht dokumentiert ist. Damit aber ist zu Lasten der Beklagten davon auszugehen (vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 1983 - VI ZR 284/81 - VersR 1983, 983 unter II. 1., vom 18. März 1986 - VI ZR 215/84 - VersR 1986, 788, 790 unter II. 2. a. E.), daß ein solches Aufnahme-CTG (entgegen der Annahme der Revision) unterblieben ist.

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht als rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht aus dem nach seiner Ansicht vorliegenden groben Versäumnis der Beklagten bei der Geburtsleitung eine Umkehr der Beweislast für die Frage der Schadensursächlichkeit herleitet. Hierzu reicht aus, daß der Fehler zur Herbeiführung des Schadensbildes geeignet ist, der Fehler muß die Schädigung nicht unbedingt nahelegen oder wahrscheinlich machen. Das Berufungsgericht hat die Eignung der Behandlungsfehler der Beklagten zur (Mit-) Herbeiführung der Gesundheitsschädigungen des Klägers ohne Rechtsfehler bejaht, wie zur Revision des Klägers bereits ausgeführt ist.

a) Nicht gefolgt werden kann der Revision mit ihrer Ansicht, bei der Mutter des Klägers habe eine gravierende Plazentainsuffizienz vorgelegen. Eine solche Erkrankung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, sondern lediglich als Vortrag des Klägers erwähnt.

b) Ein Alkoholmißbrauch seitens der Mutter des Kindes ist nicht festgestellt. Die Revision trägt vor, daß ein Alkoholmißbrauch der Mutter in Frage stehe, obwohl die Beklagten vor dem Berufungsgericht ausgeführt hatten, es könne nicht aufgeklart werden, ob Alkoholmißbrauch bei der Mutter des Kindes vorgelegen habe. Das ist unzulässiger Tatsachenvortrag (§ 561 ZPO).

c) Vergeblich weist die Revision ferner darauf hin, da beim Kläger keine computertomographisch sichtbaren atrophischen Defekte des Gehirns vorliegen und auch Bruckensymptome in Form eines neurologischen Durchgangssymptoms sowie einer typischen Cerebralparese etwa im Sinne einer Spastik fehlten. Der pädiatrische Sachverständige hat diese Umstände sämtlich berücksichtigt. Er ist dennoch zu dem Ergebnis gelangt, daß am wahrscheinlichsten eine Schädigung des Gehirns wahrend der Geburt zusätzlich zu einer vorwiegend intrauterinen Schädigung sei, daß also die fehlerhafte Geburtshilfe mitursächlich war. Daraus aber sind Anhaltepunkte zugunsten der Revision dahin, die Geburtshilfe sei nicht zur (Mit-) Herbeiführung der Schaden geeignet gewesen, nicht zu entnehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993435

NJW 1997, 796

BGHR BGB § 823 Abs. 1 Arzthaftung 102

DRsp I(125)483c

DRsp IV(413)240Nr. 10f aa

MDR 1997, 147

VersR 1997, 362

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge