Leitsatz (amtlich)

a) Der Revisionsführer bzw. der Führer einer Nichtzulassungsbeschwerde ist verhindert, die Frist zur Begründung der Revision bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten, wenn und solange seinem Prozessbevollmächtigten vor Ablauf der Frist die Prozessakten nicht oder nicht vollständig zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen.

b) Das Hindernis ist nicht unverschuldet, wenn die Möglichkeit zu rechtzeitiger und vollständiger Akteneinsicht vor Fristablauf dadurch vereitelt worden ist, dass der Beschwerde- bzw. Revisionsführer es auf Grund eines eigenen oder eines ihm zuzurechnenden Verschuldens seines Verkehrsanwaltes unterlassen hat, seinem Prozessbevollmächtigten rechtzeitig den diesem zustehenden Gebührenvorschuss zu leisten (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.6.1990 - IX ZR 227/89, VersR 1991, 122).

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 234 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 10.11.2003; Aktenzeichen 67 S 190/03)

AG Berlin-Mitte

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der Zivilkammer 67 des LG Berlin v. 10.11.2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 24.338,34 EUR.

 

Gründe

I.

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an einer Wohnung geltend, die sie 1991 von den Beklagten gemietet und nach einem Brand im April 1998 verlassen hatte; hilfsweise begehrt sie Schadensersatz wegen Nichtgewährung des Gebrauchs i.H.v. zuletzt noch 17.417,46 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung einer weiter gehenden Schadensersatzpflicht der Beklagten. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben; das LG hat die Revision in dem der Klägerin am 10.12.2003 zugestellten Berufungsurteil nicht zugelassen.

Dagegen hat die Klägerin am 12.1.2004, einem Montag, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum 13.4.2004 verlängert und sind ihrem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten am 26.2.2004 die Gerichtsakten zur Einsicht überlassen worden. Am 1.4.2004 hat dieser angezeigt, dass er die Klägerin nicht mehr vertrete, und die Gerichtsakten zurückgesandt. Am 13.4.2004 hat sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin bestellt und eine erneute Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um einen Monat sowie die Überlassung der Gerichtsakten beantragt. Die Gerichtsakten sind ihm am 16.4.2004 übermittelt worden. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er gebeten, die Akten eines Vorprozesses beim AG Mitte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem AG gewesen sind, beizuziehen und ihm ebenfalls auszuhändigen. Die Beklagten, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten II. Instanz, haben der Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugestimmt und, nachdem die Senatsvorsitzende mit Schreiben v. 19.4.2004 darauf hingewiesen hatte, dass eine Fristverlängerung nicht mit einer Verzögerung der Entscheidung verbunden sein würde, mit einem am 29.4.2004 eingegangenen Schriftsatz an der Verweigerung ihrer Zustimmung festgehalten. Daraufhin hat die Vorsitzende am 4.5.2004 den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist über den 13.4.2004 hinaus zurückgewiesen. Die Akten des Vorprozesses beim AG Mitte, in dem einerseits die jetzigen Beklagten von der Klägerin erfolglos die Räumung der Wohnung verlangt hatten, andererseits aber die Widerklage der Klägerin und ihres damaligen Lebensgefährten auf Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit abgewiesen worden war, sind dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen Verzögerungen bei der Übermittlung durch das Berufungsgericht erst am 17.5.2004 übersandt worden.

