Leitsatz (amtlich)

Die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags setzt keine Krise der Gesellschaft voraus. Entsprechendes gilt für die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits.

 

Normenkette

InsO § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 13.08.2013; Aktenzeichen 5 U 611/13)

LG München I (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 3 O 11318/12)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München vom 13.8.2013 wird auf Kosten des Beklagten in einem Umfang von 1.000 EUR als unzulässig verworfen, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 127.402,51 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aber nur in einem Umfang von 126.402,51 EUR zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Im Hinblick auf die Auszahlung an den Beklagten am 22.11.2010i.H.v. 1.000 EUR, die vom Kläger als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten worden ist, hat der Beklagte entgegen § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO einen Zulassungsgrund nicht dargelegt. Die geltend gemachten Zulassungsgründe betreffen allein die Anfechtungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 InsO. Betrifft die angefochtene Entscheidung wie vorliegend mehrere prozessuale Ansprüche, so ist für jeden Anspruch eine den Anforderungen des § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Begründung erforderlich. Solcher im Einzelnen differenzierender Beanstandungen bedarf es jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht die erhobenen Ansprüche aus jeweils unterschiedlichen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für begründet erachtet (vgl. für die Berufungsbegründung BGH, Urt. v. 14.6.2012 - IX ZR 150/11, WM 2012, 1454 Rz. 10).

Rz. 2

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat im Übrigen keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Rz. 3

a) Das Berufungsgericht hat es im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH als für unerheblich angesehen, dass der Beklagte vor der letzten Zahlung der Schuldnerin an ihn am 3.2.2011i.H.v. 2.000 EUR zur Rückführung des von ihm als Alleingesellschafter der Schuldnerin gewährten Kredits seine Gesellschaftsbeteiligungen an einen Dritten übertragen hatte. Der für ein Gesellschafterdarlehen durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordnete Nachrang kann nicht ohne Weiteres dadurch unterlaufen werden, dass der Gesellschafter als Darlehensgeber seine Beteiligung an der Gesellschaft aufgibt (BGH, Urt. v. 21.2.2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rz. 24). Allerdings wäre in Fällen einer Übertragung der Gesellschafterstellung ein zeitlich unbegrenzter Nachrang der Darlehensforderung unangemessen. Deshalb bleibt auf der Grundlage des in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens der Nachrang für ein Gesellschafterdarlehen nur erhalten, wenn der Gesellschafter seine Gesellschafterposition innerhalb der Jahresfrist vor Antragstellung aufgibt (BGH, Urt. v. 21.2.2013, a.a.O., Rz. 25). Mit dem Nachrang ist folgerichtig die Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO verbunden (BGH, Urt. v. 21.2.2013, a.a.O., Rz. 27). Auf die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es nicht an, weil es sich insoweit um eine alternative Begründung handelt (BGH, Beschl. v. 11.10.2007 - II ZR 250/06, nv; v. 5.9.2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rz. 11).

Rz. 4

b) Soweit das Berufungsgericht den Beklagten nach § 135 Abs. 2 InsO zur Zahlung von 107.902,51 EUR verurteilt hat, weil die Schuldnerin im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung einen Kontokorrentkredit zurückgeführt hat, für den sich der Beklagte als Alleingesellschafter verbürgt hatte, und nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Zahlung von weiteren 18.500 EUR, weil die Schuldnerin in dieser Höhe im letzten Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags einen Gesellschafterkredit an den Beklagten zurückgeführt hat, berührt das keine Grundsatzfrage. Hierbei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen sich noch nicht in der Krise befunden hat. Denn die dem Senat vorgelegte Grundsatzfrage, ob ein Gesellschafter nach § 135 InsO auch haftet, wenn die Rückzahlungen vor der Krise der Gesellschaft erfolgt sind, ist bereits höchstrichterlich entschieden.

Rz. 5

aa) Nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 und 2 InsO kommt es auf die Krise der Gesellschaft nicht mehr an. Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I, 2026) bewusst auf das Merkmal der Kapitalersetzung verzichtet (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 42). Die Neuregelung verweist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 26, 56). Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 MoMiG für die Neufassung von § 135 InsO. Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO n.F. stets anfechtbar (BT-Drucks. 16/6140, 57). Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach. Dieses Gesetzesverständnis ist eindeutig und - soweit ersichtlich - auch unumstritten (BGH, Urt. v. 7.3.2013 - IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 Rz. 14 m.w.N.; v. 4.7.2013 - IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rz. 29). In Konsequenz dieser Änderung wird durch eine Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Rückgewähr jedes Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen eines Jahres vor Insolvenzantragstellung von der Insolvenzanfechtung erfasst, ohne dass das bisherige Erfordernis einer "Gesellschaftskrise" hinzutreten muss (BGH, Urt. v. 21.2.2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rz. 10; vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2011 - II ZR 6/11, NJW 2012, 682 Rz. 15; BAG, Urt. v. 27.3.2014 - 6 AZR 204/12, NZI 2014, 619 Rz. 22).

