Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. Dezember 1997 aufgehoben.

Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

 

Gründe

Gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Innerhalb der bis zum 1. September 1997 verlängerten Frist ist die Berufungsbegründung jedoch nicht eingegangen. Deshalb wurde das Rechtsmittel durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 4. September 1997 verworfen. Der form- und fristgerecht eingereichte Wiedereinsetzungsantrag wurde durch weiteren Beschluß vom 16. Dezember 1997 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen sofortigen Beschwerde.

Der Beklagten ist Wiedereinsetzung zu gewähren. Das Oberlandesgericht hat einen durchgreifenden, bereits im ursprünglichen Gesuch vorgetragenen und glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrund übersehen. Es hat seine Zurückweisung nur auf die seiner Meinung nach nicht ausreichend organisierte Ausgangskontrolle gestützt. Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall wegen einer konkreten Einzelanweisung nicht entscheidend an. Erteilt ein Prozeßbevollmächtigter unter Abweichung von einer bestehenden Kanzleiorganisation einer zuverlässigen Kanzleikraft eine auf den konkreten Fall bezogene Einzelanweisung, bei deren Befolgung die einzuhaltende Frist gewahrt worden wäre, dann trifft ihn kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden, wenn seine Weisung versehentlich nicht befolgt wird und deshalb die Frist verstreicht (BGH, Beschluß vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45 = VersR 1996, 348 m.w.N.).

So liegt es hier. Die Beklagte hat durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten und der Rechtsanwaltsgehilfin L. glaubhaft gemacht, daß es auf folgende Weise zur Versäumung der Berufungsfrist kam:

Frau L. ist eine sorgfältig ausgesuchte und überwachte, seit Jahren zuverlässig arbeitende Kanzleikraft. Sie hatte am 28. August 1997 den von ihr gefertigten und vom Anwalt unterschriebenen Begründungsschriftsatz mit dessen ausdrücklicher Weisung erhalten, diesen selbst in den Nachtbriefkasten – zusammen mit anderen Schriftsätzen – einzuwerfen. Nach Versendungsfertigkeit hat sie ihn auf den Stapel der für den Nachtbriefkasten versendungsfertig gemachten Schriftstücke gelegt und dann die für den 1. September 1997 eingetragene Begründungsfrist gestrichen. Später hat sie aber diesen Schriftsatz von dem Stapel wieder weggenommen, weil sie ihn mit einem anderen Schriftsatz verwechselt hat, an dem auf Anweisung des Anwalts noch eine Änderung vorgenommen werden sollte.

Mit seiner konkreten Einzelanweisung an die Gehilfin, diesen von ihr gefertigten Schriftsatz auch selbst, persönlich schon am Donnerstag, dem 28. August 1997 – also lange vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – in den Nachtbriefkasten einzuwerfen, war die Fristwahrung gewährleistet. Der Prozeßbevollmächtigte und demgemäß auch die Beklagte (§ 85 Abs. 2 ZPO) haben nicht dafür einzustehen, daß die Gehilfin versehentlich den Begründungsschriftsatz mit einem zu ändernden Schriftstück verwechselt hat. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob – wie die angefochtene Entscheidung meint – die Ausgangskontrolle nicht zureichend organisiert war. Vielmehr war der Beklagten Wiedereinsetzung zu gewähren mit der Folge, daß der Verwerfungsbeschluß gegenstandslos geworden ist (Senatsbeschlüsse vom 21. November 1957 - IV ZB 236/57 - LM ZPO § 519b Nr. 9 und vom 12. Juli 1967 - IV ZB 21/67 - NJW 1968, 107).

 

Unterschriften

Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Römer, Terno, Seiffert

 

Fundstellen

Haufe-Index 539770

BRAK-Mitt. 1998, 171

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