Leitsatz (amtlich)

Der Nebenintervenient kann das Patentnichtigkeitsverfahren nach Klagerücknahme durch die Hauptpartei nicht fortfuhren.

 

Normenkette

PatG § 37; ZPO §§ 67, 69

 

Verfahrensgang

BPatG (Entscheidung vom 06.12.1962; Aktenzeichen 2 Ni 2/62)

 

Tenor

Der Rechtsstreit betreffend die Erklärung der Nichtigkeit des Patentes Nr. 1 037 688 ist als nicht anhängig geworden anzusehen.

Das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenat II) des Bundespatentgerichts vom 6. Dezember 1962 (Az. 2 Ni 2/62) ist wirkungslos.

 

Gründe

Durch Urteil des 2. Senats des Bundespatentgerichts ist das Patent Nr. 1 037 688 der Beklagten auf Antrag des Klägers für nichtig erklärt worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 25. August 1964, beim Berufungsgericht eingegangen am 26. August 1964, hat der Kläger die Nichtigkeitsklage zurückgenommen. Die Beklagte hat daraufhin gemäß §271 Abs. 3 ZPO beantragt, durch Beschluß auszusprechen, daß der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, und daß das angefochtene Urteil des Bundespatentgerichts wirkungslos geworden ist. Die Firma Gotthardt & Co. GmbH, in Essen, die dem Kläger im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 25. Juli 1963 als Nebenintervenientin beigetreten war, hat dem Antrag der Beklagten widersprochen und gebeten, ihm nicht stattzugeben.

Zur Begründung hat die Nebenintervenientin im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Es entspreche zwar gefestigter Auffassung, daß sich der Nebenintervenient im normalen Zivilprozeß nicht in Widerspruch zur Hauptpartei setzen bzw. den Rechtsstreit nach Klägerücknahme nicht im Sinne des Klägers weiterführen dürfe. Für ein Nichtigkeitsverfahren habe jedoch anderes zu gelten. Sie habe, so meint die Nebenintervenientin, die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten nach §69 ZPO und sei damit in der Wahl der Prozeßführung wesentlich freier gestellt. Ihre Auffassung, daß es sich um eine streitgenössische Nebenintervention handele, ergebe sich daraus, daß das die Vernichtung des Patentes aussprechende Urteil absolute Wirkung für und gegen alle habe. Einem streitgenössischen und damit freier gestellten Nebenintervenienten aber könne jedenfalls im Nichtigkeitsverfahren durch die Zurücknahme der Klage seitens der Hauptpartei die Grundlage für eine Weiterführung des Prozesses nicht entzogen werden. Dafür spreche insbesondere, daß der Nebenintervenient jederzeit in der Lage sei, den soeben abgeschlossenen Prozeß erneut aufzurollen und damit dieselben konkreten Rechtsfragen bei demselben konkreten Sachverhalt durch das Gericht entscheiden zu lassen. Das führe zur Prozeßvervielfachung und zu erheblichem Kostenaufwand, und zwar ohne vernünftigen Grund, da der Nebenintervenient als bisheriger Prozeßbeteiligter ohne Schwierigkeiten und ohne sachliche Benachteiligung des Prozeßgegners den Rechtsstreit weiterführen könne. Das gelte um so mehr, als die Nichtigkeitsklage ohnehin als Popularklage ein öffentliches Interesse an der Vernichtung des Patentes voraussetze, dem mit der Weiterführung des anhängigen Rechtsstreites am ehesten gedient sei. Insbesondere rechtfertige sich eine solche Auffassung bei den Besonderheiten des hier gegebenen Falles. Es widerspreche dem Grundsatz der Prozeßökonomie, wenn sich der vorliegende Rechtsstreit entgegen dem Widerspruch der Nebenintervenientin durch Klägerücknahme erledige, um unweigerlich nach einigen Monaten mit der Nebenintervenientin und der Nichtigkeitsbeklagten als Parteien des neuen Prozesses wieder vor demselben Senat in zweiter Instanz anzustehen. Dies gelte um so mehr, als durch das vorliegende schriftliche Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen der Erfolg der Klage nach ihrer, der Nebenintervenientin, Auffassung, nicht mehr in Zweifel gezogen werden könne. Hinzu komme, daß der anstehende Rechtsstreit die bereits laufenden Prozesse wegen Verletzung des hier in Rede stehenden Patentes weitgehend präjudiziere. Die Nebenintervenientin verweist schließlich noch auf die von dem Kläger mitgeteilte außergerichtliche Einigung der Prozeßparteien über die Klägerücknahme. Sie behauptet, hierbei sei, wie schon die volle Kostenübernahme durch die Beklagte zeige, keineswegs die Prozeßsituation maßgebend gewesen, sondern "offenbar das handfeste wirtschaftliche Interesse der Parteien, die sich nun vermutlich, entgegen ihrem vorausgegangenen Streit, über die weitere Auswertung des Patentes einig geworden" seien.

