Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabeanspruch und Räumungsanspruch gegen einen endgültig ausgezogenen Mitmieter

 

Leitsatz (amtlich)

Der vertragliche Herausgabe- (und Räumungs-) Anspruch gemäß § 556 Abs. 1 BGB nach Beendigung des mit mehreren Mietern begründeten Wohnraummietverhältnisses ist auch gegen denjenigen von ihnen begründet, der im Gegensatz zu den anderen den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben hat.

 

Normenkette

BGB § 556 Abs. 1

 

Gründe

I. Der Beklagte (früher: der Beklagte zu 2) schloß Anfang 1985 zusammen mit seiner Ehefrau, vormals Beklagte zu 3, einen (Unter-) Mietvertrag mit der früheren Beklagten zu 1 über eine Wohnung, die die Beklagte zu 1 als gewerbliche Zwischenmieterin von den Klägern gemietet hatte. Ende April 1991 trennte sich der Beklagte von seiner Ehefrau und zog aus der Wohnung aus, ohne die Beklagte zu 1 oder die Kläger darüber zu informieren.

Zum 30. Juni 1992 kündigten die Kläger das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1 unter Berufung darauf, daß sie die Wohnung für ihren 23jährigen Sohn und dessen Lebensgefährtin benötigten, die beide derzeit noch bei den Eltern wohnten und einen eigenen Hausstand gründen wollten. Der Kündigungsgrund wurde allen Beklagten mitgeteilt. Die Beklagte zu 1 kündigte daraufhin ihrerseits das Mietverhältnis mit dem Beklagten und dessen Ehefrau zum 30. Juli 1992.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger ihren Räumungsanspruch bezüglich der Wohnung geltend gemacht. Die Beklagten zu 1 und 3 sind durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts zur Räumung verurteilt worden. Der Beklagte hat geltend gemacht, er könne dem Räumungsverlangen aus tatsächlichen Gründen nicht nachkommen, weil er aufgrund seines Auszugs keinen Besitz an der Wohnung mehr habe.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage auch ihm gegenüber stattgegeben. Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Berufung hat sich der Beklagte auf den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Schleswig vom 25. Juni 1982 (6 REMiet 1/82 = RES Bd. II § 556 BGB Nr. 3) berufen, nach dem bei Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses mit mehreren gesamtschuldnerisch verpflichteten Mietern ein Mitmieter auf Rückgabe der Wohnung nicht in Anspruch genommen werden könne, wenn er den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben und den Vermieter davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er könne nicht zu einer Leistung verurteilt werden, zu deren Erbringung er objektiv nicht in der Lage sei. Deshalb sei irrelevant, daß er dem Vermieter von seinem Auszug keine Mitteilung gemacht habe.

Das Landgericht möchte einen vertraglichen Rückgabeanspruch der Kläger gegenüber dem Beklagten aus § 556 Abs. 1 BGB bejahen. Die Schuld aus § 556 Abs. 1 BGB bleibe solange für sämtliche Mitmieter als Gesamtschuldner bestehen, bis alle herausgegeben hätten, weil der Auszug eines einzelnen keine Erfüllung der Herausgabeschuld bewirken könne. Dem Einwand, gegenüber demjenigen, der keinen Besitz mehr habe, werde ein Titel geschaffen, der nicht vollstreckbar sei, stehe die Vorschrift des § 283 BGB entgegen. Das Landgericht sieht sich bei seiner Beurteilung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, aber gleichwohl an einer Zurückweisung der Berufung des Beklagten durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) gehindert, weil sich der Bundesgerichtshof zu der Frage noch nicht im Wege eines Rechtsentscheids geäußert habe.

Es hat deshalb dem Oberlandesgericht Stuttgart durch Beschluß vom 26. April 1993 folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist der vertragliche Herausgabe- (und Räumungs-) Anspruch gemäß § 556 Abs. 1 BGB nach Beendigung des mit mehreren Mietern begründeten Wohnraummietverhältnisses auch gegen denjenigen von ihnen begründet, der im Gegensatz zu den anderen den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben hat?

Das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluß vom 22. Mai 1995 – 8REMiet 3/93 = WuM 1995, 385 = ZMR 1995, 350) will sich der Rechtsmeinung des Landgerichts anschließen, hält sich jedoch ebenfalls nicht für berechtigt, von dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) gestützt auf gegenteilige, aber nicht in Form eines Rechtsentscheids ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Es hat deshalb die vom Landgericht gestellte Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist zulässig (§ 541 Abs. 1 ZPO).

1. Sie hat eine vom Landgericht als Berufungsgericht zu entscheidende Rechtsfrage zum Gegenstand, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt, denn sie betrifft die Pflicht des Mieters zur Rückgabe der Mietsache gemäß § 556 Abs. 1 BGB nach Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses.

