Leitsatz (amtlich)

a) der Haftung des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH aus culpa in contrahendo wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses oder Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens bei Vertragsverhandlungen, die er für die Gesellschaft führt,

b) der Verpflichtung des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH, die Vermögenslage der Gesellschaft bei Verhandlungen über Abschluß oder Fortführung von Verträgen zu offenbaren, und seiner Haftung nach § 826 BGB, wenn er diese Offenbarungspflicht verletzt.

 

Leitsatz (redaktionell)

  • Die Beteiligung des Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH an der von ihm vertretenen Gesellschaft reicht allein nicht aus, um seine Haftung aus Verhandlungsschulden wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen (vergleiche BGH, 1981-05-04, II ZR 193/80, ZIP 1981, 1076; BGH, 1984-01-25, VIII ZR 227/82, WM IV 1984, 475 und BGH, 1985-10-23, VIII ZR 210/84, ZIP 1986, 26 unter Klarstellung der sich auf geschäftsführende Allein- oder Mehrheitsgesellschafter beziehenden Rechtsprechung, vergleiche BGH, 1983-02-23, VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27; BGH, 1982-10-27, VIII ZR 187/81, ZIP 1982, 1435 und BGH, 1989-10-03, XI ZR 157/88, ZIP 1989, 1455).
  • Tritt der Geschäftsführer einer GmbH für die Gesellschaft in Vertragsverhandlungen ein, nimmt er grundsätzlich nur das normale Verhandlungsvertrauen in Anspruch, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist oder vorhanden sein sollte. Unterläßt er es, als Vertretungsorgan der Gesellschaft die für die Entscheidung des Vertragspartners maßgebenden Erklärungen abzugeben, verletzt er eine Pflicht der Gesellschaft, wofür allein diese einzustehen hat. Persönliches Vertrauen nimmt der Geschäftsführer nur dann in Anspruch, wenn er dem Verhandlungsgegner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam gewesen ist (vergleiche BGH, 1986-10-09, II ZR 241/85, ZIP 1987, 175; BGH, 1987-10-08, IX ZR 143/86, WM IV 1987, 1431 und BGH, 1988-10-11, X ZR 57/87, ZIP 1988, 1576).
  • Selbst wenn der Geschäftsführer einer GmbH eine nicht vorhandene Leistungsfähigkeit der Gesellschaft durch ausdrückliche Erklärungen vortäuscht und nicht nur unter Verletzung einer Offenbarungspflicht deren Leistungsfähigkeit verschweigt, wird dadurch lediglich das Vertrauen des Geschäftspartners in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, das Gegenstand der Verhandlung ist, enttäuscht. Erfüllt der Geschäftsführer seine Aufgabe, die Interessen der Gesellschaft im Rahmen der dieser zur Verfügung stehenden Rechte und der ihr obliegenden Pflichten wahrzunehmen, nicht ordnungsgemäß, weil er als Vertretungsorgan die der Gesellschaft gegenüber ihrem Verhandlungspartner obliegenden Pflichten durch positiv täuschendes Verhalten verletzt, trifft das wie bei der Unterlassung rechtlich gebotener Aufklärung die GmbH. Auch in Fällen der Täuschung durch aktives Handeln nimmt der Geschäftsführer persönliches Vertrauen nur dann in Anspruch, wenn er dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit seiner Erklärungen bietet, die für dessen Entscheidung bedeutsam geworden sind (vergleiche BGH, 1986-10-09, II ZR 241/85, ZIP 1987, 175 und 1987-10-08, IX ZR 143/86, WM IV 1987, 1431).
  • Verletzt der Geschäftsführer einer GmbH als deren vertretungsberechtigtes Organ die einer GmbH unter bestimmten Voraussetzungen obliegende Verpflichtung zur Offenbarung ihrer Vermögenslage, kann seine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß BGB § 826 in Betracht kommen (vergleiche BGH, 1971-03-31, VIII ZR 256/69, BGHZ 56, 73 77f; BGH, 1965-09-27, VII ZR 210/63, BB 1966, 53; 1974-05-14, VI ZR 8/73, NJW 1974, 371 und BGH, 1984-01-25, VIII ZR 227/82, WM IV 1984, 475). Eine Pflicht zur Offenbarung der wirtschaftlichen Lage einer GmbH wird dann angenommen, wenn die Durchführbarkeit des Vertrags bei Vorleistungspflicht des Vertragspartners durch Überschuldung der Gesellschaft von vornherein schwerwiegend gefährdet ist (vergleiche BGH, 1982-10-27, VIII ZR 187/81, ZIP 1982, 1435; BGH, 1984-01-25, VIII ZR 227/82, WM IV 1984, 475 und BGH, 1988-03-02, VIII ZR 380/86, ZIP 1988, 505) oder wenn die schlechte wirtschaftliche Lage zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet ist, insbesondere wenn bei Inanspruchnahme von Geld- und Warenkredit mit Rücksicht auf die bestehende Überschuldung zu erwarten ist, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung zahlungsunfähig sein wird (Zitate aus dem Schrifttum im Text).
 

