Leitsatz (amtlich)

a) Holt der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten einer Familienstreitsache bei Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist über einen Monat hinaus nicht die erforderliche Zustimmung des Gegners ein, so beruht die anschließende Fristversäumung auf seinem Verschulden (im Anschluss an BGH Beschl. v. 4.3.2004 - IX ZB 121/03 FamRZ 2004, 867).

b) Bei einem nicht sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen der Fristverlängerung enthaltenden Antrag besteht grundsätzlich auch keine gerichtliche Hinweispflicht (im Anschluss an BGH Beschl. v. 22.3.2005 - XI ZB 36/04 FamRZ 2005, 1082).

 

Normenkette

ZPO § 233 Ff, § 520 Abs. 2 S. 3; FamFG § 117 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 27.03.2020; Aktenzeichen 2 UF 195/19)

AG Weinheim (Beschluss vom 30.10.2019; Aktenzeichen 1 F 32/13 GÜ)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe vom 27.3.2020 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Wert: 237.737 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten in der vom Scheidungsverbund abgetrennten Folgesache noch über den Zugewinnausgleich.

Rz. 2

Das AG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 30.10.2019 zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 237.737,02 EUR verpflichtet. Gegen den dem Antragsgegner am 5.11.2019 zugestellten Beschluss hat dieser rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Auf entsprechenden Antrag hat die Senatsvorsitzende die Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat bis zum 5.2.2020 verlängert. Die mit Schriftsatz vom 4.2.2020 beantragte erneute Fristverlängerung (bis zum 28.2.2020) hat die Senatsvorsitzende wegen fehlender Zustimmung der Antragstellerin als Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

Rz. 3

Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, die Zurückweisung des zweiten Fristverlängerungsantrags sei rechtswidrig gewesen, weil es nur einer Anhörung, nicht aber einer Zustimmung des Beschwerdegegners bedürfe. Er hat die Beschwerde mit am 25.2.2020 beim OLG eingegangenem Schriftsatz begründet.

Rz. 4

Das OLG hat die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

Rz. 5

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Rz. 6

Ein Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Begründung des OLG entspricht der Rechtsprechung des BGH.

Rz. 7

1. Dies gilt zunächst hinsichtlich der vom OLG zutreffend angenommenen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Diese richtete sich in der vorliegenden Familienstreitsache (§ 112 Nr. 2 FamFG) nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Die Frist betrug danach zwei Monate, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe am 5.11.2019, und ist von der Senatsvorsitzenden des OLG bis zum 5.2.2020 verlängert worden. Die bereits verlängerte Frist konnte durch die erst am 25.2.2020 eingegangene Beschwerdebegründung nicht mehr gewahrt werden. Die Rechtsbeschwerde stellt dies nicht in Frage.

Rz. 8

2. Auch im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 233 ZPO liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.

Rz. 9

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war dem Antragsgegner keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das gilt unabhängig davon, dass der Antragsgegner diesbezüglich keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat und für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine hinreichende Grundlage bestand. Denn die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist war jedenfalls nicht unverschuldet. Der Antragsgegner muss sich das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 85 Abs. 2 ZPO).

Rz. 10

a) Da gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht zulässig ist, hätte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners grundsätzlich nur dann eine weitere Verlängerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde eine erbetene Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilen (vgl. BGH Beschl. v. 4.3.2004 - IX ZB 121/03 FamRZ 2004, 867).

Rz. 11

Im vorliegenden Fall bestand für ein entsprechendes Vertrauen keine Grundlage. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat bis zur Einreichung des zweiten Fristverlängerungsantrags nicht um eine Zustimmung der Antragstellerin nachgesucht, sondern dies erst am 6.2.2020, mithin nach Fristablauf, nachgeholt. In seinem Schriftsatz vom 24.2.2020 hat er zudem rechtsirrig die Auffassung vertreten, dass § 225 Abs. 2 ZPO anwendbar und eine Zustimmung nicht erforderlich sei.

Rz. 12

Selbst wenn man in diesem Schriftsatz, wie von der Rechtsbeschwerde vertreten, einen konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung erblicken würde, wäre damit jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Fristversäumung unverschuldet war. Da der Verfahrensbevollmächtigte sich darin allein auf ein Vertrauen in eine Fristverlängerung ohne Zustimmung der Antragsgegnerin gem. § 225 Abs. 2 ZPO berufen hat, unterlag er vielmehr einem vermeidbaren Rechtsirrtum.

Rz. 13

b) Auf einen - von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten - Verstoß des Gerichts gegen eine Hinweispflicht hat sich der Antragsgegner weder im Schriftsatz vom 24.2.2020 noch in der Beschwerdebegründung vom 25.2.2020 berufen. Zur erforderlichen Glaubhaftmachung gehört hingegen, dass die Partei vorträgt, wie sie sich auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts verhalten hätte. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Geschäftsstelle des OLG den Verfahrensbevollmächtigten darum gebeten hat, eine Zustimmung der Gegenseite vorzulegen, ohne dass er dieses rechtzeitig nachgeholt hat.

Rz. 14

Überdies traf das OLG entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keine Hinweispflicht hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses für eine über einen Monat hinausgehende Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist (vgl. BGH Beschl. v. 22.3.2005 - XI ZB 36/04 FamRZ 2005, 1082, 1083). Es bestand schon keine zweifelhafte Rechtslage, vielmehr handelt es sich bei § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um geläufige Normen des Beschwerdeverfahrens in Familienstreitsachen, deren Anwendung im vorliegenden Fall keine Zweifelsfragen aufwirft. Über die Voraussetzungen der Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist musste der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners sich deshalb in eigener Verantwortung informieren.

Rz. 15

Aufgrund des dem Antragsgegner zuzurechnenden Verschuldens seines Verfahrensbevollmächtigten kam somit eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14812311

FuR 2021, 4

FuR 2021, 670

NJW-RR 2021, 1582

AnwBl 2021, 686

MDR 2021, 1348

MDR 2021, 1515

MDR 2021, 347

ErbR 2022, 100

FF 2021, 466

FamRB 2021, 7

FamRB 2022, 24

BRAK-Mitt. 2021, 374

NZFam 2021, 917

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