Rz. 6

Dem kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ebenfalls ausgeführt habe, der darlehensgewährende Gesellschafter werde nicht schlechter gestellt (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 56) und in § 135 Abs. 2 InsO werde die bisher in § 32b GmbHG enthaltene Regelung in rechtsformneutraler Form übernommen (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 57). Dieser Teil der Gesetzesmaterialien liefert keinen durchgreifenden Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Haftung des Gesellschafters im Umfang der Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist weiterhin an die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft habe knüpfen wollen. Dagegen sprechen der eindeutige Gesetzeswortlaut, aber auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, es gebe künftig keine Unterscheidung zwischen "kapitalersetzenden" und "normalen" Gesellschafterdarlehen (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 26) und das Merkmal der Krise sei durchgängig aufgegeben worden (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 57).

Rz. 7

bb) Weder für eine teleologische Reduktion des § 135 InsO in dem Sinne, dass dem Gesellschafter der Entlastungsbeweis ermöglicht wird, zum Zeitpunkt der Rückführung des Darlehens habe noch kein Insolvenzgrund vorgelegen, noch für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO bleibt im Hinblick auf das Gesamtkonzept der neuen Regelungen Raum (vgl. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 327). Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung die Rechtslage erheblich einfacher und übersichtlicher gestalten und dadurch zu einer größeren Rechtssicherheit und einfacheren Handhabbarkeit der Eigenkapitalgrundsätze gelangen. Er hat dabei unter Abwägung der Interessen sowohl der Insolvenzgläubiger als auch der Gesellschafter die Rückzahlung des Gesellschafterkredits und eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits nicht mehr dem Kapitalerhaltungsrecht unterworfen, sondern dem durch feste Fristen gekennzeichneten Insolvenzanfechtungsrecht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140, 42). Damit hat er zwar einerseits die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der Gesellschaftskrise verschärft (vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Roth, GmbHR 2008, 1184, 1186; Bauer, ZInsO 2011, 1379, 1382), andererseits aber auch entschärft, weil Rückzahlungen, die außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgen, nicht mehr unter Rückgriff auf § 31 GmbHG erstattet werden müssen (vgl. Habersack, a.a.O.; Bauer, a.a.O.). Im Übrigen ist infolge der Beseitigung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts zu ihren Gunsten entfallen (BGH, Urt. v. 29.1.2015 - IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 Rz. 38; vgl. Habersack, a.a.O.; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328).

Rz. 8

cc) Weder das Gesetz noch die sich am Gesetzeswortlaut und den Intentionen des Gesetzgebers orientierende Auslegung des § 135 InsO verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nennt keine Stimme, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelungen des MoMiG äußert. In der in Bezug genommenen Berufungsbegründung hat der Beklagte zwar eine Literaturstelle zitiert. Diese aber betraf nicht § 135 InsO, sondern § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung, S. 261 ff.). Der Senat wendet die Bestimmung des § 135 InsO in ständiger Rechtsprechung an.

Rz. 9

Ziel des Gesetzgebers war es, durch eine Vereinfachung der Rechtslage und durch Schaffung typisierender Regelungen mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Dabei hat er unter verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Abwägung der Interessen der Gläubiger und der Gesellschafter einerseits die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der Gesellschaftskrise verschärft, andererseits den Gläubigerschutz durch die Jahresfrist eingeschränkt. Jede typisierende Regelung kann zwar im Einzelfall zu Härten führen; dies wird jedoch ausgeglichen durch den Gewinn an Rechtssicherheit infolge des Verzichts auf die unnötig komplizierte Rechtsregeln des Kapitalersatzrechts (Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602 f.), die in der Literatur teilweise als "ständig fortschreitender Wildwuchs" beschrieben wurden (Altmeppen, a.a.O., 3602).

Rz. 10

dd) Der behauptete Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt fern.

Rz. 11

c) Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7954908

BB 2015, 1345

DB 2015, 1345

DB 2015, 6

DStR 2015, 12

NJW 2015, 3656

NJW 2015, 8

NWB 2015, 1821

EBE/BGH 2015

NJW-RR 2015, 944

EWiR 2015, 547

NZG 2015, 924

WM 2015, 1119

WuB 2015, 585

ZIP 2015, 1130

ZIP 2015, 43

DZWir 2015, 483

JZ 2015, 401

MDR 2015, 731

NZI 2015, 657

NZI 2015, 7

ZInsO 2015, 1149

GWR 2015, 257

GmbHR 2015, 704

InsbürO 2015, 449

NJW-Spezial 2015, 437

NWB direkt 2015, 661

StX 2015, 462

JM 2015, 412

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