Leitsatz (amtlich)

Streitigkeiten über die Rückzahlung staatlicher Ausbildungsbeihilfen gehören auch dann nicht vor die ordentlichen Gerichte, sondern in den Verwaltungsrechtsweg, wenn der Empfänger seine Rückzahlungspflicht in notarieller Urkunde anerkannt hat. Dies gilt nicht nur für die Verfolgung des anerkannten Anspruchs, sondern auch dann, wenn der Empfänger sich gegen seine Inanspruchnahme wendet (im Anschluß an BGHZ 102, 343).

 

Normenkette

GVG § 13; VwGO § 40; BGB § 781; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Ziff. 5; VwVfG § 56

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 06.10.1992; Aktenzeichen 22 W 25/92)

LG Köln

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Oktober 1992 – 22 W 25/92 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 16.750 DM

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der aus Uganda stammende Kläger nach dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verpflichtet ist, erhaltene Ausbildungsbeihilfen zurückzuzahlen. Der Kläger hat in vollstreckbarer notarieller Urkunde anerkannt, der beklagten Bundesrepublik Deutschland 16.750 DM zu schulden, fällig am Tage seiner Einbürgerung und von da an verzinslich.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs geltend gemacht und ist der Klage auch in sachlicher Hinsicht entgegengetreten.

Das Landgericht hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg durch Beschluß für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit zugleich an das Verwaltungsgericht verwiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die – vom Oberlandesgericht zugelassene – weitere Beschwerde des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nach § 17 a GVG, §§ 568, 569, 577 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Das Erfordernis eines neuen selbständigen Beschwerdegrunds (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gilt nicht (vgl. BGHZ 120, 198, 200; BGH Beschluß vom 12. Oktober 1993 – XI ZB 14/93 = WM 1993, 2078).

III.

Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben den Rechtsweg zu den Zivilgerichten mit Recht für unzulässig erklärt. Für die Klage ist nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (§ 13 GVG), sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 VwGO).

1. Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte, soweit hier von Interesse, alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

Die Beantwortung der Frage, ob eine Streitigkeit dem bürgerlichen Recht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, richtet sich, wenn – wie hier – eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist dabei, durch welche Rechtssätze der Sachverhalt entscheidend geprägt wird und welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens heranzuziehen sind. Ob ein Rechtsgeschäft, das – wie hier das notarielle Schuldanerkenntnis vom 29. Februar 1984 – die Grundlage oder den Gegenstand einer Klage bildet, dem bürgerlichen Recht oder dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist (§ 13 GVG; § 40 VwGO), richtet sich nach dem Gegenstand und dem Zweck des Rechtsgeschäfts, d.h. es kommt darauf an, ob die von den Beteiligten getroffene Regelung einen vom bürgerlichen Recht oder vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich betrifft (st.Rspr.; vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 343, 347 m.w.N.). Diese Abgrenzung von der Sache her bedeutet für den Rechtsweg, daß regelmäßig die Gerichte anzurufen sind und zu entscheiden haben, die durch besondere Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch berufen sind; diesem Gesichtspunkt kommt heute bei der Abgrenzung der Rechtswege besondere Bedeutung zu (vgl. Senat a.a.O. m.w.N.).

2. Im Streitfall ist das Rechtsverhältnis, das den Gegenstand der Klage bildet, nicht dem bürgerlichen Recht, sondern dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf abgestellt, daß die Parteien über die Verpflichtung des Klägers streiten, aufgrund des – anläßlich seiner Einbürgerung abgegebenen – notariellen Schuldanerkenntnisses früher erhaltene staatliche Ausbildungsbeihilfen zurückzuzahlen. Der Kläger macht insoweit geltend, die Beklagte verstoße mit der Rückforderung gegen das im öffentlichen Recht geltende sog. Koppelungsverbot (vgl. § 56 VwVfG). Das streitige notarielle Schuldanerkenntnis wurde im Zusammenhang mit der Einbürgerung des Klägers abgegeben. Dieser Zweck des Rechtsgeschäfts war beiden Parteien bewußt. Er kommt auch in der Urkunde selbst zum Ausdruck, in der die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung an den Tag der Einbürgerung geknüpft ist.

Gegenstand und Zweck des Anerkenntnisses sind damit nicht bürgerlich-rechtlich, sondern öffentlich-rechtlich geprägt. Denn sie betreffen nicht einen vom bürgerlichen, sondern vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich. Daran ändert der Umstand nichts, daß der Kläger sein Rückzahlungsversprechen gegenüber der Beklagten in Form eines vollstreckbaren notariellen Schuldanerkenntnisses abgegeben hat. Dadurch ist keine neue – privatrechtliche – Verpflichtung des Klägers begründet worden. Das Anerkenntnis diente vielmehr der Festlegung und Konkretisierung des von der Beklagten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einbürgerung des Klägers geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Rückforderung der dem Kläger während seines Studiums in Deutschland gezahlten Ausbildungsbeihilfen.

Der Senat hat – für das Schuldanerkenntnis eines Beamten gegenüber dem Dienstherrn, der zuviel gezahlte Dienstbezüge zurückfordert – bereits ausgesprochen, daß Ansprüche aus einem Schuldanerkennntnis nicht vor dem ordentlichen Gericht, sondern im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen sind, wenn das Schuldanerkenntnis an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt getreten ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 343). Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auch im Streitfall anzuwenden. Es gilt nicht deshalb etwas anderes, weil es sich nicht um eine Zahlungsklage aufgrund des Schuldanerkenntnisses handelt, sondern um eine Klage des Schuldners zur Abwehr der Vollstreckung des anerkannten Anspruchs. Denn Gegenstand der Klage sind Einwendungen, die den in der Urkunde festgestellten – materiellrechtlichen – Anspruch selbst betreffen (vgl. § 767 Abs. 1 ZPO). Dieser aber ist, wie ausgeführt, von Grundsätzen nicht des bürgerlichen, sondern des öffentlichen Rechts geprägt.

IV.

Die weitere Beschwerde ist nach allem, mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO, zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Engelhardt, Werp, Deppert, Streck, Schlick

 

Fundstellen

Haufe-Index 1679898

NJW 1994, 2620

NVwZ 1994, 1138

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