Normenkette

BGB §§ 276, 826; GmbHG § 13

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 04.07.1990)

LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Juli 1990 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin hat in der Zeit von Dezember 1981 bis August 1982 Frachtleistungen für die „U. GmbH Internationale Spedition” in D. erbracht. Diese Gesellschaft, an welcher der Beklagte seit ihrer Gründung im Jahre 1976 als Gesellschafter mit einer Einlage, die 50 % des Stammkapitals von 20.000,– DM ausmachte, beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer er seit Mai 1980 war, ist am 19. Juni 1985 im Handelsregister gelöscht worden, nachdem die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens über ihr Vermögen abgelehnt und das Anschlußkonkursverfahren mangels Masse eingestellt worden war.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadenersatz in Höhe der von der „U. GmbH” nicht bezahlten restlichen Frachtforderungen, die sie für den Zeitraum von Dezember 1981 bis zum 28. April 1982 mit 246.000,– DM und für die Zeit vom 29. April bis August 1982 mit 42.601 – jeweils zuzüglich zum Teil kapitalisierter Zinsen – berechnet. Sie ist der Ansicht, der Beklagte hafte aus culpa in contrahendo, weil er sowohl bei dem Beginn der Geschäftsbeziehungen im Dezember 1981 als auch bei den Verhandlungen über Erlaß und Tilgung der rückständigen Forderungen und über die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen, die im April 1982 stattgefunden haben, als Geschäftsführer der Gesellschaft in besonderem Maße persönliches Vertrauen der Klägerin in Anspruch genommen und an dem Zustandekommen der Geschäftsverbindung sowie der Vereinbarung vom 29. April 1982 ein starkes eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt habe. Darüber hinaus habe er die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Er habe sie trotz der Inanspruchnahme von Wechselkredit über die desolate wirtschaftliche Lage der „U. GmbH” nicht aufgeklärt. Diese habe auch nicht saniert werden können. Bei den Verhandlungen im April 1982 habe der Beklagte über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der „U. GmbH” unrichtige Angaben gemacht bzw. durch den Mitgesellschafter T. machen lassen.

Die „U. GmbH” sei in höchstem Maße unterkapitalisiert gewesen. Der Beklagte hafte daher der Klägerin im Wege des Durchgriffs auch unter diesem Gesichtspunkt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin, die eine Verurteilung des Beklagten erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Da der Revisionsbeklagte im Verhandlungstermin vor dem Revisionsgericht trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81).

I.

Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Landgericht habe wesentlichen Sachvortrag der Klägerin übergangen, nach dem ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten als Geschäftsführer der „U. GmbH” aus culpa in contrahendo schlüssig dargelegt worden sei. Über weiteren erheblichen Sachvortrag der Parteien zu dieser Frage habe es die angebotenen Beweise nur unvollständig erhoben. Ansprüche aus unerlaubter Handlung hat es ebenso verneint wie eine Haftung des Beklagten aus einer qualifizierten Unterkapitalisierung der „U. GmbH”.

II.

Das Revisionsgericht ist grundsätzlich nicht gehindert, in eine sachliche Prüfung des geltendgemachten Anspruchs einzutreten und ihn gegebenenfalls zu verneinen, wenn sich die klagende Partei mit der Revision lediglich gegen eine vom Berufungsgericht erlassene kassatorische Entscheidung i.S. des § 539 ZPO wendet (Blomeyer, ZPR, 2. Aufl., § 99 II 4, S. 553; zur Prüfung der Sachfrage bei der Revision des Beklagten vgl. BGHZ, 31, 358, 363 f.; zur Sachabweisung bei einer Revision gegen ein Prozeßurteil vgl. BGHZ 12, 308, 316; 46, 281, 283).

