Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit. Konkretisierung einer schiedsgerichtlichen Zins- und Kostenentscheidung. Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Deutsches Vollstreckungsrecht. Inhalt und Umfang der Leistungspflicht. Bestimmtheitsanforderungen an Vollstreckungstitel. Beweisaufnahme zum ausländischen Recht. Ordre public. Kosten- und Zinsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit der Konkretisierung einer schiedsgerichtlichen Zins- und Kostenentscheidung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.

 

Normenkette

ZPO § 1061

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Beschluss vom 01.03.2011; Aktenzeichen I-4 Sch 11/10)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der am 1.3.2011 verkündete Beschluss des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf aufgehoben, soweit zum Nachteil der Antragstellerin erkannt worden ist.

Die Vollstreckbarerklärung des in dem Schiedsgerichtsverfahren vor dem Tribunal Arbitral de Barcelona am 19.12.2008 erlassenen Schiedsspruchs wird zu Ziff. I.- dahingehend abgeändert, dass ein Betrag von 10.214,73 EUR gegen den Antragsgegner für vollstreckbar erklärt wird.

Die Vollstreckbarerklärung des vorbenannten Schiedsspruchs wird zu Ziff. II.- teilweise ("... zzgl. der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung.") aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerderechtszugs, an das OLG zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: bis 13.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Antragsgegner (Schiedskläger) hat die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) vor dem ständigen Schiedsgericht in B. (Tribunal Arbitral de B., im Folgenden: TAB) auf Zahlung von Provisionen in Anspruch genommen. Das Gericht hat nach Beweisaufnahme mit Schiedsspruch vom 25.11.2008 die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten auferlegt. Mit weiterem Schiedsspruch vom 19.12.2008 hat das Gericht entschieden, dass in den Kosten der endgültige Rechnungsbetrag enthalten ist, den das TAB über den von der Antragstellerin gezahlten Betrag erteilt (I.-), und dass die Anwaltshonorare auf 24.145,15 EUR festgesetzt werden, zzgl. der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung (II.-).

Rz. 2

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Schreiben vom 16.3.2009, zugestellt durch die Obergerichtsvollzieherin P. beim AG S. am 24.4.2009, zunächst erfolglos zur Zahlung der Anwalts- und Gerichtskosten aufgefordert. Sie begehrt nunmehr, die Schiedssprüche anzuerkennen und daraus 10.214,73 EUR Gerichtskosten sowie 24.145,15 EUR Anwaltskosten nebst 4 % Zinsen seit dem 24.4.2009 gegen den Antragsgegner für vollstreckbar zu erklären. Bezüglich der Gerichtskosten beruft sich die Antragstellerin auf das ihr vom Schiedsgericht erteilte "CERTIFICO", in dem die von ihr verauslagten Kosten gemäß dem Gebührenverzeichnis des Schiedsgerichts beziffert worden sind. Bezüglich der Zinsen auf die Anwaltskosten verweist die Antragstellerin darauf, dass es sich bei den "entsprechenden" Zinsen um den im spanischen Recht geregelten gesetzlichen Zinssatz handele. Nach spanischem Recht sei es nicht notwendig und auch nicht üblich, den geschuldeten Zinssatz zu beziffern. Gemäß Art. 1108 des spanischen Zivilgesetzbuchs werde der gesetzliche Zinssatz geschuldet, es sei denn, die Parteien hätten einen anderen Zinssatz vereinbart. Deshalb enthalte eine spanische gerichtliche Entscheidung nur dann eine Bezifferung, wenn ein vom gesetzlichen Zinssatz abweichender Satz geschuldet werde. Die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes für Geldschulden betrage nach dem Gesetz über den spanischen Staatshaushalt 4 %. Der Antragsgegner schulde Zinsen seit 24.4.2009. In der Zustellung der Zahlungsaufforderung liege die im Schiedsspruch vorausgesetzte "beglaubigte Einforderung".

Rz. 3

Mit Beschluss vom 1.3.2011 hat das OLG die Schiedssprüche vom 25.11. und 19.12.2008 anerkannt und in ihrer wörtlichen Fassung für vollstreckbar erklärt, dagegen das weitergehende Begehren der Antragstellerin bezüglich der Bezifferung der Gerichtskosten und der Zinsen zurückgewiesen. Ein staatliches Gericht sei nicht ermächtigt, den Inhalt eines Schiedsspruchs, hier zu den Kosten, zu verändern. Eine fehlende Kostenentscheidung könne unzweifelhaft nicht nachgeholt werden. Nichts anderes gelte aber auch für eine tatsächlich getroffene Kostenentscheidung, die in bestimmter Hinsicht, insb. zur Höhe der zu erstattenden Kosten ergänzungs- oder konkretisierungsbedürftig sei.

Rz. 4

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 5

Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1065 Abs. 1 Satz 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das OLG hat zu Unrecht die von der Antragstellerin begehrte Konkretisierung bzw. Ergänzung des Schiedsspruchs vom 19.12.2008 abgelehnt.

Rz. 6

1. Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat notfalls das Vollstreckungsorgan den Titel auszulegen. Dazu muss dieser jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Diese Anforderungen beziehen sich allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit, nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung (vgl. BGH, a.a.O.; Beschl. v. 4.3.1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18). Denn Vollstreckungstitel ist allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung, nicht der Schiedsspruch (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO; s. auch BT-Drucks. 13/5274, 61). Daher ist es nicht geboten, ausländische Entscheidungen, die den innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen für Vollstreckungstitel nicht genügen, allein deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären. Vielmehr ist in solchen Fällen - ggf. nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum ausländischen Recht - der ausländische Titel so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann (vgl. BGH, a.a.O., S. 1441 und S. 18 ff; Beschl. v. 21.12.2010 - IX ZB 28/10, juris Rz. 5). Nur wenn dies im Einzelfall nicht zuverlässig möglich ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widersprechen würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann (BGH, Beschl. v. 4.3.1993, a.a.O., S. 19). Allerdings darf das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der des Schiedsgerichts setzen oder diese inhaltlich verändern, sondern nur den in der ausländischen Entscheidung bereits - wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt - zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen.

Rz. 7

2. Dementsprechend hat das OLG im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass im Falle des Fehlens einer Kosten- oder Zinsentscheidung diese im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.

Rz. 8

a) Das Schiedsgericht hat am 19.12.2008 entschieden, dass in den nach der Kostengrundentscheidung vom 25.11.2008 vom Antragsgegner (Schiedskläger) zu tragenden Kosten die Gerichtskosten gemäß der Abrechnung des Schiedsgerichts enthalten sind. Die Höhe der auf sie entfallenden und von ihr bezahlten Kosten hat die Antragstellerin durch Vorlage einer Bestätigung des Schiedsgerichts nachgewiesen. Soweit der Antragsgegner im Verfahren vor dem OLG mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingewandt hat, das Schiedsgericht habe keine Mehrwertsteuer berechnet, so dass sich der von ihm zu erstattende Betrag nur auf 8.805,80 EUR netto belaufe, steht dem schon der Inhalt der Bestätigung entgegen. Im Übrigen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.12.2010 im Einzelnen und unter Beifügung weiterer Belege dargelegt, dass das Schiedsgericht Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hat. Dem ist der Antragsgegner in der Folgezeit substantiell auch nicht mehr entgegengetreten. Wollte man im Übrigen entgegen dem Inhalt des Schiedsspruchs aus den Gerichtskosten die Mehrwertsteuer herausrechnen, liefe dies auf eine im Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unzulässige révision au fond hinaus. Dementsprechend ist der Schiedsspruch vom 19.12.2008 dahingehend auszulegen, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin 10.214,73 EUR Gerichtskosten zu bezahlen hat. Diese Feststellung kann der Senat selbst vornehmen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen (vgl. nur BGH, Beschlüsse v. 8.11.2007 - III ZB 95/06, SchiedsVZ 2008, 40 Rz. 14 und 29.1.2009 - III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 9

b) Nach dem Inhalt des Schiedsspruchs vom 19.12.2008 stehen der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf die festgesetzten Anwaltshonorare "entsprechende" Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt ist, bis zum Zeitpunkt der Zahlung zu. Den Beginn der Zinspflicht hat die Antragstellerin durch Nachweis der Zustellung der Zahlungsaufforderung belegt. Was die Höhe der Zinsen anbetrifft, hätte das OLG im Rahmen des § 293 ZPO dem Vortrag der Antragstellerin nachgehen müssen, ob nach spanischem Recht bzw. spanischer Rechtspraxis unter "entsprechende" Zinsen die gesetzlichen Zinsen zu verstehen sind (s. auch BGH, Urt. v. 30.1.2001 - XI ZR 357/99, ZIP 2001, 675, zur Auslegung der Formulierung "zzgl. der anfallenden Zinsen" in einem spanischen AGurteil). Trifft dies zu und beträgt die Höhe dieser Zinsen 4 %, steht einer entsprechenden Konkretisierung des Schiedsspruchs nichts entgegen. Denn es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der ausländische Titel auf die gesetzlichen Zinsen verweist, ohne diese näher zu beziffern, eine entsprechende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1985, a.a.O., S. 1441; Beschlüsse v. 5.4.1990 - IX ZB 68/89, NJW 1990, 3084, 3085, vom 4.3.1993, a.a.O., S. 20; v. 27.5.1993 - IX ZB 78/92, juris Rz. 12). Insoweit handelt es sich nicht um eine unzulässige Auffüllung des Schiedsspruchs, sondern um die Anerkennung der Wirkung, die dem Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1985, a.a.O., S. 1441). Um diese Prüfung nachzuholen, war der angefochtene Beschluss bezüglich der Zinsen aufzuheben und das Verfahren an das OLG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2864588

EBE/BGH 2012

WM 2012, 179

WuB 2012, 503

AnwBl 2012, 73

MDR 2012, 186

SchiedsVZ 2012, 41

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge