Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiensache

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Amtsgericht dem Antrag eines Ehegatten auf Ausgleich einer privaten betrieblichen Altersversorgung des anderen Ehepartners im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in vollem Umfang stattgegeben, dann steht dem Antragsteller gegenüber dieser Entscheidung kein Recht zu einer Beschwerde zu, mit der er Einwände gegen die Bewertung der betrieblichen Altersversorgung (ausschließlich) im Hinblick auf deren späteren schuldrechtlichen (Rest-) Ausgleich geltend machen will.

 

Normenkette

FGG § 20 Abs. 1; VAHRG § 3b Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig

AG Wolfsburg

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25. August 1992 aufgehoben und die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Wolfsburg vom 6. November 1990 als unzulässig verworfen wird.

Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.

Beschwerdewert: 1.000 DM.

 

Gründe

I.

1. Die am 9. Juli 1955 geschlossene Ehe der 1933 geborenen Antragstellerin (Ehefrau) mit dem 1930 geborenen Antragsgegner (Ehemann) wurde auf den am 19. Juli 1977 zugegangenen Scheidungsantrag der Ehefrau durch Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Wolfsburg vom 21. Februar 1978 vorab geschieden.

Durch Beschluß vom 16. Mai 1980 führte das Amtsgericht – Familiengericht – den Vorsorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Ehemannes durch. Der Ausgleich einer unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, die der Ehemann bei der Volkswagen AG (VW-AG) erworben hatte, wurde – ebenso wie der einer seinerzeit noch verfallbaren betrieblichen Anwartschaft der Ehefrau bei der VW-AG – im Verlauf des weiteren Verfahrens durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 5. Juli 1983 dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.

2. Im November 1988 beantragte die Ehefrau gemäß Art. 4 § 1 Abs. 1 des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs, den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 5. Juli 1983 abzuändern und „gemäß § 3b VAHRG vorzugehen”.

Das Amtsgericht holte daraufhin neue Auskünfte über die in der Ehezeit erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Parteien sowie über die beiderseitigen Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung ein. Die VW-AG teilte mit Auskunft vom 10. März 1989 mit, der Ehemann sei inzwischen im Alter von 58 Jahren am 29. Februar 1988 „im Rahmen eines altersbedingten Aufhebungsvertrages nach der Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1987 (58er- Regelung 1987)” mit Anspruch auf Überbrückungshilfe für die Zeit vom 1. März 1988 bis zum 28. Februar 1990 aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Er werde nach der Betriebsvereinbarung ab dem 1. des Monats, der auf die Vollendung des 63. Lebensjahres folge, also ab 1. März 1993, VW-Altersrente erhalten. Mit Rücksicht auf das vorzeitige Ausscheiden des Ehemannes, das zu einem VW-Rentenbezug „ab Alter 63” führen sollte, legte die VW-AG eine neue Berechnung des ehezeitbezogenen Anteils der Anwartschaft auf die Betriebsrente vor. Für die Ehefrau erteilte die VW-AG eine Auskunft über die ehezeitanteilige Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, hier bezogen auf die Altersgrenze bei Vollendung des 60. Lebensjahres am 1. Dezember 1993.

Das Amtsgericht änderte sodann zunächst die frühere Entscheidung zum Rentensplitting – teilweise – ab. Im Verlauf des weiteren Verfahrens über den Ausgleich der Betriebsrentenanrechte machte die VW-AG geltend: Bei der Umrechnung der nicht volldynamischen Anwartschaft des Ehemannes auf die betriebliche Altersversorgung nach der Barwertverordnung sei die Tabelle 4 anzuwenden. Der danach für das Alter des Ehemannes bei Ehezeitende (47 Jahre) in Ansatz zu bringende Faktor 7,3 sei gemäß Anmerkung zu der Tabelle 4 für jedes Jahr, um das der Beginn der Altersrente vor der Vollendung des 65. Lebensjahres liege, um 4,5 vom Hundert zu erhöhen. Das bedeute hier eine Erhöhung um (2 × 4,5) 9 vom Hundert, so daß der maßgebliche Faktor 7,957 betrage.