Das Berufungsgericht hat zutreffend Schadenersatzansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG sowie §§ 263 und 283 Abs. 1 Nr. 7 a und b StGB verneint.

Das Berufungsgericht stellt fest, daß nach dem Vorbringen der Klägerin allein der ihr durch den Abschluß ihrer Verträge mit der „U. GmbH” entstandene Schaden, nicht aber der nach § 64 Abs. 1 GmbHG oder § 283 Abs. 1 Nr. 7 a und b StGB zu ersetzende, infolge Verzögerung der Konkurseröffnung eintretende Quotenschaden geltend gemacht worden ist (vgl. SenUrt. BGHZ 108, 134, 136 f., 139 f.). Die Revision hat dagegen keine förmliche Rüge erhoben.

Das Berufungsgericht führt ferner aus, die Klägerin habe für ihre vom Beklagten bestrittene Behauptung, die Einlagen seien entgegen den gegenüber dem Registergericht gemachten Angaben bei der Gründung der „U. GmbH” nicht geleistet worden (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG), keinen Beweis angeboten und sei damit beweisfällig geblieben. Auch dagegen hat die Revision keine Einwendungen erhoben.

Eine Schadenersatzverpflichtung wegen Eingehungsbetruges (§ 263 StGB) aus dem Abschluß der Frachtverträge hat es ebenfalls verneint. Gegen die zugrundeliegende tatsächliche Würdigung hat die Revision keine förmlichen Rügen erhoben.

III.

Das Berufungsurteil kann jedoch keinen Bestand haben, weil die Ausführungen des Berufungsgerichtes die von ihm zur Frage der Haftung des Beklagten aus culpa in contrahendo getroffene Entscheidung nicht tragen. Es hat verkannt, daß das Vorbringen der Klägerin nicht die an eine Vertreterhaftung bzw. die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH aus culpa in contrahendo zu stellenden rechtlichen Anforderungen erfüllt.

1. Grundsätzlich treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis den Vertretenen. Der Vertreter hat für die Verletzung dieser Pflichten nur ausnahmsweise persönlich einzustehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das insbesondere dann der Fall, wenn er entweder ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Durchführung des Rechtsgeschäftes hat – das wird in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 120, 249, 252 f.) gelegentlich auch damit umschrieben, er müsse dem Vertragsgegenstand besonders nahestehen und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleichsam in eigener Sache handeln – oder wenn er gegenüber dem Verhandlungspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (vgl. u.a. BGHZ 56, 81, 83 ff.; BGH, Urt. v. 23. Oktober 1985 – VIII ZR 210/84, ZIP 1986, 26; Urt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 241/85, ZIP 1987, 175, 176 f. = BGHR BGB vor § 1 – Verschulden bei Vertragsschluß, Sachwalterhaftung; Urt. v. 9. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, WM 1987, 1431, 1432; Urt. v. 16. Oktober 1987 – V ZR 153/86, WM 1987, 1466; Urt. v. 11. Oktober 1988 – X ZR 57/87, ZIP 1988, 1576 = BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – Vertreterhaftung 4; Urt. v. 3. April 1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659, 661 = BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – Vertreterhaftung 6). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für den eine GmbH vertretenden Geschäftsführer (BGHZ 87, 27; BGH, Urt. v. 4. Mai 1981 – II ZR 193/80, ZIP 1981, 1076, 1077; Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, ZIP 1982, 1435, 1436; Urt. v. 23. Oktober 1985 – VIII ZR 210/84, aaO; Urt. v. 3. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, WM 1987, 1431, 1432; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, ZIP 1988, 505 = BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – Vertreterhaftung 2; Urt. v. 5. Oktober 1988 – VIII ZR 325/87, ZIP 1988, 1543 = BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – Vertreterhaftung 3; Urt. v. 3. Oktober 1989 – XI ZR 157/88, ZIP 1989, 1455, 1457 = BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – GmbH-Geschäftsführer 1; Urt. v. 19. Februar 1990 – II ZR 41/89, BGHR BGB vor § 1, Verschulden bei Vertragsschluß – Vertreterhaftung 5). Davon ist das Berufungsgericht in seiner Entscheidung auch ausgegangen.

