Leitsatz (amtlich)

a) Die Aufhebung eines gem. § 802g ZPO erlassenen Haftbefehls kommt nicht bereits bei der Erbringung von Teilleistungen, sondern allenfalls bei der Bewirkung der vollständigen nach dem Vollstreckungstitel geschuldeten Leistung einschließlich der Kosten nach § 788 ZPO in Betracht.

b) Dies gilt auch dann, wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag auf einen Teilbetrag der titulierten Forderung beschränkt hat und der Schuldner diesen Teilbetrag zur Abwendung der konkreten Vollstreckungsmaßnahme bezahlt.

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 574, 775 Nrn. 4-5, § 776 S. 2, § 802g

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 19.06.2017; Aktenzeichen 44 T 670/17)

AG Günzburg (Beschluss vom 24.03.2017; Aktenzeichen M 763/17)

 

Tenor

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

A. Die Gläubigerin betrieb gegen die Schuldnerin, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beschwerdeführer ist, die Zwangsvollstreckung wegen einer Teilforderung i.H.v. 50.000 EUR. Grundlage der Zwangsvollstreckung war die vollstreckbare Ausfertigung eines Vergleichs des OLG München vom 19.9.2013 mit einer Hauptforderung i.H.v. 8 Mio. EUR zzgl. Zinsen, eines Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG Memmingen vom 9.5.2014 über 7.733,90 EUR und eines Kostenfestsetzungsbeschlusses des AG Günzburg vom 6.8.2015 über 17.426,55 EUR.

Rz. 2

Nachdem der Beschwerdeführer in dem zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termin am 8.3.2017 vor der zuständigen Gerichtsvollzieherin die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert hatte, hat das AG gegen ihn mit Beschluss vom 24.3.2017 Haftbefehl erlassen. Nach diesem Beschluss erfolgte der Erlass des Haftbefehls gegen den Beschwerdeführer,

um die Abgabe einer Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO wegen einer Teilforderung i.H.v. EUR 50.000 aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs d. OLG München vom 19.9.2013 (GZ: ...) der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses d. LG Memmingen vom 9.5.2014 (GZ: ...) der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses d. AG Günzburg vom 6.8.2015 (GZ: ...) zu erzwingen ...

Rz. 3

Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung des Haftbefehls erstrebt. Er hat geltend gemacht, es sei am 21.4.2017 ein die zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung gemachte Teilforderung von 50.000 EUR übersteigender Betrag von 1.810.453 EUR an die Gläubigerin gezahlt worden. Das Vollstreckungsgericht hat mit Beschluss vom 11.5.2017 die Vollziehung des Haftbefehls gem. § 570 Abs. 2 ZPO ausgesetzt, der sofortigen Beschwerde im Übrigen aber nicht abgeholfen.

Rz. 4

Mit Beschluss vom 19.6.2017 hat das LG die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die vollstreckbaren Ausfertigungen der Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG Memmingen vom 9.5.2014 und des AG Günzburg vom 6.8.2015 aus dem Tenor des Haftbefehls zu streichen seien, weil die darin titulierten Beträge zwischenzeitlich beglichen worden seien. Mit der im Übrigen vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls weiterverfolgt.

Rz. 5

Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin den Antrag auf Erlass des Haftbefehls zurückgenommen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat daraufhin "den Rechtsstreit in der Hauptsache" für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin aufzuerlegen. Den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin aus der zweiten Instanz ist die Erledigungserklärung nebst Hinweis gem. § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO am 18.12.2017 zugestellt worden. Eine Äußerung von Seiten der Gläubigerin ist daraufhin nicht erfolgt.

Rz. 6

B. Der Beschwerdeführer hat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rz. 7

I. Im Streitfall ist von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung auszugehen (§ 91a Abs. 1 ZPO). Die Gläubigerin hat der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widersprochen. Sie ist zuvor darauf hingewiesen worden, dass in diesem Fall das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands durch Beschluss entscheidet.