Dem Antrag der Beklagten war zu entsprechen. Die Voraussetzungen des §271 Abs. 3 ZPO sind gegeben. Was die Nebenintervenientin demgegenüber vorbringt, kann nicht durchgreifen.

Der Kläger hat die von ihm erhobene Nichtigkeitsklage durch Erklärung gegenüber dem Berufungsgericht ordnungsgemäß zurückgenommen. Ein Streit über die Wirksamkeit der Klägerücknahme besteht unter den Hauptparteien des Rechtsstreits nicht. Der Einwilligung der Nebenintervenientin bedurfte es zur Klägerücknahme nicht. Für den sog. gewöhnlichen Nebenintervenienten folgt dies schon daraus, daß er sich nicht mit Handlungen und Erklärungen der Hauptpartei in Widerspruch setzen darf (§67 ZPO). Anderes gilt jedoch auch nicht für den streitgenössischen Nebenintervenienten. Für die Annahme, das Recht des Klägers, die erhobene Klage zurückzunehmen, von einer Zustimmung des streitgenössischen Nebenintervenienten abhängig zu machen, fehlt es an jeder gesetzlichen Grundlage (so zutreffend Walsmann, Die streitgenössische Nebenintervention, 1905, S. 217). Die Entschließung, ob sie Klage erheben und die erhobene Klage durchführen will oder nicht, steht allein der Hauptpartei zu. Ebenso wie die Hauptpartei nicht gezwungen worden kann, Klage zu erheben, kann sie auch nicht gehindert sein, die Klage wieder zurückzunehmen und damit den Zustand herbeizuführen, welcher bestanden hätte, wenn die Klage nicht erhoben worden wäre (OLG Karlsruhe Rspr. OLG 39, 94). Dies gilt auch im Patentnichtigkeitsverfahren. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Möglichkeit, eine erhobene Nichtigkeitsklage zurückzuziehen, mißbräuchlich ausgenutzt werden kann. Eine rechtliche Handhabe, dies zu verhindern, ist jedoch nicht gegeben, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Allgemeinheit an der Vernichtung zu Unrecht erteilter Patente (BGHZ 10, 22, 27/28).

Die Rücknahme der Klage durch den Kläger hatte zur Folge, daß die prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit rückwirkend entfielen (§271 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. §41 o PatG); das Nichtigkeitsverfahren wurde durch die Klägerücknahme beendet. Damit ist für die Nebenintervenientin die rechtliche Möglichkeit entfallen, den Rechtsstreit für die unterstützte Hauptpartei weiterzuführen.

Die Nebenintervenientin kann den Rechtsstreit jedoch auch nicht, wie sie offenbar mit ihrem Vortrage geltend machen will, selbständig d.h. als eigenen Rechtsstreit weiterführen.