2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat es zutreffend ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Beklagten verneint. Denn die Beteiligung des Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH an der von ihm vertretenen Gesellschaft reicht allein nicht aus, um seine Haftung aus Verhandlungsverschulden wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen (BGH, Urt. v. 4. Mai 1981 – II ZR 193/80, aaO; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, WM 1984, 475, 477; Urt. v. 23. Oktober 1985 – VIII ZR 210/84, a.a.O. unter Klarstellung der sich auf geschäftsführende Allein- oder Mehrheitsgesellschafter beziehenden Rechtsprechung, vgl. BGHZ 87, 27 und Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, aaO; vgl. auch Urt. v. 3. Oktober 1989 – XI ZR 157/88, aaO).

Ein darüber hinausgehendes haftungsbegründendes Eigeninteresse des Beklagten ist nicht dargetan (vgl. zu diesen Voraussetzungen u.a. BGH, Urt. v. 3. Oktober 1987 – XI ZR 143/80, aaO; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO; Urt. v. 3. Oktober 1989 – XI ZR 157/88, aaO).

3. Das Berufungsgericht meint ferner, nach dem Vortrag der Klägerin sei das Tatbestandsmerkmal der in besonderem Maße erfolgten Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch den Beklagten erfüllt. Das ist jedoch nicht der Fall.

a) Die Klägerin hat dazu ausgeführt, der Beklagte sei als Geschäftsführer der „U. GmbH” verpflichtet gewesen, die bei Anknüpfung der Geschäftsbeziehungen im November 1981 bereits bestehende Überschuldung dieser Gesellschaft gegenüber der Klägerin zu offenbaren, weil diese sich zur Vorleistung verpflichtet und der „U. GmbH” ein Zahlungsziel von 30 Tagen eingeräumt habe. Der Beklagte habe bei den Verhandlungen im November 1981 in besonderem Maße persönliches Vertrauen der Klägerin in Anspruch genommen, weil zwischen dieser und der „U. GmbH” bereits von Dezember 1979 bis September 1980 in erheblichem Umfange Frachtaufträge reibungslos abgewickelt worden seien.

Die Frage nach den Voraussetzungen, unter denen gegenüber dem Vertragspartner eine Pflicht zur Offenbarung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer GmbH anzunehmen ist, wird unterschiedlich beantwortet (vgl. dazu u.a. BGHZ 87, 27, 34; BGH, Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, aaO; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO; Ulmer in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdn. 66; ders. NJW 1983, 1577, 1578 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 5 c, S. 817; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. § 43 Rdn. 27; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdn. 34). Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es an dieser Stelle jedoch nicht. Soweit aufgrund der dargelegten Umstände eine Offenbarungspflicht bestand, traf diese im Verhältnis zur Klägerin nicht den Beklagten. Vielmehr handelte es sich um eine Pflicht der Gesellschaft, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer in ihrem Namen zu erfüllen hatte. Die Folgen ihrer Nichterfüllung trafen demgemäß die „U. GmbH” und nicht den Beklagten.

Tritt der Geschäftsführer einer GmbH für die Gesellschaft in Vertragsverhandlungen ein, nimmt er grundsätzlich nur das normale Verhandlungsvertrauen in Anspruch, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist oder vorhanden sein sollte. Unterläßt er es, als Vertretungsorgan der Gesellschaft die für die Entscheidung des Vertragspartners maßgebenden Erklärungen abzugeben, verletzt er eine Pflicht der Gesellschaft, wofür allein diese einzustehen hat. Bei dieser Sachlage ist dann auch lediglich das Verhandlungsvertrauen enttäuscht worden, das im Verhältnis zwischen Vertragspartner und Gesellschaft besteht oder bestehen sollte (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 241/85, aaO; Urt. v. 3. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, WM 1987, 1431, 1432; Urt. v. 11. Oktober 1988 – X ZR 57/87, aaO; Medicus, FS Steindorff, 1990, S. 725, 740; Brandner, FS Werner, 1984, S. 53, 65).

Persönliches Vertrauen nimmt der Geschäftsführer nur dann in Anspruch, wenn er dem Verhandlungsgegner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam gewesen ist (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 241/85, aaO; Urt. v. 8. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, aaO; Urt. v. 11. Oktober 1988 – X ZR 57/87, aaO; Medicus, FS Steindorff, aaO; Steininger, Die Haftung des Geschäftsführers und/oder des Gesellschafter-Geschäftsführers aus culpa in contrahendo bei wirtschaftlicher Bedrängnis der Gesellschaft mbH, 1986, 87 ff.).

