Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehevertraglicher Ausschluss von Zugewinn- und Versorgungsausgleich. Verzicht auf Versorgungsausgleich durch Ehevertrag. Befristete Beschwerde. Gerichtliche Feststellung der Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien den Versorgungsausgleich vertraglich ausgeschlossen, so hindert § 53d FGG das Familiengericht nicht, durch eine feststellende Entscheidung auszusprechen, dass eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Diese Feststellung ist, weil auf einer - die Wirksamkeit der Vereinbarung umfassenden - Rechtsprüfung beruhend, mit der befristeten Beschwerde anfechtbar; sie erwächst ggf. in Rechtskraft (Abgrenzung zu den Senatsbeschlüssen v. 20.2.1991 - XII ZB 125/88, FamRZ 1991, 679, 680; v. 6.3.1991 - XII ZB 88/90, FamRZ 1991, 681 f.).

 

Normenkette

BGB § 1408 Abs. 2; FGG § 53d

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 12.05.2006; Aktenzeichen 10 UF 243/05)

AG Mölln (Beschluss vom 13.12.2005; Aktenzeichen 1 F 28/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners werden der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig vom 12.5.2006 aufgehoben und der Beschluss des AG - Familiengericht - Mölln vom 13.12.2005 wie folgt abgeändert:

Der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Beschwerdewert: 2.000 EUR

 

Gründe

I.

[1] Die Parteien streiten um den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.

[2] Die Parteien schlossen am 24.8.1985 die Ehe. Am 17.8.1996 schlossen sie einen notariellen Ehevertrag, in dem sie für den Scheidungsfall den Zugewinn- und den Versorgungsausgleich ausschlossen. Für den Fall des Getrenntlebens und der Scheidung verzichtete der Ehemann auf Unterhalt; der Unterhaltsanspruch der Ehefrau wurde auf die Dauer von fünf Jahren ab Trennung sowie auf einen Betrag von höchstens 3.000 DM monatlich (mit Wertsicherungsklausel) begrenzt. Nach einer notariellen "Ergänzung" dieses Ehevertrags vom 15.4.1999 vereinbarten die Parteien, dass die Abrede über den Unterhaltsanspruch der Ehefrau fortfalle und der Ehemann sich stattdessen verpflichte, sämtliche gemeinsamen Verbindlichkeiten der Eheleute im Falle der Trennung zu bedienen.

[3] Die Ehe, die kinderlos blieb, wurde auf den am 5.4.2000 zugestellten Antrag durch Urteil des AG - Familiengericht - vom 22.9.2000 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 26.5.2001). Im Tenor heißt es weiter: "Der Versorgungsausgleich findet nicht statt". In den Entscheidungsgründen wird hierzu ausgeführt: "Es ist kein Versorgungssausgleich durchzuführen. Die Parteien haben gem. § 1408 BGB wirksam auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet". Die gegen den Ausspruch zum Versorgungsaugleich gerichtete Beschwerde der Ehefrau wurde vom OLG mit Beschluss vom 26.2.2002 als unzulässig verworfen, da dieser Ausspruch nicht in Rechtskraft erwachse und deshalb einem Antrag der Ehefrau auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegenstehe.

[4] Auf den im März 2004 von der Ehefrau gestellten Antrag, den Versorgungsausgleich durchzuführen, hat das AG festgestellt, dass der Versorgungsausgleich dem Grunde nach durchzuführen sei. Zugleich hat es das Verfahren über den Versorgungsausgleich wegen einzubeziehender angleichungsdynamischer Anrechte ausgesetzt. Die gegen die Feststellung des AG über die Durchführung des Versorgungsausgleichs gerichtete Beschwerde des Ehemannes hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

[5] Das Rechtsmittel ist begründet.

[6] 1. Das OLG hat die Beschwerde für zulässig erachtet, da die Entscheidung des AG einem Grundurteil vergleichbar und deshalb wie eine Endentscheidung über den Versorgungsausgleich anfechtbar sei. Die Beschwerde sei aber unbegründet, da der Vereinbarung der Parteien über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei der gebotenen Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB die rechtliche Anerkennung zu versagen sei.

[7] 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[8] a) Das OLG ist allerdings zu Recht von der Zulässigkeit der befristeten Beschwerde ausgegangen. Zwar handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss des AG nur um eine Zwischenentscheidung. Sie entspricht jedoch einem Grundurteil im Streitverfahren und ist wie dieses mit den Rechtsmitteln angreifbar, die auch gegen die Endentscheidung gegeben sind (vgl. etwa Zöller/Philippi ZPO, 26. Aufl., § 621e Rz. 11). Das ist hier die befristete Beschwerde nach § 621e Abs. 1 ZPO.