2. Für die gemäß § 541 Abs. 1 Satz 3 ZPO erforderliche Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts ist unschädlich, daß die Vorlagefrage nicht wörtlich mit der Beschlußformel des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) übereinstimmt. Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist auch dann gegeben, wenn von den tragenden Gründen eines Rechtsentscheides abgewichen werden soll (Senatsbeschluß vom 21. September 1983 – VIII ARZ 2/83 = RES Bd. III 3. MietRÄndG Nr. 27 unter II 2; Senatsbeschluß vom 5. April 1995 – VIII ARZ 4/94 = NJW 1995, 1838 = WUM 1995, 428 = ZMR 1995, 344 unter II 3). So ist es hier. In den tragenden Gründen führt das Oberlandesgericht Schleswig aus, für die Herausgabeklage gegen den endgültig ausgezogenen Mitmieter fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Vermieter durch einen gegen diesen Mitmieter erstrittenen Räumungstitel weder vollstreckungsrechtlich eine bessere Rechtsposition erreiche noch materiell-rechtlich über § 283 BGB auf vereinfachtem Weg einen Schadensersatzanspruch erlangen könne, da eine Verurteilung aufgrund des § 556 BGB wegen Unmöglichkeit der Erfüllung nicht in Betracht komme. Demgegenüber will das Oberlandesgericht Stuttgart der Besitzaufgabe durch einen Mitmieter für dessen Verurteilung nach § 556 Abs. 1 BGB und die Anwendbarkeit des § 283 BGB keine Bedeutung beimessen.

3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht weiter nicht entgegen, daß das Oberlandesgericht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 556 Abs. 1 BGB (BGHZ 56, 308, 310 f.; Urteil vom 1. April 1987 – VIII ZR 15/86 = NJW 1987, 2367 = WuM 1987, 260 = ZMR 1987, 297 unter III 2 c) folgen will, nach der der Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Mieters an der Sache nicht voraussetzt. Durch diese Rechtsprechung, die nicht in Form eines Rechtsentscheides ergangen ist, wird die Bindungswirkung des Rechtsentscheides des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) nicht aufgehoben. Nur wenn zu derselben Rechtsfrage ein förmlicher Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofs vorliegt, ist eine Vorlage wegen beabsichtigter Abweichung von dem früheren Rechtsentscheid eines Oberlandesgerichts unzulässig.

Im Schrifttum wird teilweise (Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 53. Aufl., § 541 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Auf1., § 541 Rdnr. 13; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 541 Rdnr. 11 i.V.m. Rdnr. 16) die Auffassung vertreten, eine Vorlage nach § 541 Abs. 1 Satz 3 ZPO scheide in jedem Falle aus, wenn das Oberlandesgericht der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs folgen wolle. Soweit zur Begründung auf zwei Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. August 1984 (4 REMiet 3/84 = RES Bd. IV 3. MietRÄndG Nr. 60) und 28. September 1987 (30 REMiet 3/86 = RES Bd. VI 3. MietRAndG Nr. 84) verwiesen wird, bleibt unberücksichtigt, daß beide ungeachtet ihres weitergehenden Wortlauts lediglich Fälle späterer Rechtsentscheide des Bundesgerichtshofs zum Gegenstand haben. Gegen diese Auffassung sprechen aber vor allem Sinn und Zweck des Rechtsentscheidsverfahrens, das als Instrument der Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht eingeführt worden ist (Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BT-Drucks. V/2317 S. 6). Zwar entfalten nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 89, 275, 278 f.; 101: 244, 248; 113, 188, 191) auch obergerichtliche Entscheidungen, die nicht in Form eines Rechtsentscheids ergangen sind, Bindungswirkung im Wohnraummietrecht insofern, als sie gemäß § 541 Abs. 1 Satz 3 ZPO die Oberlandesgerichte für den Fall einer beabsichtigten Abweichung von einer solchen Entscheidung zur Herbeiführung eines Rechtsentscheids verpflichten. Das vorlegende Oberlandesgericht weist jedoch zutreffend darauf hin, daß solche Entscheidungen aus Gründen der Rechtssicherheit nicht die Bindungswirkung eines anderslautenden förmlichen Rechtsentscheids eines Oberlandesgerichts aufheben können (so auch Bub/Treffer/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., VIII Rdnr. 181 i.V.m. Rdnr. 154). Sie beurteilen immer konkrete Sachverhalte und beantworten nicht nur eine abstrakt gestellte Rechtsfrage. Es kann deshalb im Einzelfall zweifelhaft sein, ob und inwieweit die Beantwortung der hinter der konkreten Entscheidung stehenden abstrakten Rechtsfrage von den Besonderheiten des zu entscheidenden Falles geprägt ist. Daraus können sich Unsicherheiten darüber ergeben, ob die Entscheidung von einem förmlichen Rechtsentscheid abweicht oder nicht. Würde von der Abweichung die Fortdauer der Bindungswirkung des Rechtsentscheides abhängen, könnte mithin auch diese Zweifeln unterliegen und zudem von den verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt werden. Die beabsichtigte vereinheitlichende Wirkung des Rechtsentscheids für die Rechtsprechung würde so verfehlt.

4. Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Landgerichts erheblich.

Das Oberlandesgericht hat allerdings in seinem Vorlagebeschluß – ebenso wie das Landgericht – nicht berücksichtigt, daß der Beklagte nicht Mieter der Kläger, sondern der früheren Beklagten zu 1 ist, ein Rückgabeanspruch der Kläger gegenüber dem Beklagten also unabhängig von der Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage nicht nach § 556 Abs. 1 BGB, sondern allenfalls gemäß § 556 Abs. 3 BGB bestehen kann. Dieser Umstand beseitigt die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage indessen nicht.

Obwohl zwischen Hauptvermieter und Untermieter keine vertraglichen Beziehungen bestehen, räumt das Gesetz dem Hauptvermieter gegen den Untermieter einen unmittelbaren Anspruch auf Rückgabe der Mietsache ein. Die Verpflichtungen aus § 556 Abs. 1 und Abs. 3 BGB sind inhaltlich gleich (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl. Rdnr. 1357). Die Bedeutung der Besitzaufgabe durch einen von mehreren Untermietern für einen Anspruch aus § 556 Abs. 3 BGB gegen diesen Untermieter kann deshalb nicht anders beurteilt werden als die Bedeutung der Besitzaufgabe durch einen von mehreren (Haupt-) Mietern für den Anspruch aus § 556 Abs. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 300, 304) setzt der Anspruch aus § 556 Abs. 3 ebensowenig wie derjenige aus S. 556 Abs. 1 BGB voraus, daß der Anspruchsgegner noch Besitzer der Sache ist. Auch eine der Klage aus § 556 Abs. 3 BGB stattgebende Entscheidung würde daher eine Abweichung von den tragenden Gründen des Rechtsentscheids des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) bedeuten.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 556 Abs. 3 BGB liegen im übrigen vor. Die Wohnung ist den Beklagten zu 2 und 3 von der Beklagten zu 1 im Wege eines Untermietverhältnisses im Sinne von § 556 Abs. 3 BGB zum Gebrauch überlassen worden. Die Gebrauchsüberlassung von seiten der Beklagten zu 1 besteht ungeachtet der Besitzaufgabe durch den Beklagten fort, weil die Wohnung nicht an die Beklagte zu 1 zurückgegeben worden ist. Das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1 ist durch Kündigung der Kläger beendet. § 549 a BGB findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Vorschrift erst am 1. September 1993, also nach Beendigung des Mietverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 in Kraft getreten ist.

Der Beklagte genießt als Untermieter gegenüber den Klägern auch nach Treu und Glauben keinen wohnraummietrechtlichen Bestandsschutz, da unstreitig Eigenbedarf der Kläger an der Wohnung im Sinne von § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt und die Kläger ihr berechtigtes Interesse an der Kündigung auch ihm gegenüber dargetan haben.

III. Der Senat beantwortet die Vorlagefrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

Er teilt die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, daß der Vermieter nach Beendigung eines mit mehreren Mietern begründeten Wohnraummietverhältnisses auch denjenigen Mieter gemäß § 556 Abs. 1 BGB auf Rückgabe der Wohnung in Anspruch nehmen kann, der im Gegensatz zu den anderen nicht mehr Besitzer der Wohnung ist. Diese Auffassung entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 56, 308, 310 f.; Urteil vom 1. April 1987 a.a.O.), der sich der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 300, 304) für den Rückgpbeanspruch des Vermieters gegen den Untermieter aus § 556 Abs. 3 BGB angeschlossen hat. Daran wird festgehalten.

1. Der Tatbestand des § 556 Abs. 1 BGB setzt Besitz des Mieters nicht voraus. Entsprechendes gilt für § 556 Abs. 3 BGB, der an die Besitzeinräumung und die andauernde Gebrauchsüberlassung durch den Mieter, aber nicht an den aktuellen Besitz des Untermieters anknüpft (OLG Hamm, NJW-RR 1992, 783, 784). Beide Ansprüche sind anders als der dingliche Anspruch aus § 985 BGB auf „Rückgabe”, nicht auf „Herausgabe” der Mietsache aus dem Besitz gerichtet.

