Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung. Beschwer. Sachverhaltsdarstellung. Anträge

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beschluss des Berufungsgerichts, in dem die Berufung wegen Nichterreichens der erforderlichen Beschwer verworfen wird, muss den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 12.7.2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78).

 

Normenkette

ZPO § 522 Abs. 1, § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 01.08.2007; Aktenzeichen 15 S 2422/07)

AG Nürnberg (Entscheidung vom 08.02.2007; Aktenzeichen 34 C 8777/04)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth vom 1.8.2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.500 EUR

 

Gründe

[1] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

[2] I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2 ZPO).

[3] II. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.

[4] 1. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) (BGH, Beschl. v. 12.7.2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; BGH, Beschl. v. 20.6.2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Beschluss, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Das gilt insb., wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die erforderliche Beschwer nicht erreicht ist. Die Wertfestsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten hat oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219) und/oder bewertungsrelevante, glaubhaft gemachte Tatsachen außer Acht gelassen hat (BGH, Beschl. v. 5.2.2001 - II ZB 7/00, NJW 2001, 1284; v. 5.3.2001 - II ZB 11/00, NJW-RR 2001, 929; BGH, Urt. v. 30.4.2001 - II ZR 328/00, ZIP 2001, 1734).

[5] 2. Der angefochtene Beschluss des LG vom 1.8.2007 der noch nicht einmal einen Grund für die Verwerfung der Berufung benennt, lässt auch in der Zusammenschau mit dem darin in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2007 weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, zumal das Urteil des AG keinen Tatbestand enthält.

[6] Es kann lediglich darauf geschlossen werden, dass die Berufung verworfen wurde, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht übersteigt, da das Berufungsgericht am 11.6.2007 neben einer Hinweisverfügung, dass der Wert des Beschwerdegegen-standes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 StPO (gemeint: ZPO) nicht übersteige und deshalb eine Verwerfung der Berufung beabsichtigt sei, einen Beschluss erlassen hat, mit dem der Wert des Beschwerdegegenstandes auf 490 EUR festgesetzt wurde. Die weiteren Anforderungen an die Gründe einer Entscheidung werden jedoch nicht erfüllt. Weder im Beschluss noch in der Hinweisverfügung vom 11.6.2007 werden die Anträge und der für das Berufungsverfahren maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt. Den Ausführungen ist lediglich zu entnehmen, dass Gegenstand des Rechtsstreits der Ausschluss des Klägers aus dem Verein sei, dass mit der Vereinsmitgliedschaft keine oder nur geringfügige wirtschaftliche Interessen verbunden und keine besonderen gesellschaftlichen Interessen betroffen seien, weil der Zweck der Beklagten die Förderung des motorisierten und nicht motorisierten Wassersports sei und er jedermann offen stehe. Der Sachverhalt, der für das Berufungsverfahren maßgebend ist und der der Wertfestsetzung zugrunde liegt, kann daraus nicht entnommen werden.

[7] Diese Mängel werden auch in dem angefochtenen Beschluss nicht behoben. Das Berufungsgericht verweist darin auf den "Hinweis vom 11.6.2007" und teilt ohne den Versuch, hierfür eine Begründung zu geben, mit, dass eine Änderung der Wertfestsetzung nach einer Prüfung der Einwände des Beklagten - sie können nicht von vorneherein als unzureichend oder neben der Sache liegend angesehen werden, nicht veranlasst sei. Mit dem Vorbringen des Beklagten setzt sich das Berufungsgericht erkennbar nicht sachlich auseinander.

[8] Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, ohne Verstoß gegen Art. 103 GG den für die Bemessung des Werts der Beschwer maßgebenden Sachvortrag des Beklagten vollständig zur Kenntnis zu nehmen und ihn vor dem Hintergrund des Streits um die Wirksamkeit der Ausschließung und der durch eine Kassation dieser Maßnahme entstehenden Folgen sachgerecht zu würdigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2009314

BB 2008, 1405

BGHR 2008, 984

EBE/BGH 2008

NJW-RR 2008, 1455

WM 2009, 329

ZAP 2008, 945

ZIP 2008, 1400

MDR 2008, 939

PA 2009, 27

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