Rz. 8

II. Die übereinstimmende Erledigungserklärung betrifft allerdings - abweichend vom Wortlaut der Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers - bei interessengerechter Auslegung nicht den von der Gläubigerin gestellten Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gem. § 802g ZPO und damit die "Hauptsache" des vorliegenden Verfahrens. Gegenstand der Erledigungserklärung ist vielmehr das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, mit dem der Beschwerdeführer die Aufhebung des vom AG erlassenen Haftbefehls erstrebt hat.

Rz. 9

Die vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers abgegebene Erklärung der Erledigung der Hauptsache ist als Prozesshandlung auslegungsfähig. Dabei ist nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Der erklärte Wille kann auch aus den Begleitumständen und insb. aus der Interessenlage hervorgehen. Im Zweifel gilt dasjenige, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2016 - I ZB 102/14, GRUR 2016, 421 Rz. 15 = WRP 2016, 477 - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung, m.w.N.).

Rz. 10

Das Interesse des Beschwerdeführers richtet sich nach den Umständen gegen die Kostenbelastung durch das Beschwerdeverfahren. Da den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gem. § 802g ZPO und damit die Hauptsache nur die die Zwangsvollstreckung betreibende Gläubigerin für erledigt erklären kann, bleibt dem Beschwerdeführer allein die Erledigungserklärung seines Rechtsmittels, um der dadurch verursachten Kostenlast zu entgehen (vgl. Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 91a Rz. 49 in Verbindung mit Rz. 8). Die einseitige Erklärung der Erledigung eines Rechtsmittels durch den Rechtsmittelführer ist eine zulässige Prozesshandlung (BGH, Urt. v. 12.5.1998 - XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, 2454 [juris Rz. 12]; Beschl. v. 11.1.2001 - V ZB 40/99, NJW-RR 2001, 1007, 1008 [juris Rz. 3]; Beschl. v. 17.9.2008 - IV ZB 17/08, NJW 2009, 234 Rz. 4; Urt. v. 30.9.2009 - VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rz. 10; Althammer in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 91a Rz. 19; MünchKomm/ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91a Rz. 110; Jaspersen in BeckOK.ZPO, Stand 1.12.2017, § 91a Rz. 93).

Rz. 11

III. Im Streitfall kommt als erledigendes Ereignis im Hinblick auf das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers die Rücknahme des Haftbefehlsantrags der Gläubigerin in Betracht.

Rz. 12

1. Eine Erledigung des Rechtsmittels ist gegeben, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig oder unbegründet wird, etwa durch den nachträglichen Wegfall der für das Rechtsmittel erforderlichen Beschwer (vgl. BGH NJW-RR 2010, 19 Rz. 10; Althammer in Zöller, a.a.O., § 91a Rz. 19; MünchKomm/ZPO/Schulz, a.a.O., § 91a Rz. 111). Die Beschwer muss als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel nach der Zivilprozessordnung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein; ihr Wegfall macht das Rechtsmittel unzulässig und führt zu seiner Verwerfung (BGH, Beschl. v. 29.6.2004 - X ZB 11/04, NJW-RR 2004, 1365 [juris Rz. 2]; Beschluss vom 14.9.2017 - I ZB 9/17, WM 2018, 331 Rz. 8; Heßler in Zöller, a.a.O., § 574 Rz. 5 in Verbindung mit Vor § 511 Rz. 10 f.; Lipp in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 577 Rz. 7; Wulf in BeckOK.ZPO, Stand 15.6.2017, § 577 Rz. 1).

