Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilungserklärung - Haftung des Erwerbers von Wohnungseigentum für Wohngeldrückstände des Voreigentümers

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch Teilungserklärung getroffene Bestimmung, wonach auch der Erwerber einer Eigentumswohnung oder eines Teileigentums im Wege der Zwangsversteigerung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, verstößt gegen § 56 Satz 2 ZVG und ist gemäß § 134 BGB nichtig.

 

Normenkette

WohnungseigentumsG § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2; ZVG § 56 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 16.07.1985)

OLG Düsseldorf

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 16. Juli 1985 wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte ist Eigentümerin der durch Teilungserklärung vom 29. November 1984 gebildeten, in den Grundbüchern des Amtsgerichts W. von E. Blatt … verzeichneten Wohnungs- und Teileigentumsrechte. Nach der in der Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung haftet der Erwerber eines Wohnungs- oder Teileigentums gesamtschuldnerisch „für etwaige Rückstände des Veräußerers gegenüber dem Gemeinschaftskonto”. Zu notarieller Urkunde vom selben Tage ergänzte die Beteiligte diese Regelung um folgenden Satz: „Dies gilt auch für den Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung”. Ihren Antrag, die Ergänzung im Grundbuch einzutragen, hat der Rechtspfleger des Grundbuchamtes zurückgewiesen. Der dagegen eingelegten Erinnerung haben der Rechtspfleger und der Richter des Grundbuchamts nicht abgeholfen. Den hiernach als Beschwerde anzusehenden Rechtsbehelf hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Eintragungsantrag weiter.

Das Oberlandesgericht möchte das Rechtsmittel zurückweisen, sieht sich hieran aber durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Dezember 1980, 6 T 542/85, Grundbuch von E. Blatt … AG W., DNotZ 1981, 584, gehindert. Es hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorlage ist statthaft (§ 79 Abs. 2 Satz 1 GBO).

Das Oberlandesgericht vertritt den Standpunkt, die durch Teilungserklärung (oder Vereinbarung) getroffene Bestimmung, wonach auch der Erwerber einer Eigentumswohnung oder eines Teileigentums im Wege der Zwangsversteigerung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, verstoße gegen § 56 Satz 2 ZVG und sei gemäß § 134 BGB nichtig; sie dürfe deshalb nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Es geht mithin um die Auslegung bundesrechtlicher Vorschriften (§§ 8, 10 Abs. 2 WEG i.V.m. § 56 Satz 2 ZVG), die auch das Grundbuchrecht betreffen (vgl. RGZ 146, 308, 311). Dabei will das vorlegende Gericht von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln DNotZ 1981, 584 abweichen. Nach ihr kann durch die Teilungserklärung demjenigen, der das Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung erwirbt, die Haftung für rückständige Wohngelder des früheren Eigentümers auferlegt werden.

III.

Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. In Rechtsprechung und Rechtslehre ist die Vorlegungsfrage umstritten.

Den Standpunkt des OLG Köln DNotZ 1981, 584 teilen BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl. § 16 WEG Rdn. 31 a.E. und wohl auch OLG Braunschweig NDR 1977, 230; von anderem Ansatz hier im Ergebnis ebenso Bärmann, Erwerberhaftung im Wohnungseigentum für rückständige Lasten und Kosten (1985); Bärmann/Pick/Merle, WEG 5. Aufl. § 16 Rdn. 105; Bärmann folgend Pick, JR 1972, 99, 103; v. Blumenthal, ZUR 1983, 399, 400; wohl auch Kirchner, MittBayNot 1973, 263, 264. Die Gegenansicht des vorlegenden Gerichts vertreten Zeller, ZVG 11. Aufl. § 56 Anm. 4 Abs. 8; Weitnauer, WEG 6. Aufl. § 16 Rdn. 13 r; MünchKomm/Röll, WEG 2. Aufl. § 16 Rdn. 25, 25 b; Palandt/Bassenge, BGB 45. Aufl. Anm. 5 c zu § 16 WEG; Soergel/Stürner, BGB 11. Aufl. Nachträge Rdn. 8 zu § 16 WEG; Schiffhauer, Rpfleger 1984, 72; Ebeling, Rpfleger 1986, 125. Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher offengelassen (BGHZ 88, 302, 305 ff; ebenso BayObLG Rpfleger 1979, 352; vgl. auch BGHZ 95, 118, 121). Er entscheidet sie nunmehr im Sinne des vorlegenden Gerichts.

2. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß nach dem Gesetz ein Sonderrechtsnachfolger grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten seines Rechtsvorgängers einzustehen hat; Ausnahmevorschriften wie §§ 419, 571, 746, 755 Abs. 2 BGB, § 69 VVG, § 38 WEG bestätigen mittelbar die vorgenannte Regel. Der rechtsgeschäftliche Erwerber eines Wohnungseigentums haftet deshalb nicht schon von Gesetzes wegen für die Hausgeldrückstände seines Vorgängers (zutreffend BayObLG Rpfleger 1979, 352 m.w.N. der h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum). Dieser für die Sonderrechtsnachfolge geltende Grundsatz gilt erst recht für den Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung, denn dabei handelt es sich um originären Eigentumserwerb (§ 90 Abs. 1 ZVG), nicht um eine Rechtsnachfolge (BayObLG aaO; zustimmend BGHZ 88, 302, 305 m.w.N.; ebenso BGHZ 95, 118, 121). Gegenteilige Ausnahmeregelungen, die jeweils besondere Sachgründe haben, bestätigen wiederum den Grundsatz der Haftungsfreiheit des Erstehers (vgl. § 57 ZVG – Übergang der Rechte und Pflichten aus einem Mietverhältnis; § 73 VVG – Eintritt in ein bestehendes Versicherungsverhältnis). Für die hier zu beurteilende Frage bestimmt § 56 Satz 2 ZVG in Übereinstimmung mit dem erwähnten Grundsatz, daß der Ersteher die Lasten (erst) vom Zuschlag an trägt. Zu den Lasten im Sinne dieser Vorschrift gehört auch das Wohngeld (BayObLGZ 1984, 198, 200/201).

3. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander durch Vereinbarungen, die sogenannte Gemeinschaftsordnung, allerdings grundsätzlich frei gestalten. Werden die Vereinbarungen als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen, wirken sie auch gegen Sondernachfolger (§ 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2 WEG). Gleiches gilt für die Bestimmungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, die der teilende Eigentümer in der Teilungserklärung einseitig trifft (vgl. § 8 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 4 WEG). Wie inzwischen ganz überwiegend anerkannt wird, kann auf diesem Wege auch bestimmt werden, daß der rechtsgeschäftliche Sondernachfolger für die Hausgeldrückstände des früheren Wohnungseigentümers (Veräußerer) einzustehen hat (OLG Düsseldorf Rpfleger 1983, 387 m.w.N.; BayObLG Rpfleger 1979, 352 = DNotZ 1980, 48). Der Unterschied zwischen einer solchen Ausgestaltung des Sondereigentums und einer nur schuldrechtlichen Vereinbarung zeigt sich darin, daß aufgrund der Sachenrechtlichen Gestaltung der Sondernachfolger persönlich mit seinem gesamten Vermögen haftet, ohne daß es einer schuldrechtlichen Übernahme bedarf (BGHZ 88, 302, 308; zur Frage der unzulässigen Mitverpflichtung eines Sondernachfolgers durch Beschluß der Wohnungseigentümer gemäß § 23 WEG vgl. BayObLGZ 1984, 198).

