Leitsatz (amtlich)

›Die Verteilung der Darlegungslast bei der Anwendung des Gesetzes über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 25. März 1982 richtet sich nach der Grundregel, nach der der Kläger die seinen Anspruch begründenden Tatsachen, der Beklagte gegebenenfalls die rechtshindernden und rechtszerstörenden Tatsachen vortragen muß.‹

 

Verfahrensgang

BezirksG Dresden

 

Tatbestand

Die Parteien sind Rechtsnachfolger von volkseigenen Betrieben in der früheren DDR. Vorgänger der Klägerin, einer GmbH, ist der VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde; die Beklagte, eine AG, ist Rechtsnachfolgerin des VEB Braunkohlenveredlung Espenhain. Der VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde hatte gemäß Vertrag vom 13. Januar/3. März 1987 dem VEB Braunkohlenveredlung Espenhain drei Tanks für ein Teertanklager in dessen Betrieb in Böhlen zu liefern. Der erste Tank wurde im Dezember 1989 geliefert.

Mit Beschluß vom 8. Februar 1990 (Nr. 13/6/90) erklärte der Ministerrat der DDR, daß die von einer Regierungskommission ausgearbeitete "Konzeption zur Senkung der Umweltbelastung durch die Betriebe Espenhain, Böhlen, Deuben, Rositz und Webau" - Stillegung aller karbochemischen Anlagen bis Dezember 1991 - zustimmend zur Kenntnis genommen werde. Hinsichtlich der Finanzierung der Stillegungen wurde in Nr. 5 dieses Beschlusses bestimmt:

"Die Aufwendungen für die Stillegung von Anlagen im VEB Braunkohlenveredlung Espenhain, der Schwelerei Deuben sowie in der chemischen Industrie, die Kosten für die Altlastenentsorgung und für die Sanierung von Umweltschäden, die zusätzlichen Kosten für die Qualifizierung und Abfindung der Werktätigen sind unter Berücksichtigung der Kosteneinsparungen bei Einstellung des Betriebes als Stillegungskosten zu planen und aus dem Staatshaushalt zu finanzieren."

Im Hinblick auf diesen Beschluß teilte der VEB Braunkohlenveredlung Espenhain dem VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde bei einer Besprechung am 18. Mai 1990 und anschließend mit Fernschreiben vom 21. Mai 1990 mit, daß von den beiden ausstehenden Tanks nur noch einer fertiggestellt werden sollte. Hinsichtlich des dritten Tanks begehrte der VEB Braunkohlenveredlung Espenhain die Aufhebung des Vertrags vom 13. Januar/3. März 1987, der der VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde zustimmte.

Dieser hat u.a. gemäß § 79 des Gesetzes über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 25. März 1982 (GBl. DDR I S. 293) (VertragsG) hinsichtlich des dritten Tanks Aufwendungsersatz geltend gemacht. Der VEB Braunkohlenveredlung Espenhain hat einen solchen Aufwendungsersatz abgelehnt, jedoch einen Teilbetrag für schon erbrachte Leistungen anerkannt.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 1. August 1990 neben anderen Beträgen, die sich im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erledigt haben, hinsichtlich des dritten Tanks Aufwendungsersatz in Höhe von 256. 274 DM eingeklagt. Die Kammer für Handelssachen des Kreisgerichts Leipzig-Stadt hat der Klage mit Urteil vom 19. November 1990 stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat der Senat für Handelssachen des Bezirksgerichts Dresden zurückgewiesen. Ferner hat er die Beklagte auf die Anschlußberufung der Klägerin verurteilt, an diese 4 % Zinsen aus 256.274 DM seit 26. Juni 1990 zu zahlen. Wegen eines weitergehenden Zinsanspruchs hat der Senat für Handelssachen des Bezirksgerichts Dresden die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt, soweit das Berufungsgericht zur Höhe des Anspruchs zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Soweit das Berufungsgericht den geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach bejaht hat, läßt dies keine Rechtsfehler erkennen. Hingegen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Anspruchshöhe der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

I. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, für die Rechtsbeziehungen der Parteien sei das Vertragsgesetz maßgebend, da der Vertragsschluß vor dem 1. Juli 1990 erfolgt sei. Danach sei die Beklagte der Klägerin hinsichtlich des dritten Tanks gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Der Ministerratsbeschluß vom 8. Februar 1990 enthalte keine Regelung der Frage, wer von zwei beteiligten Betrieben im Verhältnis untereinander zur Kostentragung hinsichtlich entstandener Aufwendungen verpflichtet sei. Es könne dahingestellt bleiben, inwieweit die Nichtabnahme des dritten Tanks durch den VEB Braunkohlenveredlung Espenhain eine unmittelbare, zwingende Folge dieses Ministerratsbeschlusses gewesen sei. Auch wenn der diesbezügliche Vortrag der Beklagten zugrunde gelegt werde, sei deren Aufwendungsersatzpflicht gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG nicht zu verneinen, da der Ministerratsbeschluß wegen der umweltbelastenden und gesundheitsschädlichen Auswirkungen der karbochemischen Produktion im Betrieb der Beklagten ergangen sei.

2. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Soweit die Revision Fehler des Tatbestands des Berufungsurteils sowie des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 1991 rügt, hat der Senat diese Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 565 a ZPO.

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht von der Weiteranwendung des Vertragsgesetzes der früheren DDR ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1993 - VII ZR 24/92II ZR 24/92VII ZR 24/92II ZR 24/92, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, unter II. 2. näher ausgeführt hat, ist dieses Gesetz auf vor dem 1. Juli 1990 zwischen ehemaligen volkseigenen Betrieben geschlossene Wirtschaftsverträge auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich weiter anzuwenden.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Ministerratsbeschluß vom 8. Februar 1990 keine anderweitige Regelung im Sinne von § 79 Abs. 1 Satz 2 VertragsG enthält. Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. a) cc) näher dargelegt, daß dieser Ministerratsbeschluß unbeschadet der Rechtsnormqualität, die ihm nach dem Recht der DDR zukam, keine Regelung des Aufwendungsersatzes im Verhältnis vertraglich gebundener volkseigener Betriebe untereinander enthält. Daran ist festzuhalten.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG dem Grunde nach bejaht. Nach den in der früheren DDR maßgeblichen Grundsätzen, die insoweit keinen rechtsstaatlichen Bedenken begegnen und von denen deshalb auch der Senat bei der Anwendung des Vertragsgesetzes auf Altfälle ausgeht, war Aufwendungsersatz nicht abhängig von der Verantwortlichkeit (Kommentar zum Vertragsgesetz, Autorenkollektiv Enzmann u.a., 2. Aufl., 1989, § 79 Anm. 1; Jänkel, WR 3/1978, Beilage S. I). Wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. a) dd) näher ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Ministerratsbeschluß vom 8. Februar 1990 nicht um eine vom Betrieb der Beklagten losgelöste volkswirtschaftliche Entscheidung, sondern um eine Entscheidung, die auf die umweltbelastenden und gesundheitsschädlichen Auswirkungen der karbochemischen Produktion im Betrieb der Beklagten zurückzuführen ist. Der Ministerratsbeschluß vom 8. Februar 1990 hat seine Wurzeln im Bereich des Betriebs der Beklagten. Die zur Vertragsaufhebung führenden Umstände sind der Beklagten daher auch dann zurechenbar, wenn, wie in der Revisionsinstanz zu unterstellen ist, die Nichtabnahme des dritten Tanks unmittelbare, zwingende Folge dieses Ministerratsbeschlusses war. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 565 a ZPO.

e) Nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt eine Freistellung der Beklagten von der Aufwendungsersatzverbindlichkeit nach § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG entgegen der Ansicht der Revision nicht in Betracht. Allerdings ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. c) aa) und bb) näher ausgeführt hat, das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auch auf vor dem 1. Juli 1990 in der DDR entstandene vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden. Im vorliegenden Fall begründen indes weder die Stillegung der karbochemischen Anlagen infolge des Ministerratsbeschlusses vom 8. Februar 1990 noch der Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft der DDR zur sozialen Marktwirtschaft den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

aa) Ob der Fortbestand der karbochemischen Produktion im Betrieb Böhlen überhaupt Geschäftsgrundlage für den zwischen den Vorgängern der Parteien im Jahr 1987 geschlossenen Vertrag über die Lieferung der Tanks war, kann dahinstehen. Eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht, wenn eine gesetzliche Regelung ein bestimmtes Risiko abschließend regelt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. c) cc) (1) m.N.). So liegt der Fall hier. § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG weist jedem Partner eines Wirtschaftsvertrags das Risiko zu, daß die Aufhebung des Vertrags auf Umstände in seinem jeweiligen Bereich zurückzuführen ist, und knüpft hieran die Pflicht zum Aufwendungsersatz. Diese Vorschrift enthält insoweit eine abschließende Risikoregelung, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausschließt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993 - VII ZR 24/92II ZR 24/92VII ZR 24/92II ZR 24/92 aaO unter III. 2. c) cc) (1)).

