Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Versorgungsausgleichs aufgrund grober Unbilligkeit

 

Normenkette

BGB § 1587c Nr. 1

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. August 1984 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 4.935 DM.

 

Gründe

I.

Die im Jahre 1943 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der im Jahre 1939 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am 21. Mai 1965 die Ehe geschlossen, aus der zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind. Über den am 2. April 1983 dem Ehemann zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau hat das Amtsgericht vor der Regelung des Versorgungsausgleichs entschieden. Das Scheidungsurteil ist seit dem 29. November 1983 rechtskräftig.

Während der Ehezeit (1. Mai 1965 bis 31. März 1983, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte) Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt. Nach den in den Vorinstanzen aufgrund der damaligen Rechtslage getroffenen Feststellungen betragen deren Werte für die Ehefrau 28,40 DM und für den Ehemann 850,90 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit.

Das Amtsgericht ist dem auf § 1587c Nr. 1 BGB gestützten Begehren des Ehemannes, wegen der Vermögensverhältnisse der Parteien einen Versorgungsausgleich auszuschließen, nicht gefolgt, sondern hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA auf das dort geführte Versicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 411,25 DM (Hälfte des Wertunterschiedes), bezogen auf den 31. März 1983, übertragen hat.

Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde erstrebt die Ehefrau die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1.

Das Oberlandesgericht hat den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, weil die Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Ehemannes unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe, grob unbillig sei (§ 1587c Nr. 1 BGB). Dazu hat es im einzelnen erwogen:

Die Ehefrau habe während der Ehe durch Erbfolge nach ihrem Vater eine Firmenbeteiligung im Werte von etwa sechs Millionen DM (Grundbesitz und Kapital) erworben. Während sie daraus ihre Altersversorgung angemessen sicherstellen könne, werde der Ehemann an ihrem Vermögen - abgesehen von einer im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Zahlung der Ehefrau, aus der ihm etwa 50.000 DM verbleiben - nicht beteiligt. Auch ein Zugewinnausgleich finde wegen der vereinbarten Gütertrennung nicht statt. Der Verlust von Versorgungsanwartschaften in der Rentenversicherung würde den Ehemann unter diesen Umständen in besonderem Maße belasten; der von der Ehefrau dabei erlangte Vorteil stehe hierzu in keinem erträglichen Verhältnis. Das gelte auch, wenn zukünftige Risiken bedacht würden. Eine konkrete Gefahr, daß die Firma - an der die Ehefrau in gleichem Umfang wie ihre Mutter beteiligt ist - in Konkurs falle, bestehe nicht. Auf der anderen Seite habe auch der Ehemann, würde er in nächster Zeit erwerbsunfähig, mit einer aus der ungekürzten Anwartschaft zu erwartenden Rente nicht mehr als den notwendigen Eigenbedarf, während ihm bei Durchführung des Versorgungsausgleichs sogar nur eine Rentenanwartschaft von monatlich 439,65 DM verbleibe.

2.

Gegen diese Würdigung, die als tatrichterliche Beurteilung nur einer eingeschränkten rechtlichen Prüfung unterliegt (vgl. BGHZ 74, 38, 84; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt etwa Beschluß vom 12. November 1986 - IVb ZB 67/85 - FamRZ 1987, 362, 364 m.w.N.), wendet sich die weitere Beschwerde vergeblich.

a)

Allerdings weist sie zu Recht darauf hin, daß die gleichmäßige Beteiligung beider Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit der Grundgedanke des seit dem 1. Juli 1977 geltenden Rechtes ist. Ihm entspricht die Durchführung eines Versorgungsausgleichs gerade dann, wenn wie hier die Ehefrau während intakter Ehe nicht erwerbstätig war, sondern den Haushalt geführt und die Kinder betreut hat. Der Ausgleich soll eine adäquate soziale Lage für denjenigen Ehegatten bewirken, der zugunsten von Ehe und Familie während des Zusammenlebens seine Erwerbsinteressen zurückgestellt hat. Daher müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, wenn der Ausgleichsanspruch mittels der Härteklausel begrenzt oder ausgeschlossen werden soll.

