Leitsatz (amtlich)

1. Über die Anforderungen an die bei Revision gegen ein oberlandesgerichtliches Versäumnisurteil nach §§ 513 Abs. 2, 566 ZPO gebotene Darlegung, daß ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe.

2. Die Niederlegung des Mandats zur Unzeit kann gegen den Anwalt einen Verschuldensvorwurf begründen, der dem Mandanten bei Versäumung eines Termins wegen mangelnder Vertretung zuzurechnen ist.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 01.03.1984)

 

Tenor

Die Revision gegen das Versäumnisurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. März 1984 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf restliche Vergütung in Höhe von zuletzt noch 3.112,80 DM geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen.

Als der Kläger in dem auf seinen Einspruch hin anberaumten Verhandlungstermin vom 1. März 1984 nicht erschien, hat das Oberlandesgericht durch Versäumnisurteil den Einspruch verworfen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er trägt vor: Ein Fall der Versäumung habe nicht vorgelegen. Er, der Kläger, sei ohne sein Verschulden am Erscheinen und an der Wahrnehmung des Termins verhindert gewesen. Etwa eine Woche vor dem Verhandlungstermin habe sein Prozeßbevollmächtigter ihm durch Schreiben vom 21. Februar 1984 mitgeteilt, daß er aus gesundheitlichen Gründen zur Niederlegung des Mandats gezwungen sei. Er, der Kläger, habe dieses Schreiben erst am Freitag, dem 24. Februar 1984 erhalten und noch am frühen Freitagnachmittag erfolglos versucht, zwei Rechtsanwälte, auf die ihn sein bisheriger Prozeßvertreter hingewiesen habe, zu erreichen. Bei dem einen dieser Anwälte habe er um Rückruf gebeten; ein Versuch, diesen Anwalt am Montag, dem 27. Februar 1984 erneut zu erreichen, sei erfolglos gewesen. Erst am Dienstag gegen 11.00 Uhr habe dieser Rechtsanwalt zurückgerufen und eine Übernahme der Vertretung abgelehnt. Zwei weitere Anwälte, die er, der Kläger, sodann noch um die Übernahme des Mandats ersucht habe, seien gleichfalls nicht bereit gewesen, ihn zu vertreten.

Weil es auf der Hand gelegen habe, daß er keinen Anwalt finden werde, habe das Berufungsgericht, dem die Mandatsniederlegung am 22. Februar und die Gründe dafür am 28. Februar 1984 bekannt gewesen seien, von Amts wegen den Verhandlungstermin verlegen, jedenfalls aber die Verhandlung über den Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils vertagen müssen.

II.

Die Revision des Klägers war nach §§ 554 a, 566, 513 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist. Ein von einem Oberlandesgericht verkündetes Versäumnisurteil, gegen das, wie im Streitfall, ein Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, daß der Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe (§§ 566, 513 Abs. 2 ZPO). Im Streitfall mangelt es bereits an einem schlüssigen Vortrag für das Fehlen oder die Unabwendbarkeit der Säumnis, so daß die Revision durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 43. Auflage 1985, § 513 Anm. 2 letzter Abs.).

Der Kläger hat keine hinreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, daß er ohne sein Verschulden verhindert war, den Termin vom 1. März 1984, zu dem er ordnungsgemäß geladen worden war, wahrzunehmen (vgl. §§ 337 Satz 1, 227 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl. 1984, § 513 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers a.a.O. § 513 Anm. 2; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl. 1977, § 513 Rdnr. 8 ff.; BGH WM 1982, 601).

Er konnte unter den gegebenen Umständen nicht davon ausgehen, daß das Berufungsgericht den Verhandlungstermin verlegen werde, nachdem es am 22. Februar 1984, also mehr als eine Woche vor dem Termin, von der Mandatsniederlegung Mitteilung erhalten hatte. Für eine Aufhebung des Termins von Amts wegen, die nur aus erheblichen Gründen erfolgen darf (§ 227 Abs. 1 ZPO), war die Mandatsniederlegung kein Grund. Einen Hinweis darauf, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 1984 nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sein werde, hatte das Berufungsgericht nicht. Im Hinblick auf die große Anzahl der beim Oberlandesgericht München zugelassenen Rechtsanwälte und mit Rücksicht darauf, daß es sich weder um eine umfangreiche noch um eine rechtlich schwierige Sache handelt, konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, der Kläger werde - wenn das nicht bereits geschehen war - einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt finden.

Diese Umstände hatte der Kläger zu berücksichtigen und sich dementsprechend zur Vermeidung eines zweiten Versäumnisurteils mit Nachdruck um eine neue Vertretung zu bemühen. Wenn er in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit von etwa einer Woche nach seinem Sachvortrag nur drei, allenfalls vier Rechtsanwälte um die Übernahme der Vertretung ersuchte, so reichte das bei Berücksichtigung der beträchtlichen Anzahl der für eine Vertretung in Betracht kommenden Rechtsanwälte zur Annahme einer Versäumung ohne Verschulden nicht aus. Hinzu kommt, daß der Kläger, als er am 24. Februar 1984 die ihm benannten Rechtsanwälte Dr. B. und Dr. Bu. nicht erreichen konnte, auch nicht bis zum Rückruf am 28. Februar 1984 hätte untätig bleiben dürfen. Er hätte vielmehr nicht erst ab 28. Februar 1984, sondern auch schon vorher versuchen müssen, einen anderen Anwalt zu finden.

Im übrigen würde ein Fall der Versäumnis selbst dann vorliegen, wenn es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit einen zu seiner Vertretung bereiten und geeigneten Rechtsanwalt zu finden. Denn in einem solchen Falle wäre davon auszugehen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, dessen Verhalten und Verschulden dieser sich zurechnen lassen muß (§ 85 ZPO), das Mandat zur Unzeit niedergelegt hätte nämlich eine so kurze Zeit vor dem Verhandlungstermin, daß dem Kläger - für seinen Prozeßbevollmächtigten voraussehbar - die dargelegten Schwierigkeiten entstanden. Die Revision kann sich nicht darauf stützen, der Anwalt des Klägers sei aus zwingenden gesundheitlichen Gründen und weil er am Wochenende vor dem Verhandlungstermin eine Kur habe antreten müssen, an der Fortführung der Vertretung gehindert gewesen. Diese Umstände sind im Hinblick darauf, daß ein Rechtsanwalt in derartigen Fällen nach § 53 BRAGO für seine Vertretung sorgen muß, in aller Regel kein ausreichender Grund für die Mandatsniederlegung.

Entgegen der Ansicht der Revision war das Berufungsgericht weder gehalten, am 28. Februar 1984, als es Kenntnis vom Grund der Mandatsniederlegung erhielt, den Verhandlungstermin zu verlegen, noch brauchte es am Terminstag selbst nach § 337 ZPO die Verhandlung über den Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils zu vertagen. Dafür hätte nur dann ein Grund bestanden, wenn es annehmen mußte, der Kläger habe einen zu seiner Vertretung in dem Rechtsstreit bereiten Rechtsanwalt nicht finden können. Davon brauchte indessen das Berufungsgericht nicht auszugehen, zumal ihm der Kläger von irgendwelchen Schwierigkeiten insoweit nichts mitgeteilt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018847

VersR 1985, 542-543 (Volltext mit red. LS)

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