Entscheidungsstichwort (Thema)

gefährliche Körperverletzung

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 1. September 1998 dahin abgeändert, daß die Anordnung über die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft und der vorläufigen Unterbringung entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die Staatskasse hat ein Drittel der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage des nach der Senatsentscheidung vom 20. Januar 1998 - 4 StR 593/97 - rechtskräftigen Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es angeordnet, daß die Anrechnung „der erlittenen Untersuchungshaft einschließlich der Zeit der vorläufigen Unterbringung im LKH Uchtspringe” unterbleibt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat hinsichtlich der Nichtanrechnung der erlittenen Freiheitsentziehung Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Das Landgericht hat zur Begründung der Versagung der Anrechnung ausgeführt: Der Angeklagte habe den Erlaß des Haftbefehls selbst herbeigeführt durch die Erklärung bei seiner Beschuldigtenvernehmung, daß er den „Haß nicht abbauen” könne und er auch nicht garantieren könne, daß es nicht zu einer erneuten Konfrontation komme. Außerdem solle dem Angeklagten vor Augen geführt werden, daß nur die deutliche Reduzierung der im ersten Urteil verhängten Freiheitsstrafe (von drei Jahren) die Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht habe. Dann erscheine es aber auch geboten, daß der Angeklagte bei etwaigem Bewährungsversagen mit der Verbüßung der nunmehr erkannten zweijährigen Freiheitsstrafe in voller Höhe zu rechnen habe.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Versagung der Anrechnung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB zu rechtfertigen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 2. Februar 1999 ausgeführt:

„Das Landgericht hat die Nichtanrechnung zunächst damit begründet, daß der Angeklagte den Erlaß des Haftbefehls durch seine ‚Erklärunge’ in einer Beschuldigtenvernehmung vom 26. Juli 1996 ‚selbst herbeigeführ’ habe. Diese Begründung trägt eine Nichtanrechnung der vom Angeklagten erlittenen Freiheitsentziehung im Sinne des § 51 Abs. 1 StGB nicht.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB kann ein Gericht anordnen, daß eine solche Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, ‚wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt is’. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dies nur dann der Fall, wenn ein nach der Tat gezeigtes Verhalten des Täters im Verfahren eine Anrechnung ‚als ungerecht erscheinen läß’ (BGHSt 23, 307). Dies kann bei solchem Verhalten des Täters in Betracht kommen, das nicht seiner Verteidigung dient und entweder gerade darauf abzielt, eine (angeordnete) Untersuchungshaft zu verlängern, um sich durch deren spätere Anrechnung einen Vorteil bei der Strafvollstreckung zu verschaffen, oder den Zweck verfolgt, das Verfahren aus anderen Gründen böswillig zu verschleppen. Bei Handlungen, die selbst Haftgrund sind und allein dem Täter durch seine Inhaftierung Nachteile erbringen, ist dies aber nur dann der Fall, wenn diese Handlungen auch tatsächlich zu einer vom Angeklagten beabsichtigten Verschleppung des Verfahrens geführt haben (vgl. BGHSt 23, 307, 308; BGH bei Holtz MDR 1979, 454, 455; vgl. auch Tröndle in: LK 10. Aufl. § 51 Rdn. 48).

Gemessen an diesen Grundsätzen hätte das Landgericht, das dem Angeklagten im Ergebnis vorwirft, seine Inhaftierung durch seine Äußerungen selbst verschuldet zu haben, weil sich erst damit der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ergeben hätte, zur Frage der (beabsichtigten) Verfahrensverschleppung Feststellungen treffen müssen. Dies hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft unterlassen. Ersichtlich erfolgte dies deshalb, weil dem Angeklagten neben seiner zum Erlaß des Haftbefehls vom 5. August 1996 wegen Wiederholungsgefahr im Sinne des § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO führenden Äußerung in seiner Beschuldigtenvernehmung keine weiteren, ‚nach der Ta’ gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB begangenen Verhaltensweisen vorzuwerfen waren, die eine Nichtanrechnung der Freiheitsentziehungen rechtfertigen könnten. Für die nichtangerechnete Zeit der ‚vorläufigen Unterbringun’ gilt dies schon deshalb, weil die Strafkammer keine Ausführungen zum Grund dieser gesondert anzuordnenden richterlichen Maßnahme im Sinne des § 126 a StPO gemacht hat.

Auch die weitere Erwägung der Strafkammer zur Begründung der Nichtanrechnung, wonach dem Angeklagten vor Augen geführt werden sollte, daß ‚nur eine deutliche Reduzierung der seinerzeit von der 6. Strafkammer verhängten Freiheitsstraf’ die Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht habe, so daß es geboten erscheine, daß der Angeklagte bei etwaigem Bewährungsversagen mit der Verbüßung der jedenfalls nur zweijährigen Freiheitsstrafe in voller Höhe zu rechnen habe (UA S. 9), kann die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft nicht tragen. Das Landgericht verknüpft damit die Bestimmung der schuldangemessenen Strafe mit der Frage der Anrechnung bzw. Nichtanrechnung der erlittenen Freiheitsentziehungen. Dies ist für den Regelfall – wie er hier vorliegt – unzulässig, weil sich Strafzumessung und Anrechnung bzw. Nichtanrechnung nach verschiedenartigen Gesichtspunkten richten (vgl. BGHSt 7, 214, 216 f. zu § 60 StGB a.F.; BGHR StGB § 51 Abs. 1 Satz 2 Nachtatverhalten 1). Dies gilt auch deshalb, weil die Begründung des Landgerichts, das eine ‚Freiheitsstrafe von zwei Jahren für tat- und schuldangemesse’ gehalten und dem Angeklagten ‚jedenfalls heut’ eine positive Sozialprognose bescheinigt hat (UA S. 7), letztlich auf eine gespaltene Strafe hinausläuft. Das ist unzulässig, weil für den Fall, daß es wegen neuer Straftaten zum Widerruf der Bewährung kommen sollte, es Sache des neuen Tatrichters ist, einem dann möglicherweise entstehenden erhöhten Strafbedürfnis Rechnung zu tragen (vgl. zu § 52 a JGG: BGH, Urteil vom 21. Oktober 1997 - 1 StR 438/97 = NStZ-RR 1998, 152, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 1 StR 656/93 = BGHR JGG § 52 a Anrechnung 2).”

Dem schließt sich der Senat an. Da weitere Feststellungen, die eine Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB tragen könnten, nicht zu erwarten sind, läßt er die Anordnung über die Nichtanrechnung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

 

Unterschriften

Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Ernemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 540834

NStZ 1999, 347

wistra 1999, 221

StV 1999, 312

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