bb) Auch der Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft im Jahr 1990 begründet den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im vorliegenden Fall nicht. Dieser Übergang begründet, wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. c) cc) (2) näher dargelegt hat, jedenfalls dann nicht den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bezüglich eines zwischen volkseigenen Betrieben in der früheren DDR vor dem 1. Juli 1990 geschlossenen Wirtschaftsvertrags, wenn er keine einschneidende Änderung zu Lasten einer Seite bewirkt, sondern nur dazu führt, daß eine der kraft Umwandlung aus den volkseigenen Betrieben entstandenen Kapitalgesellschaften ihre marktwirtschaftliche Existenz mit Altschulden beginnt, die bereits bei ihrem Vorgängerbetrieb unter der Geltung des planwirtschaftlichen Systems entstanden sind. So liegt der Fall hier. Die Vertragsaufhebung mit der Folge der Aufwendungsersatzpflicht nach § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG erfolgte im vorliegenden Fall im Frühjahr 1990, bevor der Wandel des Wirtschaftssystems eintrat.

f) Eine Freistellung der Beklagten von der Aufwendungsersatzverbindlichkeit nach § 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG ist entgegen der Ansicht der Revision schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Weder das Grundgesetz noch das in Anlehnung an das Grundgesetz im Jahr 1990 reformierte Verfassungsrecht der DDR gebieten eine Korrektur der Risikoverteilung, die sich nach dem Vertragsgesetz (§ 79 Abs. 1 Satz 1 VertragsG) ergibt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993 aaO unter III. 2. d)).

II. 1. Das Berufungsgericht hält den Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin auch der Höhe nach für begründet. Die Beklagte habe insoweit in erster Instanz und auch noch in der Berufungsbegründung keine Einwendungen erhoben. Erst in zwei unmittelbar vor der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen habe sie geltend gemacht, daß es der Klägerin zumutbar gewesen wäre, die angefertigten Teile ganz oder teilweise anderweitig zu verwerten, und die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen bestritten. Der Vortrag zu einer anderweitigen Verwertungsmöglichkeit sei nicht hinreichend substantiiert und daher prozessual unbeachtlich. Gemäß § 528 Abs. 2 ZPO sei das Bestreiten der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen als verspätet zurückzuweisen. Daß die Beklagte sich erst jetzt gegen die behauptete Aufwendungshöhe wende, beruhe auf grober Nachlässigkeit. Die Berücksichtigung dieses Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.

2. Dies hält den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht die Verteilung der Darlegungslast bei § 79 Abs. 2 VertragsG verkannt und den Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer anderweitigen Verwertungsmöglichkeit zu Unrecht für unsubstantiiert erachtet habe.

aa) Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 VertragsG sind Materialien und angearbeitete Teile zu verwerten; der erzielte oder bei ordnungsgemäßem Verhalten mögliche Erlös ist gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 VertragsG auf die Aufwendungen anzurechnen. Will der Auftragnehmer nachweisen, daß er zur Verwertung nicht in der Lage ist, muß er glaubhaft machen, daß er das Material und die angearbeiteten Teile in absehbarer Zeit nicht selbst benötigt (so Kommentar zum Vertragsgesetz aaO § 79 Anm. 2.2).

bb) § 79 Abs. 2 VertragsG kann entgegen der Ansicht der Revision keine Regelung einer den Auftragnehmer treffenden Darlegungslast entnommen werden. Es kann dahinstehen, ob eine etwaige Regelung der Darlegungslast im Vertragsgesetz materiellrechtlich zu qualifizieren wäre und deshalb von der Verweisung des Art. 232 § 1 EGBGB umfaßt würde (vgl. Deutsch, IPRax 1992, 284, 286 zur Qualifikation und Rechtsanwendung im intertemporalen Privatrecht). Eine materiellrechtliche Regelung der Darlegungslast im Vertragsgesetz ergab unter der Geltung der Verordnung über die Aufgaben und die Arbeitsweise des Staatlichen Vertragsgerichts vom 18. April 1963 in der Fassung der zweiten Änderungsverordnung vom 12. März 1970 (GBl. DDR II S. 205 ff = Vertragsgerichtsverordnung [SVGVO]), nach der Streitfälle aus dem Vertragsgesetz von den Vertragsgerichten der früheren DDR vor der Reform des Gerichtsverfassungsrechts durch die Durchführungsverordnung vom 6. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 284 = GVG DVO) zu entscheiden waren, keinen Sinn.