4. Diese – von der gesetzlichen Regelung abweichende – Möglichkeit einer Verdinglichung der Wohnlasten besteht aber nur in den Schranken des § 134 BGB (einhellige Meinung, vgl. etwa OLG Düsseldorf DNotZ 1973, 552, 553; Weitnauer, WEG 6. Aufl. § 10 Rdn. 14 g; § 7 Rdn. 10 h). Ihr ist die gesetzliche Schranke des § 56 Satz 2 ZVG gesetzt. Nach dieser Vorschrift, die dem § 446 BGB nachgebildet ist, trägt der Ersteher die Lasten – und gebühren ihm die Nutzungen – erst vom Zuschlag an.

a) § 56 Satz 2 ZVG ist – in den Grenzen des § 59 Abs. 1 ZVG – zwingendes Recht. Nach § 59 Abs. 1 ZVG kann jeder Beteiligte eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen verlangen; wird durch die Abweichung das Recht eines anderen Beteiligten beeinträchtigt, so ist dessen Zustimmung erforderlich. § 59 ZVG erweitert im Interesse der Beteiligten die Bietmöglichkeiten, um die Erzielung eines möglichst guten Versteigerungsergebnisses zu ermöglichen (Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. 1984 T 59 Rdnr. 1 Schiffhauer, Rpfleger 1986, 326, 345). Mit dieser Zielsetzung ist eine Mithaftung des Erwerbers für die Hausgeldrückstände schwerlich vereinbar. Denn wirtschaftlich wirkt sie sich wie eine dem Betrag nach unbegrenzte Vorlast zugunsten der anderen Miteigentümer aus (BGHZ 88, 302, 308 im Anschluß an Röll, NJW 1976, 1473, 1476 und Diester, NJW 1971, 1153, 1156). Insbesondere wenn nicht genau feststeht, wie hoch die Rückstände sind, wird kaum ein Interessent auf das Ausgebot mit der abweichenden Bedingung bieten (Schiffhauer, a.a.O. S. 340).

Wollte man dessenungeachtet eine abweichende Feststellung im Sinne der Mithaftung für grundsätzlich zulässig halten, so konnte sie doch jedenfalls erst in Stadium des Zwangsversteigerungsverfahrens getroffen werden und wäre selbst dann gegen den Widerspruch eines durch sie wirtschaftlich benachteiligten Beteiligten nicht durchzusetzen (vgl. auch Zeller, ZVG 11. Aufl. § 59 Rdn. 2 Ziffer 8). Gegen diese gesetzliche Interessenbewertung würde es verstoßen, wenn es in der Rechtsmacht des Eigentümers stünde, schon im Rahmen der Vorratsteilung nach § 8 WEG die Mithaftung des Erstehers für die Hausgeldrückstände im voraus festzulegen. Eine solche Ausformung des Sondereigentums verstoßt gegen § 56 Satz 2 ZVG in Verbindung mit § 59 ZVG und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.

b) Es besteht auch kein unabweisbares praktisches Bedürfnis, dieses Ergebnis der gesetzlichen Interessenbewertung etwa im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu korrigieren. Wenn der Ersteher nicht mithaftet, muß das rückständige Wohngeld allerdings von den Übrigen Wohnungseigentümern getragen werden. Die Eigentümergemeinschaft hat es aber, worauf der Vorlagebeschluß mit Recht hinweist, in der Hand, durch sorgfältige Aufstellung des Wirtschaftsplans, Bildung angemessener Rücklagen, alsbaldige Jahresabrechnung und zügige Beitreibung der auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Anteile das Auflaufen größerer Rückstände zu verhindern. Im Falle eines Zwangsversteigerungsverfahrens kann sie die Rückstände genau berechnen, einen Vollstreckungstitel erwirken und wie jeder andere Vollstreckungsgläubiger dem Verfahren beitreten. Der Ersteher dagegen hat keinen Einfluß auf den Umfang der Rückstände und kann sich über ihre Höhe, wie dargelegt, nur unvollkommen informieren.

c) Nach alledem ist die weitere Beschwerde der Beteiligten als unbegründet zurückzuweisen.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

 

Unterschriften

Dr. Thumm, Hagen, Vogt, Räfle, Lambert-Lang

 

Fundstellen

Haufe-Index 542421

BGHZ

BGHZ, 358

BB 1987, 641

NJW 1987, 1638

BGHR

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1988, 27

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge