Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Unangemessene Benachteiligung. Hinterlegung des Sicherheitseinbehalts

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vorsieht, der durch Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist auch dann unwirksam, wenn dem Auftragnehmer die Befugnis eingeräumt wird, die Hinterlegung des Sicherheitseinbehalts zu verlangen.

 

Normenkette

AGBG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 19.09.2006; Aktenzeichen 9 U 1946/06)

LG München I (Entscheidung vom 14.12.2005; Aktenzeichen 24 O 8547/05)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des OLG München vom 19.9.2006 - I U 1946/06 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 2) wird, nachdem sie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Die Klägerinnen tragen ihre außergerichtlichen Kosten und 50 v.H. der Gerichtskosten als Gesamtschuldner. 50 v.H. der Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt allein die Klägerin zu 1).

Streitwert: 108.922,66 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Die Klägerinnen haben die Beklagte aus insgesamt siebzehn Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern auf Zahlung von 108.922,66 EUR in Anspruch genommen. Diese Bürgschaften hat die Beklagte für Auftragnehmer der Klägerin zu 1) gestellt. In den Werkverträgen zwischen der Klägerin zu 1) und ihren Auftragnehmern war eine von der Klägerin zu 1) vorgegebene Klausel enthalten, nach der eine Sicherheit für die Gewährleistung in Höhe 5 v.H. der Abrechnungssumme mit der Schlussrechnung in Ansatz gebracht wird und diese durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann. Dem Auftragnehmer sollte das Wahlrecht nach § 17 Nr. 3 VOB/B zustehen.

[2] Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen habe beide Klägerinnen Beschwerde eingelegt. Die Klägerin zu 2) hat die Beschwerde zurückgenommen.

II.

[3] Die Beschwerde der Klägerin zu 1) hat keinen Erfolg. Ein die Zulassung der Revision erfordernder Grund, § 543 Abs. 2 ZPO, liegt nicht vor.

[4] 1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die in den Verträgen zwischen der Klägerin zu 1) und ihren Auftragnehmern verwendete Sicherungsklausel sei wegen unangemessener Benachteiligung der Auftragnehmer unwirksam. Das folge aus der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 25.3.2004 - VII ZR 453/02, MDR 2004, 933 = BGHReport 2004, 935 m. Anm. Schwenker = BauR 2004, 1143 = NZBau 2004, 322 = ZfBR 2004, 550; Urt. v. 9.12.2004 - VII ZR 265/03, BGHReport 2005, 413 m. Anm. Schwenker = MDR 2005, 566 = BauR 2005, 539 = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255). Davon abweichende Entscheidungen des KG und des OLG Hamm seien durch die Rechtsprechung des BGH überholt. Die Zulassung der Revision sei deshalb nicht veranlasst.

[5] 2. Dagegen wendet sich die Beschwerde ohne Erfolg. Zutreffend ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass die von ihm zu beurteilende Rechtsfrage durch die Entscheidungen des Senats geklärt ist.

[6] Eine in einem Bauvertrag enthaltene Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Auftraggebers, wonach dieser für die Dauer der Gewährleistungsfrist einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vornehmen darf, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird, dass er den Werklohn nicht sofort ausgezahlt bekommt, das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und ihm die Liquidität sowie die Verzinsung des Werklohns vorenthalten werden (BGH, Urt. v. 5.6.1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = MDR 1997, 929; Urt. v. 2.3.2000 - VII ZR 475/98, MDR 2000, 826 = BauR 2000, 1052 = NZBau 2000, 285 = ZfBR 2000, 332; Urt. v. 22.11.2001 - VII ZR 208/00, MDR 2002, 332 = BGHReport 2002, 273 = BauR 2002, 463 = NZBau 2002, 151 = ZfBR 2002, 249; Urt. v. 16.5.2002 - VII ZR 494/00, BGHReport 2002, 977 = MDR 2002, 1366 = BauR 2002, 1392 = NZBau 2002, 493 = ZfBR 2002, 677; Urt. v. 13.11.2003 - VII ZR 57/02, BGHZ 157, 29 = MDR 2004, 273 = BGHReport 2004, 287 m. Anm. Preussner; Urt. v. 9.12.2004 - VII ZR 265/03, BGHReport 2005, 413 m. Anm. Schwenker = MDR 2005, 566 = BauR 2005, 539 = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255; Urt. v. 14.4.2005 - VII ZR 56/04, BGHReport 2005, 1100 = MDR 2005, 1103 = BauR 2005, 1154 = NZBau 2005, 460 = ZfBR 2005, 557; Urt. v. 20.10.2005 - VII ZR 153/04, BGHReport 2006, 292 = MDR 2006, 388 = BauR 2006, 374 = NZBau 2006, 107 = ZfBR 2006, 145).

[7] Ein angemessener Ausgleich wird dem Auftragnehmer nicht gewährt, wenn er die Liquidität nur dadurch erlangen kann, dass er den Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablöst. Denn diese Bürgschaft kann ohne Weiteres in Anspruch genommen und dadurch dem Auftragnehmer die Liquidität auch dann wieder für längere Zeit entzogen werden, wenn sich herausstellt, dass ein Sicherungsfall nicht vorliegt (BGH, Urt. v. 25.3.2004 - VII ZR 453/02, MDR 2004, 933 = BGHReport 2004, 935 m. Anm. Schwenker = a.a.O.; Urt. v. 9.12.2004 - VII ZR 265/03, BGHReport 2005, 413 m. Anm. Schwenker = MDR 2005, 566 = a.a.O.). An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn der Sicherheitseinbehalt auf ein Verwahrgeldkonto des öffentlichen Auftraggebers genommen wird (BGH, Urt. v. 20.10.2005 - VII ZR 153/04, BGHReport 2006, 292 = MDR 2006, 388 = a.a.O.). Daraus folgt ohne Weiteres, dass ein angemessener Ausgleich auch nicht dadurch geschaffen werden kann, dass dem Auftragnehmer die Möglichkeit eröffnet wird, die Hinterlegung des Sicherheitseinbehalts zu verlangen. Denn dadurch erhält er nicht die Möglichkeit, den ihm nach der Gesetzeslage zustehenden Werklohn dauerhaft liquide an sich zu ziehen.

[8] Den von der Beschwerde vorgebrachten Gesichtspunkten, der hinterlegte Sicherheitseinbehalt werde verzinst und der private Auftraggeber könne im Gegensatz zum öffentlichen Auftraggeber im Rückforderungsprozess nicht gerichtskostenfrei auftreten, kommt bei der Interessenabwägung kein entscheidendes Gewicht zu.

[9] Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Entscheidungen des KG (BauR 2004, 1016) und des OLG Hamm (BauR 1998, 135) durch die neueren Entscheidungen des BGH überholt sind. Eine weitere Klärung durch den Senat ist nicht veranlasst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1774098

BGHR 2007, 911

BauR 2007, 1575

DWW 2007, 434

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2007, 1319

IBR 2007, 422

WM 2007, 1625

ZAP 2007, 887

ZfIR 2008, 15

MDR 2007, 1127

ZfBR 2007, 671

NZBau 2007, 583

ZBB 2008, 54

ZGS 2007, 285

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