Das Verfahren nach der Vertragsgerichtsverordnung wurde von den Prinzipien der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts und der aktiven Mitwirkung der Partner geprägt; der Beibringungsgrundsatz galt nicht (vgl. Kommentar zur SVGVO, Autorenkollektiv Walter u.a., 1971, Vorbemerkungen vor §§ 25-42 Rdn. 3). Die Partner waren nach § 26 Abs. 2 SVGVO verpflichtet, die zur Begründung der geltend gemachten Forderung oder der erhobenen Einwendungen notwendigen Tatsachen vorzubringen und Beweis für sie anzutreten. Vorzutragen waren dabei alle Umstände, die der "wahrheitsgemäßen Aufklärung des Konflikts und seiner gesellschaftlichen Zusammenhänge" dienten (Kommentar zur SVGVO aaO), dabei auch solche Umstände, die die Tatbestandsmerkmale einer dem Vortragenden ungünstigen Rechtsnorm erfüllten (vgl. Kommentar zur SVGVO aaO). Im Hinblick auf diese Grundsätze blieb für eine materiellrechtliche Regelung der Darlegungslast im Vertragsgesetz kein Raum.

Damit ist eine Lücke gegeben, die im Wege der Angleichung der unterschiedlichen Rechtssysteme aufzufüllen ist (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 52. Aufl., Einl. v. Art. 3 EGBGB Rdn. 32; Kegel, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., 1987, S. 216 ff). Das Verfahrensrecht der Vertragsgerichtsverordnung, das von den genannten Prinzipien geprägt wurde, ist hier nicht anwendbar; das vorliegende Verfahren richtete sich vielmehr von Anfang an nach der vom Beibringungsgrundsatz geprägten Zivilprozeßordnung (§ 4 Abs. 1, § 7 der Durchführungsverordnung zum Gerichtsverfassungsgesetz - Umgestaltung des Staatlichen Vertragsgerichts - vom 6. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 284) (GVG DVO); Anl. I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III, Nr. 5 Einigungsvertrag). Das kraft Verweisung anwendbare materielle Recht der DDR (Vertragsgesetz) enthält keine Regelung der Darlegungslast. Die Lücke ist in der Weise aufzufüllen, daß von der Grundregel auszugehen ist, nach der der Kläger die seinen Anspruch begründenden Tatsachen, der Beklagte gegebenenfalls die rechtshindernden und rechtszerstörenden Tatsachen vortragen muß (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1986 - IX ZR 42/85 = NJW 1986, 2426, 2427 m.w.N.).

Bei der Anrechnung des erzielten oder bei ordnungsgemäßem Verhalten möglichen Erlöses gemäß § 79 Abs. 2 VertragsG handelt es sich um einen Einwand. Das Berufungsgericht ist daher im Einklang mit der genannten Grundregel zu Recht davon ausgegangen, daß die Darlegungslast für diesen Einwand die Beklagte trifft.

cc) Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten zu einer anderweitigen Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich der angefertigten Teile für unsubstantiiert erachtet hat. Die Beklagte hat nicht spezifiziert, welche Teile anderweitig hätten verwertet werden können, und auch nicht ausgeführt, ob es sich um speziell für das Tanklager der Beklagten angefertigte Teile handelte.

b) Erfolg hat die Revision aber mit ihrer Rüge, daß das Berufungsgericht die Präklusionsvorschrift des § 528 Abs. 2 ZPO rechtsfehlerhaft angewandt und den neuen Vortrag der Beklagten zur Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht nicht zugelassen hat.

aa) Nach § 528 Abs. 2 ZPO kann das Gericht erstmals in zweiter Instanz vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel nur dann zurückweisen, wenn dieses neue Vorbringen im ersten Rechtszug entgegen § 282 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder mitgeteilt worden ist, die Zulassung des neuen Vorbringens das Verfahren verzögern würde, und wenn die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 8. März 1991 - V ZR 339/89 = NJW-RR 1991, 767, 768; Senat, Urteil vom 8. November 1990 - VII ZR 3/90 = BauR 1991, 257, 258 = ZfBR 1991, 68, 69 = WM 1991, 883, 884 m.w.N.) setzt die Nichtberücksichtigung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 528 Abs. 2 ZPO kumulativ sowohl die Verzögerung des Rechtsstreits bei Zulassung des Vorbringens als auch die grobe Nachlässigkeit im vorangegangenen Rechtszug voraus.

