Verfahrensgang

OLG Koblenz (Entscheidung vom 28.11.2008; Aktenzeichen 8 U 863/08)

LG Koblenz (Entscheidung vom 30.05.2008; Aktenzeichen 5 O 328/06)

 

Tenor

Dem Beklagten zu 3 wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung sowie zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf seine Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. November 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Beklagten zu 3 an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 33.460,87 EUR

 

Gründe

I.

Das in dieser Sache ergangene erstinstanzliche Urteil vom 30. Mai 2008, das eine im Wesentlichen den Klageanträgen folgende Verurteilung des Beklagten zu 3 enthält, wurde seiner Prozessbevollmächtigen am 2. Juni 2008 zugestellt. Mit Fax-Schreiben vom 30. Juni 2008 legte diese dagegen Berufung ein. In diesem Schriftsatz heißt es unter anderem: "Die Durchführung der Berufung wird von der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Beklagten und Berufungskläger abhängig gemacht" und weiter: "Die beabsichtigte Berufungsdurchführung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist auch nicht mutwillig, insoweit wird vorsorglich auf den anliegenden Entwurf einer Berufungsbegründung Bezug genommen. Im Weiteren bleiben die Anträge und Begründung der Berufung, sofern die beantragte Prozesskostenhilfe gewährt werden sollte, einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten". Beigefügt war ein weiterer Schriftsatz, ebenfalls vom 30. Juni 2008, der die Überschrift: "Berufungsbegründung" trägt, von der Prozessbevollmächtigten eigenhändig unterschrieben ist, und in dem ein konkreter Berufungsantrag sowie eine eingehende Begründung des Rechtsmittels enthalten sind.

Das Berufungsgericht bewilligte dem Beklagten zu 3 mit Beschluss vom 24. September 2008 Prozesskostenhilfe. Unter dem 6. November 2008 erteilte es einen schriftlichen Hinweis, wonach die Berufung unzulässig sei, weil die Berufungsbegründungsschrift bislang nicht vorliege. Mit Einlegung des Rechtsmittels sei lediglich zur Begründung des zugleich gestellten Prozesskostenhilfeantrags der Entwurf einer Begründung eingereicht worden. Nunmehr sei die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, zumal ein dahingehender Antrag nicht gestellt worden und auch die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist verstrichen sei. Hiergegen wandte sich die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 3 mit Schriftsatz vom 26. November 2008, stellte vorsorglich einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und reichte den mit "Berufungsbegründung" überschriebenen Schriftsatz vom 30. Juni 2008 abermals ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. November 2008 hat das Berufungsgericht die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen, weil der mit Berufungseinlegung gleichzeitig vorgelegte Schriftsatz nicht als unbedingte Rechtsmittelbegründung aufzufassen sei. Vielmehr sei er ausdrücklich nur als Entwurf einer Berufungsbegründung bezeichnet worden; die Antragstellung und Begründung der Berufung seien einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten worden. Damit sei die erst mit dem Schriftsatz vom 26. November 2008 eingereichte Begründung des Rechtsmittels verspätet; der vorsorglich gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 3 habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt, weil sie sich über die Voraussetzungen einer unbedingten und damit zulässigen Berufungsbegründung in Verbindung mit einem Prozesskostenhilfeantrag ohne weiteres anhand der einschlägigen Kommentarliteratur hätte informieren können.

Hiergegen richtet sich der Beklagte zu 3 mit der Rechtsbeschwerde, die er nach Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Senats vom 19. März 2009 gleichzeitig mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der insoweit versäumten Fristen eingelegt und begründet hat.

II.

1.

Dem Beklagten zu 3 war auf seinen fristgerecht gestellten Antrag die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, nachdem er bis zur Zustellung des Prozesskostenhilfe gewährenden Beschlusses am 25. März 2009 schuldlos an den erforderlichen Prozesshandlungen gehindert war.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen (Verwerfungs-)Beschlusses mit der Folge, dass das Berufungsverfahren fortzusetzen ist.

a)