[9] b) Zu Unrecht hat das OLG die Beschwerde indes für unbegründet erachtet. Dabei kann dahinstehen, ob sich, wie das OLG meint, der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einer materiell-rechtlichen Überprüfung - unter Zugrundelegung der erst nach dem Scheidungsverfahren geänderten Rechtsprechung des Senats - als sittenwidrig erweist. Denn eine solche materiell-rechtliche Überprüfung ist durch das vorangegangene Scheidungsverbundverfahren ausgeschlossen. Das AG hat im Verbundurteil festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Dieser Ausspruch ist - entgegen der Auffassung des OLG, das die Beschwerde gegen diese Feststellung im vorangegangenen Versorgungsausgleichsverfahren als unzulässig verworfen hat - in Rechtskraft erwachsen.

[10] Das ergibt sich aus dem Umstand, dass das AG im Verbundverfahren - ausweislich der Entscheidungsgründe - das Vorliegen einer Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs geprüft und seine Feststellung, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, hierauf gestützt hat. Dass weder das AG noch die Parteien - auch vor dem Hintergrund der damals bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung - ernste Zweifel an der Wirksamkeit dieses Vergleichs hatten, ändert nichts daran, dass das AG diese Feststellung aufgrund einer - naturgemäß auch die Wirksamkeit der Abrede einschließenden - materiell-rechtlichen Prüfung getroffen hat, seine Feststellung begründet hat und dieser Feststellung schon deshalb nicht nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Der vom OLG im vorausgehenden Versorgungsausgleichsverfahren betonte Umstand, dass die Ehefrau im Verbundverfahren keinen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt habe, hindert - angesichts des den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich beherrschenden Amtsprinzips - das Vorliegen einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich ebenso wenig wie die Erwägung des OLG, die "Tatsache eines wirksamen Ausschlusses" sei vor dem Familiengericht "nicht streitig" gewesen, so dass es einer feststellenden Entscheidung hierzu nicht bedurft habe. Auch die vom OLG angeführte Regelung in § 53d FGG steht dem Feststellungscharakter des amtsgerichtlichen Ausspruchs nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift findet eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht statt, wenn die Parteien den Versorgungsausgleich wirksam ausgeschlossen haben. Das Familiengericht ist allerdings nicht gehindert, dies durch eine feststellende Entscheidung auszusprechen, die dann - weil auf einer Rechtsprüfung beruhend - mit der befristeten Beschwerde anfechtbar ist (vgl. auch Keidel/Weber FGG, 15. Aufl., § 53d FGG Rz. 7).

[11] Aus den Senatsentscheidungen vom 20.2.1991 (- XII ZB 125/88, FamRZ 1991, 679, 680) und vom 6.3.1991 (- XII ZB 88/90, FamRZ 1991, 681 f.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Beide Entscheidungen betreffen Fälle, in denen die Parteien im Verbundverfahren durch eine zu Protokoll genommene Vereinbarung bzw. durch einen gerichtlichen Vergleich den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten, das Familiengericht diese Vereinbarung genehmigt hatte und sich die genehmigte Vereinbarung später als unwirksam erwies. In solchen Fällen mag die Annahme nahe liegen, dass das Versorgungsausgleichsverfahren mit dem Wirksamwerden der Genehmigung abgeschlossen ist, die gerichtlich protokollierte Vereinbarung das Verfahren also unmittelbar beendet (vgl. etwa Johannsen/Henrich/Brudermüller Eherecht 4. Aufl., § 53d Rz. 5), so dass für eine weitere Sachentscheidung kein Raum ist und eine gleichwohl erfolgte Feststellung im Verbundurteil, ein Versorgungsausgleich finde nicht statt, deshalb nur deklaratorische Bedeutung haben könnte.

[12] So liegen die Dinge hier aber nicht. Mit der Feststellung, dass infolge einer früher getroffenen Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, geht - anders als in den vorgenannten Fällen, in denen die Wirksamkeitsprüfung bereits Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens ist - notwendig die Prüfung einher, ob diese Vereinbarung wirksam ist und die Durchführung des Versorgungsausgleichs ganz oder teilweise ausschließt. Mündet diese Prüfung in einen feststellenden Beschluss, so ist dieser nach § 621e ZPO anfechtbar und erwächst ggf. in Rechtskraft. Auf die im Verfahren geäußerten Auffassungen der Parteien über die Wirksamkeit ihrer Abrede oder die Intensität der gerichtlichen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle kommt es dabei nicht an.

[13] Der angefochtene Beschluss des OLG war deshalb aufzuheben und der Beschluss des AG dahin abzuändern, dass der Antrag der Ehefrau auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zurückgewiesen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2096875

NJW 2009, 677

BGHR 2009, 240

EBE/BGH 2009

FamRZ 2009, 215

FuR 2009, 113

JurBüro 2009, 277

ZAP 2009, 162

FPR 2009, 185

MDR 2009, 269

FF 2009, 131

FamRB 2009, 37

NJW-Spezial 2009, 69

ZFE 2009, 82

FK 2009, 120

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