Rz. 13

2. Der Beschwerdeführer war durch den angefochtenen Beschluss beschwert, mit dem seine sofortige Beschwerde gegen den Erlass des Haftbefehls zurückgewiesen worden war (vgl. BGH WM 2018, 331 Rz. 8). Diese Beschwer ist nach Einlegung der Rechtsbeschwerde dadurch entfallen, dass die Gläubigerin den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgenommen hat. Hat der Gläubiger seinen Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft oder - wie im Streitfall - auf Erlass des Haftbefehls zurückgenommen, ist der Haftbefehl vom Vollstreckungsgericht aufzuheben (vgl. Zöller/Seibel, a.a.O., § 802g Rz. 14; Sternal in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 802g ZPO Rz. 31; Fleck in BeckOK.ZPO, Stand 1.12.2017, § 802g Rz. 17; Saenger/Rathmann, ZPO, 7. Aufl., § 802g Rz. 9).

Rz. 14

IV. Der Beschwerdeführer hat entsprechend § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Rz. 15

1. Ist das Rechtsmittel zulässigerweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden, ist entsprechend § 91a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden (Flockenhaus in Musielak/Voit, a.a.O., § 91a Rz. 49).

Rz. 16

2. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und nach billigem Ermessen hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen. Zum Zeitpunkt der Erledigung lagen die Voraussetzung für eine Aufhebung des Haftbefehls nicht vor.

Rz. 17

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Beschwerdeführer habe im Termin gem. § 802 f Abs. 1 ZPO die Abgabe der Vermögensauskunft ohne Grund verweigert, so dass die Voraussetzungen gem. § 802g Abs. 1 ZPO bei Erlass des Haftbefehls vorgelegen hätten. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.

Rz. 18

b) Das Beschwerdegericht hat weiter angenommen, die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 802g ZPO seien auch nicht durch eine nachträgliche Erfüllung der zu vollstreckenden Forderung entfallen. Soweit nach Erlass des Haftbefehls ein Betrag an die Gläubigerin gezahlt worden sei, führe dies nicht zur Aufhebung des Haftbefehls. Zwar habe der Beschwerdeführer nachgewiesen, dass Teilzahlungen auf die Gesamtforderung erbracht worden seien und die geleistete Zahlung die zum Gegenstand der Vollstreckung gemachte Teilforderung von 50.000 EUR übersteige. Unstreitig sei jedoch ein wesentlich höherer Teilbetrag i.H.v. 4.000.651,94 EUR noch nicht gezahlt worden. Damit lägen die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin vor. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Rz. 19

Die vom Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel angestrebte Aufhebung eines gem. § 802g ZPO erlassenen Haftbefehls kommt nicht bereits bei der Erbringung von Teilleistungen, sondern allenfalls bei der Bewirkung der vollständigen nach dem Vollstreckungstitel geschuldeten Leistung einschließlich der Kosten nach § 788 ZPO in Betracht (vgl. Paulus in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 802g Rz. 14; Sternal in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, a.a.O., § 802g ZPO Rz. 31; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 802g Rz. 14; Würdinger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 802g Rz. 43; Wagner in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 802g Rz. 9; vgl. auch § 143 Abs. 2 Satz 2 GVGA). Daran fehlt es im Streitfall. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung eines durch Vergleich des OLG München vom 19.9.2013 titulierten Zahlungsanspruchs i.H.v. 8 Mio. EUR zzgl. Zinsen betreibt und auch nach Zahlung eines Teilbetrags durch die Schuldnerin noch ein Betrag von 4.000.651,94 EUR nicht beglichen war. Davon geht auch die Rechtsbeschwerde aus.

Rz. 20

c) Der Haftbefehl ist nicht deshalb aufzuheben, weil die Gläubigerin den Erlass des Haftbefehls beantragt hat, um die Abgabe einer Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO wegen einer Teilforderung i.H.v. 50.000 EUR zu erzwingen, und die Schuldnerin nach Erlass des Haftbefehls einen die Summe von 50.000 EUR übersteigenden Betrag an die Gläubigerin gezahlt hat.