Die Klägerin hat am 18.5.2004 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, und zugleich die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und an Eides statt versichert: Ihr früherer Prozessbevollmächtigter für die Revisionsinstanz habe das Mandat niederlegt und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet, weil sie seine Vorschussrechnung v. 12.1.2004 nicht beglichen habe. Zur Nichtzahlung sei es gekommen, weil sie seit dem 9.9.2003 mit unterschiedlicher Intensität an einer Augenerkrankung und unter in diesem Zusammenhang aufgetretenen anderen Erkrankungen gelitten habe, auf Grund derer sie selbst schlecht habe tätig werden können. Außerdem unterhalte sie eine Rechtsschutzversicherung, die ihr für die Vorinstanzen Kostenschutz gewährt habe. Ihre Prozessbevollmächtigte II. Instanz habe mit Schreiben v. 12.1.2004 bei der Rechtsschutzversicherung eine Kostendeckungszusage auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erbeten. Die Rechtsschutzversicherung habe daraufhin mit Schreiben v. 13.1.2004 bei dieser weitere Informationen zu den Zulassungsgründen angefordert und daran mit Schreiben v. 26.3.2004 erinnert. Hiervon habe sie, die Klägerin, erst Anfang Mai erfahren. Sie habe angenommen, dass die Rechtsschutzversicherung den angeforderten Gebührenvorschuss wie in den Vorinstanzen direkt ausgleichen würde bzw. ausgeglichen habe. Ihr früherer Prozessbevollmächtigter in der Revisionsinstanz habe mit Schreiben v. 31.3.2004 ihre Prozessbevollmächtigte II. Instanz von der Niederlegung des Mandats unterrichtet, die sie ihrerseits mit Schreiben v. 2.4.2004 davon verständigt habe. Dieses Schreiben habe sie wegen eines Krankenhausaufenthaltes am 6.4.2004 nicht vor dem Abend desselben Tages zur Kenntnis nehmen können. Auf Grund ihrer Erkrankung und der bevorstehenden Osterfeiertage habe sie erst am 13.4.2004 ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten beauftragen können. Die Klägerin meint, dass sie den Gebührenvorschuss an ihren früheren Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht gezahlt habe, könne ihr nicht angelastet werden. Das Verlangen der Rechtsschutzversicherung, vor einer Deckungszusage die Gründe für die Zulassung der Revision zu erfahren, sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil die dazu erforderliche Prüfung sachgerecht allein durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden könne, der dafür seinerseits darauf angewiesen sei, dass ihm die Gerichtsakten zur Verfügung gestellt würden.

II.

A. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der gem. § 233 ZPO statthafte und den Formerfordernissen des § 236 ZPO entsprechende Antrag ist innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO eingereicht worden. Die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO begann jedenfalls nicht vor Aushändigung der vom AG zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17.5.2004, so dass sie mit dem am 18.5.2004 gestellten Wiedereinsetzungsantrag gewahrt worden ist.

Gemäß § 234 Abs. 2 ZPO wird die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Tag in Lauf gesetzt, an dem das Hindernis für die Einhaltung der Frist behoben ist. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592, unter II 1, m.w.N.) der Fall, wenn entweder die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt ist oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, insb. weil die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. Die Klägerin war an der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zunächst dadurch gehindert, dass sie ab dem 1.4.2004 nicht mehr durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten war, dessen sie nach § 78 Abs. 1 S. 4 ZPO für die Begründung bedurfte. Dieses Hindernis war allerdings am 13.4.2004 und damit noch vor Ablauf der Begründungsfrist entfallen. Der von der Klägerin an diesem Tag mandatierte Prozessbevollmächtigte konnte auch nicht davon ausgehen, dass der von ihm noch vor Fristablauf eingereichte (weitere) Fristverlängerungsantrag genügen würde, um die Begründungsfrist wahren zu können. Denn mit einem Erfolg dieses Fristverlängerungsantrags konnte er nicht rechnen, weil gem. § 551 Abs. 2 S. 6 ZPO die Frist ohne Einwilligung des Gegners nur um bis zu zwei Monate verlängert werden kann, dieser Zeitraum bereits verstrichen war und ein Einverständnis des Gegners mit einer darüber hinaus gehenden Fristverlängerung nicht vorlag (vgl. zu der entsprechenden Regelung des § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO für die Berufung BGH, Beschl. v. 17.5.2004 - II ZB 14/03, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2b; Beschl. v. 4.3.2004 - IX ZB 121/03, BGHReport 2004, 840 = MDR 2004, 765 = NJW 2004, 1742, unter 2). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste deshalb bereits mit Ablauf des 13.4.2004 erkennen, dass die Frist versäumt war.