2. Dadurch, daß einer von mehreren Mietern den Besitz an der Wohnung im Gegensatz zu den anderen aufgibt, wird kein Tatbestand verwirklicht, der ein Erlöschen des gegen diesen gerichteten Rückgabeanspruchs zur Folge hat.

a) Der Anspruch auf Rückgabe der Mietsache aus § 556 BGB ist auf Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den Vermieter gerichtet. Mehrere Mieter haften für diese unteilbare Leistung gemäß § 431 BGB als Gesamtschuldner. Durch bloße Besitzaufgabe seitens eines Mieters oder auch aller Mieter erlangt der Vermieter nicht den unmittelbaren Besitz an der Mietsache, es tritt also keine Erfüllung des Rückgabeanspruchs im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB ein (Bub/Treier/Scheuer a.a.O. V. A Rdnrn. 6 und 22; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 246; Sternel, Mietrecht aktuell, 2. Aufl., Rdnr. 569; Wolf/Eckert a.a.O., Rdnr. 1041).

b) Die Rückgabepflicht erlischt für denjenigen Mieter, der im Gegensatz zu den anderen den Besitz an der Wohnung endgültig aufgibt, auch nicht gemäß § 275 BGB. Unmöglichkeit der Rückgabe gemäß § 275 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil der oder die in der Wohnung verbliebenen Mieter zur Räumung in der Lage sind. Unvermögen im Sinne von § 275 Abs. 2 BGB liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 56, 308, 311; 62, 388, 393 f.; Urteil vom 9. Oktober 1974 – VIII ZR 113/72 = NJW 1974, 2317 unter B 1; Urteil vom 24. Juni 1982 – III ZR 178/80 = NJW 1982, 2552 = WM 1982, 1234 unter 4) nicht schon dann vor, wenn die Erfüllung von dem Willen eines Dritten abhängt, solange die Möglichkeit besteht, daß der Schuldner rechtlich oder auch nur tatsächlich auf den Dritten einwirken und so die Leistung erbringen kann. Danach scheidet Unvermögen hier schon deshalb aus, weil nicht ausgeschlossen ist, daß der ausgezogene Mieter durch eine tatsächliche Einwirkung auf die übrigen Mieter, z.B. mit finanziellen Mitteln, die Rückgabe der Wohnung an den Vermieter herbeiführen kann. Im übrigen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 23, 361, 363; Urteil vom 15. Mai 1986 – IX ZR 96/85 = WM 1986, 961 unter I 1; Urteil vom z. Juli 1986 – IVb ZR 58/85 = BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 1 m. w. Nachw.; Nichtannahmebeschluß vom 28. September 1993 – III ZR 170/91 = BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 9) ein Gesamtschuldner bereits vor seiner Leistung verlangen, daß seine Mitschuldner ihrem Anteil entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirken (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der ausgezogene Mieter hat also aus dem Innenverhältnis gegenüber seinen Mitmietern einen Rechtsanspruch auf Mitwirkung bei der Räumung. Dieser schließt entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O.) Unvermögen des Mieters zur Rückgabe der Wohnung aus.

3. Schließlich besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Vermieters für eine Räumungsklage gegen den Mieter, der den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben hat.

Der Räumungstitel ermöglicht es dem Vermieter nicht nur, gemäß § 283 BGB auf vereinfachtem Weg einen Schadensersatzanspruch gegen diesen Mieter durchzusetzen, wenn sein Rückgabeanspruch nicht erfüllt wird (so schon BGHZ 56, 308, 312; zustimmend Bub/Treffer/Scheuer a.a.O., V. A Rdnr. 22; Scholz, WuM 1991, 99, 101; Sternel, Mietrecht aktuell a.a.O., Rdnrn. 576 – 578). Er sichert den Vermieter auch für den angesichts der zwischen Mitmietern regelmäßig bestehenden persönlichen Bindungen nicht nur theoretischen Fall, daß der ausgezogene Mieter seinen Entschluß revidiert und, sei es zusammen mit dem verbliebenen Mieter, sei es an dessen Stelle, die Wohnung wieder in Besitz nimmt (Scholz, WuM 1991, 99, 100; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O., B 248; Wolf/Eckert a.a.O., Rdnr. 1058). Solange nicht der Vermieter den Besitz an der Wohnung wiedererlangt hat, liegt darin keine verbotene Eigenmacht gegenüber dem Vermieter gemäß § 858 Abs. 1 BGB.

 

Fundstellen

Haufe-Index 708021

BGHZ

BB 1996, 768

NJW 1996, 515

BGHR

JR 1996, 287

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1996, 286

JuS 1996, 456

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