Rz. 21

aa) Allerdings wird vertreten, dass ein gem. § 802g ZPO erlassener Haftbefehl (vollständig) verbraucht ist, wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag auf einen Teilbetrag der titulierten Forderung beschränkt hat und der Schuldner diesen Teilbetrag zur Abwendung der konkreten Vollstreckungsmaßnahme bezahlt (LG Bonn, DGVZ 1987, 28 f.; LG Bielefeld, DGVZ 1988, 14; AG Siegen, DGVZ 1988, 121; LG Freiburg, DGVZ 1992, 15; Mümmler, JurBüro 1988, 928).

Rz. 22

bb) Dem kann nicht zugestimmt werden. Durch die teilweise Erfüllung der titulierten Forderung während des Vollstreckungsverfahrens kann die vom Beschwerdeführer mit seinem in Rede stehenden Rechtsmittel angestrebte Aufhebung des Haftbefehls i.S.v. § 802g ZPO auch dann nicht erreicht werden, wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag auf einen Teil der titulierten Forderung beschränkt und der Schuldner eine Teilleistung in entsprechender Höhe bewirkt hat (vgl. LG Stade, DGVZ 1988, 28, 29; LG Frankfurt/M., DGVZ 2000, 171 f.).

Rz. 23

(1) Dies ergibt sich aus rechtssystematischen Gründen. Das Zivilprozessrecht ist vom Grundsatz der Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gekennzeichnet, wonach das Vollstreckungsorgan den durch den Vollstreckungstitel urkundlich ausgewiesenen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner nicht zu überprüfen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2017 - I ZB 103/16, NJW 2018, 399 Rz. 13). Demnach hat das Vollstreckungsorgan materiell-rechtliche Einwände grundsätzlich nicht zu beachten (vgl. Preuß in BeckOK.ZPO, Stand 1.12.2017, § 775 Rz. 19). Wenn der Schuldner Einwendungen gegen das Fortbestehen des titulierten Anspruchs hat, sind diese vielmehr grundsätzlich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO geltend zu machen (BGH, Beschl. v. 15.10.2015 - V ZB 62/15, NJW-RR 2016, 317 Rz. 14).

Rz. 24

Abweichend hiervon ermöglicht es § 775 Nr. 4 und 5 ZPO im Interesse beider Parteien, dass insb. der Erfüllungseinwand vom Schuldner bereits gegenüber dem Vollstreckungsorgan geltend gemacht werden kann und schon in diesem Verfahrensstadium - wenn auch gem. § 776 Satz 2 ZPO nur vorläufig - Berücksichtigung findet, sofern der Gläubiger die Befriedigung durch den Schuldner nicht bestreitet (BGH NJW-RR 2016, 317 Rz. 10 ff., 14). Aus dem Zusammenhang zwischen § 776 Satz 2 ZPO und § 775 ZPO folgt, dass eine vom Gläubiger nicht bestrittene Befriedigung der titulierten Forderung nicht zur Aufhebung angeordneter Vollstreckungsmaßnahmen führt, sondern lediglich zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens (BGH NJW-RR 2016, 317 Rz. 17). Dies gilt auch bei einer vollständigen Erfüllung der titulierten Forderung (Zöller/Geimer, a.a.O., § 775 Rz. 7; Preuß in BeckOK.ZPO, a.a.O., § 775 Rz. 20; K. Schmidt in MünchKomm/ZPO/Brinkmann, a.a.O., § 775 Rz. 21; Handke in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, a.a.O., § 775 ZPO Rz. 18) und damit erst recht, wenn der Schuldner lediglich Teilleistungen erbringt. In einem solchen Fall ist die Zwangsvollstreckung lediglich entsprechend zu beschränken und im Übrigen fortzusetzen (Lackmann in Musielak/Voit, a.a.O., § 775 Rz. 7; Zöller/Geimer, a.a.O., § 775 Rz. 7; Preuß in BeckOK.ZPO, a.a.O., § 775 Rz. 20; K. Schmidt in MünchKomm/ZPO/Brinkmann, a.a.O., § 775 Rz. 21). Der Nachweis der Zahlung führt also nur zur Einstellung der Zwangsvollstreckung und damit im Hinblick auf die hier in Rede stehende Vollstreckungsmaßnahme zur Einstellung der Vollziehung des Haftbefehls, sofern der Gläubiger dem Einwand der Erfüllung nicht widerspricht (vgl. Zöller/Seibel, a.a.O., § 802g Rz. 14).