b)

Auf der anderen Seite kann wegen der Vielfalt der Lebensverhältnisse nicht ausgeschlossen werden, daß die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs im Einzelfall nicht zu einer Verbesserung des sozialen Gleichgewichts zwischen den Ehegatten führt, sondern das Gegenteil bewirkt. In solchen Fällen dient die Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB dazu, grundgesetzwidrige Auswirkungen zu vermeiden. Diesen Gesichtspunkt hat der Bundesgerichtshof gerade zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dafür herangezogen, daß das seit dem 1. Juli 1977 geltende Versorgungsausgleichsrecht auch auf solche Ehen erstreckt worden ist, die wie hier vor diesem Zeitpunkt unter anderen rechtlichen Voraussetzungen geschlossen worden sind (vgl. BGHZ a.a.O. 83 f.). Zu den objektiven Verhältnissen, die die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf Versorgungsausgleich grob unbillig erscheinen lassen können, rechnet das Gesetz - wie die ausdrückliche Hervorhebung gerade solcher Umstände zeigt - insbesondere den beiderseitigen Vermögenserwerb während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung. Dazu gehört insbesondere der Erwerb von Grundstücken oder Kapitalanlagen (vgl. Senatsbeschluß vom 12. November 1980 - IVb ZB 503/80 - FamRZ 1981, 130, 132). Besondere Bedeutung erlangen solche Umstände, wenn die Ehegatten Gütertrennung vereinbart hatten und ein Zugewinnausgleich nach der Scheidung deshalb nicht durchgeführt wird.

c)

Es läßt sich nicht feststellen, daß das Oberlandesgericht diese Grundsätze rechtsfehlerhaft mißachtet und die Besonderheiten des vorliegenden Falles im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht ausreichend gewürdigt hat.

Die weitere Beschwerde verweist - außer auf den bereits erörterten Grundgedanken des Versorgungsausgleichs - besonders auf die Unwägbarkeiten der künftigen Entwicklung. Da Versorgungsfälle angesichts des Alters der Parteien voraussichtlich erst nach dem Jahre 2000 eintreten würden, müsse die dann bestehende wirtschaftliche Lage mitbedacht werden. Das ererbte, in einem großen Unternehmen gebundene Vermögen der Ehefrau könne in kurzer Zeit durch wirtschaftliche Fehlschläge oder politische Veränderungen verloren gehen; demgegenüber behielten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung - die sie jedoch nicht beliebig aufstocken könne - ihren Wert.

Mit diesen Erwägungen versucht die weitere Beschwerde eine ihr verschlossene anderweitige Abwägung an die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung zu setzen. Davon abgesehen fordert das Gesetz nicht die Berücksichtigung künftiger, beim Eintritt eines Versorgungsfalles voraussichtlich bestehender Vermögensverhältnisse, die sich einer vorausschauenden Beurteilung ohnehin entziehen, sondern es verlangt die Beachtung der im Zeitpunkt der tatrichterlichen Beurteilung vorhandenen beiderseitigen Verhältnisse. Das Risiko der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung ihres Vermögens, dessen Anlage sich auch verändern läßt und zu einer weiteren Vermögensvermehrung führen kann, trägt die Ehefrau als Teil ihres allgemeinen Lebensrisikos. Dem angefochtenen Beschluß läßt sich auch nicht entnehmen, daß davon ausgegangen worden sei, die Ehefrau könne ihre bestehenden Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung aus Kapitalmitteln bis zu einer ausreichenden Versorgung beliebig auffüllen. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich vielmehr eindeutig als Auffassung des Oberlandesgerichts, daß die Altersversorgung der Ehefrau aus den Erträgen ihres Vermögens insgesamt gesichert erscheine. Das ist richtig.

Danach ist die weitere Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Lohmann

Blumenröhr

Krohn

Zysk

Nonnenkamp

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456465

JR 1988, 416

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