Leitsatz (amtlich)

Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt.

 

Normenkette

FamFG § 22; PStG § 49

 

Verfahrensgang

OLG Zweibrücken (Beschluss vom 28.11.2016; Aktenzeichen 3 W 115/16)

AG Koblenz (Entscheidung vom 28.09.2016; Aktenzeichen 283 UR III 17/16)

 

Tenor

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die dem männlichen Geschlecht angehörenden Antragsteller erklärten mit Schreiben vom 15.2.2016 gegenüber dem Standesamt (Beteiligte zu 2) ihre Anmeldung zur Eheschließung, wobei sie ausdrücklich die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz ablehnten. Das Standesamt verweigerte durch Schreiben vom 25.2.2016 seine "Mitwirkung bei der Anmeldung der Eheschließung".

Rz. 2

Den Antrag der Antragsteller, das Standesamt dazu anzuweisen, ihrer Anmeldung zur Eheschließung zu entsprechen und die Eheschließung vorzunehmen, hat das AG zurückgewiesen. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2017, 601 veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.

Rz. 3

Hiergegen richtet sich die am 15.12.2016 eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsteller. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl. I, 2787) haben die Antragsteller am 5.10.2017 vor dem Standesamt die Ehe miteinander geschlossen. Sie haben die Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Rz. 4

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

Rz. 5

1. Ein Antragsverfahren nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit endet grundsätzlich dann, wenn der Antragsteller die Erledigung erklärt. Stimmen alle Beteiligten der Erledigung zu, liegt eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung i.S.v. § 22 Abs. 3 FamFG vor, die für das Gericht bindend ist, so dass es insb. nicht mehr nachprüfen darf, ob und wann tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist. So liegt der Fall unter den hier obwaltenden Umständen jedoch nicht, weil sich jedenfalls die am Verfahren beteiligte Standesamtsaufsicht der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat. Eine einseitige Erledigungserklärung verpflichtet das Gericht demgegenüber zu der Prüfung, ob die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (vgl. Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl., § 22 Rz. 29 f.; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 22 Rz. 8).

Rz. 6

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Hauptsache in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BGH v. 25.11.1981 - IVb ZB 756/81, FamRZ 1982, 156, 157; BGH Beschlüsse v. 27.1.2015 - II ZB 7/14, NJW 2015, 1449 Rz. 7 m.w.N.; v. 14.10.2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rz. 11 m.w.N.). Für gerichtliche Verfahren nach dem Personenstandsgesetz, auf die gem. § 51 Abs. 1 PStG die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind, gelten insoweit keine Besonderheiten (vgl. BayObLG FamRZ 1982, 601, 602).

Rz. 7

3. Gemessen daran ist die Hauptsache im vorliegenden Fall erledigt.

Rz. 8

a) Verfahrensgegenstand ist die von den Antragstellern nach § 49 Abs. 1 PStG erstrebte gerichtliche Anweisung an das Standesamt, die Vornahme einer bestimmten Amtshandlung, nämlich die Mitwirkung an der von den Antragstellern begehrten Eheschließung durch Entgegennahme der Anmeldung, Prüfung der Ehevoraussetzungen und Vornahme der Eheschließung, nicht deshalb zu verweigern, weil die Antragsteller dem gleichen Geschlecht angehören. Das Standesamt hat im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens in der gewünschten Weise an der Eheschließung der Antragsteller mitgewirkt. Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 893, 894).

Rz. 9

b) Zwar hat das Standesamt die begehrten Amtshandlungen erst nach der Änderung der Rechtslage durch das am 1.10.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vorgenommen. Darauf und auf die mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 118 Rz. 178 m.w.N. und FamRZ 2008, 1593 Rz. 45 m.w.N.) sehr umstrittene Frage, ob der Gesetzgeber zur einfachgesetzlichen Öffnung des Instituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Verbindungen befugt war (so etwa Blome NVwZ 2017, 1658, 1660 ff.; Meyer FamRZ 2017, 1281 ff.; Dethloff FamRZ 2016, 351 ff.; Beck/Tometten DÖV 2016, 581, 586 f.; Brosius-Gersdorf NJW 2015, 3557, 3559 f.) oder ob die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten zu den nach Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Strukturprinzipien der Ehe gehöre, die einer Änderung durch einfaches Gesetz nicht zugänglich sind (so etwa Badura in Maunz/Dürig GG [Stand: April 2012] Art. 6 Rz. 58; BeckOK/GG/Uhle [Stand: August 2017] Art. 6 Rz. 4.1 ff.; Ipsen NVwZ 2017, 1096 ff.; Schmidt NJW 2017, 2225 ff.; Erbarth NZFam 2016, 536, 537 f.) kommt es im vorliegenden Fall nicht (mehr) an. Maßgeblich ist allein, dass mit der Vornahme der begehrten Amtshandlung die Grundlage für eine Sachentscheidung über den Verfahrensgegenstand im gerichtlichen Anweisungsverfahren nach § 49 Abs. 1 PStG entfallen ist. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts geschaffenen Rechtslage ist nicht entscheidungserheblich, so dass insb. eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11406600

FamRZ 2018, 198

FuR 2018, 133

NJW-RR 2018, 452

FGPrax 2018, 46

JZ 2018, 214

MDR 2018, 107

StAZ 2018, 217

FF 2018, 130

FF 2018, 85

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