Das Amtsgericht – Familiengericht – übertrug mit Beschluß vom 6. November 1990 zum teilweisen Ausgleich der Anwartschaft des Ehemannes auf die Betriebsrente bei der VW-AG weitere Rentenanwartschaften von monatlich 37 DM, bezogen auf den 30. Juli (richtig: Juni) 1977, auf das Rentenversicherungskonto der Ehefrau. Im übrigen erklärte es wegen des weiteren Ausgleichs der VW-Betriebsrentenanwartschaft den Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs.

Das Amtsgericht bewertete die Betriebsrentenanwartschaft des Ehemannes bei der VW-AG als im Anwartschaftsstadium volldynamisch und im übrigen statisch und damit insgesamt als nicht volldynamisch mit der Folge, daß eine Umrechnung nach Maßgabe der Barwertverordnung vorzunehmen war. Bei der Umrechnung erhöhte es den einschlägigen Faktor 7,3 der Tabelle 4 zur Barwertverordnung um 2 × 4,5 % und ging damit von einer maßgeblichen Altersgrenze von 63 Jahren aus. Von dem ermittelten umgerechneten Wert der Anwartschaft übertrug das Amtsgericht im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG den für 1977 (Ehezeitende) geltenden Höchstbetrag von monatlich 37 DM auf das Konto der Ehefrau. Eine Verpflichtung zur Beitragszahlung nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG wegen des restlichen auszugleichenden Betrages lehnte das Gericht im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Ehemannes ab.

Gegen den Beschluß legte die Ehefrau Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, der Ehemann erhalte bereits seit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersruhegeld von der VW-AG. Als feste Altersgrenze sei daher nicht die Vollendung des 63., sondern die des 60. Lebensjahres anzunehmen. Demgemäß sei bei der Umrechnung der Betriebsrentenanwartschaft in einen dynamischen Wert unter Anwendung der BarwertVO der maßgebliche Faktor 7,3 der Tabelle 4 nicht (nur) um 2 × 4,5 vom Hundert, sondern um 5 × 4,5 vom Hundert (für das 60. bis zum 65. Lebensjahr) zu erhöhen. Dies müsse bereits im vorliegenden Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich klargestellt werden, da andernfalls die – unrichtigen – Feststellungen des Familiengerichts für den späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in Rechtskraft erwachsen würden.

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück.

Dagegen wendet sich die Ehefrau mit der zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der sie das Begehren weiterverfolgt, bei der Berechnung des Ehezeitanteils der VW-Versorgung des Ehemannes nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB als Altersgrenze das 60. und nicht das 63. Lebensjahr zugrunde zu legen. Der Ehemann tritt dem Rechtsmittel entgegen und macht in erster Linie geltend, die (Erst-)Beschwerde der Ehefrau gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sei mangels Beschwer unzulässig.

II.

Die weitere Beschwerde hat keinen sachlichen Erfolg.

Sie führt zwar zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, jedoch nur mit der Maßgabe, daß die (Erst-) Beschwerde der Ehefrau gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Wolfsburg vom 6. November 1990 als unzulässig verworfen wird.

Der Ehefrau stand gegen diesen Beschluß keine Beschwerde zu. Denn sie war durch die amtsgerichtliche Entscheidung nicht in einem ihr zustehenden subjektiven Recht beeinträchtigt, § 20 Abs. 1 FGG.

Nur wenn das der Fall ist und eine Entscheidung einen unmittelbaren Eingriff in ein bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers enthält, steht diesem nach dem auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich anzuwendenden § 20 Abs. 1 FGG eine Beschwerde gegen die Entscheidung zu mit dem Ziel, die Beseitigung der mit dem Eingriff verbundenen Beeinträchtigung seiner Rechte zu erreichen. Macht ein Betroffener hingegen lediglich ein berechtigtes Interesse an einer Änderung oder Beseitigung der ergangenen Entscheidung geltend, so begründet dies (allein) keine Beschwerdeberechtigung im Sinne von § 20 Abs. 1 FGG (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Januar 1989 IVb ZB 208/87 = BGHR FGG § 20 Abs. 1 Rechtsbeeinträchtigung 4).

Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht, worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, antragsgemäß das erweiterte Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in der größtmöglichen Höhe eines Betrages von monatlich 37 DM durchgeführt. Einen weiteren öffentlich-rechtlichen Ausgleich der Betriebsrentenanwartschaft des Ehemannes, etwa in der Form der Beitragszahlung nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG, konnte die Ehefrau wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemannes nicht erreichen. Darauf war ihr Begehren in der Beschwerdeinstanz auch nicht gerichtet.

Das Ziel, das sie mit der Beschwerde verfolgte, betraf nicht das vorliegende Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich und diente nicht der Beseitigung einer Rechtsbeeinträchtigung, die die Ehefrau durch den Beschluß des Amtsgerichts in ihrer Rechtsposition als Begünstigte im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich erlitten hätte. Die Ehefrau erstrebte vielmehr mit der Beschwerde die Beseitigung einer, wie sie meinte, möglichen „Folgewirkung”, die der Begründung des angefochtenen Beschlusses für das spätere Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zukommen konnte. Insoweit war sie indessen durch die amtsgerichtliche Entscheidung jedenfalls deshalb nicht in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt, weil die Begründung des Beschlusses vom 6. November 1990 keine Bindungswirkung für das spätere Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entfaltet. Träfe etwa die Annahme des Amtsgerichts nicht zu, daß der Ehemann erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres Altersrente von der VW-AG bezieht – und daß der maßgebliche Umrechnungsfaktor (7,3) der Tabelle 4 zur Barwertverordnung demgemäß nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BarwertVO (nur) um 2 × 4,5 vom Hundert zu erhöhen ist –, dann müßte im späteren Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich das bisher teilweise nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG öffentlich-rechtlich ausgeglichene betriebliche Anrecht im übrigen neu berechnet werden. Der bisher öffentlich-rechtlich ausgeglichene Teil bliebe zwar unberührt. Darüber hinaus wäre aber die Differenz zum wahren (im Falle eines Ansatzes einer geringeren Gesamtdauer der Betriebszugehörigkeit entsprechend höheren) Wert des auf die Ehezeit entfallenden Anrechts schuldrechtlich auszugleichen (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 2. Aufl. § 1587g Rdn. 26).

Soweit das Oberlandesgericht demgegenüber in der nach Ansicht der Antragstellerin fehlerhaften Berechnungsweise des Amtsgerichts deshalb eine „Beschwer” gesehen hat, „weil diese Berechnung in den Gründen der Entscheidung sich auch für nachfolgende Versorgungsausgleichsverfahren zwischen den Parteien auswirkt” und weil sich „nur aus der in den Entscheidungsgründen dargelegten Berechnung” ergibt, „welcher Betrag durch den durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich verbraucht ist und für einen späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht mehr zur Verfügung steht”, kann dem aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Die Auffassung des Oberlandesgerichts beruht auf der in dem angefochtenen Beschluß ausdrücklich niedergelegten, rechtlich aber nicht zutreffenden Annahme, es werde durch die in den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses dargelegte Berechnung „bestimmt, in welchem Umfang der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich Bindungswirkung, die bedeutsam ist für den späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, zukommen kann”. Das ist, wie ausgeführt, nicht der Fall.

Auch aus der Regelung des § 1587g Abs. 2 Satz 1 BGB ist nichts anderes abzuleiten. Die Vorschrift bestimmt zwar, daß bei der Ermittlung der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung § 1587a BGB entsprechend gilt. Damit ist jedoch keine „Festschreibung” der bei Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs angewandten Maßstäbe des § 1587a BGB im Sinne einer „Rechtskraft”- oder Bindungswirkung für die Ermittlung der nach öffentlich-rechtlichem Teilausgleich noch verbleibenden schuldrechtlichen Ausgleichsrente verbunden. Diese ist vielmehr im Verfahren nach § 1587g BGB selbständig und ohne Bindung an die Berechnungsgrößen zu ermitteln, die bei der Entscheidung nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG zugrunde gelegt wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609836

BB 1995, 573

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