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, daß der Beklagte bei den Verhandlungen im November 1981 eine solche zusätzliche persönliche Gewähr übernommen hat. Sie ist insbesondere nicht dadurch begründet worden, daß zwischen der Klägerin und der „U. GmbH” bereits von Dezember 1979 bis September 1980 geschäftliche Beziehungen bestanden haben und in dieser Zeit eine erhebliche Anzahl von Frachtaufträgen ohne Beanstandungen und Schwierigkeiten abgewickelt worden ist. Die Klägerin konnte aufgrund des Ablaufs dieser Geschäftsverbindung nur darauf vertrauen, daß die ab Dezember 1981 angebahnten Geschäfte mit der „U. GmbH” ebenso reibungslos ablaufen würden wie die in den Jahren 1979/1980 erteilten Frachtaufträge und daß die „U. GmbH”, soweit diese Erwartung nicht gerechtfertigt war, dies durch den Beklagten als ihren Geschäftsführer offenbaren würde (vgl. Steininger, a.a.O. S. 37 f. m.w.N. in Fn. 38). Etwas anderes folgt auch nicht aus den von der Klägerin angeführten Urteilen des Bundesgerichtshofes. Der VIII. Zivilsenat geht in diesen Entscheidungen ersichtlich nur deswegen von einer dem Geschäftsführer persönlich obliegenden Offenbarungspflicht aus, weil einmal bereits aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen ein persönliches Vertrauensverhältnis gegeben war (BGHZ 87, 27, 33 f.; vgl. dazu Ulmer, NJW 1983, 1577, 1579; Medicus, a.a.O. S. 736; Steininger, a.a.O. S. 93 f.) und zum anderen ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorlag (Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, aaO; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO). Das wird in dem Urteil vom 5. April 1967 (VIII ZR 82/64, WM 1967, 481) auch noch einmal ausdrücklich hervorgehoben.

b) Die Klägerin ist weiter der Ansicht, für die Zeit nach Abschluß des Vergleichs vom 29. April 1982 habe der Beklagte ferner deswegen persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, weil er unrichtige Angaben über die finanzielle Lage der „U. GmbH” gemacht und deren Zahlungswillen bekräftigt habe. Er habe unter Vorlage der mit anderen Gläubigern getroffenen Vereinbarungen dem Verhandlungsbevollmächtigten der Klägerin in der Verhandlung vom 19. April 1982 erklärt, eine Anmeldung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens durch die „U. GmbH” sei unumgänglich, wenn sich die Klägerin zu einer derartigen Erlaß- und Stundungsvereinbarung nicht bereit finde. Erkläre sich die Klägerin dazu bereit, könne die „U. GmbH” weiterarbeiten und alle Verschiffungen in Zukunft voll bezahlen. Er habe vier Schecks über bfr 905.626 mit dem Bemerken übergeben, damit werde der Zahlungswille der GmbH dokumentiert. Der von dem Beklagten bevollmächtigte Mitgesellschafter T. habe in der Verhandlung vom 27. April 1982 darauf hingewiesen, die finanziellen Schwierigkeiten der „U. GmbH” seien kurzfristig durch den Konkurs britischer Kunden hervorgerufen worden. Durch den Abschluß von Vergleichen mit ihren wichtigsten Gläubigern könne die Gesellschaft die Schwierigkeiten binnen kurzer Zeit meistern. Er habe einen detaillierten Zahlungsplan der Gesellschaft über die Erfüllung der aus Altforderungen herrührenden Vergleichsquoten vorgelegt. Die Klägerin habe daraufhin davon abgesehen, weitere Frachtaufträge nur gegen Vorkasse auszuführen. In Wirklichkeit habe aber schon damals festgestanden, daß die Gesellschaft zur Einhaltung dieser Verpflichtungen nicht in der Lage gewesen sei. Auch aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, daß der Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen der Klägerin in Anspruch genommen hat.

