Leitsatz (amtlich)

Zum Beginn der Berufungsfrist bei einer Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO.

 

Normenkette

ZPO § 319

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 10.01.2003)

AG Wetzlar

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Limburg an der Lahn v. 10.1.2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 5.250,00 Euro.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat wegen einer tätlichen Auseinandersetzung ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro begehrt. Die Beklagte hat widerklagend ein Schmerzensgeld von 500 Euro verlangt. Das AG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage i. H. v. 250 Euro stattgegeben. Der Tenor des am 22.10.2002 verkündeten Urteils enthält keinen Kostenausspruch. In den Entscheidungsgründen heißt es, die Kostenentscheidung habe ihre Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 2 ZPO. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.10.2002 zugestellt worden. Mit Beschl. v. 8.11.2002 hat das AG das Urteil gem. § 319 ZPO berichtigt und den Tenor dahin ergänzt, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dieser Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.11.2002 zugestellt worden.

Mit einem beim LG am 3.12.2002 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit Verfügung v. 13.12.2002 hat der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass die Zustellung des Urteils am 29.10.2002 erfolgt und die Berufungsschrift nach Ablauf der Berufungsfrist am 3.12.2002 eingegangen sei. Der Berichtigungsbeschluss habe den Lauf der Berufungsfrist unberührt gelassen. Die Berufungsbegründung ist am 3.1.2003 bei Gericht eingegangen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Berufung als unzulässig verworfen, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden sei; zur Begründung werde "zwecks Vermeidung von Wiederholungen" auf die Verfügung v. 13.12.2002 Bezug genommen. Ergänzend ist ausgeführt, das AG habe seinen Beschl. v. 8.11.2002 zu Recht auf § 319 ZPO gestützt. § 321 ZPO sei nicht anwendbar. Das AG habe den Kostenpunkt in den Entscheidungsgründen behandelt und deshalb nicht im Sinne dieser Vorschrift übergangen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 S. 4), aber unzulässig. Auch die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss ist nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig (BGH, Beschl. v. 7.5.2003 - XII ZB 191/02, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Diese sind hier nicht erfüllt. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist entgegen der Ansicht des Klägers eine Entscheidung des BGH nicht erforderlich.

1. Der Zulassungsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nur erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (BGH, Beschl. v. 29.5.2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42 = BGHReport 2002, 745 = NJW 2002, 2473 f. m. w. N.). Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Entscheidung, von der abgewichen wird, eine im konkreten Fall entscheidungserhebliche Rechtsfrage betrifft (zur entsprechenden Voraussetzung in § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2002 - VII ZR 101/02, BGHReport 2003, 347 = MDR 2003, 468 = NJW 2003, 831). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

2. Allerdings beruft sich der Kläger auf mehrere Entscheidungen, von denen der angefochtene Beschluss angeblich abweicht.

a) Er verweist zunächst auf den Beschluss des BGH (BGH v. 20.6.2002 - IX ZB 56/01, BGHReport 2002, 902 = MDR 2002, 1208 = NJW 2002, 2648 f.). Danach müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben; anderenfalls sind sie nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen. Der Kläger ist der Auffassung, der angefochtene Beschluss werde diesen Anforderungen nicht gerecht und könne deshalb keinen Bestand haben. Dem ist nicht zu folgen. Der vom Kläger angeführte Beschluss betrifft einen anderen Sachverhalt. Der BGH hat in jener Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, in welchem Umfang ein der Rechtsbeschwerde unterliegender Beschluss auf bestimmte Aktenbestandteile Bezug nehmen darf. Vorliegend hat das Berufungsgericht zur Darlegung der Verfristung des Rechtsmittels auf eine den Parteien mitgeteilte Verfügung des Berichterstatters Bezug genommen. Das ist im konkreten Fall hinnehmbar, weil sich der Vermerk ausschließlich mit dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang befasst, der Aufschluss über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Berufung gibt. Bei der Beurteilung dieser Frage ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht an Feststellungen des Vorderrichters gebunden. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine Prozessvoraussetzung, die vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4.6.1992 - IX ZB 10/92, MDR 1992, 1181 = NJW-RR 1992, 1338 [1339] m. w. N.).

b) Der angefochtene Beschluss weicht auch nicht von der vom Kläger angeführten Entscheidung des BAG ab (BAG v. 25.4.2002 - 2 AZR 352/01, NJW 2003 [nicht: 2002], 918 f.). Diese befasst sich mit den Anforderungen, die an den Tatbestand eines Berufungsurteils zu stellen sind. Das Urteil enthält aber keine Aussage dazu, inwieweit Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, auf Aktenbestandteile Bezug nehmen dürfen.

c) Ob das AG sein Urteil hinsichtlich des fehlenden Kostenausspruchs durch einen Beschluss gem. § 319 ZPO berichtigen durfte oder stattdessen den Weg der Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO hätte beschreiten müssen, kann dahin stehen. Insoweit ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts schon deshalb nicht geboten, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Die Berufungsfrist ist mit der Zustellung des Urteils in Lauf gesetzt worden. Eine spätere Berichtigung des Urteilstenors hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Rechtsmittelfrist, wenn sie - wie hier - durch einen Berichtigungsbeschluss gem. § 319 ZPO erfolgt (BGH v. 9.12.1983 - V ZR 21/83, BGHZ 89, 184 [186] = MDR 1984, 387). Ein Ausnahmefall (vgl. BGH v. 17.1.1991 - VII ZB 13/90, BGHZ 113, 228 [230 f.] m. w. N. = MDR 1991, 523) ist vorliegend nicht gegeben. § 518 ZPO ist nicht anwendbar. Ein Ergänzungsurteil ist nicht ergangen. Das AG hat seine berichtigende Entscheidung vielmehr von Amts wegen im Wege eines Beschlusses getroffen und diesen ausdrücklich auf die Vorschrift des § 319 ZPO gestützt. Für eine Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BGH v. 17.10.1986 - V ZR 169/85, BGHZ 98, 362 [364 f.] m. w. N. = MDR 1987, 221) ist kein Raum, da die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsurteils nicht vorlagen. Dieses hätte gem. § 321 ZPO nämlich nur auf Antrag einer Partei und auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen dürfen. Daran fehlte es hier.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 959671

BB 2003, 1866

NJW 2003, 2991

BGHR 2003, 1104

FamRZ 2003, 1380

EzFamR aktuell 2003, 281

MDR 2003, 1128

VersR 2003, 1418

ZfS 2003, 494

KammerForum 2003, 418

ProzRB 2003, 358

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