Durch ihren Beitritt ist die Nebenintervenientin nur Streithelferin des Klägers und nicht selbst Partei geworden. Partei des Rechtsstreits ist der von ihr unterstützte Kläger geblieben. Der Rechtsstreit aber ist durch die Klägerücknahme beendet, so daß eine Fortführung prozessual nicht mehr möglich ist. Diese Rechtslage besteht auch im Falle der streitgenössischen Nebenintervention. Anders wäre es allerdings dann, wenn dem streitgenössischen Nebenintervenienten durch §69 ZPO die Rechtsstellung eines Streitgenossen im Sinne des §61 ZPO gegeben wäre. Solchen Falles wäre er selbst Hauptpartei und es wäre davon auszugehen, daß nach seinem Beitritt nicht mehr ein Rechtsstreit, sondern ein zweiter in äußerlicher Verbindung mit dem ersten anhängig wäre. In diesem Falle könnte der Nebenintervenient nach der Rücknahme der Klage durch den Kläger seinen Rechtsstreit fortführen. Nach §69 ZPO gilt der streitgenössische Nebenintervenient jedoch nur als Streitgenosse der Hauptpartei. Er wird also nicht wirklicher Streitgenosse, nicht selbst Hauptpartei, sondern ist nach gefestigter Rechtsauffassung nur Prozeßgehilfe der Partei, wobei er allerdings eine unabhängigere Rechtsstellung als der gewöhnliche Nebenintervenient hat. Diese unabhängigere Rechtsstellung hat aber ihre Schranke in der Voraussetzung, daß überhaupt ein Rechtsstreit rechtshängig ist. Sie wird mit der Nebenintervention gegenstandslos, wenn Parteien mangels eines schwebenden Rechtsstreits nicht mehr bestehen (so zutreffend Reichspatentamt Bl. 1905, 24, 25). Auch der streitgenössische Nebenintervenient kann daher nach Klägerücknahme durch die Hauptpartei den Rechtsstreit nicht selbständig weiterführen (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., Anm. II 1 zu §69 ZPO).

Die vorstehend dargelegte Rechtslage, die auf den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung beruht, gilt nicht nur für das ordentliche Prozeßverfahren, sondern auch für das Nichtigkeitsverfahren. Zwar sind im Verfahren vor dem Bundespatentgericht und damit auch im Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung gemäß §41 o PatG "entsprechend" anzuwenden. Da das Nichtigkeitsverfahren jedoch als Prozeßverfahren in den Formen des Streitverfahrens ausgestaltet ist, besteht keine rechtliche Möglichkeit, die erwähnten Bestimmungen einschränkend anzuwenden, auch nicht unter dem von der Nebenintervenientin herangezogenen Gesichtspunkt der Prozeßökonomie. Das Reichspatentamt (a.a.O.) hat daher mit Recht entschieden, daß der Nebenintervenient nach der Zurücknahme der Nichtigkeitsklage die Fortsetzung des Verfahrens nicht betreiben kann. Dieser Auffassung haben sich die Erläuterungsbücher zum Patentgesetz unter Bezugnahme auf diese Entscheidung einhellig angeschlossen (Reimer, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 2. Aufl., Anm. 3 zu §39 und 18 zu §37 PatG; Benkard, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Patentanwaltsgesetz, 4. Aufl., Rdz. 8 zu §37 PatG; Krauße-Katluhn-Lindenmaier, Patentgesetz, 4. Aufl. Anm. 2 zu §37 PatG; Tetzner, Patentgesetz, 2. Aufl., Anm. 3 zu §37 PatG; Kisch, Handbuch des Deutschen Patentrechts, S. 399). Ihrer Auffassung ist nach dem Dargelegten sowohl für die gewöhnliche als auch für die streitgenössische Nebenintervention zuzustimmen. Ob der Nebenintervenientin die Rechtsstellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zukommt, kann daher dahingestellt bleiben.

Das Vorbringen der Nebenintervenientin, ein Beschluß nach §271 Abs. 3 Satz 3 ZPO dürfe nicht ergehen, weil sie berechtigt sei, das Nichtigkeitsverfahren fortzuführen, erweist sich sonach nicht als gerechtfertigt. Dem Antrag der Beklagten war daher stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018600

NJW 1965, 760

NJW 1965, 760 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1965, 365

MDR 1965, 365-366 (Volltext mit amtl. LS)

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