bb) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen für das Vorliegen der groben Nachlässigkeit nicht getroffen hat. Die für die Annahme der groben Nachlässigkeit erforderlichen Tatsachen muß das Gericht in seinem Urteil nachprüfbar feststellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1991 aaO; Senat, Urteil vom 8. November 1990 aaO). Der pauschale Hinweis des Berufungsgerichts, es beruhe auf grober Nachlässigkeit, daß die Beklagte sich erst jetzt gegen die behauptete Aufwendungshöhe wende, enthält nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Die Präklusionsvoraussetzungen waren auch nicht offensichtlich gegeben, so daß sich aus diesem Grunde eventuell Feststellungen des Berufungsgerichts hätten erübrigen können. Darauf, ob das Berufungsgericht des weiteren die Verzögerung des Rechtsstreits bei Zulassung des Vorbringens verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, kommt es nicht mehr an.

cc) Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Das Bestreiten der Aufwendungshöhe seitens der Beklagten kann nicht als unsubstantiiert angesehen werden. Allerdings hat die Beklagte die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen nur pauschal bestritten. Die Klägerin hatte ihre Aufwendungen bis dahin indes überhaupt nicht aufgeschlüsselt. Der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrags läßt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei zu sein hat (vgl. Senat, Urteil vom 24. Oktober 1991 - VII ZR 81/90 = BauR 1992, 265, 266 = ZfBR 1992, 66). Nach diesen Grundsätzen konnte die Beklagte sich hier mit einem pauschalen Bestreiten begnügen.

III. 1. Das Berufungsurteil kann nach alledem, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, nicht bestehenbleiben. Es ist insoweit aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuzverweisen. Zur abschließenden Entscheidung ist der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in der Lage.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den maßgeblichen Zinsvorschriften erwecken Bedenken. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß auf den geltend gemachten Zinsanspruch ab 1. Juli 1990 die §§ 353, 352 HGB anzuwenden sind, soweit der Klägerin nicht ein anderweitiger höherer Zinsanspruch, etwa nach § 86 Abs. 4 des Zivilgesetzbuchs der DDR vom 19. Juni 1975 (GBl. DDR I S. 465) (ZGB), zusteht (vgl. Senat, Beschluß vom 4. Februar 1993 - VII ZR 277/91II ZR 277/91, nicht veröffentlicht, unter 2. b); Senat, Beschluß vom 4. Februar 1993 - VII ZR 39/92VII ZR 39/92, zur Veröffentlichung bestimmt, unter 2. b); ferner BGH, Urteil vom 14. Oktober 1992 - VIII ZR 100/91I ZR 100/91 = WM 1992, 2151, 2155 = EWiR 1992, 1235 m. Anm. Briesemeister). Der Zinssatz von 5 % gemäß § 352 HGB kann unbeschadet des Verschlechterungsverbots gegebenenfalls noch berücksichtigt werden, sofern der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Gesamtbetrag der Zinsen (4 % aus 256. 274 DM seit 26. Juni 1990) nicht überschritten wird (vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 1962 - VII ZR 213/60 = BGHZ 36, 316, 321; BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 109/59 = LM ZPO § 536 Nr. 6; BGH, Urteil vom 19. November 1955 - VI ZR 134/54 = LM AVG § 46 Nr. 1).

b) Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist das Schreiben des VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde vom 26. Juni 1990, mit dem Annullierungskosten hinsichtlich des dritten Tanks in Höhe von 512548 Mark der DDR in Rechnung gestellt wurden, dem VEB Braunkohlenveredlung Espenhain am 28. Juni 1990 zugegangen. Soweit es für den Zinsanspruch auf Verzugsbegründung infolge dieses Schreibens ankommen sollte, ist ein solcher Verzug jedenfalls nicht vor dessen Zugang eingetreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993194

DB 1993, 2024

BGHR DDR-VertrG § 1 Darlegungslast 1

BauR 1993, 465

VIZ 1993, 357

WM 1993, 1380

ZIP 1993, 948

MDR 1993, 1137

ZfBR 1993, 180

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