Es bestand jedoch an diesem Tag ein erneutes Hindernis für eine fristgerechte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unter ordnungsgemäßer Darlegung der Zulassungsgründe (§ 544 Abs. 2 S. 3 ZPO), weil dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Prozessakten nicht zur Verfügung standen. Der Prozessbevollmächtigte in der Revisionsinstanz ist zum einen für die Rüge von Verfahrensfehlern (§ 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO), die als Grund für die Zulassung der Revision in Betracht kommen und sich nicht schon aus dem Berufungsurteil ergeben müssen, auf die Prozessakten angewiesen. Zum anderen ist er wegen des durch § 78 Abs. 1 S. 4 ZPO zwingend vorgeschriebenen Anwaltswechsels erstmals mit der konkreten Rechtssache befasst. Es ist ihm deshalb nicht zuzumuten, die Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst allein auf der Grundlage des Berufungsurteils zu fertigen und (nur) zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen, die ohne Kenntnis der Akten nicht begründet werden konnten, nach Akteneinsicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, wie dies im Strafprozess in Betracht kommen kann (BGH, Beschl. v. 1.2.2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326, unter 1; Beschl. v. 6.5.1997 - 4 StR 152/97, NStZ-RR 1997, 302, unter 1). Für die zivilprozessuale Revision hat der Gesetzgeber auf Grund dieser Einschätzung eine Änderung von § 551 Abs. 2 S. 6 ZPO in die Wege geleitet mit dem Ziel, eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision durch den Vorsitzenden auch ohne Einwilligung des Gegners um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten zu ermöglichen, wenn dem Beschwerdeführer bzw. Revisionskläger innerhalb der Frist des § 551 Abs. 2 S. 6 ZPO nicht für einen angemessenen Zeitraum Einsicht in die Prozessakten gewährt werden kann (vgl. Art. 1 Nr. 19 des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz i.d.F. der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags v. 30.6.2004, BT-Drucks. 15/3482 und Beschl. des Bundestages v. 1.7.2004, Plenarprotokoll 15/118, S. 10770). Um sicherzustellen, dass dem Rechtsmittelführer auch nach geltendem Recht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt wird, ist es daher gerechtfertigt, ihn jedenfalls solange als an der fristgemäßen Einreichung der Beschwerdebegründung gehindert anzusehen, wie ihm die Prozessakten trotz eines rechtzeitigen Akteneinsichtsgesuchs nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen.

Dies war hier jedenfalls bis zum 17.5.2004, dem Tag, an dem dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die vom AG zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten überlassen worden sind, der Fall. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte noch am Tag seiner Bestellung die Gewährung von Akteneinsicht beantragt und unmittelbar nach Übersendung der Akten gerügt, dass diese nicht vollständig waren. Ob und in welchem Umfang dem Beschwerdeführer bzw. seinem Anwalt nach Übermittlung der vollständigen Prozessakten noch eine angemessene Frist zur Einsichtnahme in die Akten und anschließenden Fertigung der Begründungsschrift zuzubilligen ist, bevor von einer Beseitigung des in der fehlenden Aktenkenntnis liegenden Hindernisses ausgegangen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag bereits am 18.5.2004, also einen Tag nach Gewährung umfassender Akteneinsicht und damit in jedem Fall innerhalb der Frist des § 234 ZPO eingereicht.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist jedoch unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, dass sie ohne eigenes Verschulden und ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten verhindert war, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten (§ 233 ZPO).

a) Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat allerdings die Versäumung der Begründungsfrist nicht zu vertreten. Er ist erst am Tag des Fristablaufs von der Klägerin beauftragt worden und hat noch an diesem Tag einen - erfolglosen - Antrag auf Fristverlängerung gestellt.

b) Auch den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Revisionsinstanz trifft kein Verschulden daran, dass die Begründungsfrist nicht eingehalten worden ist. Die Niederlegung des Mandats geschah nicht grundlos. Er war berechtigt, die Fertigung der Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses für die in der Revisionsinstanz entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen abhängig zu machen. Als angemessener Vorschuss i.S.v. § 17 BRAGO in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung, die hier nach § 61 RVG weiterhin anzuwenden ist, gilt ein Vorschuss in der vollen Höhe der voraussichtlich entstehenden Vergütung einschließlich der Auslagen (BGH, Beschl. v. 21.6.1990 - IX ZR 227/89, VersR 1991, 122). Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Schreibens v. 31.3.2004, mit dem er das Mandat niedergelegt hat, hat der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin mehrfach den Ausgleich der Kostenrechnung angemahnt und am 12.3.2004 angekündigt, das Mandat niederzulegen, wenn bis zum 22.3.2004 keine Zahlung erfolgt sein würde.

c) Ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden an der Fristversäumnis ist jedoch ihrer Prozessbevollmächtigten II. Instanz vorzuwerfen. Diese war für die Klägerin nach dem Abschluss der Berufungsinstanz und der Übernahme des Mandats durch deren früheren Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz weiterhin als Verkehrsanwältin tätig, indem sie es übernommen hat, die Klägerin sowohl im Rahmen des Rechtsmittelauftrags ggü. dem Prozessbevollmächtigten als auch ggü. der Rechtsschutzversicherung zu vertreten. Der Verkehrsanwalt ist Bevollmächtigter der Partei, für dessen Verschulden diese nach § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat (BGH, Beschl. v. 17.12.1997 - IV ZB 30/97, RuS 1998, 174).

Nach dem Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Revisionsinstanz v. 31.3.2004 hatte dieser mehrfach Mahnungen wegen der Kostenrechnung und auch das die Fristsetzung bis zum 22.3.2004 enthaltende Schreiben v. 12.3.2004 an die Prozessbevollmächtigte II. Instanz gerichtet. Diese wusste also, dass die Vorschussrechnung von der Klägerin noch nicht beglichen war. Gleichzeitig war ihr auf Grund der an sie ergangenen Rückfrage der Rechtsschutzversicherung v. 13.1.2004 nach den Gründen für eine Revisionszulassung bekannt, dass eine Deckungszusage bisher nicht erteilt war und jedenfalls derzeit ein Ausgleich der Kostenrechnung durch die Rechtsschutzversicherung nicht erfolgen würde. Sie hätte deshalb die Klägerin zumindest über die Verzögerung bei der Deckungszusage informieren müssen, so dass diese die Wahl gehabt hätte, entweder zunächst selbst Zahlung an den Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz zu leisten und ggf. Deckungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer zu erheben oder auf die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde aus Kostengründen zu verzichten. Die Partei und ihr Vertreter sind zur wechselseitigen Information verpflichtet (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rz. 23 - Informationspflicht). Eine Hinweispflicht der Verkehrsanwältin bestand hier unabhängig davon, ob die Rechtsschutzversicherung berechtigt war, vor der Deckungszusage von ihr weitere Aufklärung über die Revisionszulassungsgründe zu verlangen, oder ob der Versicherer verpflichtet gewesen wäre, vorab zur Prüfung dieser Gründe durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt Deckung zu gewähren, wie die Klägerin meint. Die Verkehrsanwältin durfte in keinem Fall die Anfrage der Rechtsschutzversicherung während des Laufs der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sechs Wochen lang unbeantwortet lassen, ohne die Klägerin darüber aufzuklären, dass diese nicht von einem unmittelbaren Eintreten der Rechtsschutzversicherung ausgehen konnte. Das gilt umso mehr, als sie angesichts der mehrfachen Mahnungen des Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz damit rechnen musste, dass die Klägerin möglicherweise von einem direkten Ausgleich der Kostenrechnung durch die Rechtsschutzversicherung ausging, wie dies in der Berufungsinstanz geschehen war. Wie sich aus dem Vortrag der Klägerin ergibt, hat deren Prozessbevollmächtigte II. Instanz ihrer Informationspflicht nicht genügt, sondern hat die Klägerin erst auf Grund einer eigenen Nachfrage im Mai 2004 erfahren, dass der Rechtsschutzversicherer vor einer Deckungszusage weitere Angaben erbeten hatte. Erst recht würde der Prozessbevollmächtigten II. Instanz ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden zur Last fallen, wenn sie die Mahnungen des früheren Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht an die Klägerin weitergeleitet haben sollte, was nach deren Vortrag allerdings unklar ist.

d) Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass die Klägerin ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis trifft, weil sie fahrlässig nicht für einen rechtzeitigen Ausgleich der Kostenrechnung ihres früheren Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz Sorge getragen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 21.6.1990 - IX ZR 227/89, VersR 1991, 122). Gemäß § 236 Abs. 2 S. 1 ZPO hat die Partei, die Wiedereinsetzung begehrt, das Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumung darzulegen und glaubhaft zu machen. Bleibt danach die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung offen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (BGH, Beschl. v. 17.5.2004 - II ZB 14/03, unter II 2b; Beschl. v. 18.10.1995 - I ZB 15/95, MDR 1996, 315 = NJW 1996, 319, unter II 2).