Rz. 25

Dementsprechend kann eine Teilleistung entsprechend einer vom Gläubiger - unter Verzicht auf sein gem. § 266 BGB bestehendes Recht, keine Teilleistungen entgegennehmen zu müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.3.2007 - V ZB 160/06, NJW 2007, 3645 Rz. 12) - vorgenommenen Beschränkung des Vollstreckungsauftrags nicht zur Aufhebung des Haftbefehls wegen Verbrauchs des Titels führen, wie sie der Beschwerdeführer im Streitfall erstrebt hat, sondern allenfalls dazu, dass der Haftbefehl bis zu einem erneuten Vollstreckungsauftrag des Gläubigers nicht vollzogen wird (vgl. LG Stade, DGVZ 1988, 28, 29; LG Frankfurt/M., DGVZ 2000, 171 f.; Zöller/Seibel, a.a.O., § 802g Rz. 20; Fleck in BeckOK.ZPO, a.a.O., § 802g Rz. 26; Würdinger in Stein/Jonas, a.a.O., § 802g Rz. 43; Paulus in Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 802g Rz. 14).

Rz. 26

(2) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich nichts anderes aus der Dispositionsbefugnis des Gläubigers und dem Zweck des Haftbefehls i.S.v. § 802g ZPO. Die Einschränkung des Vollstreckungsauftrags auf einen Teil der titulierten Forderung durch den Gläubiger richtet sich an den Gerichtsvollzieher und wird aus dessen maßgeblicher Sicht regelmäßig nicht den Erklärungswert haben, dass nicht nur der Vollzug, sondern sogar der Bestand des Haftbefehls von der Erbringung einer Teilleistung abhängen soll (vgl. LG Stade, DGVZ 1988, 28, 29). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich die Durchsetzung der gesamten titulierten Forderung und nicht nur eines Teilbetrags ist. Wenn der Gläubiger unter Verzicht auf sein Recht gem. § 266 BGB, keine Teilleistungen entgegennehmen zu müssen, einen Vollstreckungsauftrag für eine Teilleistung erteilt, geschieht dies auch im Interesse des Schuldners. Diesem ist es unbenommen, die Gefahr des Vollzugs des Haftbefehls durch Abgabe der Vermögensauskunft oder durch Zahlung des Teilbetrags abzuwenden. Würde dies dazu führen, dass damit auch der durch das grundlose Fernbleiben des Schuldners im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft oder seiner grundlosen Auskunftsverweigerung notwendig gewordene Haftbefehl in seinem Bestand in Frage gestellt würde, wäre der Gläubiger zur Durchsetzung der gesamten titulierten Forderung gezwungen und müsste einen unbeschränkten Antrag auf Vermögensauskunft und Erlass eines Haftbefehls stellen und den Schuldner so mit zusätzlichen Kosten belasten (vgl. LG Frankfurt/M., DGVZ 2000, 171, 172; Anmerkungen der Schriftleitung zu LG Bielefeld, DGVZ 1988, 14; Anmerkungen der Schriftleitung zu AG Siegen, DGVZ 1988, 121; Anmerkungen der Schriftleitung zu LG Freiburg, DGVZ 1992, 15). Damit wäre weder dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners gedient.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11993063

FamRZ 2018, 1687

NJW-RR 2019, 317

WM 2018, 1701

DGVZ 2018, 249

DZWir 2018, 500

JZ 2018, 712

KKZ 2019, 158

MDR 2018, 1213

Rpfleger 2018, 695

ZInsO 2018, 2111

VE 2018, 188

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