Selbst wenn der Geschäftsführer einer GmbH eine nicht vorhandene Leistungsfähigkeit der Gesellschaft durch ausdrückliche Erklärungen vortäuscht und nicht nur unter Verletzung einer Offenbarungspflicht deren Leistungsunfähigkeit verschweigt, wird dadurch lediglich das Vertrauen des Geschäftspartners in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, das Gegenstand der Verhandlungen ist, enttäuscht. Die Aufgabe des Geschäftsführers in derartigen Verhandlungen beschränkt sich darauf, die Interessen der Gesellschaft im Rahmen der dieser zur Verfügung stehenden Rechte und der ihr obliegenden Pflichten wahrzunehmen. Erfüllt er diese Aufgabe nicht ordnungsgemäß, weil er als Vertretungsorgan die der Gesellschaft gegenüber ihrem Verhandlungspartner obliegenden Pflichten durch positiv täuschendes Verhalten verletzt, trifft das wie bei der Unterlassung rechtlich gebotener Aufklärung die GmbH. Er macht daher auch lediglich diese haftbar (Medicus, FS Steindorff a.a.O. S. 734 ff.; Brandner, FS Werner a.a.O. S. 64 f.). Auch in den Fällen der Täuschung durch aktives Handeln nimmt der Geschäftsführer persönliches Vertrauen nur dann in Anspruch, wenn er dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit seiner Erklärungen bietet, die für dessen Entscheidung bedeutsam geworden ist (vgl. SenUrt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 241/85, aaO; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, aaO; Medicus, FS Steindorff aaO; Brandner, FS Werner aaO).

Aus dem Verhalten des Beklagten in der am 19. April 1982 geführten Verhandlung läßt sich die Übernahme einer solchen persönlichen Gewähr durch ihn nicht entnehmen. Er hat alle von ihm abgegebenen Erklärungen auf die „U. GmbH” bezogen: Bei Zustandekommen einer Erlaß- und Stundungsvereinbarung könnten die Gesellschafter weiterarbeiten und die künftigen Verschiffungen vollständig bezahlen. Mit der Übergabe der Schecks werde der Zahlungswille der GmbH dokumentiert. Auch die von dem Mitgesellschafter T. im Verhandlungstermin vom 27. April 1982 abgegebenen Erklärungen, die der Beklagte entsprechend § 278 BGB gegen sich gelten lassen muß (BGHZ 56, 81, 85), gehen über die Inanspruchnahme von Verhandlungsvertrauen durch die Gesellschaft nicht hinaus. Denn hier war von finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft die Rede, die durch den Abschluß von Vergleichen mit ihren wichtigsten Gläubigern kurzfristig behoben werden könnten. Es ist ein detaillierter Zahlungsplan der Gesellschaft vorgelegt worden.

In der Literatur wird zwar, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, die Ansicht vertreten, durch die Abgabe objektiv unrichtiger Erklärungen über die finanzielle Lage der Gesellschaft nehme der Geschäftsführer in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch (Ulmer in Hachenburg a.a.O. § 64 Rdn. 67; Anh. § 30 Rdn. 27; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, a.a.O. § 64 Rdn. 32). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Soweit diese Ansicht auf die bereits genannten Entscheidungen des VIII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes (BGHZ 87, 27; BGH, Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, aaO; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, a.a.O. und Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO) gestützt wird, wird sie davon, wie bereits im einzelnen ausgeführt, nicht getragen. Ulmer (a.a.O. § 64 Rdn. 67) begründet diese Ansicht mit einer Sachwalterstellung des Geschäftsführers. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß auch der Sachwalter nur dann persönlich haftet, wenn er dem Verhandlungsgegner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den Willensentschluß des anderen Teils maßgebend gewesen ist (SenUrt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 241/85, aaO). Das ist aber im vorliegenden Falle nicht ersichtlich. Daß bei dem Beklagten eine außergewöhnliche Sachkunde oder eine besondere Zuverlässigkeit vorhanden und in den Verhandlungen in Erscheinung getreten wäre, auf welche die Klägerin gebaut hat (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 8. Oktober 1987 – IX ZR 143/86, aaO), ist ebenfalls nicht erkennbar.

Eine Haftung des Beklagten aus culpa in contrahendo scheidet daher aus Rechtsgründen aus.

IV.

Die Revision macht jedoch zu Recht geltend, daß sich der von der Klägerin verfolgte Schadenersatzanspruch schlüssig aus § 826 BGB ergibt.

1. Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils setzen sich mit dieser Vorschrift nicht ausdrücklich auseinander. Sie enthalten lediglich die allgemeine Bemerkung, das Landgericht habe zu Recht entschieden, daß die Klägerin von dem Beklagten keinen Schadenersatz aus unerlaubter Handlung verlangen könne. Das Landgericht hat ein die Klägerin schädigendes sittenwidriges Verhalten des Beklagten mit der Begründung verneint, er sei zur Offenbarung der wirtschaftlichen Situation der „U. GmbH” nicht verpflichtet gewesen, weil zwischen dieser und der Klägerin keine langjährige Geschäftsverbindung bestanden habe. Für die Zeit nach dem 29. April 1982 fehle es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin dazu, ob und unter welchen Umständen ihr der Beklagte persönlich Aufträge erteilt habe. Da die „U. GmbH” nach dem 7. Juli 1982 die vereinbarten Zahlungen per Scheck nicht mehr geleistet habe, treffe die Klägerin ein jeden Schadenersatzanspruch ausschließendes Mitverschulden, soweit sie danach noch Frachtaufträge ausgeführt habe.