Zunächst geht das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe verbundene Berufungseinlegung im Streitfall unbedingt und damit in zulässiger Weise erfolgt ist. Soweit es jedoch der Auffassung ist, eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung sei dem der Rechtsmittelschrift beigefügten weiteren Schriftsatz vom gleichen Tag nicht zu entnehmen, steht dies nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zwar muss der Rechtsmittelführer bei grundsätzlich zulässiger Verbindung eines Rechtsmittels oder seiner Begründung mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, er wolle eine "künftige" Prozesshandlung lediglich ankündigen und sie von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig machen (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f ; BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554 und vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 - FamRZ 1986, 1087). Sind aber die gesetzlichen Voraussetzungen an eine Berufungsschrift oder - wie hier - Berufungsbegründung erfüllt, kommt die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt, allenfalls dann in Betracht, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist (vgl. BGHZ aaO; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 185/08 - NJW-RR 2009, 433, 434, Rn. 9 m.w.N.). Da im Allgemeinen keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, dass ein inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügender, von einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz schon als formelle Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein entgegenstehender Wille des Rechtsmittelführers deutlich erkennbar wird (vgl. BGHZ aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. März 2008 - XII ZB 182/04 - NJW 2008, 1740, 1741, Rn. 12, vom 19. Mai 2004, aaO und vom 16. August 2000 - XII ZB 65/2000 - NJW-RR 2001, 789). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung bzw. Berufungsbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche und zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die z.B. darin gesehen werden kann, dass der entsprechende Schriftsatz selbst ausdrücklich als "Entwurf einer Berufungsbegründung" bezeichnet wird (vgl. BGHZ, aaO).

b)

Ein derartiger ausdrücklich erklärter Wille und damit eine eindeutige, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Bedingung sind den im Streitfall zu beurteilenden Schriftsätzen nicht zu entnehmen.

Der mit der Berufungseinlegung gleichzeitig eingereichte Schriftsatz erfüllt alle Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Er enthält die Erklärung, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten werden soll und welche Berufungsanträge gestellt werden sollen. Darüber hinaus ist der Berufungsangriff eingehend begründet und der Schriftsatz ist von der postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3 eigenhändig unterzeichnet worden. Dies spricht dafür, dass es der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3 nicht nur darum ging, das Prozesskostenhilfegesuch zu begründen, sondern zugleich auch die Begründung der Berufung vorzunehmen. Die weiteren Formulierungen in dem Berufungsschriftsatz stehen dem nicht entgegen. Zwar heißt es darin, die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht; indes ist dies gerade im Hinblick auf die sonstigen Umstände nicht im Sinne der Auffassung des Berufungsgerichts zu verstehen. Denn der beigefügte Schriftsatz ist ausdrücklich mit "Berufungsbegründung" überschrieben und enthält keine erkennbare Einschränkung, wonach die Begründung nicht oder noch nicht eingereicht werden solle. Weiter ist dieser Schriftsatz weder selbst als Entwurf bezeichnet noch ist darin die Rede von einer Abhängigkeit von dem Prozesskostenhilfeantrag.

Soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung vor allem auf den in der Berufungsschrift enthaltenen Hinweis auf einen beigefügten "Entwurf einer Berufungsbegründung" sowie die Formulierungen stützt, wonach im Weiteren Anträge und die Begründung der Berufung, sofern Prozesskostenhilfe gewährt werde, einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben, kann dem nicht gefolgt werden. Dies steht einer Wertung des Schriftsatzes vom 30. Juni 2008 als ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht entgegen. Denn daraus kann nicht mit der erforderlichen hinreichenden Deutlichkeit entnommen werden, dass der gleichzeitig mit der Einlegung der Berufung eingereichte Schriftsatz nur zur Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs, nicht aber bereits auch zur Begründung der eingelegten Berufung bestimmt sein sollte und stattdessen eine solche überhaupt erst ankündigen wollte. Diese Deutung legt vor allem die Unterzeichnung dieses Schriftsatzes nahe, die bei einem lediglich der Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs dienenden Entwurf nicht erforderlich gewesen wäre und üblicherweise auch unterbleibt. Der Hinweis in der Berufungsschrift auf einen beigefügten "Entwurf" kann im Übrigen auch darauf hindeuten, dass im Falle einer noch innerhalb der Begründungsfrist ergehenden, die Prozesskostenhilfe zum Beispiel nur teilweise bewilligenden Entscheidung, eine Modifizierung der Berufungsanträge, eine weitere Auseinandersetzung mit der Begründung der Prozesskostenhilfeentscheidung oder auch die Rücknahme des Rechtsmittels vorbehalten bleiben sollten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004, aaO).

Liegt damit ein ausdrücklicher und zweifelsfreier Hinweis auf eine noch nicht als solche anzusehende Berufungsbegründung nicht vor, ist bei einer derartigen Sachlage auch mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer Fristversäumung zugunsten des Rechtsmittelführers anzunehmen, dass er eher das Kostenrisiko einer ganz oder teilweise erfolglosen Berufung auf sich nehmen will als zu riskieren, dass seine Berufung als unzulässig verworfen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - NJW-RR 2007, 1565, 1566 m.w.N.).

3.

Da der Beklagte zu 3 seine Berufung rechtzeitig eingelegt und begründet hat, ist der vorsorglich gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gegenstandslos. Der Beschluss des Berufungsgerichts war daher aufzuheben.

 

Fundstellen

FamRZ 2009, 1408

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