So liegt der Fall hier. Hätte die Klägerin den am 12.1.2004 angeforderten Vorschuss in angemessener Zeit gezahlt, wäre es weder zur Mandatsniederlegung noch zur Fristversäumnis gekommen. Nach Übersendung der unvollständigen Gerichtsakten an ihren damaligen Prozessbevollmächtigten hätte dieser bis zum Ablauf der Begründungsfrist ausreichend Zeit gehabt, auch noch in die Beiakten nach deren Beiziehung Einsicht zu nehmen und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu fertigen. Die Klägerin behauptet nicht, die Kostenrechnung ihres früheren Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht erhalten zu haben. Vielmehr macht sie nur geltend, zur Nichtzahlung der Vorschussrechnung sei es einerseits durch ihre seit September 2003 andauernde Augenerkrankung und in diesem Zusammenhang aufgetretene andere Erkrankungen sowie andererseits durch ihre Annahme gekommen, die Rechtsschutzversicherung werde den Betrag direkt ausgleichen, wie dies in den Vorinstanzen geschehen sei. Im Hinblick auf die behaupteten Erkrankungen ist jedoch unklar, auf welche Weise und in welchem Ausmaß diese die Klägerin in der Zeit zwischen dem Zugang der Vorschussrechnung v. 12.1.2004 und der Niederlegung des Mandats durch ihren seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten am 31.3.2004 in der Handlungsfähigkeit konkret beeinträchtigt haben. Davon, dass die Rechtsschutzversicherung unmittelbar die Vorschussrechnung ihres Prozessbevollmächtigten für die Revisionsinstanz ausgleichen würde bzw. bereits ausgeglichen hatte, konnte die Klägerin jedenfalls dann nicht mehr ausgehen, wenn ihre Prozessbevollmächtigte II. Instanz die in dessen Schreiben v. 31.3.2004 aufgeführten Mahnungen einschließlich der unter Ankündigung der Mandatsniederlegung bis zum 22.3.2004 erfolgten Fristsetzung für die Zahlung an die Klägerin weitergeleitet hat. Dass sie von diesen Mahnungen keine Kenntnis hatte, behauptet die Klägerin nicht. Es kann deshalb zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sie bereits im März 2004 wusste, dass die Kostenrechnung noch offen war, und dass sie nicht sicher davon ausgehen konnte, ein Ausgleich durch die Rechtsschutzversicherung werde noch vor dem Ablauf der Zahlungsfrist erfolgen. Bei einer solchen Sachlage hätte sie sich jedenfalls bei ihrer Prozessbevollmächtigten II. Instanz nach dem Stand der Verhandlungen mit der Rechtsschutzversicherung erkundigen müssen, um einen rechtzeitigen Ausgleich der Kostenrechnung sicherzustellen. Die genannten Unklarheiten im Vortrag der Klägerin gehen zu ihren Lasten, weil sie gem. § 236 Abs. 2 S. 1 ZPO das Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumung darzulegen und glaubhaft zu machen hat.

B. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der von der Vorsitzenden bis zum 13.4.2004 verlängerten Frist begründet worden ist (§ 544 Abs. 2 ZPO). Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Begründungsfrist, wie sie die Klägerin beantragt hat, durfte gem. § 544 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 ZPO nicht erfolgen, weil eine Verlängerung um mehr als zwei Monate zwingend der Einwilligung des Beschwerdegegners bedarf, und die Beklagten diese Einwilligung verweigert haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1240164

BB 2004, 2378

BGHR 2005, 46

EBE/BGH 2004, 334

FamRZ 2004, 1783

NJW-RR 2005, 143

JurBüro 2005, 334

MDR 2004, 1433

VersR 2006, 809

WuM 2004, 626

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