2. Ein Begründungsmangel des Berufungsurteils i.S. des § 551 Nr. 7 ZPO liegt in der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils nicht. Sie kann im Hinblick auf die in § 543 Abs. 1 ZPO getroffene Regelung noch hingenommen werden (BGH, Urt. v. 14. Juli 1987 – IX ZR 13/87, NJW-RR 1987, 1403; Urt. v. 17. Januar 1985 – VII ZR 257/83, NJW 1985, 1784, 1785).

3. Das Berufungsurteil kann jedoch auch insoweit keinen Bestand haben, weil die wiedergegebenen Ausführungen rechtlich nicht haltbar sind.

a) Eine Verpflichtung zur Offenbarung der Vermögenslage bei Verhandlungen über Abschluß oder Fortführung von Verträgen besteht dann, wenn dem Vertragspartner unbekannte Umstände vorliegen, die ihm nach Treu und Glauben bekannt sein müssen, weil sein Verhalten bei den Vertragsverhandlungen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen davon wesentlich beeinflußt werden (BGH, Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO). Sie ist für den Fall angenommen worden, daß der Verhandelnde weiß oder wissen muß, daß er zur Erfüllung der begründeten Verbindlichkeiten z.B. bei Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage ist (BGHZ 87, 27, 34; BGH, Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO). Ist der Vertragspartner wie vorliegend eine GmbH, also eine Kapitalgesellschaft, wird es als ausreichend angesehen, wenn die Durchführbarkeit des Vertrages bei Vorleistungspflicht des Vertragspartners durch Überschuldung der Gesellschaft von vornherein schwerwiegend gefährdet ist (BGH, Urt. v. 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81, aaO; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO; Urt. v. 2. März 1988 – VIII ZR 380/86, aaO; Lutter/Hommelhoff, a.a.O. § 43 Rdn. 27; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, 7. Aufl., § 43 Rdn. 227; K. Schmidt, a.a.O. S. 817). Von anderer Seite wird hingegen verlangt, die schlechte wirtschaftliche Lage müsse zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sein, insbesondere müsse bei Inanspruchnahme von Geld- oder Warenkredit mit Rücksicht auf die bestehende Überschuldung zu erwarten sein, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung zahlungsunfähig sein wird (Ulmer in Hachenburg, a.a.O. § 64 Rdn. 66; ders. NJW 1983, 1577, 1579 f.; ders. GmbH-Rundschau 1984, 256, 264; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, a.a.O. § 64 Rdn. 24).

Nach dem Vortrag der Klägerin lagen die Voraussetzungen für eine Offenbarung der wirtschaftlichen Lage durch die „U. GmbH” nach beiden Ansichten vor: Eine Überschuldung der Gesellschaft im November/Dezember 1981 hat sie insbesondere unter Hinweis auf den Inhalt der Konkursakten 67 N 297/82, die Einzelheiten des vom Konkursverwalter erstatteten Berichts vom 10. November 1982, die Bilanzen der Gesellschaft sowie mit der Behauptung dargelegt, die Gesellschaft sei ohne Stammkapital, ins Leben getreten. Soweit die Klägerin behauptet, die „U. GmbH” sei auf jeden Fall mit Verbindlichkeiten ins Leben getreten, die den Betrag des Stammkapitals überschritten hätten, kann diesem Gesichtspunkt im Hinblick auf die Differenzhaftung der Gründer-Gesellschafter (vgl. BGHZ 80, 129, 141 ff.) allerdings regelmäßig für eine Haftung gemäß § 826 BGB keine Bedeutung zukommen.

Es sei auch zu erwarten gewesen, daß die „U. GmbH” in dem Zeitpunkt, in dem die Forderungen nach Vorleistung durch die Klägerin fällig würden, ihrer Zahlungspflicht nicht mehr habe nachkommen können. Denn sie sei während der Vertragsverhandlungen und in der Folgezeit gezwungen gewesen, Erlaß- und Stundungsvereinbarungen mit ihren wesentlichen Gläubigern zu treffen, weil sie deren Forderungen nicht mehr habe bezahlen können.

Der von dem Landgericht als allein maßgebend erachtete Gesichtspunkt der langjährigen Geschäftsbeziehung kann zwar als ein für die Entscheidung maßgebender Umstand Bedeutung erlangen; er ist aber keine allgemein unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen einer Aufklärungspflicht.

Die einer GmbH obliegende Offenbarungspflicht hat ihr Geschäftsführer als ihr vertretungsberechtigtes Organ zu erfüllen. Verletzt er diese Pflicht, kann seine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB in Betracht kommen (vgl. u.a. BGHZ 56, 73, 77 f.; BGH, Urt. v. 27. September 1965 – VII ZR 210/63, BB 1966, 53; Urt. v. 14. Mai 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 371, 372; Urt. v. 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82, aaO; RGRK-Steffen, 12. Aufl. § 826 Rdn. 46, 48; Soergel/Hönn, 11. Aufl., § 826 Rdn. 80, 116; Erman/Schiemann, 8. Aufl. § 826 Rdn. 17). Zwar scheidet ein Verstoß gegen die guten Sitten dann aus, wenn der für die Stellung des Konkursantrages verantwortliche Geschäftsführer den Antrag unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach als überwindbar und daher Bemühungen um ihre Behebung durch einen Sanierungserfolg als berechtigt ansehen durfte (BGHZ 108, 134, 144 m.w.N.). Das ist nach dem Vortrag der Klägerin jedoch nicht der Fall gewesen.

Die Klägerin hat auch, wie die Revision zutreffend ausführt, die einzelnen Umstände dargelegt, aus denen sich ergibt, daß der Beklagte die Gesellschaftsgläubiger mit bedingtem Vorsatz insbesondere auch schon bei Beginn der Vertragsverhandlungen geschädigt hat.

b) Eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin kann für die Zeit nach Abschluß des Vergleichs vom 29. April 1982 nicht mit der Begründung verneint werden, die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, ob und unter welchen Umständen ihr der Beklagte persönlich Aufträge erteilt habe. Die Klägerin hat behauptet, die in den Verhandlungen vom 19. und 27. April 1982 abgegebenen oben bereits wiedergegebenen Erklärungen stammten entweder vom Beklagten selbst oder von seinem Mitgesellschafter T., der in Abstimmung mit dem Beklagten und auf dessen Weisung hin gehandelt habe. Dieser habe auch das von T. verfaßte Fernschreiben vom 14. Juni 1982 gekannt und gebilligt, in dem die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Gesellschaft versichert werden.

Die Behauptungen der Klägerin zur Sittenwidrigkeit und zum bedingten Vorsatz des Beklagten sind auch hier zu berücksichtigen.

Die Annahme eines jeden Schadenersatzanspruch der Klägerin ausschließenden Mitverschuldens i.S. des § 254 Abs. 1 BGB ist rechtsfehlerhaft. Denn fahrlässiges Verhalten des Geschädigten, wie es hier zu Lasten der Klägerin offensichtlich zugrunde gelegt worden ist, hat gegenüber vorsätzlichem Handeln des Schädigers grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben (BGHZ 98, 148, 158 m.w.N.; BGH, Urt. v. 6. Dezember 1983 – VI ZR 60/82, VersR 1984, 191 f.).

V.

Aus den vorstehenden Gründen konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird das Vorbringen der Parteien unter Beachtung der dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag durch die Parteien – erneut zu würdigen und erforderlichenfalls die angebotenen Beweise zu erheben haben.

Mit Rücksicht auf diesen Verfahrensstand sieht der Senat zur Zeit davon ab, zu der von den Parteien, der Revision und den Instanzgerichten erörterten Frage Stellung zu nehmen, ob im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung eine Haftung des zu 50 % an der „Unid-Sped GmbH” beteiligten Beklagten auch deswegen in Betracht gezogen werden kann, weil bei der Gesellschaft eine „qualifizierte Unterkapitalisierung” vorgelegen habe.

 

Unterschriften

Boujong, Brandes, Dr. Henze, Stodolkowitz, Dr. Goette

 

Fundstellen

Haufe-Index 648023

BB 1991, 1587

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1991, 1140

JuS 1991, 1059

GmbHR 1991, 409

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